Tansania Tagebuch – Letzter Teil

Wo ist die Zeit hin?! Einerseits sauste sie nur so an einem vorbei, andererseits stand sie auch ein bisschen still, zumindest fühlt es sich an, als seien wir seit drei Monaten aus Deutschland weg. Nun also denn: Letzter Tag in Tansania!

  1. März Dar es Salaam – Letzter Tag.
    Schnüff.
    Laut unserem Reisebüro können wir zu 99% davon ausgehen, dass wir von Istanbul auch weiter nach HH fliegen dürfen. Schade eigentlich.
    Nach ein bisschen vorpacken holen uns die Simba Queens ab und geht es los zum Turnier auf deren Spielgelände (und der unteren Mannschaften).
    Am Turnier teilnehmen tun u.a. das Team Deaf Dar City FC (hörgeschädigte Frauen), ein Team bestehend aus den weiblichen Angestellten unseres Hotels (ein Hoch auf unser Serene Beach Resort!), ein Team mit Albino-Frauen (ist das politisch korrekt? Muss es nicht zumindest Albinas heißen?), die aber nicht spielen, wahrscheinlich weil es viel zu heiß und sonnig ist und ihre Haut das nicht ertragen würde. Außerdem anwesend eine Gruppe Frauen in langen Kleidern und Kopftüchern, über den Grund ihrer Anwesenheit wir zunächst nichts erfahren. Wir werden niemandem vorgestellt.
    Urplötzlich fällt mir endlich endlich auch wie Schuppen vor den Augen an wen mich die eine aus unserem Hotel erinnert. An Lt. Uhura (in etwas älter) vom Raumschiff Enterprise. Und tatsächlich, eine Verbindung gibt es ja, schließlich ist Uhura Swahili und bedeutet Freiheit (wenn mich meine Erinnerung nicht trügt) und Lt. Uhura sprach ja auch fließend Swahili.

Gespielt wird dann teamübergreifend, mit Leibchen. Ich verliere als Zuschauerin sofort den Überblick. Mir kommt es eh wie Selbstmord vor in dieser Mittagshitze bei sengender Sonne zu spielen. Es ist selbst zum fotografieren zu heiß und ich bleibe überwiegend im Schatten des einzigen Gebäudes da. Ich beobachte die Zaungäste. Die wenigsten dürfen anscheinend aufs Gelände, daher sind tatsächlich die meisten hinter dem Maschendrahtzaun. Männer, Frauen und Kinder. Sie gehören wahrscheinlich eher nicht zu den Wohlhabenderen, aber alle besitzen eine beeindruckende Würde. Ein kleines Mädchen steht am Zaun, hinreißend in einem blassrosa Rüschenkleid mit Pailetten. Mit Sicherheit Second Hand, und ich bin sonst kein Fan von rosa-glitzer-mädchen-Kleidern, aber das sah berührend und umwerfend aus an ihren staubigen Beinchen und ihrer unbekümmerten, anmutigen Haltung.

Zwischendurch wird in einem Tuktuk (die in Tansania anders heißen) Essen geliefert. Das ist ein bisschen komisch, wenn man dabei von Menschen hinter einem Zaun beobachtet wird. Immerhin beruhigen wir unser Gewissen, indem wir den Flaschen sammelnden Kindern unsere ca. 300 (vollkommen realistische Schätzung) leergetrunkenen Wasserflaschen übergeben.

Das Turnier zieht sich hin. Es ist praktisch dunkel, als endlich die Pokalübergabe ist. Alle Teams kriegen einen, und alle Teilnehmer*innen (auch alle, die nicht gespielt haben), bekommen persönlich und einzeln nacheinander eine Medaille. Ich auch. Asha hält noch eine Rede und stellt nun auch endlich die Frauen aus der Albino-Gruppe sowie diejenigen mit den Kopftüchern und langen Röcken vor, die Teil von Projekten gegen Diskriminierung und gegen Ungleichheit sind. Schließlich bricht die Nacht herein und die doch recht langwierige Abschlussveranstaltung muss abgekürzt und beendet werden.

Die Rückfahrt Richtung Hotel dauert lang. Rushhour. Dann gibt es ein Missverständnis wo gegessen werde soll. Das Hotel hat Essen vorbereitet, aber es wird trotzdem entschieden, dass wir wieder in der Amsterdam-Bar essen. Ich finde das doof, da ich langsam Angst kriege, ob die Zeit zum fertigpacken reichen wird. Schließlich soll uns um 23h schon der Busfahrer abholen zum Flughafen. Aber ich habe gelernt ‘No Worries!’ und packe dann eben hektisch.

Der Busfahrer, unser Held, ehrlich, ist wie immer pünktlich und bringt uns sicher und zeitig zum Flughafen. Abschied nehmen. Alle zum fünften mal umarmen. Das alles unter den Augen einer Dreiergruppe Italiener, die mit Mundschutz hinter uns in der Schlange stehen. Corona ist für uns immer noch unvorstellbar weit weg. Tansania hat bis dahin keinen einzigen gemeldeten Fall und die Nachrichten von Zuhause, dass überall Toilettenpapier gehamstert werde, kann uns auch nicht schocken. Doch nach dem einchecken kommt das Thema schlagartig näher. Ein riesiges Schild weist auf Vorsichtsmaßnahmen hin und der quasi Duty Free Shop verkauft neben ‘Tanzania – Unforgettable’-Tshirts auch Mundschutzmasken.
Ich kaufe mir von meinem letzten Geld (einen Großteil habe ich noch rücktauschen können) ein überteuertes, aber nach wie vor köstliches Safari Bier. Und ich vermisse unsere Zeit hier und die Simbas schon jetzt. Seufz.

Der Rückflug verläuft ruhig und völlig problemlos, ich schaffe es sogar 5 Stunden zu schlafen und trockne diesmal nicht aus. In Istanbul deutlich höheres Aufkommen an Menschen mit Masken und meinen Gewinn am Glücksrad der Duty-Free-Parfümerie für einmal schminken lassen muss ich auch aufgrund von Hygienemaßnahmen eintauschen gegen ein paar Pröbchen. Immerhin, man lässt uns ohne jede Einschränkung weiterfliegen. Kurz bangten wir, da die Hälfte der Flüge z.b. nach Hannover und Nürnberg gestrichen waren. Aber Hamburg, Go for it! Ankunft am Sonntag Abend. Letzte Umarmungen. Unsere Wege trennen sich. Am nächsten Tag tritt der Lock down in Kraft.

Fazit: Unglaubliche zwei Wochen voller Eindrücke, die ich nicht richtig verarbeiten konnte, weil ein anderes Thema plötzlich und radikal alles überlagerte und wegschob: Corona. Das ist schade, denn die Reise und der Aufenthalt in Tansania hätte eine Reflektion gebraucht, die sich Zeit hätte nehmen dürfen. Im Nachhinein bin ich allerdings dankbar über das einzige, was mich in Tansania gestört, weil zermürbt hat: das viele Warten, die unbegründbare Unpünktlichkeit, der immer wiederkehrende Leerlauf. Es hat mich gelehrt ganz wunderbar abwarten zu können und mir wenig Gedanken darüber zu machen, wann es wie weitergeht.

Im Juli war 10 Jahre Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Dar es Salaam. Die Feierlichkeit mussten leider ausfallen. Auch die Millerntorgallery hätte ihr 10-jähriges gehabt und musste verschoben, bzw. z.T. online gefeiert werden. Ob wir die Ausstellung der Bilder in 2021 im Millerntorstasion nachholen, steht freilich noch in den Sternen.
Mit den Simba Queens stehen wir noch in Kontakt. Wir vermissen sie, sie vermissen uns. Wir sind ganz schön stolz auf sie, dass sie den Meisterschaftstitel geholt haben der Tanzania Women’s Premiere League. Ich folge den meisten Spielerinnen auf Instagram und auch dem Instagram account des Frauenteams (instagram.com/simbaqueensctanzania)(ja, wird genau so geschrieben). Auch sie hatten kurz nach unserer Abreise Lockdown, die Liga wurde unterbrochen, die Simbas reisten auf unbestimmte Zeit zu ihren Familien, von wo sie uns wie zum Hohn (aber unbewusst) Videos schickten mit Challenges wer am längsten eine Klopapierrolle in die Luft kicken kann.

Tansania ist nach eigenen offiziellen Angaben angeblich bislang gut durch die Coronakrise gekommen, zumindest was die Zahl der Infizierten und Toten angeht, aber genaues weiß man nicht, da die Regierung schon seit Monaten keine Zahlen mehr veröffentlichen lässt und einen recht eigenwilligen Umgang mit dem Virus fährt. Außerdem hat Tansania ein Medikament gegen Covid19 auf den Markt gebracht – Covidol – das angeblich Wunder wirkt. (Auszug vom Deutsch-Tansanischen Kulturportal Bagamoyo e.V.: Zitatanfang: Die regierungsnahe Tageszeitung Daily News bezeichnet in ihrem heutigen Artikel Covidol als “eines der Geheimnisse für den Sieg im Kampf gegen die Coronavirus-Krankheit im Lande” und pries “die Entscheidung Tansanias für einen anderen Weg: An Gott glauben und Kräuterdampf einatmen”. Und Dr. Paulo Mhame, Stellvertretender Direktor für traditionelle und alternative Medizin im Gesundheitsministerium, hat als hoher Regierungsvertreter Covidol nicht nur gelobt, sondern sogar einen Aufruf gestartet: “Ich fordere die Tansanier auf, traditionelle alternative Medizin nicht nur im Falle einer Covid-19-Erkrankung, sondern auch gegen jeden anderen Krankheitsausbruch in Betracht zu ziehen.” Bei einer besseren Vermarktung könne Covidol weltweite Aufmerksamkeit erlangen und in Tansania viele Arbeitsplätze schaffen. Zitatende.) Wisst ihr Bescheid! Ach so und der Präsident hat just das Ende der Pandemie verkündet, nach 3-tägigen Gebeten in Kirchen und Moscheen des Landes. https://hpd.de/artikel/tansania-erklaert-corona-krise-nach-gebet-fuer-beendet-18395. Eigentlich müsste ihn eine bestimmte Klientel in Deutschland, die sich grad auf den Weg nach berlin macht, dafür total abfeiern.

Nun, ich weiß nicht was ich von der Lage in Tansania halten soll. Aber zumindest den Simba Queens geht es gut.

Ich hoffe euch hat es ein bisschen Spaß gemacht uns auf der Reise zu begleiten, ein bisschen in die Ferne zu schweifen, Corona zu vergessen und ein ganz klein wenig über das wunderschöne Land zu erfahren. Kwaheri!


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