10 Jahre Millerntor Gallery – Wir feiern online mit!
Interview mit Benny Adrion und Marcel Eger
Im Vorfeld des DFB-Pokal-Spiels im Oktober 2019 gegen Frankfurt kursierte im FCSP-Kosmos mal wieder die schöne “Pokalfinale”-EP von Benny Adrion & Marcel Eger (feat. Ras Krass), die 2006 aufgenommen wurde. Grund genug, einmal nachzufragen, was die beiden jetzt so machen. Das wollten wir längst getan haben, kamen dann aber erst im April 2020 dazu: Die Bundesliga auf Eis gelegt, Corona-Abschottung überall, Grenzen dicht und das 10-jährige Jubiläum der Millerntor Gallery auch abgesagt (trotzdem vom Übersteiger herzlichen Glückwunsch!). Daher lief dann auch das Interview mit Benny und Marcel nur schriftlich, aber nicht weniger unterhaltsam.
Übersteiger (ÜS): Hallo ihr zwei. Was sind eure aktuellen Projekte und wo finden sie statt?
Benny Adrion (BA): Danke der Nachfrage. Seit Januar bin ich in Südafrika. Wir bauen hier Viva con Agua auf. Nach Uganda das zweite afrikanische Land, in dem ein eigener Verein entsteht. Leider ist das alles gerade auch ein wenig verzögert wegen diesem doofen Virus. Wir bereiten uns aber vor, sodass wir, wenn der Spuk vorbei ist, wieder Vollgas loslegen können. Hygiene und sauberes Wasser sind wichtiger denn je, das kann jeder nachvollziehen jetzt.
Marcel Eger (MA): Hola, ihr Übersteiger*innen! Danke der Nachfrage … Wenn du Projekte von VcA ansprichst, kann ich da am besten an Benny weitergeben, der ja wesentlich näher am aktuellen Geschehen und der Community ist. Da ich außerdem aus den Social Media raus bin, freue ich mich, hierüber auch Näheres zu erfahren. Durch meine Position als Stifter bin ich trotzdem gut über den gesamten Kosmos, die Zusammenhänge und wichtigsten Entwicklungen informiert.

© Bastian Henrichs, Medien- und Öffentlichkeitsarbeit / PR Manager, Viva con Agua de Sankt Pauli e.V.
(ÜS): Marcel, warum lebst du jetzt auf Teneriffa? Benny wo ist dein Zuhause jetzt?
(BA): Südafrika. Hier werde ich erst mal sein die nächste Zeit. Zumindest ist das der Plan. Natürlich werde ich auch regelmäßig in Hamburg sein, schließlich bleibt Sankt Pauli das Epizentrum für Viva con Agua.
(MA): Mein Opa hatte Anfang der Achtziger zusammen mit seiner dritten Frau ein kleines Häuschen auf der Insel gekauft. Nun haben meine Schwester und ich es quasi geerbt. Darüber hinaus hat unsere Mutter eine Finca hier. So kümmere ich mich als Hausmeister und Gärtner um deren Zustand, bekomme viel Besuch, male ein bisschen und habe zwischendurch auch viel Zeit für mich, meinen Hund und das Leben.
(ÜS): Erinnert ihr euch noch an eure Single, “Pokalfinale”? Guter Reggae Dub und wird noch immer gehört. Habt ihr dazu etwas zu erzählen?
(MA): Ja, das war eine witzige Nummer! Wir beide waren damals verletzt bzw. in der Reha … ich mit meinem Kreuzband und Benny, du mit der Achillessehne, oder? Naja, jedenfalls hatten wir dann auch Zeit für etwas kreativen Schabernack. Stefan, der ja jetzt die „Astrastube“ in Neukölln, Berlin, betreibt, hatte Benny gefragt, ob wir nicht Lust hätten, aus der Hookline, die am Millerntor von den Fans gesungen wurde, ein Lied zu machen. Benny, woher kanntet ihr euch eigentlich? Dann sind wir an einem freien Wochenende nach Berlin zu Stefan gefahren, ins kleine Kellerstudio, haben ein Gläschen Wein getrunken, (vielleicht sogar eine Sportzigarette geraucht … off the record?!) getextet und gesungen. Benny, willst du weitererzählen?
(BA): Evergreen! Sportzigarette? Kann ich mich nicht mehr dran erinnern, Ha!
(ÜS): Eine Neuauflage wird es wohl erst mal nicht geben. Aber vielleicht etwas für Viva con Agua oder der Millerntor Gallery (MTG)?
(BA): Ach nee. Das Ding geht nur einmal. Sowas kann man nicht wiederholen. Kann man schon, sollte man aber nicht. Es war damals schon haarscharf vorbei an der Peinlichkeit, heute würde uns das nicht noch einmal gelingen.
(MA): Meinst du, das sollten wir den Menschen nochmal antun? Wer weiß … ich übe schon mal ein bisschen Gitarre.

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(ÜS): Apropos MTG #10 Jahre Jubiläum in diesem Sommer und leider auch wegen der Corona-Krise abgesagt: Habt ihr etwas Besonderes aus den letzten Jahren zu erzählen? Wird sich etwas Besonderes online zum Sommer ausgedacht?
(BA): Es ist schade. Leider fallen in diesem Jahre viele wichtige VcA-Dinge aus. Pfandbecher auf Festival, Netzwerktreffen, Millerntor Gallery. Das gesamte Viva con Agua-Leben besteht daraus, dass Menschen sich treffen und gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Das alles kann im Moment nicht stattfinden. Gleichzeitig bleiben auch viele Spenden und Einnahmen aus. Wir versuchen, das Beste draus zu machen. Stream 4 Water waren tolle Onlineerlebnisse, die wir kreieren konnten in den ersten Wochen. Nun werden wir auch andere Formate digital abhalten, das Netzwerktreffen wird zum online summit, etc. Nur leider ist das kein wirklich adäquater Ersatz. Nichts ersetzt persönliche Kontakte in Echt.
(MA): Für mich war es im letzten Jahr wieder in einer neuen Rolle. Nachdem ich schon als „Projektbezogener Edelassistent“, „Künstlerbetreuer“, „Der mit dem einzigen Schlüssel für die Türen des Millerntorstadions“, „Opfer“ und so weiter für die MG tätig gewesen war, kam ich 2019 als „Künstler“. Das war schon ganz witzig, und es wurden sogar drei Bilder verkauft. Es ist für mich aber vor allen Dingen immer wundervoll, in diesem Umfeld so tolle Menschen kennenzulernen und wiederzutreffen. Ich freue mich schon auf das nächste Jahr, wer weiß, in welcher Rolle oder einfach mal wieder privat.
(ÜS): Spielt ihr noch Fußball?
(BA): Manchmal ein bisschen mit meinem Sohn. Macht Spaß. So wie früher halt, als ich selbst noch ein Kind war. Voll gut.
(MA): Nein.

© hog
(ÜS): Marcel, bist du für VcA aktiv, oder kannst du dir vorstellen mit zu machen?
(MA): Wie gesagt, ich werde ja eh als Stifter ständig, also mindestens einmal im Jahr, über alles informiert. Da Benny und ich zwar nicht regelmäßig Kontakt haben, trotzdem eine stabile Verbindung haben, kommt es zwischen uns auch sonst zum Ideenaustausch. Ich möchte gerne bei einem weiteren „Waterwalk“ dabei sein, vielleicht durch Indien/Nepal?!
(ÜS): Im November 2019 war die dritte Auflage von Art Creates Water im National Museum Uganda in Kampala. Künstlerinnen stellten ihre Werke zur Verfügung und der Erlös ging wieder 50/50 an die Künstler und an VcA. Am 30.11. 2019 fand dann auch das dritte Festival WE LOVE YOUGANDA dort statt – Musikfestival mit ca. 20 Bands und Musikerinnen. Außerdem gab es dann noch die Veranstaltung Wall of Waters, bei der Künstlerinnen aus aller Welt in und um Kampala herum auf der Straße aktiv wurden und Häuser, Brücken, etc. verschönerten. Am Goethe-Zentrum in Kampala prangt ein riesen Bild (ca. 40×40 Meter) zum Thema „Save the Nature“. Gibt es positive Resonanz von Ugander*innen in Kampala über diese vielfältigen Aktivitäten? Ist der Supporter-Pool für VcA Kampala in den letzten Jahren gewachsen?
(BA): Die Unterstützung und das Netzwerk in Uganda wächst ständig weiter. Mittlerweile ist Viva con Agua Uganda eine gereifte Organisation, die auch die Entwicklung von Viva con Agua in anderen afrikanischen Ländern unterstützen kann. Wir haben wirklich viele Freunde und immer wieder neue Potenziale, die es zu entwickeln gilt. Aktuell streben wir eine Partnerschaft mit einem Wasserfilterhersteller namens Spouts an. Das wäre das erste Social Business in Uganda und ein echter Meilenstein. Spannend zu sehen, wie sich das entwickelt.
(ÜS): Stichwort Mozambique/Äthiopien und jetzt auch Südafrika. Bitte eine Kurzvorstellung der neuen Projekte.
(BA): In Südafrika geht es jetzt los. Ich lebe seit Januar in Kapstadt. Es ist total spannend, noch einmal von vorne anzufangen. Wir wollen unser Netzwerk nicht nur in Südafrika, sondern auch in den anderen Kernländern von VcA vergrößern. Mozambique, Uganda und Äthiopien stehen da an erster Stelle. Es ist wichtig, dass wir unseren Aktionsradius auch international weiter erweitern. Daran arbeite ich nun aus Südafrika mit Hochdruck!

© hog
(ÜS): Die DFL hat gerade ihren neuen Fahrplan rausgebracht, wie der Corona-Krise getrotzt werden kann. Danach, so das Statement Ende März 2020, ruht der Ligabetrieb bis mindestens Ende April. Bis Ende Juni soll die Liga dann mit Geisterspielen abgeschlossen werden. Natürlich mit besonderen Corona-Schutz-Vorkehrungen, wie z.B. Gesundheitschecks und Corona-Tests bei allen Spielern und Beteiligten. Was haltet ihr von Geisterspielen?
(BA): Wat mutt, dat mutt. Ich denke Sport und Fußball kann Menschen auch wieder auf neue Gedanken bringen und ein wenig Normalität zurückbringen. Zudem ist es wirtschaftlich äußerst wichtig, dass Ball und Rubel wieder rollen. Unter gewissen Umständen sollte es auch ein überschaubares Maß an Risiko sein, was eingegangen wird. Daher denke ich, Politik, DFL und Vereine werden ein angemessenes Maß und Lösungen finden.
(MA): Dazu habe ich keine Meinung. Der Fußball an sich kann jetzt, genau wie die Wirtschaft auch, die neoliberalen Strukturen aufheben. Wieso sollten Fußball und Funktionäre eine Extrabehandlung bekommen, nur damit die Spiele weitergehen können und der Rubel … äh, der Ball wieder rollt?!
(ÜS): Wie nehmt ihr die erschreckenden News zum Corona Virus im Ausland auf? Wie wird damit bei euch umgegangen?
(BA): In Südafrika sind die Zahlen noch überraschend niedrig. Ein strenger Lockdown hat dazu beigetragen, dass die Reproduktionszahl offensichtlich noch niedrig ist. Ich befürchte jedoch, dass dies nicht lange so bleiben wird, sondern dass hier die schwierigste Zeit noch bevorsteht. Gesundheitssysteme sind nicht auf eine Ausbreitung und viele kranke Menschen eingestellt. Insgesamt ist es aktuell eben noch sehr ruhig und alles wirkt gut organisiert. Die Situation in den Townships jedoch spitzt sich langsam zu. Wenn die Menschen nicht arbeiten können, dann fehlt das Geld für Grundbedürfnisse. Das geht nicht lange gut.
(MA): Hier in Spanien ist die Ausgangssperre ja noch etwas strenger als in Deutschland. Vor ein paar Tagen bin ich in eine Kontrolle der Guardia Civil geraten. Die machen ihren Job, befolgen die Anweisungen von oben, ohne sie zu hinterfragen. Der Typ, der wissen wollte, wohin ich fahre, war sehr repressiv, wollte mir den „Ernst der Lage“ klarmachen, und dass ich nicht so viel grinsen sollte … Diese Entwicklung beschäftigt mich tatsächlich am meisten. Dass diese Situation hergenommen wird, um faschistische Strukturen einzuführen, die Menschen noch mehr zu überwachen, zu unterwerfen. Ich glaube aber fest daran, dass das nicht funktionieren wird, weil es andererseits viele Menschen gibt, die aufwachen, sich selbst und das System beobachten und hinterfragen.
(ÜS): Marcel, du warst im Sommer 2019 bei der Millerntor Gallery mit eigenen Bildern. Ich erinnere mich, dass eines falsch herum aufgehängt war und doch einen großen Gewinn eingefahren hatte. Weißt du noch?
(BA): Ich hab auch eins gekauft … wo habe ich es nur hingestellt 😉
(MA): Ja, das war witzig …
(ÜS): Watoto Wasoka – Football made in Slums von Kampala und Umgebung ist richtig groß geworden. Warum gibt es noch keine Kooperation zwischen dem FCSP und Watoto Wasoka, oder wissen wir noch nichts davon?
(BA): Das sollten wir machen. Habe das Gefühl, beim Verein sind die Verantwortlichen gerade auch stark eingebunden. Vielleicht finden wir dafür Zeit, wenn sich die Dinge wieder ein wenig beruhigen und existenzielle Sorgen überwunden werden konnten.
(ÜS): Wie schränken die Lockdowns euch in eurem Privatleben ein und was nervt euch da am meisten?
(BA): Lockdown ist ziemlich streng in Südafrika. Wir können nicht richtig aus dem Haus. Wir würden gerne so viel starten und loslegen und aktuell sind uns die Hände gebunden, das nervt!
(MA): Sie schränken ein, dass ich nicht spontan überall dahin gehen kann, wo ich möchte.
(ÜS): Was ist das erste was du machen wirst, wenn alle Corona-Einschränkungen vorbei sind?
(BA): Ins Meer springen!
(MA): Ins Meer springen!
(ÜS): Vielen Dank für eure Zeit und weiterhin viel Erfolg. Hoffentlich feiern wir noch zusammen das MTG-Jubiläum Online!
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We are celebrating MTG #10 with Pokalfinale at the balcony