Übersteiger 102

Jolly Rouge

   Wer hätte das gedacht. Auf unserer Weihnachtsfeier in der Weinbar St. Pauli haben wir die erste Version eines Artikels über die aus unserer Sicht fragwürdige Liaison mit Susis Showbar diskutiert, das unter konspirativen Umständen zu Stande gekommene Cover-Foto ging von Hand zu Hand. Manche waren etwas euphorisiert, andere auch ein wenig stolz auf so eine Geschichte und wieder für andere war es halt eine Geschichte, wie es sie schon oft im Übersteiger gegeben hat: etwas meckerig, aber immer mit dem Herzen als Fan unseres FC St. Pauli geschrieben.

   Und dann das: Beim Heimspiel gegen Freiburg war ich persönlich überwältigt von der Welle, die auf einer feucht-fröhlichen Weihnachtsfeier ihren Anfang nahm und bis heute den leichten Muff, der sich unter den Talaren einiger Funktionäre und Vereinsangestellter angesammelt hat, wegspült. Wir sind Jolly Rouge. Ich will nicht sagen, dass der Übersteiger verantwortlich für die Proteste gewesen sei. Aber zumindest für die Redaktion war der Artikel der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

   Aber was ist eigentlich passiert, warum kam es zu dieser Eruption von Gefühlen? Ich versuche einen kleinen Blick zurück, ein Zwischenfazit. Denn mehr als ein Zwischenfazit kann ich nicht geben – der Protest, die Auseinandersetzung mit dem Verein und seiner Vermarktung ist noch lange nicht vorbei.

   Es schwelte schon länger. Für mich persönlich war zum Beispiel die Sache mit der etwas rüden „Umbettung“ alteingesessener Haupttribühnengänger während und nach Fertigstellung der Haupttribühne so etwas: Ein kleines Männchen in meinem Kopf hatte eine Waage in der Hand. Auf der einen, der rationalen Seite, standen Begriffe wie „Sachzwang“, „1. Liga“, „wirtschaftliche Notwendigkeiten“ usw. usf. Auf der anderen Seite war ein Bild. Das Bild von Menschen, die ich nun nicht unbedingt zu meinem engeren sozialen Umfeld zählen würde, meistens älter und beleibter als ich, die aber in hochgradiger Erregung bei spannenden Spielen vor ihren Sitzen stehend den Eindruck erwecken konnten, dass, sollte Ihnen ein gegnerischer Flankenläufer zu nahe kommen, sie ihm über die Bande hinweg den Kopf abzubeissen gewillt seien. Im rein sportlichen Wettkampf, versteht sich. Diese Menschen wurden geräumt. Zur Seite, weg vom Zentrum, weg von den Business-Seats. Das tat mir leid, wütend war ich noch nicht. Zumal es einigen gelungen ist, sich selbstorganisiert – der Einsatz von Sven Brux sei hier auch nochmal erwähnt – zu der schon jetzt legendären Gruppe Oldtras mit Blümchenarrangement zusammenzufinden. Aus der Not eine Tugend gemacht, das mildert die Enttäuschung.

   Ebenso ging es mir mit der zweiten Reihe Logen, die auf einmal auf dem Haupte der Haupt prangten. Sie stören nicht großartig, jedenfalls nicht mich auf der Gegengeraden. Gut, etwas weniger Sonne, aber die blendet ja eh meistens. Auf der anderen Seite: Ein wenig überraschend war es schon für mich, ich fühlte mich als Fan und Vereinsmitglied vor den Kopf gestoßen. Die Waage des kleinen Männchens in meinem Kopf hob den Berserkermob wieder ein wenig nach oben und senkte die andere Seite.

   Aber was soll’s, hundert Jahre alt, halbfertiges Stadion, erste Liga – die Zufriedenheit, das emotionale Besoffensein half, so etwas sehenden Auges zu akzeptieren.

   Die tanzenden Frauen in Susis Loge waren aber ein Hammer, den man bei aller Glückseligkeit nicht übersehen konnte. Der Verein, korrekt: seine Vermarktung, hatte offensichtlich etwas akzeptiert, was mir als Mitglied des Vereins entschieden zu weit ging. Allen Beteuerungen, nackt tanzen sei explizit ausgeschlossen worden, zum Trotz. Ich kann mir nicht vorstellen, dass aus der Chefetage niemand bemerkt haben will, was dort vor sich ging. Hat uns 1946 ja auch keiner abgenommen – zu Recht.

    Parallel dazu entwickelte sich ein im Forum ein Faden, der versucht hat, all die kleinen Nickeligkeiten, die einzeln für sich genommen, noch niemanden wütend machen, zu sammeln. Aufhänger war dort das frühzeitige Verlassen des Stadions großer Teile der Haupttribühne – etwas, was für mich auch auf die Seite der Waage des kleinen Männchens gehört, auf der auch der BWL-Erstsemester-Einführungsreader liegt. Kann man verschmerzen, auch wenn es nicht schön ist.

   Dann kam die LED-Wand-Aktion vom „Sponsor of the day“, blau de. Drei LED-Wände, auf denen der geneigte Kunde der Stadionvermarktung munter SMS schreiben durfte, die dann aller Welt in Laufschrift zugänglich gemacht wurden. Was bei Twitter noch ein Knaller war, ist in einem Stadion einfach nur ein Rohrkrepierer. Bei etwa 23.000 Fans wurden in neunzig Minuten laut blau.de ca. 400 SMS öffentlich gemacht. Darunter waren neben den üblichen „Karl grüßt seine Birgit“ und „Stupsi, ich liebe dich“-Grüßen auch echte Widerwärtigkeiten. Grüße an die Bundeswehruni sind da noch das harmloseste, angeblich, ich habe es nicht selbst gesehen, sollte sich auch ein Mensch, der dem Hobby „Nutten züchten“ frönt, gegrüßt fühlen. Nicht durch kamen Kurzbotschaften, die diese Art der Vermarktung pauschal als „Scheiß-Kommerz“ abkanzelten. Die Waage senkte sich endgültig, schien dort wie Beton zu verweilen und der Haupttribühnenmob auf der angehobenen Seite machte ziemlich traurige Gesichter.

   Nach einer großen Welle der Erregung machte sich eine gewisse Melancholie breit. Passend fand ich den Begriff „Liebeskummer“. Nun kann man auf verschiedene Art mit Liebeskummer umgehen. Manche holen sich eine Flasche Schnaps und sind zwei Tage nicht zu sprechen, andere rufen Freunde an, bis die das Geheul nicht mehr ertragen und wieder andere – kämpfen. Kämpfen um das, was Ihnen liebenswert erscheint, was ihr Leben ausmacht. Die Gründe für Liebeskummer sind dabei genauso vielfältig. Vertrauensbruch, Entfremdung, gegenseitiges Unverständnis sind beliebte Motive. Allein: der Grund ist eher nebensächlich. Wichtig ist, dass man eine Ebene erreicht, in der das Konkrete nicht so sehr die Rolle spielt. Das große Ganze, das Abstrakte, unerklärliche Gefühle sorgen dafür, dass man alles in Frage stellt.

   Weil viele diesen Punkt erreicht hatten, den Punkt, an dem man sich einig war: Es geht gar nicht um kritikwürdige Einzelheiten, um Kleinkram. Es geht um das Selbstverständnis. Diese Einsicht, die dann in die Neuauflage der Sozialromantiker kumulierte, ist der eigentliche Grund für das Inferno in rot, welches gegen Freiburg zu beobachten war. Auf einmal zeigte sich, wie tief der Verein noch im Viertel steckt und umgekehrt. Freiräume zum gemeinsamen Basteln und miteinander reden taten sich auf. Aktive und ehemalige Politniks nutzten ihre Erfahrungen und Ressourcen, um anderen zu zeigen, wie schnell sich Fahnen und Transparente herstellen lassen. Menschen, die sich aufgrund dieser Dynamik entschieden haben, den längst überfälligen Vereinseintritt zu wagen. Hilfreich war natürlich das gemeinsame Symbol, die gemeinsame Symbolik. Der schwarze Totenkopf auf rotem Grund, der Jolly Rouge. 

   Ich will gar nicht im Einzelnen auflisten, was alles passiert ist. Bemerkenswert scheint mir nur, wie hilflos die Kritisierten reagierten. Es wurde Front gemacht, wo kein Land zu gewinnen war. Als besonders negativ ist mir dabei Dr. Stenger in Erinnerung geblieben. Kommunikation via Medien, wie ungerecht es sei, dass niemand der Sozialromantiker sich zu erkennen geben wolle. Besonders weh hat ein Zitat getan: „Wir haben 19 Millionen Fans in der Bundesrepublik. Auf eine Million mehr oder weniger kommt es dabei nicht an.“ Der Mann hatte nichts begriffen. Spätestens jetzt kippte meine Waage komplett, unvermittelt und nachhaltig auf die andere Seite. Und zwar so heftig, dass sich das Männchen, welches die Waage hält, heute noch nicht von dem Schock erholt hat. 

// Wilko


Derbyboykott – 
Dafür oder Dagegen?

   Am vierten Spieltag der laufenden Saison riefen die Fans der BVB dazu auf, das Revierderby aufgrund der wahnwitzigen Preispolitik der Schalker zu boykottieren. Eine riesige Anzahl von Fanclubs und Einzelpersonen folgte dem Aufruf und stornierte sämtliche Ticketbestellungen. Auch beim Hamburger Derby langten unsere Nachbarn vom Stadtrand bei den Eintrittspreisen kräftig hin. Der billigste Stehplatz war für 20,-€ zu haben. Für einen normalen Sitzplatz wurde man zwischen 38,- und 89,- € zur Ader gelassen. Hätte unser Verein im Hinspiel die Preise für Gästetickets proportional im Verhältnis 2.200 zu 5.500 umgerechnet, um auf den gleichen Reibach zu kommen, wäre der Steher für 50,- und eine Arschmulde für ca. 95,- bis 220,- Taler an den geneigten Vorstadtanhänger gegangen. Aber bevor wir uns hier in unsinnigen Rechenspielen verlieren, fragen wir lieber, ob sich ein Boykott des Derbys, auch als sinnvolles Modell für uns darstellt hätte. Zugegeben, eigentlich war die Diskussion schon vor dem Spiel irgendwie ein Rohrkrepierer und spätestens nach dem historischen Erfolg, beißt sich wohl jeder in den Allerwertesten, der nicht dabei war. Da aber unsere beiden Redakteure ihre vorab gefertigten Texte unbedingt gedruckt sehen wollen, hauchen wir der Debatte posthum neues Leben ein.

ProContra
Derby war und ist immer ein Gefühl. Ein Mix aus Hass, Rivalität und ganz viel Liebe. Gepaart mit Leidenschaft für den einen Klub. Das kann nur der eigene sein der einem gegeben ist.Derby war die kleine Marschmetropole Wilster gegen den Traditionsklub aus der Kreishauptstadt. Der Spieltag ein Rausch für alle, die als Fußballverrückte gelten. Alte Männer mit Hut und Stock, Cliquen von Halbstarken, Jungs und Mädchen beim ersten Knutscher, Jugendabteilungen sammeln für Turniere. Einige Dorfdoofis sind auch dabei, Kreisblattreporter machen Bilder und sammeln O-Töne und selbst der Dorfsheriff fährt im Dienstwagen vor. Ja, Alle die da nun so zusammen um den Platz stehen wollen, müssen am einzigen Holzhäuschen mit vereinseigenen Faktotum Kartenverkäufer vorbei. „Erwachsene 2 Mark achtzich, Rentner, Kinder, Arbeitslose: Zwei!“ Spätestens mit Anpfiff dann entlarven die ersten Pöbelnden ihre Gesinnung. Stimmung kommt auf. Derby ist auch Bierkampf: Astra gegen Holsten, Marschbier gegen Geestplörre, so verraten sich die Fanlager am Stand und es dauert nicht lange, bis sich das Geschehen auf das Feld oder vom Feld auf das Publikum überträgt. Pöbeln und Hoffen und stets besser wissen, was, wie zu tun ist, um die Anderen zu besiegen. Nach fünf Minuten merken, dass heute kein Blumenpott zu gewinnen ist. Quäkende Lautsprecherdurchsagen verkünden die Aufstellungen. Zwei Halbzeiten später dann in der Sportklause noch mal hören, warum heute nicht der Tag war, aber beim nächsten mal bestimmt wieder ist! So war das Derbygefühl, für immer eingebrannt auf der Festplatte und immer wieder mit Updates verbessert und erweitert. So ist es aber nicht mehr.Astra gegen Holsten gibt es schon lange nicht mehr. Kommt nun aus einem Haus der Schrottsaft, schmeckt auch immer noch beides Kacke. Derby-Updates gibt es jetzt wieder. Das Gefühl aber ist tot. Heute muss man sich das Gefühl nämlich teuer erkaufen, Gefühle kann man nicht kaufen. Für den Fannachwuchs oder den Familienausflug ist der Stadionbesuch schon lange nicht mehr die billige Freizeitalternative. Fußball verkommt aufgrund der enormen Eintrittspreise zu einem geschlossenen Kreis von Faneliten, die verrückt genug sind, diese enormen Summen aufzubringen. Derbygefühl ist tot! Erwacht auch durch den Kauf eines Tickets nicht zum Leben. Ganz zu schweigen davon, dass das mediale Hickhack um ein abgesagtes Derby den Profisport erst recht ad absurdum führt. Da kann man nicht mehr guten Gewissens hingehen, lieber mal wieder den Nachwuchs stärken und eine kleine neue Festplatte installieren. Fansein ist mehr als eine viel zu teure Eintrittskarte für den Profi(t)zirkus.//JEZugegebenermaßen war ich schwer beeindruckt, als ich mitbekam, wie viele Fans des BVB aufgrund der schon bizarr anmutenden Preispolitik des Nachbarn aus Schalke dem Boykottaufruf zum Revierderby folgten. Mit Sicherheit eine gut gemeinte Aktion. Wie aber heißt es doch so schön? Gut gemeint ist das Gegenteil von gut getan.Warum eigentlich ist das Mittel des Boykotts so oft erste Wahl, wenn es darum geht, gegen irgendwas zu protestieren? Nun, zunächst erfordert es relativ wenig Einsatz. Man muss nämlich nichts tun, außer zu Hause zu bleiben und obendrein spart man auch noch Geld dabei. Wer dagegen an die Kommerzkritik unter dem Jolly Rouge denkt, dem wird schnell der Unterschied zwischen beiden Protestformen klar. Außerdem stellt sich natürlich noch die Frage, inwieweit ein Boykott die angestrebte Aufmerksamkeit erzielt. Erfahrungsgemäß ist den konventionellen Medien Aktionen dieser Art nämlich bestenfalls eine Randnotiz wert. Selbst mir als wissenden Betrachter zeigten sich beim Spiel auf Schalke im Fernsehen kaum nennenswerte Lücken auf den Zuschauerrängen. Schließlich findet sich immer ausreichend finanzkräftiges Klientel, das den Vereinen die Karten aus den Händen reißen. Und bumbs hat man die Möglichkeit, die eigene Mannschaft nach Leibeskräften zu unterstützen, eventuell irgendeinem ahnungslosen Dödel übertragen. Nicht eben verantwortungsbewusst möchte ich behaupten.Der zweite Grund, warum ich mich gegen einen Boykott entschieden habe, ist rein egoistischer Natur. Das Revierderby findet mit wenigen Unterbrechungen in jedem Jahr seit Bestehen der Bundesliga statt. Auch wenn die Lüdenscheider in den letzten drei Spielzeiten nur einen Sieg verbuchen konnten, unterm Strich können sie ihre Erfolge wahrscheinlich nicht einmal mehr zählen.Dagegen hoffe und bange ich seit fast einem Vierteljahrhundert mit dem magischen FC und habe seither kein einziges Derby in der Bundesliga verpasst. Da unser letzter Sieg aber bis zum 16. Februar ’11 knapp 34 Jahre zurücklag, blieb mir die Erfüllung des großen Traumes, nämlich einmal die Rauten zu ficken, bis dato verwehrt. Wer weiß, wann ich wieder einen solchen Orgasmus erleben darf. Vielleicht wird es wieder 34 Jahre dauern. Wenn ich dann mit meinem Rollrasenverlegerversagerbesieger-T-Shirt im Rollstuhl ins Stadion geschoben werde, will ich sagen können: „Ich war dabei!“//Troll

Früher war alles besser

Gedanken zur Stimmung, Gewalt und Fangruppen 

   Wöchentlich berichten in ganz Deutschland nach Sensationen schmachtende Medien über den Untergang des Abendlandes im Allgemeinen und der Fußballkultur im Besonderen. Vereins- und Fanforen quillen über von aberhunderten (natürlich anonymen) Einträgen zu irgendwelchen relevanten oder unrelevanten Vorkommnissen rund um den Fußballplatz. Auf You Tube sind spätestens am Montag unzählige Videos über Gesangseinlagen, qualmende Kurven und Polizeieinsätze zu sehen. Auf unzähligen Internetseiten werden Fotos von den aktuellsten Choreographien für den Wettstreit der „besten“ Fanszene hoch geladen. Stellungnahmen zu was auch immer und von wem auch immer werden veröffentlicht. Zeitungen berichten mehr schlecht als recht über Themen der Fanszenen oder Fanverhalten, meistens instrumentalisiert durch Vereine oder Staatsmacht. Es kommt zu Treffen und Aussprachen zwischen Fans und Vereinen, Vereinen und Polizei, Fans und Polizei usw. In vielen Fanzines werden alle Fahrten, Spiele, Themen wieder aufgegriffen, verbreitet und beurteilt.

    Früher, ich nenn das jetzt mal so, gab es in der Sportschau einen nüchternen Kurzbericht über das Geschehen auf dem Platz; in der Zeitung ebenfalls. Der ein oder andere hatte Zugriff auf ein Hooligan Fanzine mit veralteten Berichten und ein paar wenigen Bildern über zünftige Hauereien. Fotos gab es selten und verspätet zu sehen- klobigen Kameras und wochenlangen Fotoentwicklungszeiten sei Dank. Videos schon mal gar nicht. Seitenlanges Bashing unter emotionalem Einfluss auch nicht. Wo auch? Mehr als eine Debatte beim jährlichen Fanclubtreffen oder nach gelegentlichem Flugblatt verteilen war nicht drin. Kurz gesagt: Es gab über der Mundpropaganda hinaus keine großartigen Möglichkeiten Informationen und Meinungen über spezielle Geschehnisse rund um den Fußball zu erlangen. Eine komplett andere Ausgangslage für eine mehr oder weniger gleiche Sache.

    Beim FC St. Pauli gab es einige Fanzines und regelmäßige Treffen rund um den Fanladen, sowie die jährliche Fanclubversammlung. Diese Gelegenheiten wurden von Interessierten und aktiven Fans gerne und häufig für den Austausch von Ansichten und Verbesserungsvorschlägen genutzt. Der persönliche Austausch, so nannte man das, hat über Jahre hervorragend funktioniert. Heute verbreitet im Schutze der Anonymität des Internets ungeniert und ungeprüft jeder seine geistigen, manchmal noch so undifferenzierten und unsachlichen Ergüsse. Das dabei keine fruchtbare Diskussion entstehen kann, ist doch klar, oder? Durch vorschnelle Be- und Verurteilungen und oft bewussten Anschwärzungen von bestimmten Gruppen wird sachlichen Dialogen jeglicher Raum genommen. Jeder Bierbecherwurf und jeder harmlose Ordnereinsatz wird zum „Krawall“ und durch jedes nicht gesungene Fanlied „stirbt die Fankultur“.

Früher war alles besser – 
Die Stimmung

    Was ist eigentlich Stimmung? Ganz bestimmte Lieder? Eine ganz bestimmte Art von Liedern? Optisch unterstützt oder nur gesungen? Dauerhaft über 90 Minuten oder Spielszenen abhängig? Nur, wenn es gut läuft oder erst recht, wenn es nicht läuft? Müssen alle singen? Oder nur ein Teil der Fans? Ist Stimmung nicht auch etwas ganz persönliches? Ist es Stimmung, wenn an einem Freitagabend unter Flutlicht die Bezugsgruppe mittleren Alters nach dem fünften Bierchen “ in der 88 Minute beim Stand von 0:0„Gyros, Tzaziki und dazu Salat singt? Oder , wenn die Gegengerade geschlossen den Neuner des Gegners nach dem dritten Foul in Folge bepöbelt? Oder die Süd nach langatmigen Gekicke in der 80. Minute vor sich hin singt? Ist Stimmung das wiederholte Skandieren von lediglich „St.Pauli“ aller Tribünen? Geht Stimmung nur mit optischen Hilfsmitteln oder auch ohne? Kaum zu beantworten die Frage!

    Diese Stimmung war übrigens von den Gegnern des heutigen Supports glorifizierten Zeiten Anfang der neunziger Jahre mal so schlecht, dass eine Initiative zu Verbesserung der Stimmung am Millerntor mit dem Ergebnis der Einführung der Singing Area im Block 1 der Gegengerade gestartet wurde. Auch dort wurden von Aktivisten Lieder eingebracht und zum Mitsingen animiert. Auch damals gab es Kritik an allem (Liedgut, Besserfans usw.). War nicht viel anders als heute, es gab nur keine Foren. Aber war es denn so falsch? In den Bundesligajahren 89-91 und 95-97 war die Stimmung unbestritten überwiegend gut. Das was man als Roar bezeichnete. Vom ganzen Stadion getragen wurden aber auch schon damals nur einfache „St. Pauli“ Anfeuerungsrufe. Komplett harmonisch war er nie. Dazwischen, in den Zweitligazeiten, war die viel zitierte Stimmung, wer sich ehrlicherweise daran erinnern mag, so wie oft das Spiel, richtig schlecht. Das Millerntor war selten ausverkauft. Auf dem Platz stümperten Carlo Werner & Co. Entsprechend hielt man sich mit Galgenhumor bei Laune. Hauptsache man hatte mit Freunden und ein paar Bierchen einen schönen Tag. Und genau DAS hat sich verändert: Die Anspruchshaltung! Geld, Kommerz, ein neues Stadion und immer älter werdende Fans auf den Tribünen hinterlassen ihre Spuren. Egal wie kultig sich man den FC St. Pauli einredet- Erfolg ist gefragt. Auch mir fällt es schwer neunzig Minuten hüpfend und Fähnchen schwingend dem Dauergesang zu folgen (im Selbstversuch getestet). Auch ich möchte mal nur schweigend an meinem Bierchen nippen, wenn `s nicht läuft. Aber wenn das alle täten, wäre hier bald nix mehr los. Bei manchem durchschnittlichen Zweit- und Erstligaspiel ist es auf der Nord und Gegengerade erschreckend ruhig geworden- ich nehm` mich da nicht aus. Deswegen an alle Dauernörgler: Lasst sie singen, lasst sie hüpfen und macht ab und zu mal mit! Oder: Singt selbst!

    O.K. nicht jedes gesungene Lied in der Süd ist für alle Spielmomente das probate Mittel zur Anfeuerung. Nicht alle Lieder, die im Süden Europas von vielen Tausend Kehlen bei 30 °C im Schatten eine Gänsehaut hervorrufen und sich dabei auch wirklich gut anhören, sind auf unsere kühlen Tribünen übertragbar. Gleiches gilt natürlich auch umgekehrt. Auch komplizierte Wechselgesänge sind für unsere Fanstruktur nun mal leider nichts. Woanders im Lande übrigens auch nicht. Trotzdem kann man unserer Südtribüne- bis auf wenige Ausnahmen- keineswegs den Vorwurf machen, dass sie ihr eigenes Ding durchziehen. Natürlich hat sie, wie jede Ultrakurve, grundsätzlich ihren favorisierten Stil (optisch oder gesangstechnisch an einen südländischen/ italienischen Support angelehnt), verschließt sich aber definitiv nicht gegen bewährtes Liedgut aus anderen Teilen des Stadions: We hate xy Bastards, Come on your Boys in brown- um Beispiele zu nennen.). Abgesehen davon, kann jeder im Stadion eigenen Support initiieren und andere zum Mitmachen animieren, was auch manchmal noch gelingt. Verschiedene Gesänge auf verschiedenen Tribünen sind übrigens zumindest in England, Schottland und auch in Deutschland nicht unüblich. Nur im besten Fall, ob mit oder ohne Vorsänger, ist das ganze Stadion vereint. Selbst im Block 1 und 2 sind sich die Fans oft nicht einig und singen nicht gemeinsam, nur ein Teil oder gar nicht. Was fehlt? Ein bisschen Roar, ein bisschen Witz („wir sind Zecken…“) zum richtigen Zeitpunkt und vieles wäre gut?! Aber alle unter einen Hut zu bekommen geht sowieso nicht. Das ging noch nie und wird es auch nicht geben. Dafür sind wir besonders bei unserem FC- Gott sei Dank- zu unterschiedlich und facettenreich gestrickt. Fazit: Wir gehören zwar nicht zur Creme de la Creme des Supports, aber schlechte Stimmung geht anders! 

Früher war alles besser- 
auf die Omme

    Auf die Omme gab’s schon immer. Gestern wie heute. Grundsätzlich gilt auch hierbei: Die überdimensionale mediale Verbreitung trägt mehr zu einer Eskalation der Sache als zur Lösung bei. Jeder redet mit, beurteilt und verurteilt (auch mal gerne vorschnell). Die dafür notwendigen Informationen incl. Videos holt „man“ sich auf dem Sofa aus dem Netz und schon ist von Krawallen die Rede. Ganze Gruppen werden gerne diskreditiert- ist ja einfach. Ist es aber nicht.

    Mal eins vorab: So ungefährlich (auch bei unseren Spielen, egal, ob Heim oder Away) war es seit dreißig Jahren nicht mehr. Jeder, der Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger als Jugendlicher an den Fußball herangeführt wurde, wird seine persönlichen Erfahrungen gemacht haben. Die Stadien waren halb leer. Außerhalb und innerhalb gab es reinste Gewaltorgien: Massenkeilereien mit hunderten Teilnehmern, völlig demolierte Züge und Busse, Sauforgien (damals kreiste noch `ne Buddel Rum im Block), Jagdszenen bei fast jedem Spiel, schwere Unfälle (Volkspark `79), Verletzte und ein Toter Fan (Malaika, Fan von Werder Bremen). Die Liste lässt sich fortsetzen. Damals beherrschten die so genannten „Kutten“ die Szene. Auch die gewaltbereiten Fanclubs (Hertha Frösche & Co) bedienten sich dieses Accessoires in den Achtzigern. Darauf folgte eine Skinhead- und ab Ende der Achtziger eine Hooliganszene. Nach der Wende kam im wahrsten Sinne des Wortes gewaltiges Potential aus den neuen Bundesländern hinzu. Die westdeutsche Szene machte ein auf Casual, trug Blue System und andere einschlägige Klamottenmarken zur Schau. Die gingen zwar überwiegend aufeinander los, aber sicher war das nie. Erst recht als St. Paulianer war es auswärts, auch außerhalb des Ostens und aus dem bekannten politischen Grunde, immer schwierig. Auch in dieser Zeit gab es so manches sorgenvolle Gerenne und kritische Momente. Involviert waren bei den meisten Auseinandersetzungen nicht nur die entsprechenden Gruppen, sondern als Opfer mussten je nach Lage- nach dem Motto: Zur falschen Zeit am falschen Ort- alle mal herhalten. Oft kam es überraschend, vorhersehbar war wenig.

    So, und jetzt mal ehrlich: Wo gibt es das denn noch? Überall im Land, mit wenigen Ausnahmen, können sich fast alle Fans und auch St. Paulianer sorgenfrei bewegen- die Problematik Repression durch Polizei mal außer Betracht gelassen. Selten waren Auswärtsfahrten und Heimspiele im Großen und Ganzen im Verhältnis zwischen den Fans so entspannt wie heute! Ein Hauptgrund ist die veränderte Zuschauerstruktur durch Kommerzialisierung, Anhebung der Kartenpreise und Errichtung komfortabler Stadien. Aber auch die aktive Fanarbeit mit und ohne Fanprojekte haben den Fußball auf einen gewaltfreieren Weg gebracht. Der Fußball ist gesellschaftsfähig. Ein weiterer Grund ist, trotz des Aufkommens von Ultragruppierungen (oder gerade deswegen), die Vorhersehbarkeit von Auseinandersetzungen. Alle Ultragruppen zeigen ein gewisses Revierverhalten und messen sich in der Öffentlichkeit an ihren Auftritten. Ein meist offen angekündigter Marsch im eigenen oder fremden Revier gehört mindestens zum guten Ton der Selbstdarstellung. Tagelange Ankündigungen der Wege und Uhrzeiten, sowie nachträgliche Aufarbeitung sorgen für eine totale Transparenz. Zu Aufeinandertreffen kommt es dabei so gut wie immer mit der Polizei, selten mit anderen Fangruppen und so gut wie gar nicht mit Unbeteiligten. Wer also nicht gerade Gefahr und Nähe sucht- gleiches Auftreten, gleiche Klamotten-, ist (mit Ausnahmen) ziemlich sorgenfrei. Dann bleibt es meistens beim Beäugen. Aus dieser Situation aber größere Gefahren für die überwiegende Anzahl der Stadionbesucher abzuleiten ist ziemlich abwegig. Wird aber getan. Viele selbst erklärte Gegner der Ultras erfahren über vermeintliche Vorfälle nicht direkt vor Ort, sondern oft erst aus zweiter oder dritter Hand. Dabei wird vieles wichtiger gemacht, als es je gewesen ist.

    Dafür gibt es allerdings eine anderes großes Problem: Nämlich der Umgang der Ordnungshüter mit den Ultras und anderen Fangruppen. Da die Staatsmacht offensichtlich kein probates Mittel im Umgang mit Risikogruppen und auffälligen Einzelpersonen findet, werden oft alle Fans in Sippenhaft genommen und Unbeteiligte häufig drangsaliert. Ziel ist, mit Hilfe von getürkten Polizeipressemitteilungen und den Medien, bestimmte Gruppen unter Druck zu setzen und gleichzeitig für ein „Anschwärzverhalten“ der Fans untereinander zu sorgen. Leider funktioniert dieses Vorgehen oft genug. Von den Spitzelleien der „Szenekundigen“ Beamten mal ganz abgesehen.

    Im Gegenzug werden von den Fangruppen seitenlange Stellungnahmen zu Auseinandersetzungen veröffentlicht, deren Wahrheitsgehalt natürlich ebenso mit Vorsicht zu genießen ist- Stichwort Frauen, Kinder und Rentner… Was aber wiederum zur Folge hat, dass bei tatsächlichen, leider nicht seltenen, unangemessenen Einsätzen der Staatsmacht am Fan (An-) klagen von Betroffenen kein Gehör mehr finden. Und das ist schlecht! Das Thema Repression und Polizeigewalt ist aber ein noch umfassenderes und besonderes Thema, welches hier außen vor bleiben soll.

    Zurück zu uns: Gewaltfrei war auch St.Pauli nie. Der Teil der Fans, der nicht nur angetrunken allen gegnerischen Fans um den Arm fiel um innige Freundschaften anzubieten (ja, ich übertreibe jetzt ein wenig), sagen wir mal „der Harte Kern der Fanszene“, war das ein- oder andere mal in politisch motivierte Raufereien involviert. Auch eine überschaubare kleine Hooligangruppe (ihr werdet euch erinnern) trieb so manches Mal ihr Unwesen und ja, half aber auch des Öfteren den ein oder anderen schon mal aus der Patsche. Auch damals, so in den Neunzigern, gab es ständig Diskussionen und vom Fanladen und/ oder Fanclubsprecherrat organisierte Veranstaltungen zum Austausch innerhalb der Fanszene über Geschehnisse mit gegnerischen Fans. Damals wie auch durchaus heute kann folgender Konsens der aktiven Fanszene vorausgesetzt werden: Politisch motivierte Auseinandersetzungen- wenn sie mal passieren- und ein sichereres und selbstbewusstes Auftreten zum Selbstschutz (insbesondere bei unseren Problemgegnern) werden toleriert, letzteres gar durchaus positiv gegenüber früheren Zeiten empfunden. Man muss nicht immer Opfer sein. Konsens war und ist hoffentlich auch heute noch auch: Gegnerische Fans, solange sie ihrerseits keinen Ärger suchen und sich politisch korrekt verhalten, sind gern gesehene Gäste in unserem Viertel und sind auch so zu behandeln. Das muss so sein. Das hat St. Pauli immer ausgemacht!

    In den letzten zwei bis drei Jahren hat sich genau dieses rund um das Millerntor leider ein wenig verändert. Dabei spielt als wesentlicher Faktor das hauptsächlich von Ultras (generell- nicht speziell St. Pauli) eingeführte Territorialverhalten eine zentrale Rolle. Sowie auch wir St. Paulianer auf fremden Terrain, sofern wir in der Ultraumgebung oder mit den entsprechenden Klamotten- schwarzer Regenkapu und so- unterwegs sind, immer beäugt manchmal auch bedrängt werden, geht es oft auch unseren Gästen. Insbesondere im Bereich des Neuen Pferdemarktes und der Wohlwillstraße sorgt(e) eine Schnittmenge von diversen Fangruppen und Einzelpersonen nach den Spielen für Unwohlsein bei Gästefans. Dabei wurde und wird nicht immer auf seinesgleichen geschielt, sondern des Öfteren auch völlig normale nicht provozierende Gästefans mal mehr, mal weniger attackiert und wenn es nur ein Schalklau war. Es wäre einfach dieses nicht sonderlich tolerante Verhalten Ultra St. Pauli allein in die Schuhe zu schieben. Wäre aber nicht korrekt. Ultra St. Pauli distanziert sich, auch auf internen Treffen, von diesen Vorgängen, könnte und sollte aber, wie der Rest der aktiven Fanszene- Stichwort Schnittmenge-, dieses Thema offensiver angehen. Es wäre wünschenswert!

    Klar, durch höhere Gästezahlen und bestimmte Vereine der Bundesliga (z.B. Dortmund, Frankfurt und unserem Nachbarn) hat sich auch der Anteil von (ich nenn sie mal) Gefahrensuchern deutlich gegenüber den vergangenen Saisons erhöht. Das geht vielen mächtig auf den Keks und gefallen lassen muss man sich natürlich auch nicht alles. Aber auch damit müssen wir schlicht umgehen lernen.
Solange Gefahrensucher auf Gefahrensucher trifft- nun gut. Kann man geteilter Meinung sein. Wenn auch normale Gästefans attackiert werden (und wenn es nur ein Schalklau ist), dann ist es Zeit, etwas zu tun. Dann ist Zeit für Gespräche. Verbote, Besserwisserei oder anonymes rumgebashe hilft gewiss nicht. Gepöbel über Hirnlose, Idioten und Deppen erst recht nicht. Und immer daran denken: Jung war jeder einmal! In diesem Sinne: Forza St. Pauli

//CF


Bei der Zweiten steht man besser…

Ansich hatten wir Übersteigers uns nach dem Abgang des Fanzines“ der Amateur“ vorgenommen, dass wir uns auch ein wenig mehr um unsere „Zwote“ kümmern wollten, aber das ist irgendwie liegen geblieben. Im Rahmen des „Gute Vorsätze machen“ haben wir beschlossen, dieses Vorhaben wieder aufzugreifen. Verdient haben es die Jungs allemal, mischten sie doch in der Hinserie 2010 die Oberliga Hamburg auf und machen sich daran, als Tabellenführer den Sprung in die vierthöchste deutsche Spielklasse erneut anzugehen. Davon war ja vor der Saison nicht unbedingt auszugehen, denn zwölf Spieler hatten die Mannschaft verlassen, darunter so arrivierte Kräfte wie Emir Zekiri, Dennis Theißen, Stefan Winkel, Marius Browarczyk, Kristoffer Laban oder Farai Mbidzo. Von den zwölf Neulingen waren vier aus der eigenen U 19 und der Rest waren fast alles Oberligisten mit zwei Ausnahmen: Vasilis Vallianos kam vom griechischen Viertligisten Nea Ionia AO und der alte Kempe Hauke Brückner kehrte von Holstein Kiel zurück an die Waidmannstraße. Scheint, dass überhaupt die Rückkehr an die alte Spielstätte der Mannschaft gut getan hat Auch wenn hier die einzige Saisonniederlage kassiert wurde, stehen doch sieben Heimsiege zu Buche. Als erster Beitrag folgt dann ein Interview mit dem Trainer der U 23 Jörn Großkopf.

ÜS: Wie sehen sie insgesamt die Aufgabe als Trainer einer “zweiten Mannschaft”? 
JG: Es geht vordergründig um die Aus- und Weiterbildung der Spieler im Übergangsbereich zwischen Nachwuchs- und Lizenzbereich. Das Ziel dieses Ganzen ist natürlich das Heranführen von Toptalenten an den Lizenzbereich.

ÜS: Wie zufrieden sind Sie mit den bisherigen Leistungen der Mannschaft? 
JG: Ich bin sehr zufrieden, vor allem mit der Art und Weise, wie das Team Vorgaben umgesetzt hat. Wir müssen allerdings auch wissen, dass der jetzige Tabellenstand nur eine Momentaufnahme ist, und wir noch eine heiße Rückrunde vor uns haben.

ÜS: War eine solche Serie zu erwarten oder hätten Sie andere Mannschaften stärker eingeschätzt? 
JG: Das wir Qualität haben, in dieser Klasse gut abzuschneiden, war mir nach der Vorbereitung schnell klar. Es ist aber ein Vorteil, dass die Mannschaft so schnell zueinander gefunden hat. Hier hat sich ein Team gefunden, wo es einfach passt. Das merkt man auch außerhalb des Spiel- und Trainingsbetriebes. Was andere Mannschaften betrifft möchte ich mich ein wenig zurückhalten. Sicherlich gibt es Überraschungen in positiver, als auch negativer Hinsicht. Jeder, der sich mit dieser Oberliga auseinander setzt, weiß aber, welche Teams da gemeint sind!

ÜS: Wer war für sie der Spieler der Hinserie, wer hat den größten Sprung gemacht, wer hat sie ein wenig enttäuscht?
JG: Einen Spieler der Hinserie gibt es für mich nicht. Die aus dem Bereich der U19 kommenden Alassani, Meyer, Springer haben sich schnell an den Herrenfußball gewöhnt, haben sehr gute Spiele gemacht. Ein Pichinot, ein Brückner oder auch ein Hinzmann sind für diese Mannschaft ungemein wichtig. Bei dem einen oder anderen fehlt mir manchmal die Beständigkeit in gezeigten Leistungen. Aber dafür sind die Jungs jung und in einem Lernprozess. Diese Dinge besprechen wir intern im Kreise der Mannschaft. Aber wirklich enttäuscht hat mich keiner.

ÜS: Muss nach den bisherigen Leistungen jetzt der Anspruch sein, mit der Mannschaft in die Regionalliga aufzusteigen? Was müsste sich dafür noch verbessern?
JG: Natürlich wollen wir in die RL aufsteigen. Es wäre nach dieser Hinserie Blödsinn zu sagen, dieses sei nicht unser Ziel. Aber das ist noch ein langer Weg, denn jeder Gegner wird gegen uns noch motivierter sein. 
Das Einzige, was ich mir wünsche an Verbesserung, ist dass die Trainingsanlage an der Kollaustraße (neuer Kunstrasenplatz) schnell fertig wird. Es ist momentan so, dass wir keine richtige “Trainingsheimat” haben, so dass wir sehr viel improvisieren müssen. Aber auch das ist ja bald geschafft. Da freuen wir uns alle sehr drauf.

ÜS: Wie wichtig wäre der Aufstieg in die Regionalliga? Verringerung der Distanz zwischen erster und zweiter Mannschaft? Verbesserte Wettbewerbsbedingungen, höhere Leistungsdichte als in der OL. Verringerung der Gefahr, dass junge Spieler abwandern
JG: Dies alles trifft zu. Ohne die Qualität der Oberliga zu schmälern, ist diese in der RL um Klassen höher. Dort trainieren fast alle Mannschaften unter Profi-Bedingungen. Unsere Spieler spielen auf höheren Niveau und auch die Spieler, die aus der ersten Mannschaft bei uns Spielpraxis sammeln, spielen unter höheren Anforderungen. Das ist für die Ausbildung eines Spieler garantiert von Vorteil. Auch stimmt es natürlich, dass wir evtl. mal einen Spieler halten können, der sonst eine andere Entscheidung trifft. Grundsätzlich wollen wir mit jungen Spielern und am liebsten aus dem eigenen “Stall” arbeiten. 

ÜS: Die letzte Teilnahme der U 23 an der RL war ein ziemliches Desaster; was denken sie, ist die jetzige Mannschaft besser für das “Abenteuer RL” gerüstet? 
JG: Ich denke nicht, dass es ein Desaster war. Wir hatten in der Rückrunde einfach zu viele Verletzte. Teilweise musste ich in der Endphase auf 6 – 8 Spieler verzichten, die alle zu den Stammkräften gehörten. In der Hinrunde haben wir gegen Teams wie Wolfsburg II, Hertha II, Chemnitz, Hannover II gewonnen, wo wir gesehen haben, dass wir in dieser Liga spielen können. Ob die zukünftige Mannschaft gerüstet sein wird, wird sich zeigen. Aber wir sind bei der Kaderplanung so eingestellt, dass wir eine schlagkräftige Truppe zusammenstellen.

ÜS: Wie stehen Sie zur Frage der Heimspielstätte im Falle eines Aufstiegs, die war beim letzten RL-Auftritt keine Festung… Millerntor oder vielleicht doch Hoheluft?
JG: Was die Heimspiele betrifft, ist es natürlich für die Jungs ein Erlebnis, am Millerntor zu spielen. Aber: bei dem Zuschauerzuspruch, den wir in der Regionalliga hatten, macht es vielleicht mehr Sinn, an einer anderen Stätte zu spielen. Denn vor 1000 Zuschauern an der Hoheluft zu spielen ist von der Stimmung her evtl. sinnvoller als am Millerntor. Aber das werden wir zu gegebener Zeit besprechen.

ÜS: Was müsste geschehen, um in der RL bestehen zu können?
JG: Das Gesicht der U23 verändert sich so oder so jedes Jahr. Es kommen Spieler dazu, und es werden uns Spieler verlassen. Das ist in einer U23, wie auch bei anderen Vereinen nun mal so. Im Fußball ganz normal. Wir werden aber Wert darauf legen, dass wir bei der Zusammenstellung des Kaders, eine gute und qualitativ hochwertige Mannschaft hinbekommen. Was die Strukturen betrifft, ist im Verein in den letzten Jahren unheimlich viel positives geschehen. Trotzdem wollen wir uns in allen Bereichen stetig weiter entwickeln und verbessern. Der Satz “Stillstand ist Rückschritt” passt hier hervorragend.

ÜS: Wie stehen Sie generell zur Regional- / Oberligastruktur in der gegenwärtigen Form, was müsste Ihrer Meinung nach verändert, verbessert werden?
JG: So wie es jetzt angedacht ist, dass die neue RL ab 2012 verändert wird, finde ich gut. So fallen z.B. die immens weiten Fahrten in den Osten des Landes weg und damit auch die doch sehr hohen Kosten, die damit verbunden sind. Die Planungen laufen in die richtige Richtung.

ÜS: Ist es generell wichtig, eine Verzahnung zwischen erster und zweiter Mannschaft zu haben, d.h. sprechen Sie und Stani (und auch die Jugendtrainer) sich ab bezüglich Spielphilosophie und -Verständnis; harmonisieren Sie Trainingsprogramme?
JG: Das kann ich ganz einfach beantworten. Die Verzahnung zwischen erster und zweiter Mannschaft wie auch zum Nachwuchsbereich ist großartig. Es findet ein regelmäßiger Austausch zwischen uns Trainern statt. Auch hier hat sich in den letzten Jahren viel in positiver Hinsicht getan. Natürlich gibt es bestimmte Dinge die wir, was die die Spielphilosophie betrifft, absprechen. Das muss auch so sein, damit Spieler nicht jedes Jahr wieder neue Dinge lernen müssen, wenn sie den Jahrgang verlassen.

ÜS: Was mich erstaunt ist der trotz der guten Leistungen geringe Zuschauerzuspruch bei der U 23, wobei das Stadion bei Spielen der ersten Mannschaft doch jedes Mal ausverkauft ist. Können Sie sich das erklären?
JG: Ganz ehrlich: nein. Habe ich keine Erklärung für. Denn auch in der Oberliga wird guter Fußball geboten. Aber vielleicht findet der eine oder andere ja in der Rückrunde mal den Weg zur Waidmannstraße.

ÜS: Was würden Sie sich für Ihre weitere Arbeit und für die Zukunft wünschen?
JG: Momentan bin ich sehr zufrieden in der Aufgabe die ich bekleide, fühle mich an der richtigen Stelle. Mir macht es riesigen Spaß und Freude, wenn ich erkenne, dass ein Spieler sich durch unsere Arbeit weiterentwickelt. Ein gutes Beispiel dafür ist Dennis Daube, den ich bereits 2007 in der U19 Regionalliga trainiert habe. Das ist auch ein wenig Bestätigung für anständige Arbeit.

ÜS: Herr Großkopf, wir danken für das Gespräch 

Anm: Kurz vor Abschluss der Transferperiode hatte der FC St. Pauli und vor allem die U 23 noch zwei bittere Abgänge zu verzeichnen, die stellvertretend für das Dilemma stehen mögen, welches im Interview angerissen wurde: Davidson Drobo-Ampem, Pendler zwischen erster Mannschaft und U 23, wurde bis zum Saisonende an den dänischen Erstligisten Esbjerg FB ausgeliehen. Und Nils Pichinot, bekannt durch sein 2:1 letzte Saison gegen Ahlen und momentaner Anführer der Torschützenliste in der OL Hamburg (16 Treffer) sammelt nun höherklassige Spielpraxis beim drittligisten Carl Zeiss Jena. Natürlich haben wir Jörn Großkopf um ein abschließendes Statement zu diesen Wechseln gebeten: 

JG: Ich denke, für beide ist es der richtige Schritt. Drobo muss einfach, wenn er sich in einem Profi-Club durchsetzen will, auf höherem Niveau spielen und nicht nur trainieren. Daher macht der Wechsel absolut Sinn, da er dort in Esbjerg seine einsätze bekommen wird. Für Pichi ist es ebenfalls ein guter Schritt. Er muss zeigen, das er sich auch dort in der dritten Liga durchsetzen kann und seine Tore macht. Voraussetzungen, was seine Physis und seinen Willen betrifft, sind auf jeden Fall vorhanden. Beide haben einen absolut guten Charakter und ich wünsche ihnen, dass sie ihre Ziele verwirklichen können, auch wenn es für unsere U23 eine Schwächung ist. Vielleicht sehen wir sie ja in Braun-Weiß wieder. 

// luisfigo


Das wars!

    Und? Wie hat euch diese Ausgabe gefallen? Oder gehört ihr gar nicht zu den Lesertypen, die das Heft geradewegs von vorne bis hinten durchkauen? Also geplant war eigentlich auch, diesen dämlichen Sportverein gleich zum Heftauftakt, also schon im Vorwort, mit Regen… äh… mit Häme zu überschütten. Und auch wenn uns das abermals dilettantische Verhalten der Verantwortlichen für diese lächerliche Spielverlegung nur noch weitere Ansatzpunkte geliefert hätte, wurde die Zeit bis zum Drucktermin des Heftes aufgrund der Neuansetzung dummerweise auch immer knapper. Deshalb gibt es in diesem Heft leider nur spärliches in Punkto Dööörbysiiiiech! !! Inzwischen können wir nach den amtlichen Endergebnissen sogar schon völlig rechtens verkünden, was für uns eh schon längst Fakt war, ist und auf ewig bleibt: Hamburg ist braun-weiß-und-auch-wieder-rot! 

    Da es sich bei letzterer Farbe um eine politische handelt, interpretieren wir den Ausgang der erst vor wenigen Stunden entschiedenen Bürgerschaftswahl jetzt auch mal für uns ganz Genre-typisch, also weitest gehend positiv: Die absolute Mehrheit der Hamburger_innen war klar gegen den Bullenfreund an der Spitze des Senats! Und das bejubelt unsere Redaktion erst mal grundsätzlich. Denn wenn ein ehemaliger Konkneipant, wie unser verfluchter Interims-Bürgermeister hier, auch im Wahlkampf auf schlagkräftige Parolen wie „Unsere Polizei stärken“ steht, dann entgegnen wir ihm, als Pfefferspray-gebeutelte Jolly Roger-Stammgäste, heute nur hämisch: „Wählergunst um 20,7% gesunken. Und nu?“ Geh kacken, du Furzknoten!

    Kommen wir dann aber doch mal kurz zum Inhalt des Heftes, welcher heute halt nur nachträglich abgehandelt wird. Was sagt ihr eigentlich zu dem mit glühend heißer Nadel gestrickten Cover? Trotz der aufkommenden Hektik waren wir uns selten gleich bei Krillers erstem Entwurf so einig, dass es kaum besser geht. Denn auch wenn uns die Rollrasenverlegungs-Versager durch ihren mutwilligen Aktionismus jetzt halt um die so lang herbei gesehnten Spiel- und Erlebnisberichte gebracht haben, solltet ihr euch dann zumindest am Titelbild ergötzen können. Wir toben uns derweil weiter im ÜS-Blog aus, hähä. 

    Persönlich bin ich ja wahrlich kein Freund von sinnfreien Verschwörungstheorien a la Zahlencodes, wie beispielsweise „Adolf Hitler Hat Geburtstag“ oder so’n Quatsch, aber in der Angelegenheit war irgend etwas faul im Staate Dänemark. Und damit meine ich keinesfalls den Rasen. 

    Unsere Nummer 3 im Tor schaffte es so nun bereits zum zweiten Mal aufs Cover. Remember? Schon in Ausgabe 80 haben wir uns mal hinter den durchgeknalltesten Bogenschützen der Stadt gestellt und da stehen wir immer noch. Ach, und wo wir grad bei Freakshow sind: Habt ihr euch nach den ersten Zeilen der fiktiven Geschichte unseres ehemaligen MoPo-Kolumnisten auch erst gefragt, was diese Emoscheiße soll? Aber geile Story, oder? Zu schön um wahr zu sein… 

    Die Jolly Rouge-Proteste haben wir, nachdem sich u.a. bereits sämtliche großen Medien über das Thema hergemacht haben, dann lieber mal aus einer ganz persönlichen Sicht dokumentiert. Vor allem der Vergleich mit dem „Liebeskummer“ spricht unsereins aus der Seele. Einfach Großartig.

    Man glaubt es kaum, aber im x-ten Anlauf haben wir in dieser Ausgabe auch zum ersten Mal eine Pro/Contra-Diskussion hinbekommen, wobei der liebe JanEcke nach dem Spielverlauf mittlerweile insgeheim vielleicht ein wenig anders darüber denkt. Er war übrigens auch derjenige, der für uns den „Gegengerade“-Film bereits sehen durfte und von dem Werk ja nun nicht so begeistert war. Anscheinend haben sich da die Befürchtungen von ein paar ausgewählten Hamburger *augenzwinker* Filmkritikern bestätigt, aber hinter deren Realität verbirgt sich meistens nur eines: das Wort Verlust. Leider mussten wir das ausführliche Interview mit dem berühmten Vereinshistoriker Gregor Backes auf die nächste Ausgabe verschieben, worauf ihr euch ab sofort schon freuen dürft. Tja, und ansonsten habt ihr das Heft jetzt ja eh schon gelesen und hoffentlich für genau so grandios wie immer empfunden. 

    Nachdem nun eine neue Zeitrechnung begonnen hat und wir das nach und nach auch realisieren, bleiben eigentlich kaum noch Wünsche offen. Vielleicht gelingt den 4.Herren, nach sensationeller Hinrunde, am Saisonende ja auch endlich der ganz große Coup. Zu wünschen wäre es ihnen. Und klaro spielt der FC St.Pauli von 1910 auch in seinem 102.Jahr in der 1.Fußball-Bundesliga! Obwohl es eigentlich auch verlockend wäre, wenn man die Bauern mit der „Schmach vom 16.Februar“ erst mal ein paar Jährchen alleine in der Liga zurück lassen würde…

    Wir werden es erleben. Der letzte Gruß für heute geht als gestreckter Mittelfinger in Richtung unseres Gästeblocks: h$v sind scheiße und nur was für Veh-lierer!

In diesem Sinne,

Eure Übersteiger

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