Oder: Wie der Dom mich auch gerettet hat.
Demnächst ist es wieder soweit. Vom 26. Juli bis zum 25. August verpestet der “Hamburger Dom” wieder die Luft rund ums Heiligengeistfeld. Unser erstes Heimspiel der neuen Saison gegen Heidenheim findet also am Schlusswochenende des Doms statt. Na toll! Da heißt es wieder Umwege nehmen, weil man einfach nicht quer über das HGF zur Gegengeraden gehen kann. Dazu die ganzen Vollpfosten. Tausende scheinbar gehirnampurtierte “Menschen” fressen überteuerte und von Herkunft und Verarbeitung her äußerst fragwürdige Dinge in sich rein. Nun gut, das ist deren Problem. Ich hasse den Dom! – Hatte ich das schon erwähnt?
Es war Ende der 1980er Jahre: Ich wohnte im Karoviertel, schräg gegenüber dem heutigen Lattenplatz vor dem Knust. Eines Morgens öffnete ich das Fenster und setzte mich mit einem Becher Café auf das dazugehörige Brett. Sofort wurde mir speiübel und das lag nicht am Heißgetränk und auch nicht an der nächtlichen Kicker-Orgie in meiner Stammkneipe “Skunk”. Der Geruch von Zuckerwatte, Bratwurst in altem Fett und dazu Pilzpfanne mit gebrannten Mandeln, vermischten sich zu einer Würgereiz erzeugenden Melange. Jeder Hundehaufen duftet dagegen wie ein Drei-Gänge-Menü im Fünf-Sterne-Restaurant. Ich hasse den Dom! – Hatte ich das schon erwähnt?
(Foto: Hossa)
Aber der Dom hat mich auch irgendwie gerettet. Denn ohne den Dom hätte ich wahrscheinlich nicht, oder zumindest wesentlich später zu unserem FC St. Pauli gefunden. Im Sommer 1977 fuhren meine Eltern und ich mit dem Riesenrad. Zuvor war ich mit meinem Erzeuger schon einige Male in der zugigen Betonschüssel im Volxpark gewesen. Doch aus luftiger Höhe entdeckte ich dieses kleine, schnucklige Stadion am Millerntor und war sofort verknallt. (Die ganze Geschichte dazu gibt es hier).
Insofern habe ich dem Dom sehr viel zu verdanken, auch wenn ich durch meinen weiteren Lebensweg wahrscheinlich eh am Millerntor gelandet wäre. Doch wie hätte dieser womöglich ausgesehen, wenn ich stattdessen weiterhin die Spiele in der Betonschüssel verfolgt hätte? (Man mag es sich gar nicht ausmalen…).
Durch den Trainer meines damaligen Vereins DuWo 08, war ich allerdings doch einige Male gezwungen worden, mit unserer Mannschaft geschlossen in den Volxpark zu gehen. “Team-Building” heißt sowas heute. Über irgendwelche dubiosen Kontakte hatte unser Coach immer zahlreiche Freikarten.
So lernte ich dort auch eines Tages einen Typen näher kennen, den ich ein paar Tage zuvor noch im Jugendzentrum Kiwittsmoor auf der “Bühne” mit einer Punk-Band gesehen hatte. Das passte erstmal so gar nicht zusammen. Nach dem Spiel ging es mit der ganzen Bande über den Dom bis zum Kiez. Stop! – Dom? Ich hasse den Dom! – Hatte ich das schon erwähnt?
Was wollten diese schwarz-weiß-blauen Fußball”fans” auf dem Dom …??? Natürlich ganz das Klischee erfüllen: Saufen. Rumkrakeelen. Frauen belästigen. Eben einfach auf’s Übelste dumm auffallen. Und Ärger provozieren. Bestenfalls eine Schlägerei. Für solches Klientel ist diese Veranstaltung auch heute noch ein beliebtes Ziel. Ich hasse den Dom! – Hatte ich das schon erwähnt?
Auf dem knapp 160.000 m² großen Areal, befinden sich bei jedem Dom über 260 Schausteller und 110 Gastrobetriebe. Dreimal im Jahr findet das “größte Volksfest des Nordens” statt. Jeden Freitagabend mit einem Feuerwerk. Vier Wochen dauert ein Dom. Somit findet diese Veranstaltung insgesamt an einem viertel Jahr statt. Teilweise kamen über zehn Millionen Besucher. Ich hasse den Dom! – Hatte ich das schon erwähnt?
1981 ereignete sich ein schweres Unglück: Bei Arbeiten an dem Fahrgeschäft “Katapult” geriet der Arbeitskran in das nebenan gelegene “Sky-Lab”. Sieben Tote und 15 Schwerverletzte lautete die traurige Bilanz. Ich hasse den Dom! – Hatte ich das schon erwähnt?
“Freitagabend! Flutlicht! Dom!“, so werden unsere Heimspiele nur allzu gern in den Medien angekündigt. “Das wird doch von den Medien alles hochsterilisiert!“, würde Loddar Matthäus sagen. Es soll sogar Statistiken geben, die besagen, dass der FC St. Pauli unter diesen Bedingungen meistens siegreich war. Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe. Aber sei’s drum: (Heim-) Siege sind immer gut! Nur eines steht fest und bedarf keinerlei Statistik: Ich hasse den Dom! – Hatte ich das schon erwähnt?
Ein durchaus lustiges Ereignis begab sich 2012: Nach dem Dart-Training ging es mit einigen Mitspieler*innen über den Dom, weil wir ins Karoviertel wollten. Da stand plötzlich die Bude “Lustiges Pfeilewerfen”. Keine Frage: Da mussten wir ran. Gesagt getan, doch verweigerte der Betreiber uns die Nutzung unserer eigenen Darts.
Da die Spitzen seiner Pfeile wohl mit einem Hammer extra stumpf gemacht waren, wurden heimlich sogenannte Schleifsteine genutzt. Kurzum: Wir holten den Hauptgewinn, – einen riesigen Plüschteddy! Wir tauften ihn “Taylor” (nach Phil Taylor, the Godfather of Darts!) und er sollte unser Maskottchen werden. Leider weiß keine Sau, wo Taylor in dieser Nacht abgeblieben ist. Wahrscheinlich hat er sich auf dem Dom verlaufen. Ich hasse den Dom! – Hatte ich das schon erwähnt? // Hossa