Der Einstieg der Bundeswehr als Sponsor beim politisch links stehenden Verbandsligisten Rostocker FC schlug hohe Wellen. In diesem Gastbeitrag bringt uns der Autor, die aktuelle Diskussion näher.
Gastartikel von Dirk Hogess
Über die Werbepraxis der Bundeswehr findet bislang eine unzureichende Debatte statt: Ist regulär gekaufte Werbezeit im Sport, wo Kinder und Jugendliche sind Verantwortungsvoll?
Sportvereine bieten der Bundeswehr eine Plattform mit ihrem Logo bei sich zu werben, 2013 waren es 44 Vereine und 2014 sind es 27 Kooperationen mit Sportvereinen.
Es ist kein vorübergehender, sondern ein langfristiger Großeinsatz und es wird mit Steuergeldern ziemlich Lax umgegangen.
Alles begann 1895. Eine Handvoll Jahre vor der Jahrhundertwende wurde der Rostocker FC gegründet. In der Folgezeit war der Werdegang des Vereins durch viele Umbenennungen und Fusionen geprägt. Auch die Entwicklung des Vereins war den Wirkungen des Zeitgeistes unterworfen und konnte sich den Wechselwirkungen der Geschichte nicht entziehen.
Als die Mauer fiel, stand die TSG auf dem 48. Platz in der nunmehr ewigen DDR-Liga-Tabelle. Die TSG mit ihren zwölf Sektionen fiel auseinander, aus der Fußballabteilung wurde der »Rostocker Fußball-Club von 1895 e.V.« Eine Vereinshymne war bald gefunden: »Ha Ho He Rostocker FC, das ist Fußball an der See«.
In den letzten Jahren hat sich der RFC mit seinen knapp 600 Mitgliedern in der Verbandsliga etabliert. Auf den Trikots der Jugendabteilung werben die linken Bands Dritte Wahl und Feine Sahne Fischfilet. Eigentlich verkörpern der Verein, seine Sportler, Mitglieder und Fans das, wofür der RFC steht: Weltoffenheit, Toleranz, Respekt und Fair Play – Werte, die auf und neben dem Spielfeld Bestand haben, aber nicht mit der Bundeswehr.
Verblüffenderweise dürfen sich »Fans und Fördermitglieder, die gegen den neuen Partner sind«, sogar von Vereinsboß Greese verstanden fühlen: »Zum einen haben wir viele Wehrdienstverweigerer aus der DDR und BRD in unseren Anhängerreihen, die aus moralischen Motiven nichts mit dem Waffendienst zu tun haben möchten. Zum anderen besteht die Furcht bei einigen Fans, dass der RFC dadurch das verliert, was er sich langfristig aufgebaut hat«.
Man bedenkt die Fan-Szene mit Bespaßungsaktionen, wie einem Videodreh beim RFC, der da die Hauptrolle spielt im Musikvideo zu “Fußballgott“ vom Hip-Hop-Trio Fettes Brot, das offenbar seine Begeisterung für die Bundeswehr entdeckt hat. Auf dem Volksfest anlässlich des 825. Hamburger Hafengeburtstages sorgte die Band persönlich für Aufmunterung der „Kameraden im Einsatz“.
Nach Fan-Meinung muss Sponsoring sein im Sport 2014, denn das Geld ist rar in Mecklenburg-Vorpommern und so freut sich der RFC über jeden Sponsor, aber die Bundeswehr ist kein Sponsor wie jeder andere. Dort werden Soldaten ausgebildet, um bei möglichen Konflikten tödliche Waffen einzusetzen. Im Verein lernen Menschen einen fairen Umgang miteinander. Krieg ist niemals fair. In den Augen vieler Anhänger passt deshalb dieser Sponsor nicht zum RFC.
Als Unbekannte schließlich in der Nacht zum 27. April, an dem der RFC sein Verbandsliga-Heimspiel 1:2 gegen den Grimmener SV verlieren sollte, zweimal »Scheiß Bundeswehr« und einmal »Bundeswehr tötet« an Wände auf dem Vereinsgelände sprühten, waren das für Vereinsboss Greese Straftaten »extremistischer Art und Weise«.
Wenn die Vereinsführung den Dialog gleich zum Anfang des Bundeswehrsponsoring gesucht und geführt hätte und nicht mit Ausreden, so die Aussage des Verein auf Facebook, das die Aufwärmtrikots mit Bundeswehrwerbung noch vom alten Trainer stammen. Aber erst nach dem Protest mit einer Alibiveranstaltung regierte. Der Meinnungsaustausch mit den Fans hat nicht stattgefunden.
Denn beim RFC wird das Duckmäusertum anscheinend nicht gepflegt.
Schwerer wiegt jedoch, dass Vieles, was diesen Verein ausmacht, auf der Strecke bleibt. Es erfolgt eine zunehmende Entpolitisierung des Fanblocks und der Verein wird zu einem x-beliebigen Verein ohne kritische Fans – dafür aber mit Mitgliedern, die nur in Ruhe Fußball schauen wollen.
Seit öffentlich bekannt ist, dass die Bundeswehr beim RFC ist, hat die Band Feine Sahne Fischfilet das Engagement eingestellt: „Wir finden es schade, da sich der Verein gegen Rassismus, Homophobie und Neonazis engagiert und wir hinter diesem Engagement standen. Aber unserer Rückzugsgrund ist ein Klubpartner ganz anderen Kalibers.“
Die Punkband Dritte Wahl: »Als wir beim RFC eingestiegen sind, gab es den Deal mit der Bundeswehr noch nicht«, erklärte Gitarrist und Sänger Gunnar Schröder auf Anfrage. »Sollte das Sponsoring der BW länger bestehen, werden wir unserer Engagement beim RFC nicht verlängern.«
Beim Heimspiel am 9.08.14 des RFC kam es nach Spielschluß zu Protest von jungen Fans mit einem Transparent gegen das Bundeswehrsponsoring, als die Spieler abklatschen wollten und der Cheftrainer die Spieler forsch zurück pfiff.
Die Bundeswehr hofft, auf diese Weise, die Aufmerksamkeit jener Altersgruppe zu erreichen, die sich “in der Phase der Berufsorientierung” befindet, wobei die Altersspanne zwischen 17-30 Jahre ist.
240.000,- Euro gibt das deutsche Militär dafür aus und versorgt den Nachwuchs bei Hallenturnieren in der ganzen Republik mit Infomaterial zur Truppe.
Die Bundeswehr will die hohe Popularität des Sports für ihre Ziele und Zwecke ausnutzen. Gezielt sich als ganz normale Arbeitgeberin und Werberin zu präsentieren und das ist sogar absurd.
Im Sport geht es um gesunde Rivalität ,friedlichem Kräftemessen mit sportlichen Kampfmitteln und um Fairness, sowie den Gegner als Partner zu achten (Fair-Play-Gedanke).
Seit der Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht ist die Bundeswehr massiver und aggressiver bemüht, sich als normale Arbeitgeberin zu präsentieren. Sie verstärkt die Bemühungen in der Zielgruppe der Heranwachsenden und Jugendlichen, sie als Soldaten und Soldatinnen zu werben.
Im Januar 2010 räumte die Bundesregierung ein, dass die Bundeswehr mit 27 Sportvereinen Kooperationen zur Personalwerbung abgeschlossen habe, die von Testspielen, bis zu Bandenwerbung reiche. Mittlerweile sind es immer mehr Vereine geworden.
Im Jahre 2014 betrug der Etat dafür 349.000,- Euro, deutlich weniger als im Jahr 2013 (453.000,- Euro), erheblich mehr aber als 2012 (253.000,- Euro).
Die Bundeswehr zahlt dem RFC für diese Saison 5.500 Euro und hat das Recht auf Logopräsenz auf dem Vereinsbus, auf Shirts, Anzügen, Sporttaschen der 1.Herren sowie auf Trainings-/Erwärmungsshirts beider Frauenmannschaften.
Es wird kein kurzes Intermezzo beim RFC, denn es geht mehrere Jahre .
Das Logo erscheint auf der Vereinshomepage mit Verlinkung, auf Spielankündigungen und Dauerkarten und die Spieler und Spielerinnen und Offizielle stehen dem BW-Partner für repräsentative Zwecke zur Verfügung. Das ist die Art und Weise, wie sich ein Premium-Sponsor beim RFC präsentieren kann. Dazu die Möglichkeit mindestens vier Meter Bandenpräsenz im zentralen Bereich zu platzieren. Weiterhin eine große Logopräsenz auf der Werbetafel „Die Mannschaft hinter der Mannschaft“, sowie die Darstellung des Logos auf der Homepage und im Programmheft. Außerdem die mögliche Bedruckung der Repräsentations-Kleidung und der Trainingsbekleidung mit dem Logo des Premiumsponsors. Wie die Partnerschaft dann exakt gestaltet wird und welche Schwerpunkte gesetzt werden, definiert jedes Unternehmen anhand der eigenen Strategie und Zielgruppe.
Die Vereinsoffiziellen stehen dem BW-Partner gerne zu Verfügung,wie in diesem Jahr auf der Gorch Fock bei der Kieler Woche ,die ein Segelschiff der deutschen Marine ist.
Der “Fan-Präsident” Nils Greese unterstreicht das Positive aus seiner Sicht: “Durch die Bundeswehr habe der Rostocker FC Kleinbusse kaufen können. Jetzt müssen im Kinder- und Jugendbereich nicht immer die Eltern fahren“.
Doch nicht alle folgen dieser Argumentation.
Was hier leicht umschifft: Jetzt wirbt die Bundeswehr auf einem dieser Kleinbusse und in dem fahren dann Kinder und Jugendliche mit.
30.07.2014
MOBILITÄTSOFFENSIVE TEIL 1
Seit der vergangenen Woche ist der Rostocker FC stolzer Besitzer eines Kleinbusses VIVARO der Marke OPEL. Bereits ausgiebig getestet wurde der Wagen am letzten Wochenende, als sich die Verbandsligamannschaft des Rostocker FC aufmachte, um sich im Flensburger Trainingslager auf die kommende Saison vorzubereiten. Somit war der erste der drei Kleinbusse im Einsatz und das Feedback war überaus positiv. Geordert wurde das Auto beim RFC Sponsoringpartner, OPEL Krüll, in Rostock Dierkow und die Leasingkosten übernimmt die Bundeswehr als ein weiterer Sponsorpartner des RFC.OFFIZIELLE EINWEIHUNG DER WERBEFLÄCHE
In der vergangenen Woche erfolgte die offizielle Übergabe der Werbefläche der Bundeswehr auf einem Kleinbus des Rostocker FC.
Dazu trafen sich Leutnant Carina Luthmann, aus dem Karriereberatungsbüro der Bundeswehr in Rostock und Herr Christian Blanck, stellvertretener Vorstandsvorsitzender des Rostocker FC im Sportpark am Damerower Weg.
Seit dem Sommer 2014 verstärkte die Bundeswehr ihr Sponsoring und ist einer der Werbepartner des Rostocker FC mit Slogen wie “Bundeswehr Karriere”und Wir Dienen Deutschland” .
Erst mit dem Aufkommen der Friedensbewegung gerieten militärisches Kriegsspielzeug und Soldatenspiele zunehmend in den Verdacht, eine militärische Gesinnung zu födern.
In den 70er- und 80-er Jahren, als die Friedensbewegung stark wurde, war Kriegsspielzeug total verpönt. Eltern prangerten Läden an, die Tarnfarben-Utensilien im Sortiment führten. Aus den Kinderzimmern wurden Soldaten und Panzer entfernt und die Erziehung zum Frieden propagiert.
Tischlermeister Greese ist bekennender St.Pauli-Anhänger und gehörte lange zur linksalternativen Fanszene des RFC. Vom Stadionsprecher wurde er zum Kleinsponsor des Vereins und schließlich 2008 zum Vorstandsvorsitzenden und holte sich zwei Marineoffiziere in den Verein: Seit dem 09.Mai 2013 ist Jan Kistenmacher Trainer und seit dem 1. Februar 2014 ist nun Andreas Murken neuer Teammanager, beide ehrenamtlich, beim RFC.
Auch einige Fußballspieler sind bei der Bundeswehr angestellt.
Von 2006 bis September 2010 war J.Kistenmacher in Neuruppin als Wehrdienstberatungsoffizier und Büroleiter für Öffentlichkeitsarbeit und Personalgewinnung der Streitkräfte für die Landkreise Prignitz, Ostprignitz-Ruppin, Oberhavel und Uckermark verantwortlich. Auch die alten Vereine von Jan Kistenmacher, der MSV 1919 Neuruppin und der Pritzwalker FHV 03, gerieten in den Kreis der erlesenen Kooperationspartner der Bundeswehr .
Der Cheftrainer Jan Kistenmacher tritt jetzt forsch auf und meinte kürzlich in der TAZ, das andere Vereine schon angefragt hätten seine Kontakte spielen zulassen.
Das Bundeswehrsponsoring kam eher schleichend beim RFC daher, aber der Kontakt besteht schon seit dem 17.12.2011, denn da veranstaltete der Rostocker FC einen Sponsoren-Cup für die E- und D-Junioren, Austragungsort des 1. Copy & Paste Cup war die Sporthalle der Bundeswehrkaserne Hohe Düne.
Das Staatsunternehmen Bundeswehr wird beim RFC nicht als Partner wahrgenommen, sondern von einigen Anhängern eher als Besatzungsmacht, denn einige Fördermitglieder und Fans möchten nicht Teil der Imagepolitik der BW werden.
Von den Befürwortern dieses Sponsoring wird die Bundeswehr als ganzer normaler Sponsor wie jeder Andere gesehen, obwohl sie ihren Auftritt zur Anwerbung von jungen Menschen für extrem riskante Auslandseinsätze nutzt, die mit Territorialverteidigung nichts zu tun haben?!
Aber die Mehrheit sagt: Sport geht nur im Frieden.
61 Prozent der Bundesbürger lehnen einen Ausbau der Bundeswehr-Auslandseinsätze in internationalen Krisengebieten ab. Nur jeder Dritte (30 Prozent) befürwortet das Vorhaben von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.
Gut 17 Milliarden Euro haben die Auslandseinsätze der Bundeswehr seit 1992 gekostet. Das teilte kürzlich die Bundesregierung dem Bundestag in ihrer Antwort mit.
Rund 2.700 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr beteiligen sich derzeit an Einsätzen im Ausland.
Bei Auslandseinsätzen kamen bis Juni 2013 insgesamt 103 deutsche Soldatinnen und Soldaten ums Leben.
Die Zahl traumatisierter Bundeswehrsoldaten ist im vergangenen Jahr um 26 Prozent gestiegen. Von den 922 erkrankten Soldaten seien 759 in Afghanistan im Einsatz gewesen, sagte eine Bundeswehrsprecherin. Die Zahl der Soldaten, die mit sogenannten posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) aus dem Ausland zurückkehren , hat seit 2004 um das Neunfache zugenommen. Damals wurden 100 erkrankte Soldaten erfasst – im vergangenen Jahr waren es 729. // Gastartikel von Dirk Hogess
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