Die Form hat den Fehler, der Nazi will kicken und Oma bezahlt

Dieser Artikel erschien zunächst im Print-Übersteiger 132 am 06.Mai 2018. Hier veröffentlichen wir ihn erneut, inklusive dem Dankesschreiben des TuS Appen, welches uns kürzlich erreichte.

Nazis raus – auch aus dem dörflichen Fußballverein, ist leicht gefordert und skandiert, aber dann eben doch eine sehr figelinsche Angelegenheit wie der Fall TuS Appen gegen den Hamburger NPD-Vorsitzenden Lennart Schwarzbach zeigt. Und das Recht macht die Sache eben auch nicht immer einfach.

TuS Appen, Einladung zur Mitgliederversammlung – unter Tagesordnungspunkt 14. Satzungsänderungen a,b,c,d – „die Beschlussvorlage mit den vorgesehenen Satzungsänderungen kann beim Verein per E-Mail unter info-tus-appen.de angefordert werden und liegt in der Geschäftsstelle zur Abholung bereit.“ Denn 8000 Euro Gerichts- und Anwaltskosten ärmer, zahlreiche Gerichtsverhandlungen später, eine persönliche Strafanzeige wegen angeblicher Urkundenfälschung noch anhängig, um viel Erfahrung reicher und das eine oder andere Mal desillusioniert, weiß Wilfred Diekert, Vorsitzender des TuS Appen, um die Wichtigkeit dieser Zeilen auf der Einladung. Denn letztlich war es ein Formfehler, der dafür sorgt, dass der Hamburger NPD-Vorsitzende Lennart Schwarzbach (27) nach wie vor Mitglied des TuS und seiner Fußballabteilung ist – gegen den erklärten Willen seiner Mitspieler, seines Abteilungsleiters Sascha Helfenstein und einer Entscheidung der TuS-Mitgliederversammlung aus dem Jahr 2015. Damals wurde die Satzung nämlich zum Zwecke des Ausschlusses des NPD-Funktionärs geändert, aber Zweck der Satzungsänderung nicht vorab in der Einladung „schriftlich ausgeführt“. Das muss laut einem Urteil des BGH seit 1979 so sein. „Kein Ausschluss ohne Rechtsgrundlage“, so Diekert besagt ein Urteil des Reichsgerichts von 1929 – und das hat Bestand.

„Letzlich ist es ja besser, dass wir an einem Formfehler und nicht in der Sache gescheitert sind“, ist Diekert (69, vier Einsätze als Schiri in der 1. Bundesliga) beim Gespräch mit dem Übersteiger und seinem Fußballabteilungsleiter Helfenstein in der Appener Geschäftsstelle einige Wochen nach der höchstrichterlichen Entscheidung der 9. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe schon wieder bei Normalpuls – auch wenn ihn so einige Umstände rund um die rechtliche Auseinandersetzung immer noch sehr aufregen. „Heutzutage muss man als ehrenamtlicher Vorsitzender eigentlich auch ein Volljurist sein“, bemängelt der Vorsitzende des Hamburger Verbandsschiedsrichterausschusses. Und ein PR-Experte obendrein. Denn schafft es der TuS-Appen für gewöhnlich in die lokalen Sportnachrichten, weil die Oberliga-Damen wie derzeit gegen den Abstieg spielen und die 1. Herren in der Kreisliga 7 gegen Cosmos Wedel punkten, sind er und seine Appener in den vergangenen Wochen in TV-Beiträgen wie Panorama 3 und Printmedien vom „Hamburger Abendblatt“ bis zu den „11 Freunden“ im Kampf gegen rechts vertreten.

Wilfred Diekert und Sascha Helfenstein im Büro des TuS Appen mit ÜS-Autorin tati // (c) hog

Rückblick: Schwarzbach, gemeldet in Hamburg mit Oma in Appen (Diekert: „Die zahlt auch seine Vereinsbeiträge“) wechselt vom Hoisbütteler SV in die 1. Herren zum TuS Appen. „Da war uns nichts bekannt über rechte Gesinnung und politischen Werdegang des jungen Mannes“, so Appens Vorsitzender. „Wir haben ja nicht jeden überprüft, der bei uns Sport treiben wollte. Inzwischen gucken wir bei allen nach, ob sich da bei Google etwas findet.“ Ein Muss, wenn man solche Leute wie Schwarzbach gar nicht erst im Verein haben möchte. Den Beitritt kann der Verein nämlich verweigern, aber der nachträgliche Rausschmiss ist kompliziert. Und ob er überhaupt rechtes wäre –  ist in der Sache eben gar nicht vor Gericht entschieden worden. Soweit.

2014 als der junge Rechte erstmals für die Hamburger NPD kandidierte, durfte er allerdings schon bei TSC Wellingsbüttel nicht mehr als C-Jugend-Trainer tätig sein. Als Spieler blieb er beim Hoisbütteler SV wie auch in Appen unauffällig. „Der hat sich innerhalb des Vereins immer ordentlich verhalten, hat keine Politik hier reingetragen“, weiß Diekert zu berichten. Aber Helfenstein ergänzt: „Seine Facebook- Accounts machten dann doch die Runde und durchs Fenster entdeckten Mitspieler verfassungswidrige Symbole an der Zimmerwand.“ You-Tube-Videos des NPD-Funktionärs (Zitat daraus: „Integration ist Völkermord. Deutscher ist nur, wer deutsche Vorfahren hat . . .“) machten die Runde.

Das eben nicht Ende der Geschichte – mit dem nationalistischen Kicker Schwarzbach will keiner mehr spielen. Und schon begann die Geschichte mit den Formfehlern. Satzung geändert, da fehlt noch mal eine Unterschrift, der Notar lässt sich auch Zeit, hat keine Einwände, anstandslose Eintrag der Satzung Anfang 2016, Antrag auf Vereinsausschluss und der Vereinsausschluss dann im April. Anhörung vorm Ehrengericht „Es ist nicht so, dass wir nicht vorher alles versucht haben – Gespräche mit ihm in unterschiedlichen Konstellationen – damit er so geht“, sagt Helfenstein schulterzuckend.

Vor dem Vereinsheim des TuS Appen

Es wird ungemütlicher im beschaulichen Appen: Der Rechtspopulist klagt vor dem Pinneberger Amtsgericht, will an der nächsten MV teilnehmen, wieder mitspielen. Einstweilige Verfügung, Recht für Appen vorm Pinneberger Amtsgericht, Revision ect. pp. Und damit hat Schwarzbach, das ist die Kehrseite der Medaille, eben auch seine Bühne. „Man muss die Kriminellen beim Namen nennen“ und „für Deutschenfeindlichkeit gibt es keine Entschuldigung“ – nach dem Landesgerichtsurteil nichts Unerwartetes vom NPD-Mann, der über seinen Anwalt auch Diekert persönlich anzeigte. Aber „klare Kante“, so die Spieler im Panorama3-Beitrag, wollen sie zeigen. Fußball haben sie für sich erkannt, ist eben nicht unpolitisch. „Bestimmte politische Ansichten, lassen sich nicht mit gesellschaftlichen Werten vereinbaren“, erklären Appens junge Spieler im TV.

In Anbetracht des Umstandes, dass Schwarzbach von Peter Richter, auch Anwalt im NPD-Verbotsverfahren, vertreten wird, lässt sich erahnen, dass es auch beim nächsten Versuch ihn loszuwerden, Gegenwehr und Schwierigkeiten geben könnte. Doch die Mitglieder sind gewillt. Auf der Mitgliederversammlung am 19.April 2018 stimmten fast alle der etwa 100 Anwesenden für die Änderung der Satzung. Nur Schwarzbach nicht, nach dessen Redebeitrag es “etwas hitzig” (Helfenstein) wurde. Zum Training oder Spiel ist der NPD-Mann bislang nicht erschienen“, so die Appener Funktionäre. Lediglich beim Fitness wurde er mal gesichtet. Die Mannschaft hat bereits klar und kantig verkündet, den Rasen zu verlassen, sollte Schwarzbach dort auftauchen und aufs Mitspiel pochen.

Diekert muss jetzt erst einmal klären, ob der TuS Appen überhaupt noch eine gültige Satzung hat und derlei komplizierte Dinge – alles ehrenamtlich versteht sich und ohne Unterstützung vom Landessportverband Schleswig-Holstein oder der Rechtsschutzversicherung über die der Verein „versichert“ ist. „Das Verfahren zum Ausschluss eines Vereinsmitgliedes ist kein Versicherungsgegenstand“, schreibt die ARAG und überwies aber immerhin im Kulanzwege 1000 Euro. Und das Verfahren wegen der Strafanzeige? „Ne auch kein Rechtsschutz. 500 Euro auch Kulanz“, sagt Appens Vorsitzender empört darüber. „Alle quatschen immer, aber dann stehst du als kleiner Verein ganz alleine da.“ Der Landessportbund empfiehlt dem TuS-Appen lediglich „den Abschluss eines entsprechenden Zusatzvertrages“ zur Versicherung. Das ist doch mal recht hilfreich. Diekert: „Die müssten uns dankbar sein, dass wir schon mal für etwas Rechtssicherheit gesorgt haben.“

Aber Diekert und Helfenstein haben in der Sache nicht nur schlechte Erfahrungen machen müssen. Der SV Babelsberg 03 unterstützte die Kreis Pinneberger als ersten Verein mit 500 Euro aus seiner Spendenaktion „Nazis raus aus den Stadien“ und besucht den Club des ehemaligen Bauerndorfes (wie hoffentlich auch eine Mannschaft des FC St. Pauli) zu seinem Fußballturnier Anfang Juli gegen rechts auf dem Platz am Almtweg. Fehlen den Appenern unterm Strich also noch 6500 Euro zur Kostendeckung des bisherigen Verfahrens.

Dafür geben wir hier doch gerne mal die Bankverbindung an:
TuS Appen, Sparkasse Südholstein,
IBAN: DE 49 23051030 0003024445,
BIC: NOLADE21SHO
Stichwort: Appen gegen rechts.

Der Übersteiger dankt fürs Gespräch und wird die Bemühungen des TuS Appen weiter begleiten und beim Turnier im Juli ganz sicher und gerne auf Bratwurst und Bier vorbeischauen. // tati/hog

Ergänzung, 22.Juni 2018:
Inzwischen erreichte uns dieses Schreiben von Wilfred Diekert, dem 1.Vorsitzenden des TuS Appen. Die eben genannte Bankverbindung ist natürlich trotzdem weiterhin gültig und kann für Spenden verwendet werden.

 

Liebe Sportfreunde,

vielen Dank für den Artikel im Übersteiger vom 06. Mai über die Vorgänge in unserem Verein im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Ausschluss eines NPD-Funktionärs. Im Nachgang zu diesem Artikel sind mehrere Spenden als Kostenbeitrag für unsere entstandenen Rechtskosten eingegangen, für die wir uns ebenfalls herzlich bedanken.

Wir empfinden dies als großartige Hilfe, weil die Kosten dieses „unsäglichen“ Rechtsstreits mit all seinen Facetten für unseren Verein eine natürlich nicht unbedeutende Größenordnung angenommen haben und belasten. Und wenn man dann bedenkt, dass dieses Verfahren deshalb entstanden ist, weil ein ausgeschlossener Rechtsradikaler den Verein durch alle möglichen Instanzen „gezogen“ hat, ohne dass wir eigentlich die Möglichkeit hatten aus diesem Prozess „auszusteigen“.

Nun werden wir diesen Vorgang wohl wiederholen und dann mal sehen wie es ausgeht.

Wir hoffen auch weiterhin auf eine angenehme Zusammenarbeit.

Mit freundlichen Grüßen

TuS Appen – Vorstand
Wilfred Diekert
(W. Diekert  – 1. Vorsitzender )

 

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