Dropkick Murphys – Turn Up That Dial

Born & Bred/PIAS

von MacKozie

Dass (Celtic) Folk und Punkrock eine Mischung ist, bei der weder die Füße still noch die Kehlen trocken bleiben, ist spätestens seit Anfang der 1980er-Jahre bekannt, als die Pogues „fallen from grace with God“ und dem Genie eines Shane McGowan die Blaupause für den (Brau- und Brenn-)Kessel vorlegten, mit dem von da an eine Vielzahl an Bands ihre jeweils eigene Mischung für Paadie, Mitgrölen und angetütert-seliges Schunkeln anrührten. Und während viele zwar mit viel Leidenschaft zu Werke gingen, dabei jedoch oftmals nur etwas von der Qualität eines Schankbiers oder Verschnitts hinbekamen, gelang es den 1996 gegründeten Dropkick Murphys (gefühlt) nahezu spielerisch, die Zutaten: irisch(-stämmig)e Weisen und Melodien sowie (Street-) Punk zu immer wieder gern (ein-)genommenen Knallern zu verwandeln, die wirken wie ein Kurzer. Balladen, so samtig wie der Schaum eines frisch gezapften Stouts oder Porters oder Harmonien, die dir, begleitet von einem rauchig/torfig vor dich hin geseufzten „Hach ja“ vom Kopf in die Tiefen deines Innersten träufeln. Sachen also, von denen du denkst, dass sie dich ein Leben lang begleiten werden …

Wie aber so oft scheint die Liebe und Leidenschaft (für diesen Stil) dann doch hie und da an den Punkt zu gelangen, an dem sie – weil zu oft gehört, zu viele Kopien mit nur wenig wirklich was Eigenem darin langweil(t)en und Konzerte besucht wurden, bei denen die Support Acts den bleibenderen Eindruck hinterließen und die Bühnengestaltung (optisch) zwar umwerfend war, die Show dich dann selbst wegen der Setlist (auf der öfters, wie es mal ein Bekannter ausdrückte: „genau der Titel vor oder nach dem Top-Hit auf der Platte“ stand) nüchterner bis ernüchtert zurückließ – irgendwann wie angekokelt, übergeschwappt und unaufgewischt auf dem Fußboden verschüttet liegt wie die Reste im Schützenfestzelt, überdeckt mit einer Luft so riechend wie Fusel und geschwängert vom Rauch von Knaster. Auch der – an und für sich ja nicht schlechte –, aber mit (gefühlt) angezogener Handbremse eingefahrene Vorgänger „11 Songs Of Pain And Glory“ sorgte eher dafür, dass der Appetit auf diesen Musikstil, der so nahezu 20 Jahre des Lebens so begeisterte, dann doch ein wenig nachließ – und Platz für anderes machte.

Nun ist seit diesen Erlebnissen und Empfindungen einige Zeit vergangen, und die ersten Album-Teaser auf YouTube ließen sich zumindest solide an. Vielleicht geht nach der Plattenpause von daher was, denkste dir, und so stieg – sicherlich auch aus alter Gewohnheit, aber in Zeiten der Pandemie gibt es ja auch nicht so viel, das umgehend positiv aufhorchen lässt – durchaus die Neugierde auf das nun, rechtzeitig zum 25. Bandjubiläum erscheinende 10. Album der Bostoner, das uns als Stream zur Verfügung gestellt wurde.

Und war die erste Reaktion auf die Eingangstakte des Vorgängers noch in etwa: „Aha … joah … okay“, schlug der Opener, gleichzeitig Albumtitel, sogleich – ohne Shice – mit einer Wirkung ein wie die Adrenalin-Spritze, die Uma Thurman in „Pulp Fiction“ verpasst wird. Und sofort flashen die Bilder von den Anfängen der bisher besuchten DKM-Shows wieder auf, bei denen das übliche „Let’s Go Murphys“ in die hoch erfreute Feststellung „The Boys Are Back“ übergeht (und mensch fix noch den Kurzen in der Hand in sich hineinschüttet, damit nichts verschütt geht). Anschließend wird in „L-EE-B-O-Y“ nicht nur der Nachfolger von Spicy McHaggis amtlich vorgestellt, der Titel ist auch der Nachfolger des gleichnamigen Jigs und dementsprechend schwingt auch die Erinnerung an DKM-Evergreens mit.

Das sehr pogues’ige „Middle Finger“ ist das musikalisch unterlegte Lebensmotto aller, die niemals daran dachten, „zur Ruhe zu kommen“ und auch niemals daran denken werden, damit zu beginnen. Auch sehr von den alten Klassikern inspiriert, aber mit modernem Einschlag, ist „Queen Of Suffolk Country“, mit der mensch sofort um die Blocks ziehen, wenn nicht gar daten möchte. Eine Hommage an The Clash ist das gut gelaunt performte „Mick Jones Nicked My Pudding”, das durch das dazugehörige Video auf YouTube noch eine zusätzliche Portion Witz erhält. „H.B.D.M.F“ wiederum ist eine der Balladen á la DKM, die dich umschmeicheln, wie das oben schon besagte frische Stout vom Fass – dich hier aber durchaus auf die falsche Fährte lockt, denn das „MF“ steht hier wohl nicht nur für „My Friend“, sondern auch für „MoFo“. Der Refrain wird aber sicherlich über kurz oder lang Bestandteil so mancher Geburtstags-Hoch-die-Gläser-Runden. „Good As Gold“ ist ein treibend musikalisches Prost auf die Songs, die unser Leben begleiten und gleichzeitig will es dich mit der Sicherheit, mit der die Nadel über das Vinyl kreist, in den Mosh-Pogo-Pit ziehen. Wie ein alter und immer willkommener Bekannter kracht „Smash Shit Up“ ins Ohr (wofür der Titel extra bis nach Boston hochgesegelt ist) und auch „The Chosen Few“ ist bestes DKM-Baseball.

Das durch die Dominanz des Akkordeons sehr an die Mahones erinnernde, in Up-tempo performte „City By The Sea“ ist eine Liebeserklärung an die Heimatstadt der Murphys, wobei sich die Referenzen auf Boston allerdings auch von all denen adaptieren lassen können, die gerade überall auf der Welt am Start sind, nur nicht zu Hause, und es kaum erwarten können, mit den Leuten durch die Straßen und um die Orte zu ziehen, die sie am längsten und oft auch am besten kennen. Eines der DKM-Werke mit der Wirkung des langsam in Richtung Herz herunterlaufenden Edelgetränks – in dessen Glas durchaus auch mal eine Träne aus dem Knopfloch herunterlaufen kann. Auch der Closer „Wish You Were Here“ ist von der Art Ballade, wie sie so wohl nur von den Murphys stammen können, und holt Menschen vors geistige Auge, die du gerne treffen/sehen würdest, dies dir (aus welchem Grund auch immer) aber vielleicht doch (noch) verwehrt bleibt. Und ja, tatsächlich: Wish You Were Here – und zwar alle in einem Konzerthaus in unmittelbarer Nähe.

Wie oben erzählt habe ich eine Weile gezweifelt – aber nach den insgesamt 13 Titeln auf dieser Platte, die alles in sich vereinen, was die Dropkick Murphys so unverwechselbar (und auch nahezu unerreicht) macht, dankst du happy (dem Punkrock-)Gott, realisierst, sie jetzt neben den in der Zwischenzeit dazu in die heimische Sammlung aufgenommenen Styles wieder dabei zu wissen und mit Bock auf mit Hopfen oder Zutun von Malz Gebrautes: The Boys Are Back – and Kicking Ass again!

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