Domwache: Offener Brief an den Innensenator

Offener Brief des Ständigen Fanausschuss und der AG Stadionbau des FC St. Pauli an den Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg, Michael Neumann

Sehr geehrter Herr Neumann,

mit Ihrem Erscheinen bei der Veranstaltung der Fanszene des FC St. Pauli zur internen Aufarbeitung der Vorfälle beim Schweinske-Cup haben Sie demonstriert, dass Sie bereit sind, auch ungewöhnliche Wege zu gehen, um in einen produktiven Dialog einzusteigen. Ihrem Vorbild folgend beschreiten wir jetzt den umgekehrten Weg und würden Sie gerne in die Lösung einer Herausforderung einbinden, vor der unser Verein, als deren Teil wir uns als Fans und überwiegend auch Mitglieder verstehen, steht.
Auf dem Heiligengeistfeld betreibt die Polizei eine ‚Bedarfsaußenstelle des PK 16’ (“Domwache”) zur Erfüllung ihrer Aufgaben bei Spielen des FC St. Pauli und Großveranstaltungen wie dem Hamburger Dom oder Public Screenings von Europa- oder Weltmeisterschaften im Fußball.
Auf Basis einer mündlichen Zusage von Corny Littmann, dem damaligen Präsidenten des FC St. Pauli, aus dem Jahre 2006 wurde grundsätzlich eine Verlagerung dieser Bedarfsaußenstelle in die neu zu bauende Gegengerade geplant. Das Ziel war die Nutzung von Synergien bei der Schaffung eines verbesserten Umfelds für die Polizei bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.
Allerdings hat sich die Situation des Vereins und seines Umfelds in den letzten sechs Jahren extrem geändert. Aus einem von Misswirtschaft geprägten Sorgenkind wurde ein stetig wachsender, sportlich wie wirtschaftlich erfolgreicher und gut geführter Verein, der sowohl Identifikationspunkt für viele Menschen als auch Aushängeschild und Wirtschaftsfaktor für die Stadt Hamburg ist. Auch der Wert großer Fußballvereine in Bereichen der Sozialarbeit und der Integration verschiedenster, oftmals problematischer sozialer Gruppen, kann kaum überschätzt werden.
Der Platz, der damals scheinbar leicht für eine gemeinsame Lösung angeboten werden konnte, ist jetzt ein rares Gut für einen stark wachsenden Verein mit gleichzeitig wachsenden Aufgaben auch im Bereich der Fanarbeit. Neben diversen anderen Faktoren und Bedarfen wie z. B. für eine Ausweitung der Geschäftsstelle existieren für uns zwei zentrale Punkte, in denen die alten Pläne mit der heutigen Situation kollidieren:

  • In einem Vereinsmuseum sollen die einzigartige Historie des Vereins und seine Verknüpfung mit dem Stadtteil von seinen Anfängen über die auch für Sportvereine wenig ruhmreiche Naziherrschaft bis in die moderne Zeit, in der der FC St. Pauli in vielen Bereichen eine auch fußballkulturelle Vorreiterrolle einnahm, darstellen. Dies soll nicht nur den Verein stärken, sondern wird sich auch zu einem weiteren Anlaufpunkt für Touristen entwickeln. Eine überzeugende Umsetzung ist jedoch aufgrund verschiedener Restriktionen aktuell nur auf der Fläche im Stadion möglich, die derzeit für Einrichtungen der Polizei vorgesehen sind.
  • Das für den FC St. Pauli zuständige, von der Stadt und der DFL mitfinanzierte Fanprojekt und dessen Trägerverein – der auch für das Fanprojekt des HSV zuständig ist – hat den zuständigen Stellen der Stadt Hamburg bereits Bedenken hinsichtlich der besonderen räumlichen Nähe und der möglichen Auswirkungen auf ihre gewaltpräventive und fallbezogene Arbeit mitgeteilt. Wir möchten an dieser Stelle nicht tiefer auf diese Problematik eingehen, die die entsprechenden Fachleute beurteilen mögen, aber darum bitten, diese Bedenken der Personen, die “an der Front” stehen, ernst zu nehmen. Die im Umfeld von Fußballvereinen auftretenden Probleme haben gesamtgesellschaftliche Ursachen, und von Vereinen, Fanprojekten, Ehrenamtlichen und Fans wird extrem wertvolle Arbeit geleistet, die medial leider stark vernachlässigt wird.

Was möchten wir nun konkret erreichen? Es liegt ein Alternativvorschlag des Präsidiums des FC St. Pauli vor, der eine Modernisierung der aktuellen Domwache oder deren kompletten Neubau an gleicher Stelle vorsieht. Dies soll einerseits die Bedürfnisse der Polizei hinsichtlich einer moderneren Arbeitsumgebung bei Veranstaltungen erfüllen, andererseits aber wichtigen Platz innerhalb der aktuell im Bau befindlichen Osttribüne des Millerntor-Stadions schaffen. Unserem Verständnis nach würde sich der FC St. Pauli finanziell signifikant an einer solchen Lösung beteiligen.
Leider sind die Verhandlungen des Präsidiums des FC St. Pauli mit den zahlreichen betroffenen Parteien offensichtlich gescheitert. Wir möchten Sie bitten, vermittelnd einzugreifen, um doch noch eine für alle Seiten befriedigende Lösung herbeizuführen, da wir den Eindruck gewonnen haben, dass eine Einigung nur unter politischer Führung erreicht werden kann. Gerne würden wir die Problematik auch persönlich mit Ihnen oder einem Ihrer Vertreter diskutieren und weiter erläutern.

Mit freundlichen Grüßen,

AG Stadionbau
Ständiger Fanausschuss

Nachtrag, 30.06.2012:
Die Antwort ist da.

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