Übersteiger goes Filmfestival – Das “Making of…”

Wie in Ausgabe 109 ausführlich erläutert, haben wir dank ÜS-Redakteur “Troll” den Weltraum erobert. Dies bringt uns jetzt sogar zum “10.Internationalen Fußballfilmfestival 11mm”, bei welchem wir in der Endausscheidung des Fußball-Kurzfilmwettbewerbs “11mm shortkicks” dabei sind. Der Film für sich ist schon großartig genug, sonst wäre er kaum in die Endausscheidung gelangt, allerdings wird er durch die Entstehungsgeschichte noch ein bißchen schöner, weswegen wir sie aus der Print-Ausgabe nun ins Licht der digitalen Öffentlichkeit zerren und Euch hier ungekürzt zugänglich machen. Viel Spaß, nehmt Euch etwas Zeit dafür!
P.S. Der Film erlebt beim Festival seine Welturaufführung, wir werden ihn aber anschließend selbstredend veröffentlichen.  

Aufstieg und Fall

Wie sich der Übersteiger aufmacht, die unendlichen Weiten des Weltraums zu erobern

In der Sommerpause sind die Präsidenten des FC St. Paulis, Stefan Orth und Bernd Spies, in die Offensive gegangen und haben mutig die mittelfristigen Klubziele korrigiert. Gerade mit dem neuen Stadion im Rücken müsse der Aufstieg in die Beletage her. Mit dem verpatzten Start in diese Saison scheint der vermeintliche Größenwahn zumindest vorerst ein wenig ausgebremst. Aber da springen wir selbstverständlich gerne in die Bresche. Wenn es in dieser Spielzeit schon sportlich nicht mit dem Aufstieg klappt, so soll wenigstens euer allseits beliebtes Fanzine dieses Ziel erreichen. Denn mangelnden Größenwahn wollen wir uns nun wahrlich nicht vorwerfen lassen. Selbstlos wagt deshalb der Übersteiger den Aufstieg in die Stratosphäre. Im Gegensatz zur Mannschaft haben wir unseren Start vom Anstoßpunkt des Millerntor-Stadions übrigens nicht verbaselt.

Die Idee

Da auch ich mittlerweile fast das Alter des durchschnittlichen Übersteiger-Lesers erreicht habe, gebe ich ohne Scham zu, nicht mehr jedes Wochenende auf den Pisten der Stadt durchzustarten. Und so verbringe ich jenen tristen Abend an einem Sonnabend im September 2012 damit, mich gelangweilt durch das dumpfe Programm der Fernsehsender zu zappen. Hängen bleibe ich schließlich bei den Galileo Big Pictures auf Pro7. Dort flimmern gerade die Bilder eines kleinen Lego-Männchens über die Mattscheibe, welches zwei Kanadier an einem Wetterballon in die Stratosphäre befördert haben. Postwendend entwickelt sich in meinem Kopf folgendes Bild. Wieso schicken wir nicht den guten alten Störtebeker, seines Zeichens Signet unseres kleinen Schmutzblattes, auf die gleiche Weise in den Kosmos? Laut Galileo sei so ein Projekt mit weniger als 200,- € zu realisieren. Da lach ich mir doch den Arsch ab, um mal einen langzeitarbeitslosen Ex-Bundesligatrainer zu zitieren. Genau genommen bringe ich heute sogar ein gewisses Verständnis dafür auf, wie Großprojekte – etwa die Elbphilharmonie oder der Berliner Flughafen – finanziell derart aus dem Ruder laufen können. Aber dazu später mehr. Zunächst analysiere ich, welche Probleme auf technischer, rechtlicher, finanzieller und logistischer Ebene auf uns zukämen.

Wenn ihr euch an dieser Stelle fragt, warum wir überhaupt so eine abstruse Idee in die Tat umsetzten wollen, das erste Fanzine der Welt im All zu sein, antworte ich euch schlichtweg: „Weil wir es können!“ Andersherum kann ich genauso gut fragen: „Was wollten die Amis auf dem Mond?“ Mal abgesehen davon, dass es seit jeher nicht abreißende Theorien gibt, die NASA sei niemals auf dem Erdtrabanten gelandet und die Bilder seien irgendwo in der Wüste Nevadas entstanden. Schließlich wird der Name „Armstrong“ nicht erst seit gestern mit Lug und Betrug in Verbindung gebracht. Lance und Neil, wir glauben euch nicht viel!
Häufig wird beispielsweise auf den fehlenden Schatten des Astronauten verwiesen. Klar, auch das Konterfei unseres Captain Klaus wirft keinen Schattenauf die Erde, aber der ist eben auch nur zweidimensional. Zugegebenermaßen begründet Zweidimensionalität keinen fehlenden Schattenwurf. Wohl aber erklärt sie das Anliegen meines werten Kollegen Stemmens. Der möchte nämlich jegliche Anspielung auf das Werbespektakel um den von einem unsympathischen Brausehersteller gesponserten Überschallsprung aus der Stratosphäre vermieden haben. Andersherum solle ich aber unbedingt darauf hinweisen, dass wir mit unseren Planungen schon weit vor diesem ganzen Rummel begonnen hätten. Um es vorweg zu nehmen, die Lösung dieses Paradoxons bleibt das einzige Problem, an dessen Lösung ich im Rahmen dieses Projekts scheitern werde.

Die erste Planungsphase

Vorab verschaffe ich mir einen groben Überblick, welche Komponenten wir benötigen. Darüber hinaus gilt es deren Verfügbarkeit und die ungefähren Kosten abzuklären. Überschlägig summiere ich die Preise für eine Kamera, einen Peilsender, einen Wetterballon, zehn Liter Helium, Benzin und Kleinmaterial auf. Hä, Galileo? Weniger als 200,- €? Nach meiner ersten Kalkulation lande ich locker beim Dreifachen. Conclusio: Projekt gestorben oder Kosten senken!

Ich erinnere mich an das Angebot des freundlichen Mitarbeiters des Hafendienstes. Sollte ich bei der Beschaffung des Wetterballons auf Probleme stoßen, möge ich mich erneut melden. Und so bekomme ich schlussendlich eine Handvoll Ballons geschenkt. Dankeschön! Meine favorisierte Kamera kann ich von einem Kumpel für `nen Appel und `n Ei ausleihen. Für den Peilsender nehme ich einfach mal an, ich könne ihn nach dem Projekt für annähernd den gleichen Preis weiterverscherbeln. An allen anderen Kosten ist nicht zu rütteln. Meine neue Überschlagrechnung ergibt ein finanzielles Gesamtvolumen von ungefähr 300,- €. Allerdings setzt sie natürlich voraus, dass wir alle Komponenten nach dem Projekt unversehrt zurück erhalten. Als ich dann mit BallKult noch einen potenziellen Sponsor präsentiere, der die Kosten zumindest teilweise mittragen wolle, sind alle Übersteiger sich einig: Wir steigen auf!

Die rechtliche Komponente

Bevor ich mit der technischen Detailplanung fortfahre, muss ich mich erst einmal um die rechtlichen Aspekte kümmern. Da unser Ballon vom Anstoßpunkt des Millerntorstadions aus starten soll, kontaktierte ich die Deutsche Flugsicherung in Hamburg. Dort wird mir gesagt, dass unser Vorhaben zwar prinzipiell möglich sei, aber einer Startfreigabe bedürfe. Aufgrund der Verkehrsdichte über dem Hamburger Stadtgebiet müssten wir aber mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Ablehnung rechnen. „Warum führen Sie Ihr Projekt denn nicht irgendwo im Umland durch?“, entgegnet mir der freundliche Herr am anderen Ende der Leitung. Also studiere ich ausführlich den entsprechenden Gesetzestext und versichere mich seiner Eindeutigkeit.

In der Luftverkehrsordnung heißt es nach §16a (1) 3: „Bei Inanspruchnahme des kontrollierten Luftraums ist von der zuständigen Flugverkehrskontrollstelle eine Flugverkehrskontrollfreigabe einzuholen für (…) Aufstiege von unbemannten Freiballonen mit einer Gesamtmasse von Ballonhülle und Ballast von mehr als 0,5 kg sowie Aufstiege von gebündelten unbemannten Freiballonen und Massenaufstiege von unbemannten Freiballonen.

Aufstieg01
Klaus Störtebeker im Blick der Südkurve und Gegengerade, vor dem Aufstieg.

Also konfrontiere ich den verehrten Mitarbeiter der Flugsicherung mit der Gesetzeslage. Dieser gibt dann zu bedenken, unser Ballon habe ja eine nicht unerhebliche Größe. Ab welchem Durchmesser denn ein Ballon eine „nicht unerhebliche Größe“ aufweise, will ich wissen. Dieser Punkt ist aber nun mal gesetzlich nicht definiert, da kann sich der Kollege auf den Kopf stellen. Nimmt man den Wortsinn mal genau, so muss ein Wetterballon sogar erheblich sein. Denn wenn er sich nicht erheben würde, fehlt doch wohl die Sinnhaftigkeit des Vorhabens. Also hake ich nach und frage, was denn passiere, wenn wir trotz fehlender Flugverkehrskontrollfreigabe aufsteigen würden. Schließlich sei diese ja unter den gegebenen Randbedingungen rechtlich nicht erforderlich. Nun, wenn man es mitbekomme, schicke man uns die Polizei vorbei. Da schrillen bei mir natürlich augenblicklich die Alarmglocken. Wir müssen hoch, bevor wir eine Goliath-Wache im Hause haben und uns die Beamten permanent auf die Finger schauen. Mal ehrlich, was bleibt uns unter diesen Umständen übrig, als den Querulanten der Hamburger Flugsicherung zu ignorieren und stocksteif zu behaupten, unser Fluggerät weise eine Gesamtmasse von exakt 499 Gramm auf? Allerdings ist spätestens jetzt klar, dass irgendwer Stemmen beibringen musste, dass er nun doch nicht der erste Sauerländer im Weltall werden würde.

Als nächstes rufe ich Sven Brux an und erläutere unsere Idee inklusive der entsprechenden Gesetzeslage. Sofern wir am Starttage keine Kräne bei den Bauarbeiten behinderten, können wir kurzfristig ins Stadion und die Aktion durchziehen – kein Problem, so bescheinigt es mir der Sicherheitschef unsers magischen FCs.

Die technische Umsetzung

Da jetzt sämtliche Bürokratie geklärt ist, widme ich mich endlich der eigentlichen Aufgabe. Die generelle Herausforderung besteht darin, eine laufende Digitalkamera möglichst hoch in die Stratosphäre zu befördern und sie anschließend wieder sicher landen zu lassen. Danach muss die Kamera geortet und wieder eingesammelt werden. Dabei dürfen wir die äußeren Witterungseinflüsse nicht außer Acht lassen. So können beispielsweise aufgrund des Jetstreams in der oberen Troposphäre Windgeschwindigkeiten von über 500 km/h auftreten. Des Weiteren erwarten uns in der Stratosphäre Temperaturen von -60° C.

Für den Aufstieg wählen wir einen mit Helium gefüllten Wetterballon mit integriertem Fallschirm. Über eine Schnur ist die Fessel des Ballons mit einer Gondel aus Styropor verbunden. Die Gondel ihrerseits trägt und schützt das technische Equipment. In ihr befindet sich neben der Kamera und dem Peilsender noch ein kleiner Taschenwärmer. Er soll die Temperatur im Inneren erhöhen und damit die Leistung der Akkus verlängern. Ein paar Körner Kieselgel sollen ein Beschlagen der Kameralinse verhindern.

Der Peilsender entpuppt sich schnell als mein größtes Sorgenkind. Schon erste Tests lassen mich an der Zuverlässigkeit zweifeln. Mal antwortet der Tracker verspätet oder gar nicht, mal liegen die gemeldeten Koordinaten bis zu 300m vom wahren Standort entfernt. Sowas kann beispielsweise auf einem nicht abgeernteten Maisfeld zu erheblichen Irritationen und einem deutlich erhöhten Schwierigkeitsgrad bei der Auffindung führen. Wegen eines unerschütterlichen Gottvertrauens schiebe ich meine Zweifel zunächst beiseite und mache einfach weiter.

Der Rest ist Kleinkram. Also gehe ich einkaufen. Neben dem Baumarkt trete ich noch im Drachenbauladen und im Angelgeschäft, beim Biobauern und im Outdoor-Laden, in der Apotheke und der Drogerie, beim Gashändler und dem meteorologischen Hafendienst, im Elektrofachmarkt und natürlich im Internet als Kunde auf. Dann wird geschnitten und gebohrt, geklebt und geknotet, gelötet und verkeilt – und ich sah, dass es gut war. Ach nein, das ist ein anderes Buch…

Der große Tag

Irgendwann habe ich dann das Gefühl, es gebe nichts mehr zu verbessern. Und ich glaube, für alle Eventualitäten auf das Möglichste gewappnet zu sein. Eine innere Unruhe macht sich breit. Ein sicheres Indiz, dass wir nun bald los müssen.

Am Freitag, den 26. Oktober 2012, ist es soweit. Verschiedene Wetterdienste prognostizieren unabhängig voneinander strahlenden Sonnenschein und Windstärken von ein bis zwei Beaufort – ideale Bedingungen also. Gegen Viertel nach Neun stehen wir zu viert in Geschäftsstelle auf der Matte und verlangen nach Brux. Die freundliche Empfangsdame fragt, wen sie denn melden dürfe. „Das Weltraumkommando des Übersteigers!“ lautet unsere klare Antwort. Kurze Zeit später stehen Frodo, Stemmen, Zwille und ich auf dem heiligen Rasen. Nachdem wir uns erst mal einen Einlauf vom Platzwart abgeholt haben, welcher Idiot uns eigentlich rein gelassen habe, beginnen wir mit den Vorbereitungen. Die Checkliste wird Punkt für Punkt abgehakt. Ballon befüllen, Schnüre verbinden, Kamera starten, Peilsender testen und so weiter und so fort. Um Punkt 10.00 Uhr läuft der Countdown. Unser Freiballon erhebt sich lautlos gen Himmel und zieht sanftmütig über die Südtribüne, bis er sich unseren Blicken in die endlosen Weiten entzieht.

Aufstieg02
Die ersten Meter sind gemacht, oben mittig das Millerntor.

Nach diesem kurzen, romantischen Augenblick rufe ich den GPS-Tracker an. Der Peilsender antwortet nicht. Ich habe doch geahnt, wo die technische Schwachstelle liegt. Wieso nur vertraue ich diesem Gerät, das auch schon bei den vorangegangenen Tests häufig durch Unzuverlässigkeit glänzte? Die ersten, aber gewiss nicht letzten Flüche dieses Tages hallen durch das weite Rund. Für den Moment können wir allerdings nichts weiter tun. Das Schicksal Störtebekers liegt in Gottes Hand. Während ich beim anschließenden Frühstück weiterhin ständig die Kontaktaufnahme suche, versucht Stemmen mich zu beruhigen. „Der wird schon noch antworten, da mache ich mir überhaupt keine Gedanken“, ist seine feste Überzeugung. Meine Fresse, deine Gelassenheit hätte ich gerne! Mit jeder Minute steigt meine Nervosität. Seit ich frisch in meine Frau verliebt war, habe ich nicht mehr so sehnsüchtig auf eine SMS gewartet. Fortwährend wählen wir uns die Finger wund. Kein Kontakt! Wir sind mittlerweile in Zwilles Büro umgezogen. Um 13.39 Uhr reißt uns plötzlich mein Handy aus der sich ausweitenden Ratlosigkeit. „Wir haben die Koordinaten“, schreie ich lauthals in die Runde. Tosender Jubel brandet auf! Google Maps verrät uns den Landeplatz unserer Gondel. Unsere Kamera liegt am Ufer des „Großen Gramzow Sees“, einen guten Kilometer von Buchholz entfernt. Buchholz im Oberhavelland übrigens, ca. 80 Kilometer von Berlin entfernt. Tiefste SBZ also…

Die Welt ist nicht genug...
Die Welt ist nicht genug…

Hobbyangler Brux, der sich auch sehr interessiert am Verlauf des Projekts zeigt, ist von der Gegend hellauf begeistert und kann sofort von verschiedenen tollen Hechten berichten, die er in diesem Landstrich schon aus dem Wasser gezogen hat. Mein Enthusiasmus dagegen hält sich angesichts der 271 zu bewältigenden Kilometer in Grenzen. Eigentlich will Stemmen mich bei der Bergung begleiten. Angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit muss er aber passen. Denn am Abend will er noch ein Konzert mit der „Notgemeinschaft Peter Pan“ spielen. So mache ich mich wohl oder übel allein auf den Weg. Nach einer knappen Stunde habe ich tatsächlich den Horner Kreisel erreicht und fahre auf die A24 in Richtung Berlin. Wer sagt’s denn? Eine halbe Stunde vor Einbruch der Dunkelheit biege ich dann von der letzten Straße in Buchholz in den Wald ein. Leider finde ich den verfluchten See nicht. Als ich einen kleinen Bachlauf entdecke, folge ich diesem in der Annahme, er könnte mich zum See führen. Nachdem ich bis zu den Knien im Morast versinke, kehre ich letztlich um und bin froh, dass ich in der einsetzenden Finsternis überhaupt mein Auto wieder finde. So kurz vor dem Ziel wieder nach Hause zu fahren, macht keinen Sinn. Wegen der mittlerweile recht langen und empfindlich kalten Nächte verwerfe ich rasch die Idee, im Auto zu nächtigen. Also suche ich mir erschöpft und völlig verdreckt eine Pension im nahegelegenen Fürstenberg. Als ich abends meine Geschichte erzähle, verspricht mir Malte, der 13-jährige Sohn meiner Gastwirtin, am nächsten Morgen bei der Suche zu helfen. Wie sich allerdings herausstellt, kennt er die Gegend weit weniger gut, als ich erhofft habe. Wenigstens aber finden wir den See. Vom gegenüberliegenden Ostufer aus meine ich sogar unsere Gondel identifizieren zu können, sofern dies eben mit bloßem Auge auf eine Distanz von gut hundert Metern möglich ist. Der Versuch den See zu umrunden scheitert an den sumpfigen Bodenverhältnissen und dem mannshohen Schilf. Malte verliert fast einen Schuh. Wir beschließen, mit dem Auto auf die andere Seeseite zu fahren. Rehe springen über den Weg. Wenigstens tauchen keine Wildschweine auf. In dem Gewirr aus Waldwegen weiß ich bald nicht mehr genau, wo ich bin. Ich habe Angst, mich festzufahren. Wir gehen zu Fuß weiter. An den Bäumen hängen Schilder, Gefährdungsgebiet, explosivstoffverseucht. Dennoch erreichen wir irgendwie das Westufer. Allerdings ist hier der Sumpfgürtel noch breiter. Abbruch. Malte kennt einen Förster in der Nähe. Wir fahren hin, ist aber nicht sein Revier. Wenigstens erhalten wir die Adresse und Telefonnummer, des zuständigen Revierförsters. Leider ist der gute Mann nicht zu Hause und weder über Festnetz noch über Handy erreichbar. Demoralisiert mache ich mich auf den Heimweg und komme geschätzte 20 Stunden später als geplant zu Hause an. Mittlerweile hat das Projekt über 700,- € und etliche Arbeitsstunden verschlungen. Präsentieren kann ich indes nichts. Leck mich am Arsch, Galileo.

Das Happy End

Da ich auch am Sonntag keine Telefonverbindung zum zuständigen Förster zustande bringe, schreibe ich einen konventionellen Brief und erkläre unsere Misere. Auch auf Facebook mache ich unseren potenziellen Retter ausfindig. Am Montag kriege ich ihn dann tatsächlich ans Telefon. Leider schaffe er es aufgrund des Reformationstages und zweier Urlaubstage erst in der nächsten Woche, sich um unser Anliegen zu kümmern. Gut, rottet unsere Kamera eben eine Woche im Sumpf. Was sollen wir machen? Abgesehen vom Wind kommt wenigstens auch kein anderer an die Überreste unseres Fluggerätes heran. Wenn aber der Wind tatsächlich unter den Fallschirm griffe und die Gondel nur ein paar Meter weiter triebe, dann wäre Zappenduster. Denn der Akku des Peilsenders hat mittlerweile selbstredend seine letzten Kraftreserven aufgebraucht. Um unser verstärktes Interesse an der Bergung unserer Gondel weiter zu unterstreichen, bieten wir dem Förster alternativ zu einem hübschen Finderlohn den Besuch eines Heimspiels unseres magischen FCs an. Selbstredend im Businessbereich mit Schnittchen und Kaltgetränken. Auch das zieht nicht. Ich bekomme auf Nachfrage lediglich zu hören, dass sich die Bergung relativ schwierig gestalten würde. Na wenigstens deckt sich die Einschätzung des Försters mit den Erfahrungen, die ich selbst vor Ort gesammelt habe. Zu allem Überfluss meldet sich mein Kumpel Richie, er bräuchte bald die Kamera für einen Dreh zurück. Leider muss ich beichten, dass dies momentan nicht möglich sei. Ganz ehrlich, langsam nervt das Projekt nicht nur, es wird auch richtig peinlich. Als ich nach vollen zwei Wochen auf wiederholte Nachfrage beim Förster immer noch keine positive Nachricht bekomme, bereiten wir die Bergung selbst vor. Wir sind fest entschlossen, die Sache zu Ende zu bringen – so oder so. Schade lieber Herr Revierförster, Sie hätten die Titel „Messias des Übersteigers“ und „Geilste Sau des Ostens“ auf sich vereinen können.

Wir organisieren einen Transporter und ein Kajak. Am Sonnabend, den 17. November 2012, mache ich mich mit Jean Eck Picard, Kapitän zum See, auf den Weg zu unserer letzten Mission. Am frühen Nachmittag stehen wir erneut am Ostufer des Sees. Nachdem wir unsere Gondel mit dem Fernglas lokalisiert haben, kämpfen wir uns durch den Schilfgürtel und versuchen das Kajak zu Wasser zu lassen. Leider haben die sibirischen Kälteausläufer bereits das Oberhavelland erreicht, und der See ist mit einer dünnen Eisschicht bedeckt. Weil unser leichtes Kajak aus Glasfasern gefertigt ist, weist es nicht eben die besten Eisbrecherqualitäten auf. Ich sehe uns schon wieder mit leeren Händen nach Hause fahren. Allerdings habe ich die Rechnung ohne den unerschütterlichen Wagemut Jean Ecks gemacht. „Logisch kommen wir da durch, kein Ding“, stellt er sich der Aufgabe. Während ich vom Ufer aus dirigiere, fightet er sich Paddelschlag für Paddelschlag durch das Eis. Kraaack, Kraaack, Kraaack. Nach einer guten Dreiviertelstunde hat es Jean Eck tatsächlich geschafft und erreicht mit der unversehrten Kabine völlig erschöpft den Schilfgürtel, wo ich ihn bereits sehnsüchtig erwarte. Vielleicht sind es noch fünf Meter, die es zu überbrücken gilt, bevor ich Jean meine rettende Hand reichen kann. Da passiert es. Platsch! Jean Eck kentert und landet der Länge nach im eisigen Wasser. Während unser Held mit lauten Flüchen die Stille der unberührten Natur erschüttert, huscht ein leises Grinsen über mein Antlitz.

22 Tage nach dem Start halten wir unser Baby wieder in den Armen. Es fühlt sich wunderbar an. Erinnert ihr euch noch an den 7. November 1997? Im Spiel gegen Jena sind wir die klar bessere Mannschaft. Trotzdem fangen wir uns ungerechterweise in der 75. Spielminute das 0-1. Weil aber bis zum Schluss weiterhin alle Vollgas geben und an den Erfolg glauben, drehen wir das Ding durch zwei Tore in der Nachspielzeit. Wisst ihr noch, wer damals knipste? Genauso wie an jenem Freitag vor 15 Jahren fühlen wir uns heute – vielleicht sogar noch ein wenig geiler… //Troll

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