Rasenfunk Royal – Eine Huldigung

“Hallo, mein Name ist Maik und ich höre Fußball-Podcasts.”
“Hallo Maik.”

Ja, ich gestehe, bei einem Arbeitsweg von knapp zwei Stunden pro Tag und dem (zuletzt zu selten ausgeübten) Hobby “Laufen” gibt es als Fußballfan für mich kaum etwas Besseres, als Fußballpodcasts zu hören. Sei es das Textilvergehen, der Bockcast, Collinas Erben, die BigShow oder die diversen Formate bei MeinSportradio.
(Und ja, es gibt noch viele weitere, insbesondere Vereinsbezogen, aber die hier genannten höre ich wirklich regelmäßig, bei den anderen selektiv und je nach Zeit.)

Als wir mit dem MillernTon begonnen haben, war eine der ersten Aussagen: “Dat Ding muss 90 Minuten haben… länger ist schwierig, hört ja keiner!
Haha, guter Witz… bereits in der Nullnummer haben wir überzogen, in Folge 1 es dann tatsächlich einmal geschafft und in den bisher 18 Folgen danach aber sogar ab und an eher drei Stunden gefüllt. Und wenn man sich die anderen Formate so anschaut, ist es bei vielen ähnlich, lediglich MeinSportradio fällt da aufgrund des Programmzwangs etwas raus, die haben aber auch eine sehr regelmäßige Schlagzahl.
(Und nein, Podcasts (gerade in dieser Länge) sind nicht dazu gedacht, sie am PC sitzend zu hören. Kann man machen, empfehlenswerter sind sie aber eben unterwegs (Sport, Auto, ÖPNV) per Smartphone oder auch beim Hausputz.)

Nun hat sich aber zur letzten Saison ein neues Format auf den Weg gemacht, welches es binnen kürzester Zeit schaffte, zu der Sendung zu werden, die ich keine Woche verpasse, die ich auch immer unbedingt zeitnah hören will: Der Rasenfunk.
Oder, um es kurz zusammenzufassen: Der “DoPa, wie er in einer perfekten Welt sein sollte“. Ein Talk, der den kompletten Bundesliga-Spieltag abdeckt, ohne den ganzen Boulevard-Mist abzufrühstücken, in dem aber ab und an auch Platz für Fanthemen ist.
(Und wer jetzt zurecht anmerkt, dass dies mit dem DoPa nichts zu tun hat: Ja, schrieb ich doch…)

Und als wäre das nicht alles schon fantastisch genug, gibt es jetzt zum Saisonfinale auch noch den “Rasenfunk Royal“, eine Sendung in drei Teilen, mit je einem (Fan-)Vertreter aller 18 Erstligisten, zu der man sogar vorab noch die Hörerschaft um Fragen bat.
Und das Teil hat elf Stunden… Wahnsinn.

Und da diese Sendung nicht einfach so verklingen darf, hier eine total subjektive Zusammenfassung ohne Details, damit Ihr Appetit bekommt, sie dann aber eben doch noch komplett anhören müsst.

In Teil 1 (Tabellenplatz 1 – 7) gibt es zwei Gruppengespräche, zunächst die Top 4 mit Yalcin Imre (@fehlpass, FC Bayern), Lars Vollmering (VfL Wolfsburg), Peter Ahrens (@peter_ahrens, Gladbach) und Eric Brühl (@SchnixB04, Bayer 04).
Yalcin kommentiert gewohnt entspannt aus der komfortablen Situation des Ligaprimus heraus, wie man es vom Fehlpass-Podcast von ihm gewohnt ist. Böswillig könnte man ihm das als Arroganz auslegen, tatsächlich ist es lediglich die Gewissheit Fan des erfolgreichsten Vereins Deutschlands zu sein, den er immer weiter verbessern will. Ich höre ihm generell gerne zu, wenn er über Fußball redet… und auch, wenn ich ihm das nicht persönlich wünsche, würde ich es doch gerne mal erleben, wie er sich verhalten würde, wenn der FC Bayern mal die Quali zur Europa League verpasst. Werde ich aber wohl nicht mehr erleben.
Lars Vollmering war von allen 18 Teilnehmern der einzige ohne Twitter-Account – und komischerweise auch der Einzige, der bei mir keinen guten und sympathischen Eindruck hinterließ. Seine Selbstwahrnehmung des VfL Wolfsburg und seiner Fanszene… nun ja, ich wurde damit nicht warm, obwohl ich dies kurz nach meinem persönlichen Wolfsburg-Highlight beim Pokalfinale in Berlin hörte und dem VfL wohlwollend gegenüberstand.
Peter Ahrens hat es ja nun schon seit längerem geschafft, Twitter als Kunstform zu verstehen und das Ganze eher als Spaß zu interpretieren. Insofern zerstörte er sich in der Sendung sein komplettes Image, da er völlig sachlich und auch noch sympathisch und kompetent über seine Borussia sprach. Fang bloß auf Twitter nicht so an, ich würde Dir nicht mehr folgen können.
Und schließlich Eric, der als Fan eines Werksklub die dafür nötige Selbstironie und gesunde Selbsteinschätzung hatte, die ihn (neben seinem amerikanischen Akzent) absolut hörenswert machten. Gleichzeitig für mich dann auch die erste (von einigen) Neuentdeckungen auf Twitter.

Die zweite Konferenz wurde mein Liebling: Kristell (@kristaldo1907, FC Augsburg) bekam es mit Torsten Wieland (@TorstenWieland, Schalke 04) und Stefan Vogel (@Surfin_Bird, BVB) zu tun. Und während es einfach schön war, Kristell dabei zuzuhören wie sie offensichtlich selber immer noch nicht so ganz einordnen konnte, wieso ausgerechnet ihr FC Augsburg denn nun im Europapokal mitspielen darf, zeigten die beiden Vertreter des Ruhrpottderbies, was Gespräche über Fußball auszeichnen.
Man “verabscheut” den gegnerischen Verein gegebenenfalls wie die Pest (statt “Verabscheuung” wählt sonst auch gerne den für Euch passenderen Begriff), überträgt dies aber eben nicht auf die Einzelpersonen, die nun zufällig Fans des jeweils anderen Vereins sind, sondern frotzelt sich auf beste Art und Weise. Respektvoll, Humorvoll. Etwas, was auf Twitter ohnehin recht gut funktioniert, Ausnahmen bestätigen die Regel. Die unterschiedlichen Ausgangslagen (S04 endete im Chaos, der BVB begann dort) machten es umso interessanter.

Teil 2, das Niemandsland der Tabelle, Platz 8 – 12. Es begann mit zwei Einzelspielen. Zunächst Malte Kaja (@Salihovicic, TSG Hoffenheim), der anfangs Schwierigkeiten hatte, dieser Saison sportlich etwas interessantes abzugewinnen. Interessant und sehr hörenswert wurde es dann aber sehr schnell, als man das Sportliche ausklammerte und über die Fanszene der TSG sprach. Hat mir sehr gut gefallen.
Gleiches gilt für den zweiten Einzelgast, Marvin Mendel (@marv2punkt0, Eintracht Frankfurt). Es gibt ja Menschen, die können das Telefonbuch vorlesen und man hört ihnen trotzdem gerne zu. Bei Marvin ist das bei mir so gewesen, er versprüht mit seiner Art zu reden einfach permanent den Eindruck, er hat unfassbar viel Spaß dabei. Großartig. Dabei interssiert mich Eintracht Frankfurt eigentlich so gar nicht, abgesehen davon das Alex Meier mal bei uns war. Jedenfalls: Sehr hörenswert.

Es folgte dann wieder eine 3er-Gruppe, bestehend aus Sebastian (@vertblanc, SV Werder Bremen), Mara Braun (@Wortpiratin, FSV Mainz 05) und Ralf Friedrichs (@FC_Stammtisch, 1.FC Köln).
Bei Sebastian muss ich jetzt mal ein Geständnis vorbringen, welches ich ihm gegenüber jüngst auch beim 11Freunde-Jahresrückblick äußerte: Mir sind die Texte im dortigen Blog oft zu theoretisch und abstrakt. Ich habe inhaltlich/intellektuell Probleme zu folgen, ich bin vielleicht doch zu sehr Fußball-Asi. Daher hatte ich auch das Folgen auf Twitter irgendwann eingestellt. Hab ich nach dieser Sendung aber sofort repariert, denn Sebastian hat eine wunderbare ruhige Art, mit dem nötigen Augenzwinkern auf seinen Verein zu blicken und dies sympathisch zu verbalisieren.
Gleiches gilt für Mara, die ich bis dahin ebenfalls nicht kannte. Also “gleiches” im Sinne von hörenswert, denn ansonsten ist sie schon ziemlich anders als alle anderen 17 Teilnehmer. Bei niemandem hat man so lange Redeschwälle gehabt, ohne jede Atempause und (was mich immens beeindruckt hat) ohne jedes “Äh” oder andere Füllpausen. “Wortpiratin” als Twitternick ist also durchaus passend, “Wortakrobatin” wäre vielleicht sogar noch passender gewesen. Und selbstredend ist das, was dabei rauskommt auch noch fundiert, insbesondere ihre Sichtweisen auf das Mainzer Trainerkarussell fand ich sehr spannend.
Dann kam noch Ralf Friedrichs, seines Zeichens dann (ganz wertfrei) eher der Fußballpurist, dem man den Fußballsachverstand, insbesondere im Zusammenhang mit dem Effzeh, sehr wohl anhörte. Lediglich in Fandingen kommen wir zwei wohl nicht so richtig zusammen, aber muss ja auch nicht, dafür gibt es ja den Bockcast.

Last but not least: Teil 3, Platz 13 – 18.
Es gab zunächst einmal die Konferenz der “Geretteten”, mit Klaas Reese (@sportkultur, Hannover 96), Andreas Zweigle (@vertikalpass, VfB Stuttgart) und Uwe Bremer (@ubremer1, Hertha BSC).
Tja, Klaas, was soll man zu Dir noch sagen? Erst Frontzeck nichts zutrauen, dann unseren Neuzugang Andreas Rettig fast für Unzurechnungsfähig halten weil er endlich mal zu einem sympathischen Verein geht… unfassbar. Sei froh, dass ich nicht zum #tkschland kommen kann, die Kehlkopfgrätsche wäre Deine gewesen.
(Spaß, natürlich. Wer Collinas Erben und damit auch Klaas noch nie gehört hat, verpasst wirklich etwas und sollte diese Sendung als guten Einstieg nehmen. Auch wenn ich H96 aus rein regionalen Beweggründen den Abstieg schon gegönnt hätte.)
Andreas war mir bisher ebenfalls unbekannt, aber ähnlich wie oben schon bei Marvin höre ich ihm schon inhaltsunabhängig sehr gerne zu, weil es für das norddeutsche Ohr einfach super klingt wenn so ein Schwabe daherschwätzt. Davon ab auch interessante Inhalte zum VfB und dessen Entwicklung, Bobic, Stevens und allen anderen.
Und Uwe Bremer war dann der letzte mir gänzlich unbekannte Teilnehmer, der allerdings als gut informierter Journalist inhaltlich sehr stark punkten konnte. Auch, oder gerade weil ich die Hertha nun so gar nicht mag.

Und dann: Das Elend. Der hsv und die zwei Absteiger. Namentlich:
Florian (@nedfuller, hsv), Sven (@Zugzwang74, SC Freiburg) und Stephan (@schwarzundblau, SC Paderborn).
Florian hab ich ja nun schon sehr häufig beim Rautenradio gehört, insbesondere nach hsv-Niederlagen für einen St.Pauli-Fan immer ein Fest, in denen Florian seinem Zweitnamen “Rantfuller” oft genug alle Ehre machte. Darüberhinaus kenne ich ihn von einigen Treffen und kann daher auch ganz offen sagen: Ich fand die Besetzung unpassend.
Ich verstehe den Beweggrund, sich von Florian die Geschichte seiner inneren Abkehr von “der AG” nochmal erzählen zu lassen, allerdings hab ich die Geschichte jetzt vielleicht doch einfach einmal zu oft gehört, auch wenn Florian da nichts für kann.
Aber: Ich hätte mir eher jemanden gewünscht, der mit dem Bundesliga-Team des hsv noch nicht inhaltlich abgeschlossen hat und dann die Relegation sicher etwas emotionaler hätte schildern können.
(Nachtrag: Davon ab hat Florian natürlich auch inhaltlich immer etwas zu sagen und hat sich die Zeit genommen, alle Hörerfragen ausführlich zu beantworten, was hier nachgelesen werden kann.)
Es folgte Sven, der mit einer unfassbaren Gelassenheit den Abstieg des SC Freiburg zur Kenntniss nahm, aber derart innere Ruhe und Zuversicht ausstrahlte, dass eben der Wiederaufstieg nur Formsache sein kann. Hat er so nicht gesagt, im Gegenteil, aber gönnen würde ich es sowohl ihm als auch dem SCF. Auch hier ist allein die Stimme und der Akzent schon so hörenswert, dass ich mich sehr auf die Spiele gegen Freiburg freue und Sven unbedingt für den MillernTon gewinnen möchte.
Gleiches gilt dann auch für Stephan und den SC Paderborn, auch wenn er das Halbzeit-Lied als Kult bezeichnet hat. Auch wenn er sich selbst als eher “nüchtern” bezeichnet, sehr hörenswert und gelassen die Saison Revue passieren lässt und eben so ein kleines bißchen dann doch durchklingt, wie vermeidbar dieser Abstieg war.

So, und jetzt hab ich all das geschrieben und habe es bewusst vermieden, den Gastgeber dieser elf Stunden zu nennen, der das auch Woche für Woche ganz wunderbar macht: Max-Jakob Ost.
Wahnsinn, mit was für einer Mischung aus immenser inhaltlicher Vorbereitung, guter Gesprächsleitung, Augenzwinkern und sehr schönem Humor Du das machst, klasse.
Wer zu den Hintergründen der Sendung mehr wissen will, dem sei auf das Ende von Teil 3 sehr empfunden, wo es ab 3h36 noch ein paar Hintergründe zum Entstehen der Sendungen gibt. Chapeau, Max, ganz großes Tennis!
(Und an der Stelle dann auch ein Danke an Frank, der für die Technik im Hintergrund sorgt.)

Also, hört den Rasenfunk, insbesondere diese Royal-Edition, abonniert ihn, bewertet ihn auf iTunes. Haben sie sich verdient. // Frodo

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