Last-Minute Weihnachtsgeschenk: FC St.Pauli Album

Neuer Lesestoff für Fans des „Magischen FC“: Nach über einem Jahr intensiver Arbeit steht das neue „FC St. Pauli Album“ in den Läden. Das neue Werk von Jubiläumsbuch-Autor und „Kessel Braun-Weißes“-Moderator Christoph Nagel („FC St. Pauli. Das Buch“ / „FC St. Pauli. Alles drin“) ist zugleich ein Baustein für das FC St. Pauli-Museum, denn das gesamte Autorenhonorar geht an 1910 – Museum für den FC St. Pauli e.V. Wie kam das FC St. Pauli Album zustande? Ein Gespräch über philosophierende Fußballer, „crowdgesourcte“ Inhalte und lange Nächte im „Sprüchebergwerk“.

Übersteiger: Moin Christoph, rechtzeitig vor Weihnachten habt Ihr das „FC St. Pauli-Album“ im Werkstatt-Verlag veröffentlicht. Wohl das ideale kleine Last-Minute Geschenk für alle, denen plötzlich siedend heiß einfällt, dass man ja noch was verschenken muss. Schildere doch bitte mal, wie Ihr zu der Idee dieses doch etwas außergewöhnlichen Buches gekommen seid.

Christoph Nagel: Das ist schon eine Weile her. Nach dem Auswärtsspiel in Bochum im Dezember 2014 (3:3 – Peter Neururers vorerst letztes Spiel als VfL-Cheftrainer) unterhielt ich mich mit Ben Redelings, der ja nicht nur Bochum-Fan, sondern auch Fußball-Autor und -Entertainer ist. Ben hat im Werkstatt-Verlag eine erfolgreiche Reihe mit Alben zu verschiedenen Vereinen gestartet und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, den Band über den FC St. Pauli beizusteuern. Als erster „externer“ Autor, alle anderen Alben sind bislang von Ben. Nachdem ich mir das eine Weile durch den Kopf gehen ließ, fand ich die Idee immer besser und sagte schließlich zu.

ÜS: Warum die Überlegungszeit?

Christoph: Zum einen ganz schlicht aus Zeitgründen – bis so ein Buch „rund“ ist, braucht es viele hundert Stunden, und die ehrenamtliche Arbeit im Vorstand des „Museumsvereins“ 1910 e.V. lässt neben meinem Hauptberuf als freiberuflicher Texter und allem anderen nur wenig Zeit übrig. Zum anderen wollte ich die richtige Veröffentlichungsform finden und mich nicht mit „fremden Federn schmücken“.

ÜS: Wie meinst Du das?

Christoph: Die „Album“-Reihe lebt davon, dass sie Zitate, Geschichte und Bilder aus vielen verschiedenen Quellen zu einem abwechslungsreichen, bunten Ganzen zusammenführt. Gerade beim FC St. Pauli macht so ein Album keinen Sinn, ohne auch diverse Fan-Quellen „anzuzapfen“ – vom Sticker auf dem Fanladen-Klo oder irgendwo im Viertel über Pappen, Transparente und Choreos im Stadion bis hin zu Fanzines oder auch dem Fanforum. Unzählige Leute tragen zum „Gesamtkunstwerk St. Pauli“ bei, und deren Herzblut zwischen zwei Buchdeckel zu packen und dafür ein Autorenhonorar zu bekommen, fühlte sich für mich nicht richtig an. Das änderte sich, als mir durch den Kopf ging, dass ich das Buch ja einfach für eine Sache machen könnte, die allen St. Pauli-Fans zugute kommt: das FC St. Pauli-Museum in der Gegengerade, das wir mit 1910 e.V. planen, finanzieren und bauen. Ich entschied also, mein Autorenhonorar zu spenden, und der Verlag war damit einverstanden, 1910 e.V. als Herausgeber mit ins Boot zu holen.

ÜS: Du hast dann ja auch die Sache mit den Fan-Inhalten noch wesentlich intensiviert …

Christoph: Ja, wir haben dann als 1910 – Museum für den FC St. Pauli e.V. zusammen mit dem FC St. Pauli selbst einen Aufruf gestartet, uns Anekdoten, Zitate und Bilder für das Buch zu schicken, und eine ganze Menge Leute haben reagiert. Wir konnten leider nicht alles nutzen, aber das Buch wurde durch die „Crowdsourcing-Aktion“ nochmals bereichert. An dieser Stelle vielen Dank an alle, die uns Inhalte geschickt haben – Ihr seid wie versprochen in der „Hall of Fame“ hinten im Buch verewigt!

ÜS: Wie muss man sich denn die Recherche zu dem Buch vorstellen: Hast Du wochenlang Fanzines und Stadionhefte gewälzt und dabei den MillernTon gehört? Und wie viele andere Personen waren in die Recherche involviert?

Christoph: Ursprünglich dachte ich ja mal, ich könnte das in wenigen, intensiven Wochen schaffen – die paar Zitate (lacht) … Ich musste dann feststellen, dass die Arbeit im Sprüche-Bergwerk wesentlich härter ist, als es vielleicht auf den ersten Blick wirkt. Weil es ja eben nicht um große Zusammenhänge geht, die man einmal erforscht und dann möglichst gut beschreibt, sondern um ganz viele kleine „Schnipsel“, um DAS Zitat, DAS Bild, das trifft, wirkt und amüsiert. Es war mir extrem wichtig, nicht einfach die Zitate wiederzukäuen, die es schon im Internet und anderen Büchern gibt. Und so habe ich tatsächlich wochen- und monatelang Material gewälzt, online und offline: MillernTon-Podcasts, Berichte in der FC St. Pauli-Flimmerkiste, eigene Interviews mit Spielern und Funktionären, Youtube-Videos von uralten FCSP-Spielen, Filme, Zeitungen, Fanzines – und natürlich unser im Aufbau befindliches Museums-Archiv von 1910 e.V. Weil mein Freund und Kollege Michael Pahl aus beruflichen Gründen leider diesmal keine Zeit hatte, mitzuschreiben, habe ich die ganze Wühlerei alleine durchgezogen – wobei ich auch heute noch von den Recherchen profitiere, die wir damals gemeinsam für „FC St. Pauli. Das Buch“ zum Jubiläum unternommen haben.

ÜS: Was war bei der ganzen Arbeit das Schwierigste?

Christoph: Die Auswahl (seufzt). Nachdem ich wochen- und monatelang wie ein Bekloppter nach Sprüchen, Bildern und Geschichten gesucht hatte, um bloß nicht zu wenig neues Material zu haben, musste ich schließlich feststellen, dass ich eine fast unüberschaubare Halde an „Stoff“ angehäuft hatte. Was lässt du weg, was kommt rein? Wie macht man da jetzt ein einigermaßen strukturiertes Buch draus – ohne das Bunte, Abwechslungsreiche, Familienalbumhafte zu verlieren, das den Charme der Reihe ausmacht? Das hat mich richtig viel Kopfzerbrechen gekostet und zwischenzeitlich fast zur Verzweiflung getrieben – vom Verlag ganz zu schweigen … Das Buch ist nicht umsonst ein ganzes Jahr später erschienen als ursprünglich gedacht!

ÜS: Welches ist denn Dein Lieblingskapitel im Buch?

Christoph: Schwer zu sagen … Natürlich wecken Sachen wie das „Derbyfieber 2011“ oder die „Kunst des Aufstiegs“-Doppelseiten tonnenweise Emotionen, und das fühlt sich gerade nach einem vergurkten Heimspiel gegen Aue oder Düsseldorf und einem Blick auf die aktuelle Tabelle ziemlich gut an. Aber ich habe auch ein großes Faible für die kleinen, etwas abseitigen Sachen am Rande des Weges, und darum hatte ich eine Menge Spaß beim Zusammenstellen von Themenseiten wie „Tiefpass – Genie trifft Wahnsinn“ über (teils eher unfreiwillig) philosophierende Fußballer oder die „Freds vom Jupiter“ aus dem Forum, bei denen ich mich allein schon über die Überschrift freue. Übrigens auch darüber, dass das Buch in all dem fröhlichen „Chaos“ zugleich eine sehr bewusst geplante Struktur hat – alle acht Doppelseiten geht es z.B. in die braun-weiße Zeitmaschine nach „Anno 1910“ oder z.B. in die 70er 80er und 90er, und auch die Aufsteige geben ein gewisses chronologisches Gerüst. Obwohl es optisch den anderen Bänden der „Album“-Reihe ähnelt, unterscheidet sich das FC St. Pauli Album strukturell ziemlich stark. Auch durch das Inhaltsverzeichnis, den „Matchplan“ zum Einstieg und das Vorwort der vier Museumspaten Fabian Boll, Benedikt Pliquett, Jan-Philipp Kalla und Timo Schultz, über deren Unterstützung ich mich sehr freue!

ÜS: Auf der einen Seite bietet das Buch über die „Zeitmaschine“-Seiten ja eine Art „Crashkurs in braun-weißer Geschichte“ – auf der anderen Seite finden auch langjährige Fans so manche Rarität. Welche „Sammlerstücke“ findet Du besonders bemerkenswert?

Da ist so einiges im Album, das wir schon zu Jubiläumsbuch-Zeiten liebend gern gehabt hätten – das aber eben erst später aufgetaucht ist. Zum Beispiel zur „Wunderelf“ des FC St. Pauli, die nach dem Zweiten Weltkrieg um die Deutsche Meisterschaft spielte – weil Karl Miller Senior, Vater des „Jahr100-Elf“-Mitglieds Karl Miller Junior, einige der besten Spieler Deutschlands mit Koteletts und Würstchen ans Millerntor gelockt hatte. Im FC St. Pauli Album liest man nicht nur diese Story, sondern sieht erstmals auch Karl Miller Junior mit Schweinehälfte und die legendäre Schlachterei Miller im Bild. Dann wäre da z.B. das erste mir bekannte Foto aus der berühmt-berüchtigten Clubheim-Küche, die in den 80ern und 90ern so was wie der erste „VIP-Raum“ für Spieler wie Dirk Zander und André Golke war und so manches Zechgelage erlebte. Auch zu Ikonen der Vereinsgeschichte wie Walter Frosch ist eine Menge Neues im Buch – Sprüche, die seit den 70ern nirgends standen, aber auch neue charakterliche Seiten, die zeigen, dass Walter viel mehr war als die rauchende, saufende „Cartoonfigur“, als die er manchmal erscheint.

ÜS: Auf einer führenden kommerziellen Bücher-Verkaufsplattform nennt ein Rezensent das Album „Klolektüre im positivsten Wortsinne“. Hast Du das als Kompliment verstanden und kannst Du die Wortwahl nachvollziehen?

Christoph: Das habe ich natürlich unbedingt als Kompliment verstanden (schmunzelt)! Denn ob es nun auf dem Klo ist, in der Badewanne, im Zug, im Bus oder im Bett vorm Einschlafen – ich hatte mir ein Buch gewünscht, das man auch zwischendurch immer wieder zur Hand nimmt und in dem man jedes Mal Neues entdeckt. Dass mir inzwischen auch einige Leute erzählt haben, dass sie das Buch in einem Rutsch durchgelesen und sich dabei prächtig amüsiert haben, freut mich aber natürlich genauso!

ÜS: Ihr habt kürzlich eine außergewöhnliche Lesung gehalten: Außergewöhnlich, weil so eine Sammlung wie im FC St. Pauli Album ja nicht unbedingt nach einer klassischen „Lesung“ schreit, aber auch aufgrund der Location. Erzähl doch mal, wo das war, und wie es sich dann anfühlte.

Christoph: Michael Pahl und ich waren ja früher schon viel mit unseren Büchern auf Tour und haben von Flensburg bis Innsbruck Live-Erfahrung gesammelt. Wir haben dabei schon früh gemerkt, dass es allen am meisten Spaß macht, wenn man nicht einfach spröde einen Text nach dem anderen vorliest (wie Loriot bei dieser berühmten Dichterlesungs-Szene aus „Papa Ante Portas“: „Krawehl, Krawehl“) – sondern wenn man das Ganze mit frei erzählten Anekdoten und auch der einen oder anderen Bild- und Videosequenz auflockert. Also eher Live-Performance als Lesung – Ben Redelings hat das als Fußball-Entertainer ja perfektioniert (wer will, kann sich am 2. Februar 2017 im „Grünspan“ davon überzeugen, es gibt glaube ich noch Tickets). Wie sich zeigte, ist die Album-Struktur für genau diese Art Performance ideal geeignet. Das haben wir bei einer Lesung auf der FC St. Pauli-Barkasse ausprobiert – die heißt nicht nur so, sondern ist komplett im FC St. Pauli-Look gehalten. Mit 40 Mitgliedern von 1910 e.V. ging es durch Hafen und Speicherstadt, und dabei habe ich braun-weiße Döntjes aus diversen Jahrzehnten erzählt und zum Teil auch vorgelesen. Zum Glück wurde niemand seekrank, und es wurde viel gelacht – kann gut sein, dass wir das nochmal wiederholen!

ÜS: Die Erlöse kommen ja „leider“ nicht Sportwagen, Villa oder Privatjet zugute, sondern dem „Museumsverein“ 1910 e.V. Wie ist denn da der aktuelle Stand?

2016 war ein besonderes Jahr für uns „1910er“: Nach Jahren der Überzeugungs- und Fundraising-Arbeit rollten nun endlich die Bagger! Bauphase 1, also die Herrichtung der Fläche, ist in vollem Gange. Da sind Fußböden, Strom- und Wasserleitungen zu legen, Decken zu verkleiden, Sanitäranlagen zu installieren, einige der ursprünglichen „Goliathwachen“-Wände zu entfernen – sehr viel Arbeit, die trotz fantastischer Unterstützung durch unsere Ehrenamtlichen entsprechend viel kostet: Allein für die aktuelle Bauphase müssen wir 800.000 Euro aufbringen, und das passiert natürlich nicht von selbst. Das Foyer soll übrigens als erstes fertig werden, so dass es hoffentlich bald wieder die beliebte 1910-Weinbar am Spieltag geben wird. Nach der Fertigstellung der Fläche werden wir dann einige temporäre Ausstellungen zeigen – ähnlich wie die Millerntor-Ausstellung 2014 – und dann liegt es ganz daran, wie erfolgreich wir im weiteren Fundraising sind. Was auch nicht ganz losgelöst von der Ligazugehörigkeit des „Magischen FC“ sein wird, da machen wir uns nichts vor. Läuft alles wunschgemäß und engagieren sich möglichst viele St. Paulianerinnen und St. Paulianer – als 1910 e.V.-Mitglieder, Spender, Sponsoren oder Aktive – ist eine Eröffnung der Dauerausstellung (mit wechselnden Sonderausstellungen) für 2018 denkbar.
Wie gesagt: Jede/r kann dazu beitragen – auch durch den Kauf des FC St. Pauli Albums und unserer anderen Museums-Bausteine!

ÜS: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg mit Deinem Buch und fürs Museum!

Das FC St. Pauli Album gibt es für 9,99 Euro in den FC St. Pauli Fanshops Millerntor und Reeperbahn, überall im Buchhandel (falls nicht vorrätig: einfach fragen!) und natürlich auch online, z.B. hier:

http://bit.ly/1910shop (1910 e.V.-Shop, ab 21.12. in den Weihnachtsferien)
http://bit.ly/FCSP-Fanshop (FC St. Pauli-Fanshop)
http://bit.ly/kiezhelden
(Amazon-Partnerlink mit Spende an KIEZHELDEN)

Weitere Links zum Thema:

Mitglied werden bei 1910 e.V.

Buchtipp „FC St. Pauli Album“ (fcstpauli.com)

Nachbericht Barkassenlesung (fcstpauli.com)

Bericht „Baubeginn im Museum“ (fcstpauli.com)

„Ein Vereinsmuseum für den FC St. Pauli“ (taz-Reportage)

Fotos: Sabrina Adeline Nagel, www.siesah.de

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