Im Vorfeld des ersten Pflichtspiels dieser Saison, der Pokalpartie in Halle, baten wir den dort ansässigen FCSP-Fanclub „Saalepiraten“, sich und die Herausforderungen, die ein braun-weißes Fandasein in der Stadt des Halleschen FC mitbringt, vorzustellen.
Die Saalepiraten gründeten sich im Prinzip im Umfeld der seit 1994 existierenden Punk-Band „Klabusterbären“, die nicht nur in Halle weltberühmt ist *zwinker*, sondern auch über die Stadtgrenzen hinaus eine gewisse Bekanntheit hat. Sänger Ecki ist noch immer eines der aktivsten Mitglieder der Saalepiraten. Während es anfangs nur einige wenige organisierte FCSP-Fans hier in der Region gab, wuchs die Gruppe bis heute auf nun ca. 30 aktive Mitglieder – und mit Umfeld auf ca. 70, die sich auch in Richtung Leipzig und Dessau ausweitete.
Unterstützung kam von Anfang aus dem Kreis der Fanszenen des Roten Stern Halles (RSH) und dem VfL Halle 96, inzwischen auch in großen Teilen aus der Fanszene des Roten Stern Leipzig. Grundlage dieser Verbindungen und Sympathien ist der antifaschistische Konsens. Und klar, in einer eher kleinen Großstadt wie Halle kennt man sich halt und Leipzig ist ja quasi „ums Eck“. Die meisten Aktiven des Fanklubs sind eher „hauptamtliche“ FC St. Pauli-Fans und haben keinen Zweitverein vor Ort.
Die Gruppe wuchs langsam aber stetig an. Gegen Ende der Nuller Jahre setzte hier sogar eine technische Innovation ein, mit der kaum zu rechnen war: Wir legten uns eine Email-Adresse zu. 😊
Gegenwärtig fahren zehn bis 15 Mitglieder regelmäßig zu Spielen unseres magischen FC – auswärts und auch ans Millerntor. Ca. ein bis zweimal pro Saison wird eine gemeinsame Busfahrt zu Auswärtsspielen organisiert. Hier geht das Chapeau an unsere Leipziger Freund*innen, die diese Busfahrten meistens organisieren.
Dass solche Busfahrten, so selten sie auch sind, zünftig, also mit einigen Getränken begangen werden, liegt auf der Hand. Die Zeiten, dass man sich vor allem auf den Rückwegen kostenneutral an Tankstellen eindeckte, sind zwar vorbei, zelebriert werden diese Touren aber weiterhin.
Auch wenn sich vieles wiederholt: Nicht jede Busfahrt läuft gleich ab. In Erinnerung bleibt unser erstes Auswärtsspiel bei Dynamo Dresden, zu dem wir als einzelner Bus anreisten. Da es in Dresden nun mal sehr räudig werden kann, klärten wir für unseren Bus, zusammen mit dem Fanladen und dem Sicherheitsbeauftragen, einen Rastplatz kurz vor Dresden ab, so dass der Bus in Polizeibegleitung zum Stadion fahren sollte.
Was passiert, wenn man sich auf die Cops verlassen möchte, liegt ebenso auf der Hand: Nichts! An dem Rastplatz gab es keine Polizei und damit keine Begleitung für uns. Also fuhren wir „unbeschützt“ in die Stadt und landeten plötzlich nahe der Heimkurve. Da die Heimfans genauso überrascht wie wir darüber waren, nutzte unser großartiger Busfahrer den Moment und brachte uns sicher zum Gästeblock, noch bevor der erste Dresdner wusste, was eigentlich Phase war.
Neben solchen Erlebnissen und den sonst üblichen klebrigen Böden im Bus oder Muttertagsgrüßen aus Nürnberg im Jahr 2019, kriegen wir auch ab und an mal etwas Sinnvolles zustande. Etwa, als wir 2014 auf dem Rückweg einer Busfahrt einen Umweg über eine Kleinstadt fuhren, um beim dortigen Döner-Imbiss auf einen Soli-Besuch zu halten, da dieser einige Wochen vorher von Nazis angegriffen wurde und um seine Existenz bangen musste.
Als loser Treffpunkt in Halle, um gemeinsam Spiele unseres FCSP in bewegten Bildern zu sehen, fungiert die Punk- und Fußballkneipe „Unikum“. Etwas kurios ist dabei wohl, dass dort auch einzelne HFC-Fans ein- und ausgehen. Auch wenn wir das nicht gerne sagen: Aber auch beim HFC gibt es „okaye“ Leute, wenn auch mit wenig Außenwirkung. Denn grundsätzlich besteht natürlich eine Aversion gegenüber dem HFC. Eben wegen deren Fanklientel, bei dem viele Fans rassistische und diskriminierende Einstellungen kundtun und es leider auch eine zu große schweigende Mehrheit bei den HFC-Fans gibt.
Selbstverständlich ist längst nicht jeder HFC-Fan rechts, einige Teile (auch oder vielleicht sogar besonders in der Ultra-Szene) sind alles andere als rechts. Umgekehrt ist es aber durchaus so, dass in Halle fast jeder Rechter auch HFC-Fan ist. Dies liegt sicherlich u.a. daran, dass von Einzelpersonen geäußerte rechte Sprüche auf wenig wahrnehmbaren Widerspruch stoßen.
Fairerweise muss man aber die Entwicklungen der letzten Jahre anmerken: dass die ganze Fankurve antisemitische Lieder („Juden-Jena“) anstimmt oder gegnerische Spieler als „Zigeuner“ beleidigt, gibt es schon länger nicht mehr. Interessant wird aber sein, inwiefern die St. Pauli-„Zecken“ allein durch ihre Anwesenheit noch rechte Ressentiments rauszukitzeln vermag.
Unser Fanklub hatte mit einigen, vermeintlichen Ultras des HFC erst Ende September letzten Jahres negative Erfahrungen gemacht. Bei der Rückkehr vom Auswärtsspiel unseres FCSP in Berlin sind wir an einem Rastplatz auf der A9, in der Nähe von Dessau von HFC‘lern überfallen worden, die gerade auf dem Rückweg ihres Auswärtsspiels in Lübeck waren.
Das Thema ging auch stark durch die Hamburger und Hallenser Presse. Dankenswerterweise hat sich die sachsen-anhaltinische Landtagsabgeordnete Henriette Quade von der Linken sehr stark für die Aufklärung eingesetzt. Beim darauffolgenden Heimspiel gegen Nürnberg, am 7.10.23, gab es für uns auch Support durch Oke Göttlich.
Unsere Freunde vom VfL Halle 96 (NOFV-Oberliga Süd) hatten bei ihrem Landespokalspiel (Halbfinale) gegen den HFC ebenfalls unschöne Erfahrungen mit den HFC-Fans. Offensichtlich in Absprache mit den Ordner*innen und mit Rückendeckung des Vereins (zumindest ohne Eingriff) konnten Heimfans ganz in Ruhe zum Gästeblock laufen, um dort Zaunfahnen zu klauen! (Eine sehr gute Erklärung zu dem Überfall gibt es hier: https://barrabrawu.wordpress.com/2024/05/15/never-mind-the-hfc-3/).
Offen als VfL Halle 96-, RSH- oder FCSP-Fan in Halle unterwegs zu sein, kann auch mal gefährlich sein. Pech kann man immer mal haben. Es bleibt aber dennoch eher die Ausnahme als die Regel.
Übrigens: der FCSP war tatsächlich schon mal in Halle zu Gast. Zumindest die Zweitvertretung musste hier bei weit unter minus 20 Grad im Dezember 2009 beim HFC antreten. Wir waren neben einigen Hamburgern bei diesem legendären Kälterekordspiel am Start. Zum Teil eingehüllt in Schlafsäcken. Und wurden mit Null Punkten wieder nach Hause geschickt.
Umso heißer sind wir nun auf den Auftritt der ersten Mannschaft des FCSP. Nicht nur ist dies ein lang gehegter Traum von uns. Es ist uns auch wichtig, nach den Angriffen auf unseren Bus durch HFC-Fans, im Stadion Präsenz zu zeigen und dass man sich von solchen Überfällen nicht einschüchtern lässt. Leider haben wir aber nur ca. ein Drittel unserer angefragten Karten bekommen. Klar, die Nachfrage in der ganzen Fanszene ist riesig, jeder muss Abstriche machen. Aber sehr schade ist‘s in diesem Fall gerade für uns besonders… In diesem Sinne auf ein Weiterkommen in die zweite Pokal-Runde! Forza! (Solltet ihr eine haben und kurzfristig doch nicht können, lasst sie nicht verfallen, sondern schreibt an: saalepiraten@gmx.net)
P.S.: Die Klabusterbären haben gerade ihre neue Platte am Start, wen’s interessiert. // Marko und Arik von den Saalepiraten
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