Vorwort
Und, geschockt? Titten auf dem Titel! Uns ist ja schon ein paar mal Journalismus a lá BILD vorgeworfen worden, und jetzt auch noch nackte Tatsachen auf dem Cover. Die Geschichte dahinter natürlich in diesem Heft.
Nun denn, seid gegrüßt zu der letzten Ausgabe in diesem Jahr. Es ist viel passiert, wir konnten einen Aufstieg feiern, unser Verein wurde 100 Jahre alt, wir haben viele Partys, Konzerte, Ausstellungen, Ehrungen, Freundschaftsspiele überlebt, der Präsident trat zurück, die neue Haupttribüne steht. Jetzt neigt sich die Hinrunde dem Ende zu, und das Ende der Tabelle rückt immer näher. Hoffen wir, dass wir dieses schöne Jubiläumsjahr nicht mit einem Abstiegsplatz beenden.
Aber das schöne am Jahreswechsel ist ja, dass das neue Jahr bestimmt Überraschungen parat hat. Und man macht sich gute Vorsätze und setzt sich neue Ziele. Wir machen weiter, weil es immer wieder geil ist ein fertiges Heft in den Händen zu halten und weil es egal ist, in welcher Liga der FC gerade spielt, Stoff für ein Heft gibt es immer.
Beenden werden wir das Jahr 2010 mit dem Wichtigsten zur JHV und warum wir doch keinen Ehrenpräsidenten haben. Außerdem laden wir euch auf Sylt ein, Gastautor Chris schreibt über Hooligannostalgie. Jimmy Hartwig gab ein Interview, wer noch Weihnachtsgeschenke sucht, findet bestimmt etwas passendes in den Buchrezis, und natürlich vieles mehr.
Der Übersteiger wünscht euch noch eine schöne Adventszeit, feiert schön, und rutscht gut rein ins neue Jahr,
die Redaktion
Titten!
Nachdem es dem Übersteiger auch in der hundertsten Ausgabe wieder nicht gelungen war, nackte Frauenbrüste aufs Titelblatt zu bringen, kam uns der Verein hier freundlicherweise entgegen und hat uns diesen Anblick auf dem Silbertablett serviert, wenn auch unfreiwillig. Denn nach einem Hinweis, was da zu erblicken sein würde, konnten wir beim Heimspiel gegen Wolfsburg einen Fotografen auf dem Dach der Gegengeraden platzieren und von dort Zeuge der Darbietung werden. Schauplatz der Vorstellung war das Séparée von „Susis Show Bar“ auf der Haupttribüne. Aber arbeiten wir die Geschehnisse mal chronologisch auf:
Seit Jahren versucht die Fanszene mit diversen Aktionen, ein Vorbild im Kampf gegen Diskriminierung jeder Art zu sein, auch gegen Sexismus setzt man sich gerne ein. Wann immer dies grade ins Licht des „etwas anderen Vereins“ passt, der ja bekanntlich seit 1910 „non established“ ist, wird dieses Engagement der Fans auch für den Gesamtverein übernommen. Ein Beispiel dafür, wie so etwas durchaus auch positiv mit Inhalten gefüllt werden kann, war der Fankongress im Jahre 2009, auf dem auch die „Leitlinien des FC St.Pauli“ beschlossen wurden. Diese sollten ab sofort „Bestandteil von Verträgen, Vereinbarungen und ähnlichem. sein und stellen eine Orientierung für Mitglieder, Angestellte, Fans und Ehrenamtliche dar“ wie seit November 2009 auf der Vereinshomepage nachzulesen ist. Hier wird auch auf die Stadionordnung und die Vermarktungsrichtlinien verwiesen, dazu später mehr.
Am 25.Mai hatte ein Artikel in der BILD erstmals davon gekündet, dass „Susis Show Bar“ ein Séparée für die neue Saison erwerben würde und zitierte den zu diesem Zeitpunkt bereits zurückgetretenen Ex-Präsidenten Littmann wie folgt: „Bei jedem Tor, das wir machen, zieht sich eines der Mädels aus.“ Der Aufschrei der Fanszene ließ nicht lange auf sich warten, innerhalb weniger Stunden hatten sich über 100 Beiträge im St.Pauli-Forum.de angesammelt. Einigen war das Ganze zutiefst zuwider, andere warfen hier wiederrum Prüderie vor, die meisten aber verwiesen den Bericht ins Reich der Märchen bzw. eben ins BILD-Universum.
Susi hat nicht die Absicht,
eine Mauer zu bauen
Bereits am nächsten Morgen um 08.05 Uhr schrieb der damalige Vizepräsident und heutige Aufsichtsrat Marcus Schulz im Forum:
„[…] gilt für alle Aktivitäten am und im Millerntorstadion, dass der Sport im Mittelpunkt stehen sollte. Eine Stripshow wird diesem Anspruch nicht gerecht. Insofern wird es so etwas – oder Vergleichbares – im Millerntorstadion nicht geben. Gezeichnet: Das Präsidium des FC St.Pauli“ Der gleiche Wortlaut ging auch Fanvertretern per E-Mail zu.
Damit schien die Kuh vom Eis, auch die BILD amüsierte sich prächtig über den selbst verursachten Wirbel und zitierte am 28. Mai neben einer „SMS des Präsidiums“ an die Inhaberin des Stripclubs, in der „Showprogramm“ untersagt wurde, auch Susi Ritsch selbst: „Ein Spaß! Natürlich springt bei uns keiner nackt rum, höchstens mal ein Mädel im Bikini.“
Ob „herumspringende Mädels im Bikini“ nun mit der Vermarktungsrichtlinie oder dem durchs Präsidium verhängten Verbot kollidieren, mögen andere entscheiden, die große Aufregung legte sich aber erst mal, da in das Wort von Marcus Schulz natürlich ein entsprechendes Vertrauen herrschte. Generell ist es uns auch wichtig, dass hier nicht „Susis Show Bar“ am Pranger steht, sondern unser Adressat nur der Verein sein kann, der getroffene Vereinbarungen mit seinen Fans bitte einhalten soll.
Vor dem Wolfsburg-Spiel bekam der ÜS nun den Tipp, sich doch mal das Séparée genauer anzuschauen, was unser Fotograf dann auch tat und überraschendes (oder auch nicht) zu sehen bekam: Die Damen hatten zumindest obenrum keinen Bikini mehr an, und dies auch nicht etwa direkt nach Toren im spontanen Jubelüberschwang, sondern bspw. in der Halbzeitpause, als die hier gezeigten Bilder entstanden. Zufall oder nicht, zurück im Innenraum wurde der Fotograf angesprochen, was er denn da gemacht hätte, und am Dienstag zeigten dann auch BILD und MOPO die lustigen Szenen im Freudenhaus der Liga. Weil Angriff die beste Verteidigung ist und man der Veröffentlichung im ÜS zuvor kommen wollte? Oder sind wir da paranoid und es ist wirklich purer Zufall, nachdem vorher in sechs Heimspielen zwar vermutlich das gleiche Programm ablief, aber keine offiziellen Fotografen im Séparée waren? Eventuell droht da nun auch dem Verein oder der Agentur noch gerichtlicher Stress, denn wie uns Show Bar-Chefin Susi Ritsch mitteilte, waren die Aufnahmen in BILD und MOPO von den Fotografierten nicht zur Veröffentlichung freigegeben.
Egal, die Geschichte nahm nun Fahrt auf und neben einem virtuellen Aufschrei im Internet wandten sich auch der Aufsichtsrat (AR) und der Fanclub-Sprecherrat (FCSR) an das Präsidium und explizit auch an Michael Meeske, der als Verantwortlicher für den Marketing Bereich auch die Séparées verantwortet, mit der Bitte um Stellungnahme und Beendigung dieser Geschehnisse.
Die Antwort konnte man am Freitag dann im Abendblatt nachlesen. Man habe den Mieter auf das Verbot derartiger Unterhaltung im Stadion hingewiesen, sowas werde nicht mehr akzeptiert.
Michael Meeske teilte uns auf Nachfrage mit, dass die Mieterin bei Vertragsabschluss klar auf das Verbot von Stripshows jeder Art hingewiesen wurde, nur unter dieser Voraussetzung sei der Vertrag zustande gekommen. Diese Ansage sei jetzt wiederholt worden und die Mieterin davon auch keineswegs überrascht gewesen. Wir nehmen also an, hier wollte jemand seine Grenzen austesten und spätestens mit den prominent platzierten Artikeln im Boulevard ist der erhoffte Werbeeffekt dann ja auch eingetreten. Susi Ritsch blieb uns gegenüber aber bei der Einschätzung, dass das, was da bei den Spielen passiert, ja auch eh keine Show sei.
Den Mantel des
Schweigens reichen
Also einmal böse geguckt und in Zukunft passiert sowas nicht mehr? Dann werden wir mal auch in den nächsten Spielen gespannt Mäuschen spielen um zu überprüfen, ob sich der Mieter daran hält. Was genau denn zwischen Verein und Mieter bisher abgesprochen gewesen sei, wollte uns Heinz Ritsch jedenfalls nicht mitteilen, dies sei schließlich ein Vertrag zwischen zwei Parteien und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Da hat er sicher recht.
Der Vorwurf, den sich Verein und Vermarktung aber gefallen lassen müssen, ist, die Situation unterschätzt oder zu lange schleifen gelassen zu haben. Es war absehbar, dass der Mieter derartiges probieren würde, hier hätte früher eingegriffen werden müssen, wenn man denn gewollt hätte. Auf der anderen Seite ist eine Loge in einem Fußballstadion eben auch kein Schullandheim, wo der Lehrer überprüft ob auch brav das Licht ausgemacht wurde. Oder anders: Ordner und Videoüberwachung gibt es hier nur bedingt, der Logenbesucher genießt einen anderen Vertrauensvorschuss als der gemeine Stehplatz-Asi. Trotzdem war klar, dass derartiges passieren würde und das jetzige Erstaunen auf Seiten des Vereins über die ausgereizten oder überschrittenen Grenzen muss schon verwundern.
Bleibt die Frage, wie man jetzt zukünftig damit umzugehen hat bzw. was genau man denn machen könnte, wenn Susi erneut „die Puppen tanzen“ lässt.
Laut Meeske ist das jetzt erfolgte eher als Ermahnung zu verstehen, erst bei weiterem Fehlverhalten folge eine Abmahnung, erst danach dann eventuell eine Kündigung. Und da eine Abmahnung ja auch nur erfolgt, wenn Fehlverhalten festgestellt wird, fragen wir uns schon, ob es dann erst wieder eines Artikels in einer Zeitung bedurft, bevor gehandelt wird. Anders formuliert: Der Verdacht liegt nahe, dass man den leicht bekleideten Damen in Zukunft noch ab und an den Mantel des Schweigens reicht.
Schauen wir uns doch mal an, wie es rein formal aussieht: In der Stadionordnung steht zum Thema: Nach §6, Abs.2 ist es verboten
a) Parolen zu rufen, die nach Art oder Inhalt geeignet sind, Dritte aufgrund ihrer/ihres Hautfarbe, Religion, Geschlechts oder sexuellen Orientierung zu diffamieren
b) Fahnen, Transparente, Aufnäher oder Kleidungsstücke zu tragen oder mitzuführen, deren Aufschrift geeignet ist, Dritte aufgrund ihrer/ihres Hautfarbe, Religion, Geschlechts oder sexuellen Orientierung zu diffamieren oder deren Aufschrift Symbole verfassungsfeindlicher Organisationen zeigt.
Anders formuliert: Zum nackt tanzen steht da gar nichts. Dazu sollte man aber auch sagen, dass sich die Stadionordnung eben eher an die „normalen“ Zuschauer richtet, weil man von Geschäftspartnern sicher ein anderes Verhalten erwartet. So steht in der Stadionordnung ja auch nicht drin, dass die Caterer Bratwurst und Getränke verkaufen, sie tun es aber trotzdem, weil es eben woanders geregelt ist. Das irgendwann mal eine professionelle Strip-Bar innerhalb des Stadionbereichs gemaßregelt werden soll, war bei der Erstellung der Stadionordnung ja auch schlecht absehbar.
Bliebe die Vermarktungsleitlinie, die nicht öffentlich einsehbar ist, dem ÜS aber vorliegt. Hieraus u.a.:
1. Die Fans
Die Fankultur ist das höchste Gut des Vereins und deshalb sind die Fans bei einer etwaigen Interessenabwägung im Rahmen der Vermarktungs-aktivitäten auch stets umfassend zu berücksichtigen.
[…]
3. Das Wesentliche
Das Wesentliche beim Fußball ist das Spiel der Mannschaften, deshalb soll dieses auch im Vordergrund stehen.
4. Der Verein
Sponsoren und Wirtschaftspartner sind in Einklang mit der gesellschaftlichen Verantwortung des Vereins zu bringen.
Unternehmen der Rüstungs- und Atomkraftindustrie, Spirituosenanbieter, politische Institutionen, Pornographie- bzw. auch Erotikangebote oder Strukturvertriebsorientierte Finanzdienstleistungen.
Anbieter von Waren und Dienstleistungen aus dem rechten Spektrum sind untersagt.
Alle anderen Partner können nur mit vorheriger Zustimmung von Verein akquiriert werden.
Der Umfang werblicher Aktivitäten soll sich stets – sowohl vom generellen Umfang, als auch vom Inhalt – in einem vernünftigen Verhältnis zum eigentlichen
Unterhaltungsangebot, dem Spiel, befinden und sich zudem auf klassische Werbemittel des Fußballs fokussieren. D.h. artfremde Einflüsse, wie z.B. Cheerleader, Maskottchen, unverhältnismäßige Samplingaktionen und umfassende Presentings oder kommerzielle Choreographien sind nicht zulässig.
Meeske betonte, dass es diese „vorherige Zustimmung“ gegeben hat, aber eben unter der klaren Absprache, dass kein Programm wie in der Show-Bar stattfindet.
Time will tell…
Erotikangebote sind untersagt, werbliche Angebote sind ebenfalls eng gefasst, und um nichts anderes handelt es sich, wenn der Mieter eine Fotoagentur (Inside Pictures) in das Séparée einlädt um die Fotos an den Boulevard weiterzureichen. Ob dem nun tatsächlich so war, oder der Mieter vom Fotografen oder der Agentur überrumpelt wurde, können wir hier nicht klären. Neben dem formalen inhaltlichen Verstoß gegen die Absprache wurde aber damit (von wem auch immer) ganz klar gegen die Vermarktungsleitlinie verstoßen.
Eine Ergänzung sei uns noch erlaubt: Mit Orion hat der FC St.Pauli ja aktuell einen weiteren Geschäftspartner aus der Erotikbranche. Dieser fällt bisher durch eine angenehm unauffällige und sachliche Präsenz im Stadion und sonstigem Auftritt auf, es geht also auch anders. Ob das Verschulden der jetzigen Öffentlichkeit beim Mieter, dem Verein, dem Boulevard oder der Fotoagentur liegt, ist dabei erst mal sekundär. Ebenso möchten wir betonen, dass es uns hierbei nicht um die müßige Diskussion geht, ob denn nun ein barbusiger Tanz an der Stange per se schon Sexismus ist, oder nicht. Es geht uns in erster Linie darum, dass hier auf dem Fankongress Absprachen zwischen Verein und Fanszene getroffen wurden, die hier (erneut: von wem auch immer) gebrochen oder wenigstens bewusst unterwandert wurden. Dies gilt es nun für die Zukunft zu reparieren bzw. verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Sollte dies nicht geschehen, kann man sich derartige Einrichtungen wie den Fankongress, der vom Verein ja auch durchaus medial verwertet wurde, zukünftig gerne sparen.
In der Show Bar selbst darf auch gerne passieren was immer dort passieren soll, und natürlich gehört dies auch zum Stadtteil St.Pauli, zu dem sich der Verein ja auch völlig zurecht bekennt. Im Millerntor selber aber soll der Fußball im Vordergrund stehen und zumindest dort ist kein Platz für Showprogramm aller Art, sei es Wumbo aus dem Heide-Park, oder eine nackte Frau aus Susis Show Bar an der Stange.
Der Verein (sowohl Präsidium als auch Vermarktung) wird sich an seinen Aussagen messen lassen müssen. Sollten sich derartige Vorstellungen im Séparée wiederholen, muss dies für den Mieter Konsequenzen haben. Abmahnung, Kündigung, fertig. Ansonsten wäre der Verein öffentlich am Nasenring herumgeführt worden bzw. gegenüber seinen Fans nicht mehr glaubwürdig, ein denkbar schlechter Start für das neue Präsidium. Die Stange abbauen zu lassen, dürfte kaum durchsetzbar sein, schließlich ist der individuelle Ausbau der Séparées ja auch ein Marketing-Gag, der bisher recht erfolgreich verkauft werden konnte. Und ohne barbusige Tänzerinnen an der Stange ist die Stange an sich eben nur ein nettes Gimmick des Mieters und nichts Anstößiges.
Wir sind gespannt und bleiben dran, versprochen.
// Die Redaktion
1%, 2%, DREI Prozent!
… oder: Seid ihr alle Da?
Die Jahreshauptversammlung(en) 2010 des FC St. Pauli von 1910 e.V.
Am 14./15. November fand mal wieder die Jahreshauptversammlung im CCH statt. Was bleibt und was kommt auf den FC zu? Einer der gefühlt mitgliedstärksten Vereine Deutschlands? Wenig Mitgliederinteresse am höchsten Gremium! Keine Ehrenpräsidentschaft für Irgendwen! A bisserl Getöse und Geföne, ein neuer Chef! Reden, Reden, Reden! Neue konsoldierte Jahresabschlüsse! Gewachsene Fallhöhen! Wiedergewählte Aufsichtsräte, eine größere Gegengradentribüne und viel Applaus! Ein kleiner Happen Vereinsmeierei und verschrobene Satzungsauslegungen, Wirrwarr um Anträge und ein nicht immer ganz so souverän auftretender Versammlungsleiter.
Der Präsident ist Tod –
Es lebe der Präsident
Also dann, wie kaum anders zu Erwarten war ist also nun Stefan Orth zum Präsidenten gewählt worden. Kein Wunder, war er auch als einziger Kandidat in die Bütt gestiegen. 524 Wahlberechtigte verteilten sich auf 431 Jastimmen, 53 Enthaltungen einen ungültigen Wahlzettel und 39 Neinstimmen. Seine Antrittsrede las er brav vom Blatt ab, nannte dabei im Wesentlichen drei wichtige Ziele für die kommende Amtsperiode. Zum Ersten will er weiterhin den FC unter den Top 25 im Profifußball etablieren. Zweitens soll weiterhin kräftig in die Infrastruktur wie Stadionneubauten und Kollaustraße investiert werden und drittens will er den FC zu einem der mitgliedstärksten Vereine Deutschlands machen. Da hatte er zum ersten Mal meinen Lacher auf seiner Seite. Was die AFM in jahrelanger Kleinarbeit in der Mitgliederwerbung leistet ist enorm schaut man sich die tatsächlichen Zahlen an ein langer harter Weg. Herr Orth kommt und platziert uns also in den nächsten Jahren im Bereich zwischen 50-80 tsd. Mitglieder, das mutet schon nach ein wenig Copperfield an. Abwarten Chef! Fazit: Rhetorisch konnte er nicht wirklich überzeugen, auch beim Vorlesen verhaspelte er sich, sein kompletter Auftritt wirkte leicht fahrig und ungelenk. Kann ja noch besser werden beim nächsten Mal. Außerdem ja auch mal eine schöne Abwechselung wenn das nicht alles so aalglatt über die Bühne geht.
Neue Hütte vs. Altes Stadion 2:2
Orth zum Thema Stadionbau und Gegengraden: Man sei im bisherigen Kostenplan geblieben, also alles Paletti. Bisher hat die Haupttribüne mit Kindergarten 22,2 Mio. Euro gekostet und war somit nur 80tsd teurer als geplant. Darauf könne der Verein schon stolz sein. In Summa sind wir dann inklusive Südtribüne bei ca. 39.000.000,- Euro! NEUNUNDDREISSIG Millionen über Bürgschaften und Kreditfinanzierung für ein halbfertiges Stadion. Mal ganz ehrlich, da können wir alle nur hoffen, dass sich da niemand bei der Schuldentilgung verrechnet hat, und wir lange in der Ersten Liga bleiben, sonst kann das noch spannend werden. Frühester Termin für den Neubau der GG sei dann die Sommerpause 2012. Hier sei ein Kapazität von 12.600 Zuschauern geplant, die sich auf 11.000 Steh und 1600 Sitzplätze verteilen. Orths definiter Ausschluss von Logen- und Businessplätzebau führte daraufhin zum Applaus im Volke. Generell prüft das Präsidium eine Kapazitätserweiterung auf ein 30.000 Menschen fassendes Stadion! Ob das nun größenwahnsinnig oder weitsichtig ist möge jeder für sich entscheiden. Mir blieben dann die Worte vom Ex-Präsidenten in seiner später gehaltenen Rede sinngemäß im Ohr: „Der Weiterbau, dessen Finanzierung hängt von einer weiteren Bürgschaft aus dem Rathause der Stadt ab!“ Also denkt Fan sich: das wird noch mal ein spannendes politisches Thema. Denn eins sollte klar sein, die Stadt ist notorisch Klamm, ob es also wirklich weitergeht, abwarten wie lange die heiß geliebte schwarz grüne Regierung noch hält. Wenn die Bagger auf die Gegengrade kommen ist da mal wieder vorerst nur ein Loch. Mehr nicht!
Viele Vizes – Ein gutes Team
Der Redebeitrag von Bernd Georg Spies kam da schon wesentlich souveräner daher. Er hielt eine freie Rede der man gut strukturiert folgen konnte. Dabei ging es um Danksagungen an alle die ehrenamtlich und mit viel Engagement zum gelungenen Jubiläum des Vereins beigetragen haben. Weitere Punkte seines Vortrags: Der Ausbau des Trainingszentrums Kollaustraße, auch hier sollen noch mal 2-3 Mio. investiert werden. Das Lob der Studie von Gregor Backes zum FC St. Pauli in der Nazizeit und der Bau weiterer Sportstätten im Viertel rundeten seine Rede ab. Gernot Stenger hatte nun das kurze Wort. Er stand ein für weiterhin verbesserte Kommunikations- und Entscheidungswege und bekannte sich nochmals zu den Ergebnissen des Fankongresses (LEITLINIEN!), den es weiter zuführen gelte. Dankend lobte er zunächst das Engagement von Marcus Schulz, um sich und den Anwesenden daraufhin einen Bärendienst zu erweisen: Man könne sich beim Ex Präsidenten am besten Bedanken, wenn man ihn aufs Podium bittet, um selber eine Dankesrede auf sich zu halten. Gesagt getan, Corny schwang sich auf, um eine fast 45 minütiges Bewerbungsgespräch für seine Ehrenpräsidentschaft zu halten. Er redete somit mal wieder von allen am Längsten. Weitere Details zum Thema Littmann kann man auch im Übersteiger Blog nachlesen. Ein weiterer Aspekt sei noch hinzugefügt: Unabhängig von allem, ein Präsident, der sich über Jahre Rechte an Stadionbewirtung sichert, als alleiniger Geschäftsführer der FC St. Pauli Service GmbH ein leitendes Amt bekleidet, dafür sicherlich gut und großzügig entlohnt wird, der darf sich nicht noch selbst oder durch andere Vorgeschlagen vom Ex- zum Ehrenpräsident machen. Das geht einfach moralisch nicht. Ehrenamt und Aufwandsentschädigungen sind okay, alles was darüber hinausgeht muss immer einen faden bis schalen Beigeschmack behalten.
Stimmt die Kasse? – Ja, aber welche?
Interessant dazu ebenfalls der Bericht der Kassenprüfer, die im Großen und Ganzen sehr zufrieden sind und kaum über Mängel berichten konnten. Spannend für die Mitglieder eigentlich nur der Punkt der konsoldierten Bilanz des Vereins. Hier wird gefordert in Zukunft alle dem Verein verbundenen 7 Tochtergesellschaften mit in eine gemeinsamen Gewinn und Verlustrechnung und einer Bilanz zum einheitlichen Stichtag zu berücksichtigen. Das dürfte dann mal spannend werden, wo welche Gelder und Verbindlichkeiten wie geparkt und verrechnet sind. Erstaunlich am bilanzierten Zahlenwerk die Verbindlichkeiten des Vereins in Höhe von fast 5 Mio. Euro !!! Wer haftet da eigentlich für wen falls da mal bei einer der sieben Töchter die Aussteuer fällig wird? Ein herrlicher Titel hierzu steht kleingedruckt unter der G/V: „Haftung aus der Bestellung von Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen Euro 20.473.391,10“ Was auch immer das heißen mag, bestimmt nichts gutes, wenn es eng wird 20 Mio. sind kein Pappenstil.
Unsere Satzung und Anträge – beste Vereins(m)eierei
Weiterhin unglücklich verlief dann die Wahl der Vizepräsidenten per Akklamation. Die Satzung sieht komischer Weise vor, dass mindestens 10 Personen nötig sind um in geheimer Wahl abzustimmen. Hier kamen immerhin 8 Stimmen dazu aus dem Saale zusammen. Wie auch immer Demokratie und Wahlgeheimnisse ausgelegt werden: Neu dabei sind nun also Jens Duve und Tjark Woydt die als Vizepräsidenten das Team erweitern.
In diesem Punkt war der Herr Versammlungsleiter nicht auf Ballhöhe, was ihm öfter passierte. So verwundete später auch nicht wirklich, dass ein Satzungsänderungsantrag von Geschäftsführer Meeske die Zustimmung verweigert wurde. Er stellte diesen im Auftrag des Präsidiums, Kurz gesagt ging es um Folgendes. Wer darf im Namen des Vereins gegenüber Dritten als „besonderer Vertreter“ Rechtsgeschäfte abschließen. Nach skurriler Diskussion stellte sich heraus, das zum einen eine Menge handwerklicher Fehler in den relevanten Änderungspunkten gemacht worden und zum anderen das Präsidium diesen Antrag hätte wohl am besten selber stellen sollen. Warum das Präsidium nicht in die Bresche sprang eröffnete sich nicht. Das der daraufhin von Spies geforderte Vertrauensvorschuss durch uns Saalkapeiken verweigert wurde nur logisch. Hier haben viele Mitglieder wohl schon zu viele Erfahrungen gemacht. Meist schlechte! Selbes Schicksal ereilten dann eben auch die Anträge zur Ehrenpräsidentschaft und zur Umwandlung einiger Businessreihen auf der HT in die ehemaligen Blöcke U8 & U9. Als ein Gesamtfazit kann man sagen, wenn sich auf der JHV mehr zu Redebeiträgen durchringen könnten und mehr kritische Fragen zu Einzelpunkten kommen würden, könnte die ein oder andere Fraktion da kräftig Reingrätschen, ordentlich für Wirbel sorgen und das operative Geschäft beeinflussen oder blockieren. Prinzipiell benötigt man nicht mehr als 250 Personen einer wie auch immer gearteten Gesinnung, um da mal ordentlich Staub aufzuwirbeln. Einzige Hindernisse: mangelnde Beteiligung und die konsequente Vorbereitung der Anträge und Wortbeiträge!
Der Höhepunkt 2010 – die Ehrungen
Um die Zeit der Auszählung der Aufsichtratswahl sinnvoll zu nutzen wurden dann vom jederzeit souverän argumentierenden Manfred Heinzinger und Neupräsident Stefan Orth die Ehrungen für sportliche und ehrenamtliche besondere Leistungen vorgenommen.
Dabei sind alle für ehrenamtliches Engagement mit den verschiedensten Ehrungsutensilien des FC St. Pauli ausgestattet worden: Benny Adrion, „Bodo“ Bodeit, Marcus Schulz, Uwe Doll, Wolf Schmidt, Martin Stoll-Hafkus, Sven Gronau, Charlotte und Dietmar Rittmeyer. Neustes und jüngstes Ehrenmitglied wurde Ingeburg Schnell, was dann wiederholt zu stehenden Ovationen führte. Ehre wem Ehre für so viele Jahrzehnte bedingungslosen Einsatz gebührt! Von all den Geehrten hörte man niemals irgendwelche öffentlichen Forderungen nach Anerkennung ihrer Leistungen! Das größte Ding aber sollte noch kommen: Zwei Herren die nun ausgestattet mit Brillianten besetzten goldenen Vereinsemblem ausgezeichnet worden. Gunter Peine und „Kuddl“ Kunert, beide als zehnjährige Steppkes in den Club eingetreten, da es vorher leider nicht erlaubt war. Nunmehr blicken beide als 90 Jährige auf jeweils 80 jährige Mitgliedschaft zurück. Das kann man sich als kleiner Quiddje mal so einfach gar nicht vorstellen! Da bekommt das Wort vom Traditionsverein einen Sinn! ER ist im Gegensatz zu einigen Feigenblättervereinen ein wirklicher! Allen geehrten Herzlichen Glückwunsch der Übersteiger Redaktion!
Die AR-Wahl
Das Ergebnis der Aufsichtratswahl war dann eigentlich Formsache: 422 stimmberechtigte Mitglieder verteilten ihre Stimmen wie folgt: Roger Hasenbein 267, Michael Burmester 254, Lars Sörensen 211, Uwe Doll 177, Christoph Kröger 172, Marcus Schulz 166, Tay Eich 154, Christoph Lucks 75, Jens Kauerauf & Alexander Müller Elsner 64, Georg Möller 33, Jens Feldhusen 13 und Frank Belchhaus 12. Somit bleibt fast alles beim Alten, außer das ein ehemaliges Präsidiumsmitglied nun die Seiten gewechselt hat. So waren einige Bewerbungsredebeiträge doch für den ein und anderen Schmunzler gut, es darf auch mal gelacht werden nach 2 Tagen Sitzungsmarathon: Zuordnen könnt ihr selber: „Liebe!“, „Das war keine Frage?“, „Nur nicht die Werte verkaufen!“, „Stadionordnung – nicht zur Klosterordnung verkommen lassen“, „Dauerkarte seit…“, „ein kommerzfreies Stadion“, „ich fahre schon lange Auswärts“, „Selbst der Übersteiger wollte die 11Freunde übernehmen!“, „Im seeligen Andenken an des SED Komitee!“ „halte es mit Grönemeyer – Alles bleibt anders!“, „habe 2 Töchter, die eine ist 14, die andere ist fußballbegeistert“, „Gegengrade – stehe in Block 3!“, „Was kostet der Spaß? – Ein Bruchteil von 50.000!“, „Mal Nein sagen müssen!“, „Das waren 5 Minuten 33!“, „Kampfabstimmung fordert Risse“, „Rache, wenn dann sofort!“
Also auf Mal Wiedersehen im nächsten Jahr! Und es wäre so schön mal wieder mehr als tausend Mitglieder zu sehen, sonst könnte der Verein auf das extrem teure CCH verzichten! Da müssen alle die dabei waren nur mal versuchen 2 bis 3 befreundete Mitglieder mit zu schleppen, dann hätten wir schon viel gewonnen! Das wären dann eine Steigerung von 1% auf 3% der gefühlt neuen Mitgliederzahl von 50.000! Wie viel Prozentualer Zuwachs wäre das dann? Und falls dann wirklich alle kommen, müssten wir nicht immer die langen Berichte von Norbert über 32 Din A4 Seiten Druckversion (nur Teil 1) durchackern! Denn länger als so ein Studium dauert selbst ein zweitägiger JHV Marathon nicht. Oder besser noch: Mal wieder Angeln gehen! Auf eine neue Wahlperiode und viele neue Anträge.
// JE
“Fußball ist immer noch wichtig!”
03.09.1977, eine Leidenschaft begann – nein das ist gelogen! Aber ich war dabei, damals mit Vattern im Volkspark und ich war jung, genau 9 Jahre und 347 Tage alt. Das ist nun 33 Jahre her – mann, bin ich alt! Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass mein Vater HSV Fan war und heute noch ist. Ich bin mit ihm mitgekommen und habe mich damals auch eher geärgert als gefreut. Ich hielt natürlich zu meinem Vater und seinem Verein. Damals wusste ich es nicht besser. Später fand ich dann unseren FC besser, aber das hat auch nichts genutzt, von nun an wurde keine Partie mehr gegen den HSV gewonnen – dumm gelaufen. So wirklich habe ich bisher noch keinen Sieg „meines“ Favoriten gesehen. Aber auffällig das sowohl das erste Bundesliga Derby als auch das bisher letzte jeweils im September waren.
Meine Leidenschaft begann dann am 29. Juni 1991. (Ich muss hier einmal eine Ausnahme machen und den Juni erwähnen. Die Dramaturgie erfordert dies! Andererseits ist es auch nur der umgekehrte September) Ich ging bereits im dritten Jahr unregelmäßig zu den Heimspielen vom FC. Mit diesem Spiel ändert sich alles, ich ging zu allen Heimspielen und zu manch einem Auswärtsspiel. Seit 1993 bin ich SadoMaso Kartenbesitzer (laut G.S.) und hab mit Ingo (dem zweiten Knallkopp auf dem Bild) zusammen praktisch jedes Heimspiel gesehen. Achtung Suchbild: Neben uns beiden rechts von uns eine weitere prominente Person zu erkennen.
Hmm, ihr denkt vermutlich auch wieder. Na toll, wieder so ein Text, mein erstes Erlebnis am Millerntor, so kam ich zum FC…. Das hab ich nun auch geschrieben, damit sind eure Erwartungen nun auch erfüllt. Und die, die oben aufgehört haben zu lesen aus eben diesen Gründen verpassen nun den Rest, der wirklich spannend wird. Denke ich, genau weiß ich das gar nicht, da der Text noch gar nicht geschrieben ist.
Ich werde einfach ein paar nette Eyecatcher (boah, hab ich gerade gelernt) einbauen (wenn sie nicht doch von der Redaktion aus Qualitätsmangel gekürzt werden) – soll Euch nur dazu verleiten diesen Text weiter zu lesen. Schließlich habe ich im Jahrespoll des Übersteigers statt eines tollen Buches oder eine tollen CD mir gewünscht (na der ist ja verrückt, denkt sich manch einer – und ihr habt Recht!) eine Seite im Übersteiger zu schreiben und tatsächlich hab ich gewonnen.Vermutlich weil ich der einzige Verrückte war, der für seinen Gewinn noch arbeiten wollte. Aargh, ich bekomm gerade einen Schlag in den Nacken, ich solle mich doch freuen, für solch ein Magazin von Rang schreiben zu dürfen. Schließlich das einzige relevante Fanzine!
Wo war ich denn jetzt? Ach ja, zu Haus am Schreibtisch. Ich war ja in allen vier Kurven, 16 Jahre in der Gegengerade, einzelne Spiel in der Südkurve 2 Jahre Nordkurve und 3 Jahre Haupttribüne. Ja, das Alter fordert seinen Tribut. Wenn
ich auf einer Geburtstagsfeier mal 15 Minuten stehen muss, empfinde ich das als anstrengend (oder lag es am Gesprächspartner?), aber 150 Minuten stehen? Nicht vorstellbar. Daher nutze ich jetzt einen Sitzplatz, siehe links.
Weißt du noch vor all den Jahren, weiß du noch, wie es damals war…Da war der 23. September 1995. (Langsam kommt es mir merkwürdig vor, dass alles im September stattfand. Zudem hab ich auch noch im September Geburtstag… Verschwörungstheoretiker, ich brauch ne Theorie). Erschrocken von dem teilweise nur einstelligen IQ mancher Eingeborener, zog ich es in den folgenden Jahren vor, in dieser Region eher die hübsche Ostsee zu besuchen, denn ein Stadion. Andererseits werde ich in naher Zukunft auch nicht mehr in die Versuchung kommen, dorthin zu fahren. Für manche ist der Weg in Liga 3 eine Einbahnstraße und kein Wendehammer.
Ich bin übrigens in prominenter Begleitung, was meine Fan Laufbahn angeht. „…Freitag wird wieder durchgesoffen, Samstag wieder Bangen und Hoffen“ ist nicht etwa ein Fanland für unseren FC. Genau eben diese Band hat ein paar Jahre später auf dem Viva St Pauli Festival gespielt (was ein ziemlich geiler Auftritt war im Regen) und später gab es dann auch endlich den Song für uns (Viva St Pauli).
Ohne das ich es gewollt habe, aber unglaublich: selbstverständlich war das Viva Festival auch im September und 1994 ein Benefizkonzert für den Überflügler (grins, wer auch immer gemeint ist) fand auch im September statt.
Dazu kommt, dass ich diesen Bericht auch noch im September begonnen habe zu schreiben (Ich glaub ich bekomm eine September Phobie!). Er sollte dann auch im September erscheinen, leider war ich zu spät und der Redaktionsschluss schon vorbei. Daher kommt ihr leider nicht in die Gelegenheit, dies im September zu lesen.
Zu guter letzt fand dann auch das letzte Derby wieder im September statt (immer noch ungeschlagen gegen den hsv im September). So viele Emotionen das 1:0 (durch den fast göttlich gewordenen Fabian – sein Geburtsdorf BB hätte ihm ein Denkmal gebaut.) freisetzte, so tief fiel ich wieder auf die Tribüne zurück (kann ich Herrn P. meine Arztrechnung schicken, wegen der unsanften Landung?), als der dusselige Typ per Glücksschuss den Ball im falschen Netz versenkte.
Und was meine Zukunft angeht. Falls demnächst ein Trainer gesucht wird…Was hab ich gerade gelesen, Magath verdient 250.000 Euro… (im Monat!!!), hey ich machs für 25.000!
In diesem Sinne- streicht Oktober bis August, ich will nur noch September, tschüss Matthias
Klein-Hoffenheim
vom Nordseestrand
Der FC Sylt: Ein Fußballmärchen
Vielleicht wird sich manch einer verwundert die Augen gerieben haben, als er unter den teilnehmenden Vereinen beim Viva Con Agua Cup im Januar den FC Sylt fand und sich vielleicht, was denn bitte das für ein Verein sein möge, in dessen Reihen sich mit Marcel Rath ein am Millerntor nicht unbekannter Name wiederfindet. Tja, das ist eine Geschichte, wie sie ein Herr Hopp im Kraichgau schrieb. Dietmar Hopp hatte einstmals einen Traum…er wollte mit einem Dorfverein in der Bundesliga spielen. Den Traum hat er sich erfüllt, mittlerweile.
Volker Koppelt hatte einen ähnlichen Traum. Dem 62 jährigen gehören auf der Ferieninsel Sylt Hotels, Restaurants und ein paar Apartmenthäuser. Und so schuf er sich ein Kunstgebilde, den FC Sylt. Mit dem möchte Koppelt zumindest in der höchsten Liga Schleswig-Holsteins spielen. Also alles etwas kleiner und beschaulicher als in Hoffenheim oder auch bei Chelsea, denn Koppelt hat hier oben an der Küste den bösartigen Beinamen Abramovich Nordfrieslands.
Der gelernte Steuerberater ist allerdings nicht nur Mäzen und Präsident, sondern offiziell auch Trainer des Vereins, den er in der Verbandsliga übernommen hatte. Das unterscheidet ihn also deutlich von den Machern des FC Chelsea und der TSG 1899 Hoffenheim.
Koppelts Engagement im Fußball begann logischerweise auf Sylt, beim SC Norddörfer in Wenningstedt, wo auch das Syltstadion steht; die Mannschaft marschierte von der B-Kreisklasse Nordfriesland bis in die Bezirksoberliga Nord, in der es plötzlich auch im Fußball auf der Insel Geld zu verdienen gab, natürlich nicht offiziell. Doch dann zerbrach die Beziehung 2007 und endete im Rechtsstreit; Koppelt wurde bei den Norddörfern als Vorsitzender abgelöst und aus dem Verein ausgeschlossen. Im Syltstadion in Wenningstedt spielt mittlerweile das Team Sylt, das mit den Resten der Norddörfer Mannschaft eine Spielgemeinschaft einging. Aber Koppelt fand eine neue Heimat für seinen Traum; gründete seinen FC Sylt und ging mit dem FC Haddeby 04 eine Spielgemeinschaft ein. Fortan trugen die „Insulaner“ ihre Heimspiele in der 2.300 Seelen-Gemeinde in Fahrdorf am Südende der Schlei aus. Und Meister Koppelt fing an, einige namhafte Spieler in die Provinz zu locken; u.a. Maik Wilde aus Lübeck und Marcel Rath, einstmals Profi beim FC St. Pauli und gerade arbeitslos nach einem Engagement in Zypern. Im Café seiner Lebensgefährtin in Wesselburen soll Koppelt ihn aufgegabelt haben und ihm gesagt haben „jetzt spielst du für uns“. Summen von 1.200 € pro Monat stehen im Raum, von 20.000 € pro Jahr, was man beim FC Sylt verdienen kann. Wie gesagt, wir reden immer noch von der siebten Liga. Das wird natürlich von den Syltern eifrig und jederzeit dementiert.
Der Meister marschiert, gewinnt schließlich die 2009 die Verbandsliga SH-Nordwest mit 11 Punkten Vorsprung auf den Tabellenzweiten und wäre damit für die Aufstiegsspiele zur Schleswig-Holstein Liga qualifiziert gewesen. Da bremste allerdings die Satzung des SHFV: Spielgemeinschaften dürfen nicht höher aufsteigen als bis zur Verbandsliga, auch nicht einer der an ihr beteiligten Vereine. Koppelt und sein Anwalt Dr. Wolfgang Klein (bekannt aus Funk und Fernsehen und als Ex-Präsident des HSV) legten Rechtsmittel ein und verloren. So einigte man sich im Juli 2009, die SG Sylt Haddeby wurde aufgelöst; der FC Sylt nahm den Verbandsligaplatz ein, dreht also quasi eine Ehrenrunde um den Aufstieg in die Oberliga, der FC Haddeby wandert in die Kreisliga. Man nannte das Ergebnis „eine für alle befriedigende Lösung“. Was im Zweifelsfall heißt, das Geld geflossen ist, von der Mutter Koppelt an die Leihmutter Haddeby, was natürlich auch alle Beteiligten dementieren. Nun nannte sich Koppelts Traum, Schleswig-Holstein-Meister zu werden, einfach nur FC Sylt.
Seine Klagen, keine Heimat, kein Stadion und keine Mannschaft zu haben, konnten relativ schnell beendet werden. Über das Thema Heimat kann man streiten, das Thema Stadion erledigte sich relativ schnell, indem man im Lundbarg des TSV Fahrdorf heimisch bleiben kann. Und das Thema Mannschaft, da ging Koppelt wieder reisen. Natürlich nahm Koppelt acht Spieler aus Haddeby mit, darunter die Ex-Profis Wilde, Rath und Türkmen (auch Ex- Lübeck). Vier Spieler folgten dem Ruf des Ex-Kollegen Guido Gehrke (ehemals Holstein Kiel), schon 2007 im Gespräch bei den Norddörfern, und verließen den Ligakonkurrenten Husumer SV, der gerade aus der Oberliga abgestiegen war. Der Ex Manager von Altona 93, Jörg Franke, versprach, die besten Oberligaspieler Hamburgs an die Schlei holen zu wollen und ein Zittern ging um in Hamburgs Fußballlandschaft. Nun ist Franke zwar nicht Sportdirektor beim FC Sylt geworden, aber in Hamburg wurden die „Insulaner“ trotzdem fündig. Mit Andreas Krohn (30, Norderstedt), Helge Mau (39, Meiendorf), Dennis Weber und Ugur Alavanda (32 u. 27, Wedel) und Thomas Fliegel (32, FC Süderelbe) erlagen einige Routiniers dem Lockruf des Goldes und schnüren nun ihre Stiefel an der Schlei. Mit Oliver Kunkel (21) von Bergedorf gelang es sogar, ein hoffnungsvolles Talent zu verpflichten.
Doch Koppelts Traum vom Aufstieg und der schleswig-holsteinischen Meisterschaft schien zu Anfang der letzten Saison in weite Ferne gerückt. Das deckte sich kaum mit seinen Ansprüchen. Zwar führte man zur Winterpause die Tabelle mit 47 Punkten an, doch Verfolger Frisia 03 Lindholm saß den Exil-Syltern mit 45 Zählern im Nacken und hatte noch zwei Spiele mehr zu bestreiten. Also ging Herr Koppelt in der Winterpause nochmals reisen und packte die Schatulle aus, um den Kader erneut zu verstärken. So gelang der Aufstieg in die Schleswig Holstein Liga (was allerdings auch an den schwächelnden Lindholmern lag). Und jetzt…ach so nebenbei; man könnte ja auch mal mittelfristig von der Regionalliga träumen (auch wenn das nicht offiziell als Ziel ausgerufen wurde). Koppelt hat ganz unverhohlen die Schleswig-Holstein-Meisterschaft als Ziel ausgerufen. Zu diesem wurde nochmals eingekauft und der Kader quasi ausgetauscht, 15 Spieler durften gehen. Der ehemalige litauische Nationalspieler Dmitrijus Guscinas (u.a. Holstein Kiel, Paderborn und Osnabrück) gilt nun offiziell als „Spielertrainer«, offiziell ist Koppelt Manager und Trainer in einer Person, allerdings war das auch mit dem Training immer so eine Sache. Schon Früher gab es eine Lübecker Trainingsgruppe um Maik Wilde und Ibrahim Türkmen und eine Hamburger Gruppe um Helge Mau. Nun trifft man sich drei Mal die Woche bei Guscinas in Bimöhlen im Kreis Segeberg, weil das so nett in der Mitte liegt und über die A 7 gut zu erreichen ist. Denn von den 16 Neuzugängen kommen allein fünf von Holstein Kiels Zweitverwertung und drei aus Henstedt Ulzburg, weswegen Jens Martens, der Trainer, gar nicht gut auf den Mann mit dem Koffer zu sprechen ist, der ihm seine Leistungsträger abspenstig gemacht hat. Und mit Kevin Weidlich sicherte sich Koppelt die Dienste eines der größten Talente des Hamburger Amateurfußballs, der zuvor schon mit höherklassigen Vereinen in Verbindung gebracht worden war.
Was das alles kostet? „Alle Spieler haben Verträge, da steht drin, was sie kriegen“ sagt Koppelt zu dem Thema, „schauen wir mal, was das kostet.“ Spricht für extrem erfolgsorientierte Verträge. Da hat Koppelt lange noch nicht so viel ausschütten müssen. Die Mannschaft kam nur schwer in Tritt, wird aber nun so langsam ihrer Favoritenrolle gerecht und hat sich bis auf zwei vorgearbeitet. Eines hat Koppelt allerdings noch nicht erreicht. Die Verhandlungen mit der Gemeinde Wenningstedt auf Sylt, die Koppelt seinem Team die Rückkehr auf die Insel ermöglichen sollte, verliefen sich auch im Sande. Koppelt wollte einige Spiele in der Rückserie 2009/10 im Syltstadion austragen, das verweigerte das Team Sylt als Pächter des Stadions, auch ein Testspiel gegen den HSV wurde den Pseudo-Syltern verweigert, angeblich weil der Rasen eine solche Mehrbelastung nicht vertragen würde. Sollte den Syltern der Sprung in die Regionalliga gelingen, wird es spannend werden, in welchem Stadion man dann spielt, denn dann geht das Fahrdorfer Stadion auf keinen Fall mehr und so viele regionalligataugliche Stadien gibt es in Schleswig Holstein nicht. Aber auch da wird sich sicherlich eine Lösung finden für Klein Hoffenheim von der Waterkant.
// Fuisligo
„Störtebeker,
du warst der beste Mann aller Zeit“
Was der Übersteiger mit Somalia zu tun hat.
Einer der informellen Helden unter den Fans des FC St. Pauli ist der sagenumwobene Klaus Störtebeker. Aber nicht nur die „Piraten der Liga“ beziehen sich, wo sie können, positiv auf den Anführer der Likedeeler (Gleichteiler). Als folkloristisches Ausstellungsstück muss Störtebeker auch bei allen anderen denkbaren Gelegenheiten herhalten, im „Hamburg Dungeon“ wird seine Enthauptung mehrmals am Tag von Gruseldarsteller nach gespielt.
Störtebeker genießt einen untadeligen Ruf, insgeheim ist jeder Hamburger wohl auch ein wenig stolz auf ihn. Gut, er war auch irgendwie ein Krimineller. Aber gerecht, so wie Robin Hood. Gut, er hat wahrscheinlich Menschen getötet – aber wahrscheinlich schlechte Menschen, mindestens raffgierige Kapitalisten, die durch Kaufmannsschläue und Kartellbildung in Form der Hanse stinkreich geworden sind. Die hatten es wohl verdient. Dass Störtebeker aber genauso Machtpolitiker zwischen den Königshäusern war und nicht Klaus sondern Johann hieß, wissen schon weniger.
Der Übersteiger hat sich den Störtebeker sogar als Logo ausgesucht. Aus welchem Grund entzieht sich meiner Kenntnis, ich war damals noch nicht dabei – es spielt auch keine Rolle. Warum ich das alles erzähle? Ich erzähle das, weil in Hamburg seit über 400 Jahren wieder ein Piratenprozess läuft. Es droht zwar niemandem die Todesstrafe, schon gar nicht durch Enthauptung, aber trotzdem spielt sich an historischer Stätte, nämlich Hamburg, unter unser aller Augen Historisches ab. Das erste Mal seit dem Mittelalter sollen wieder Piraten verurteilt werden.
Nicht, wie viel meinen, am internationalen Seegerichtshof, der auch in Hamburg ist, sondern am Landgericht. Angeklagt sind, je nach Standpunkt, sechs Männer und vier Jugendliche. Die genaue Zahl der Aufteilung Jugendliche/Männer ist deswegen schwierig, weil die deutsche Staatsanwaltschaft nicht zu glauben bereit ist, dass einer der Angeklagten noch unter 14 ist. Er gibt sein Alter selber mit dreizehn an. Ein Gutachten der Staatsanwaltschaft behauptet, er sei bereits sechzehn. Dies zu klären wird die erste Aufgabe des Gerichtes sein.
Dann gilt es zu klären, ob die zehn Personen überhaupt auf völkerrechtlich korrektem Wege nach Hamburg gelangt sind. Aufgegriffen wurden Sie nämlich vor der somalischen Küste von niederländischen Spezialeinheiten des Militärs auf einem Schiff unter panamaischer Flagge im Besitz einer Hamburger Reederei. Hochkomplizierte juristische Verwicklungen, die die zwanzig Verteidigerinnen und Verteidiger, allesamt PflichverteidigerInnen, vor dem eigentlichen Prozess wegen erpresserischem Menschenraub und gemeinschaftlichem Angriff auf den Seeverkehr, geklärt wissen wollen.
Fest steht jetzt schon: Sollte es gelingen, eine Verurteilung zu erreichen, hat das Landgericht Hamburg das schwächste Glied in der Kette verurteilt. Die eigentlichen Hintermänner in Somalia werden wohl nicht belangt werden können. Und Bewerbermangel für den Beruf „Pirat“ wird es in Somalia auch nicht geben. Schließlich ist es für viele ehemalige Fischer die einzige Möglichkeit, Geld nach Hause zu bringen. Noch in den 80er Jahren war Somalia ein weitgehend autonomer Staat. Der Tauschhandel zwischen Bauern, Hirten und Fischern funktionierte, die wenigsten litten Hunger. Dann kamen die europäischen und asiatischen schwimmenden Fischfabriken, die, darf man dem deutsch-somalischen Journalisten Bile Aden glauben, in einem Akt organisierter Kriminalität zuerst illegal die reichhaltigen Fischbestände vor der Somalischen Küste plünderten und später mit lokalen „Warlords“ einen selbstverwalteten Lizenzhandel betrieben. Somalia befindet sich seit 1988 in stetiger Auflösung, die letzte funktionierende Regierung amtierte 1991. Bezeichnenderweise beginnt der Staatszerfall nach der ersten Intervention des Internationalen Währungsfonds, Strukturanpassungsprogramm genannt.
Es sind dieselben Provinzfürsten, die heute verarmte Fischer anheuern, um westliche Containerschiffe zu kapern und sich davon Millionen Lösegeld erhoffen. Sie wissen genau, dass der internationale Seeverkehr eine Achillesferse des internationalen Handels ist. Nicht umsonst ist die erste Reaktion westlicher und asiatischer Staaten: Militär. Praktisch, dass deutsches Militär eh vor Ort ist. Die Bundeswehr ist aktuell in mehrere internationale so genannte „Friedensmissionen“ auf dem afrikanischen Kontinent eingebunden. Die Karawane, eine bundesweit organisierte Flüchtlingsorganisation, die den Prozess in Hamburg beobachtet, spricht schlicht von Imperialismus. Und liegt damit wohl nicht ganz falsch.
Wer also demnächst beim Heimpogo zu Slimes „Störtebeker“ sein Bier übermütig über Muttis alte Schrankwand spritzt, sollte danach zumindest ein wenig darüber nachdenken, wie er heute zu „Piraten“ steht. Romantik ist ja schön und gut. Von den Reichen nehmen aber auch.
// Wilko