Nun ist es bald soweit, das alljährliche Happening “Jahreshauptversammlung” des FC St.Pauli steht an. Ich bleib ja bei meiner Meinung, dass die ca. 120,-€ Mitgliedsgebühr im Jahr sich allein für diesen einen Abend vom Kosten/Nutzen-Faktor in Sachen Entertainment mehr lohnen, als jede Dauerkarte… aber ich gebe zu, diese Meinung mag ich exklusiv haben.
Nun stehen dieses Jahr keine Wahlen für Aufsichtsrat oder Präsidium an, trotzdem dürfte es ein langer Abend werden, insbesondere durch die Brisanz einiger Anträge. (Hier als pdf hinterlegt. Außerdem hier die Satzungsänderungsanträge.)
Eine (subjektive, logisch) Beurteilung aller Anträge ist bereits beim Lichterkarussell und beim MagischenFC nachzulesen, daher beschränke ich mich mal auf die Anträge, wo ich eine ergänzende oder andere Meinung habe.
Und nur fürs Protokoll: Die hier geäußerten Gedanken sind ausschließlich meine eigenen, nicht die der ÜS-Redaktion, wie bei allen namentlich gekennzeichneten Artikeln im Heft oder hier im Blog. Das viele Redaktionsmitglieder vieles oder alles ähnlich oder genauso sehen, kann durchaus sein – ist aber nicht garantiert.
Abwahlantrag gegen Dr.Gernot Stenger
Tja… wenn man sich den Artikel seines Präsidiumskollegen Bernd-Georg Spies in der SZ vom Samstag so durchliest, fragt man sich schon, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Eine besonnene und differenzierte Betrachtungsweise, die man sich so vom Präsidium des FC St.Pauli wünscht.
Wo aber war die, als Spies in Berlin damals seine Unterschrift beim SC Paderborn setzte? Und erst recht: Wo war sie, als Dr.Stenger in dieser unsäglichen Kommission dieses grausame “Diskussionspapier” mit erstellte?
Natürlich hat Stenger recht, wenn er sagt, dass konstruktive Mitarbeit und Einflussnahme sinnvoller ist als Boykott. Nur kann er doch unmöglich das erarbeitete Papier für annähernd akzeptabel halten? Doch, genau das tat er… und eben dies führte zum offenen Streit mit dem Ständigen Fanausschuss, welcher sich am Dienstag äußerte. Und in der Frage, wer hier denn nun die Wahrheit sagt, hat das Lichterkarussell heute auch noch ein Präsidiumsprotokoll aufgetan.
Kann man mal was falsch machen, insbesondere bei einem solch komplizierten Thema?
Klar, kann man. Dies ist etwas fahrlässig, wenn man sich bei einem Thema, welches für die Fanszene des FC St.Pauli nun mal eminent wichtig ist, ohne ein Annehmen der angebotenen Hilfe ins Getümmel stürzt… aber Fehler passieren.
Wenn man dann aber in Gesprächen danach wiederholt versucht, seinen Gesprächspartner für dumm zu verkaufen, muss man sich über eintretende Konsequenzen irgendwann nicht mehr wundern.
Die Diskussion und Aussprache zu diesem Antrag dürfte spannend und zeitraubend werden, allerdings auch abgesehen von der Personalie Stenger für die Zukunft wichtig sein, quasi eine Grundssatzdiskussion anhand eines Abwahlantrags.
Will der Verein (hier: das Präsidium) eine mündige Fanvertretung, eine Diskussion auf Augenhöhe, ein ehrliches Miteinander? Dann muss man Kritik auch mal aushalten und Fehler eingestehen können, ohne gleich jedes Mal die beleidigte Leberwurst zu spielen. Und man muss auch ehrlich zueinander sein und mit offenen Karten spielen. Wortklaubereien und ein kreatives Interpretieren der Wahrheit passen da nur schwer zu.
Neben dem Verhalten der anderen Präsidiumsmitglieder dürfte es auch spannend sein, wie sich der Aufsichtsrat in dieser Frage verhält.
Nachtrag, 22.11.: Der Zeckensalon hat den Wortlaut des Protokolls veröffentlicht:
DFL Tagung am 27. September (BGS)
Konsens aus Präsidium: Keine Gewalt, keine Pyrotechnik.
Diese Haltung wird im Paper wiedergespiegelt – insofern
konsens- und unterschriftsfähig.
Paper wird nach der Präsidiums-Sitzung von Dr. Gernot Stenger an den Aufsichtsrat
weitergeleitet.
Unterm Strich ist hier für eine Annahme des Antrags eine Dreiviertelmehrheit notwendig.
Anträge gegen Ticketzweitmarkt und weitere Logen
Klasse. Ich hatte hier ehrlich gesagt mit mehr Gegenwind seitens der Vereinsführung gerechnet. Aber wie Michael Meeske jüngst auf der Vereins-Homepage kund tat, sieht das Präsidum bzw. die Geschäftsleitung beide Punkte eh als selbstverständlich an.
Dementsprechend steht einer geräuschlosen Annahme beider Anträge mit überwältigender Mehrheit ja wirklich nichts mehr im Wege. Find’ ich gut!
Satzungsänderungsanträge des Aufsichtsrats
Der erste Antrag bzgl. einer früheren Einreichung der Unterlagen zur Prüfung des Finanzplans sollte unstrittig sein.
Beim zweiten Antrag hat es beim Lichterkarussell nur zu einem “Ja, mit Bedenken” gereicht, verbunden mit der Bitte, sich mal näher damit zu beschäftigen. Here we go:
Es geht (vereinfacht ausgedrückt und ohne Juristensprech) darum, dass der Aufsichtsrat (fortan: AR) nicht mehr “nur” die Personaleinstellungen mit über 40.000,-€ Jahresvolumen abnicken muss, sondern zwei Punkte hinzugefügt werden, die jeweils die Position der drei leitenden Angestellten betrifft, also Trainer, Sportdirektor und Geschäftsführer.
Die Punkte wären:
– der AR erhält bei einer Neueinstellung zu diesen drei Positionen vorab eine Kandidatenliste
– der AR muss einer Freistellung oder Entlassung zustimmen. Die Absicht ist ihm rechtzeitig mitzuteilen um ggfs. mit dem Betroffenen noch sprechen zu können.
Da fragt man sich natürlich schon, wie es zum Wunsch nach solch einer Satzungsänderung überhaupt kommen konnte? Die sitzen ja kaum zusammen und überlegen sich lustige Anträge in trockener Sache, sondern dürften meist einen konkreten Anlass für so etwas haben. Besteht da eine Lücke, die man zu schließen gedenkt? Oder will der AR sich mehr Macht verschaffen?
Was beim Lichterkarussell für nur zögernde Zustimmung sorgt, ist der Einwand, damit gewähre man dem AR Eingriffsmöglichkeiten in den sportlichen Bereich und er sei ja auch nur zur wirtschaftlichen Prüfung da. Schauen wir uns beides genauer an:
Der AR ist nur zur wirtschaftlichen Prüfung da
Ist das so? Und viel wichtiger: Wollen wir das so, beim FC St.Pauli?
Aus meiner Sicht ist der AR, seit es ihn gibt, ein Kontrollgremium und eine (neben dem Ehrenrat) weitere moralische Instanz in diesem Verein. Nur mit diesem Gedankengang ist es überhaupt möglich, die jetzige Besetzung für richtig zu erachten.
Ich möchte (beispielsweise) Roger Hasenbein wirklich nichts Böses, im Gegenteil, ich schätze ihn sehr. Aber wenn er wirklich nur dazu da ist, die Finanzen des Vereins zu kontrollieren… nee, da hat er sicher andere Kernkompetenzen, und das ist auch gut so.
Der AR im FC St.Pauli fungiert ganz sicher nicht als reiner Wirtschaftsbeirat, wie in größeren Firmen. Er ist Bindeglied zu Gesamtverein und Fanszene und steht dem Präsidium beratend zur Seite… auch wenn eben dieses den Rat nicht immer hören will. Die Jahresberichte des AR in den letzten Jahren gehörten ganz sicher zu den Highlights der Versammlungen, im ausschließlich positiven Sinne.
Neben der AFM ist auch der AR ein entscheidender Einflussfaktor auf unser Präsidium, und in einem Verein wie dem FC St.Pauli ist eine derartige (auch moralische) Kontrollinstanz immer wichtig, auch in Zukunft, unabhängig von der personellen Besetzung.
Einflußnahme in den sportlichen Bereich
Wenn man es drauf anlegt, kann der AR schon heute alles “blockieren”. Man stelle sich mal folgendes Szenario vor:
Der Verein entschließt sich, den Trainer zu beurlauben, soll ja vorkommen. Lt. Satzung ist dies nicht zustimmungspflichtig, da dies ja keinen neuen Vertrag nach sich zieht (Stand heute… mit Juristendenke böswillig interpretiert).
Gleichzeitig sitzt der neue Trainer bereits im Wartezimmer, unterschriftsreifen Vertrag schon in der Tasche. Der AR wird nun herbeizitiert und… ja, und was dann? Soll der jetzt den neuen Trainer nach Hause schicken?
Wie gesagt, satzungstechnisch möglich wäre dies schon heute, allerdings würde dies selbstverständlich ein verheerendes Bild für die Öffentlichkeit liefern. (Nicht ganz unähnlich der Schubert-Geschichte im Mai, allerdings erfolgte der Sinneswandel da wohl wirklich im Präsidium.)
Die Entlassung eines der drei Leitenden Angestellten zieht im Profigeschäft zwangsläufig eine Neubesetzung nach sich, und auch wenn wir ja so ne dufte Stimmung bei uns im Stadion haben, arbeitet auch beim FC St.Pauli in dieser Position niemand für unter 40.000,-€ pro Jahr, die Neubesetzung ist also zwangsläufig zustimmungspflichtig.
Sollte es dann die Beurlaubung/Entlassung, die ja erst zu dieser Neueinstellung führt, nicht auch sein? Bevor man unwiderrufliche Fakten schafft?
Auch die Vorlage der Kandidatenliste erscheint mir absolut sinnvoll, wie sonst soll man seriös beurteilen, ob der vor einem sitzende Kandidat wirklich der Passende ist, inklusive finanziellen Zusammenhängen? Andernfalls wäre man ein lustiger Grüß-August-Haufen mit Abnick-Funktion, nahezu überflüssig an der Stelle.
Unterm Strich ist für mich also auch dieser Antrag absolut unterstützenswert. // Frodo
P.S. Ganz egal, ob Ihr meine Meinung teilt oder nicht mal im Ansatz nachvollziehen könnt: Kommt (sofern Ihr Mitglied im Verein seid, ansonsten werdet es nach Möglichkeit) am Montag ins CCH, verfolgt die Diskussionen, macht Euch Euer eigenes Bild und nutzt Euer Stimmrecht.
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