Vor dem Spiel gegen den 1.FC Köln – Interview mit Dominik Hardt (effzeh.com)

Übersteiger: Moin Dominik, ein fröhliches Helau an diesem Rosenmontag! Danke, dass Du extra für uns und dieses Interview gänzlichst auf die Feierlichkeiten und jeden Alkohol verzichtest. 

Dominik: Euch auch einen guten Morgen, nur was an Helau fröhlich sein soll, verstehe ich nicht so ganz. Und den Rosenmontag lasse ich nicht ausfallen, ich nehme mir bloß gerne ein wenig Zeit für euch, bis es losgeht. Und nüchtern ist doch hier auch niemand, wenn wir mal ehrlich sind. Alaaf!

ÜS: Erzähle unseren Lesern doch bitte zunächst mal, was Du rund um den „Effzeh“ so alles treibst, denn schließlich haben wir Dich als Interviewpartner ja nicht umsonst ausgewählt und dem angebotenen Doppelinterview mit Stani und Truller vorgezogen.

Dominik: Das ehrt mich, wobei ihr wahrscheinlich so oft mit Stani und Truller gemeinsam getrunken und geredet habt, dass es mal an der Zeit für etwas Neues ist. Aber zurück zu Frage, ich schreibe jetzt seit gut zwei Jahren nebenher über den effzeh, seit vergangenem Sommer auf der eigenständigen Seite effzeh.com, wo ich mich zusätzlich verstärkt um Statistiken und den Social-Media Kram kümmere. Darüber hinaus arbeite ich mit dem effzeh zusammen, im Rahmen der Community-Kommission (kurz „CoKo“), an einer neuen webbasierten Plattform für Fans. Auch die Umstrukturierung des vereinseigenen Forums haben wir auf diesem Weg eingeleitet. Zu guter Letzt bin ich auch Teil der #SektionTwitter – einem Fanclub der seine Wurzeln auf Twitter hat.

Motivbild von effzeh.com zum dortigen Hinspielartikel (bei Klick aufs Bild)

ÜS: FC St.Pauli – 1.FC Köln, 22.Spieltag, Montagabend. Da gab es sicher nicht wenige, die vor der Saison dieses Spiel als einen Meilenstein auf dem Weg zum Aufstieg gesehen haben. Inzwischen brauchen wir die Punkte, um nicht noch unten reinzurutschen und für Euch ist es die letzte Chance, oben doch noch mal einen Fuß in die Tür zu kriegen. Hattest Du Eure Situation vor der Saison so befürchtet, oder trifft es die Erwartungen nach dem personellen Umbruch?

Dominik: Wenn mich vor der Saison jemand gefragt hätte, ich wäre nicht von viel mehr ausgegangen, als wir derzeit haben. Für konstante Top-Leistungen ist der Umbruch schlichtweg zu groß gewesen. Ebenso überrascht war ich dann zu Saisonbeginn davon, wie gut diese junge Mannschaft miteinander auszukommen scheint, auch wenn dabei nichts Zählbares rausgekommen ist. In der Winterpause habe ich dann die Statistiken der Vereine verglichen und ärgere mich ein wenig über die Situation, in der sich der effzeh befindet. Mit dem jüngsten Team der Liga in einigen der wesentlichen Punkte ganz vorne dabei: sei es Ballbesitz, Passspiel, Ecken, Zweikämpfe, Fairness oder das generieren von Torchancen – nur leider auch im Auslassen der Chancen, so dass viele Spiele einfach nicht gewonnen wurden. Das ist dann nun einmal nur noch Mittelmaß. (siehe http://effzeh.com/zahlenwahn-teil-2/)

Grundsätzlich ist die Situation in Hamburg ja nicht viel anders, viele neue Gesichter, teils sehr junge, füllen den Kader auf, einige andere sind mittlerweile doch eher in die Jahre gekommen. Dennoch hätte ich im Juli darauf gesetzt, dass die obere Tabellenhälfte kein Problem wird. Die ligaweit einzig schlechtere Chancenverwertung als die der Kölner belehrt uns jedoch eines Besseren.

ÜS: Wie steht es denn um unser Trainerteam bei Euch? Neben Stani und Truller hat es ja auch KaPe Nemet zu Euch verschlagen. Wie geduldig ist die Medienlandschaft noch mit ihnen, und welches Standing haben sie in der Fanszene?

Dominik: Das ist nicht ganz einfach zu sagen. Menschlich hat Stani natürlich von vornherein gewonnen, in Köln. Pragmatisch, ehrlich, mehr Kumpel als Chef (zumindest in der Außenwirkung), das sind Attribute, die man hier sehr schätzt. Trotzdem höre ich hin und wieder Stimmen, die dem Trainerstab die Kompetenz und Fähigkeit zu etwas Großem absprechen. Vielleicht liegt das ein wenig am angeborenen Größenwahn der Kölner (ich lache immer noch laut, wenn uns damit jemand ernst nimmt) aber Stani wird nicht als Trainer gesehen, der uns in die Champions League bringt. Ich persönlich schätze es sehr, dass es mehr und mehr den Eindruck macht, als stünde da ein Team auf dem Feld. Spieler, die zusammenhalten, sich mögen. Das hat im schwierigen Kölner Umfeld schon lange niemand mehr geschafft, insofern bin ich eher zufrieden. Auch auf die spielerische Überlegenheit zu setzen scheint mir grundsätzlich das richtige Mittel, so frustrierend es auch ist, ausgekontert zu werden und ein Spiel herzuschenken.

ÜS: Als wir uns im letzten Jahr beim #tkss (Twitter Treffen von Fußballinteressierten in Köln) kennengelernt haben, haben wir auch über Kevin Pezzoni gesprochen. Wie oft hast Du in der letzten Woche (insbesondere zwischen der 79. und 90.+2 Minute „Das sind die Geschichten, die nur der Fußball schreibt!“ gehört, als ausgerechnet Pezzoni den Ausgleich für Aue bei Euch erzielte?
Und umgekehrt, wieviel mehr wäre es wohl noch geworden, wenn Ihr dann nicht doch noch den Siegtreffer erzielt hättet?

Dominik: Gehört? Dutzende Male. Gedacht? Gar nicht. Hätte mir jemand vorher eine Wette angeboten, dass Pezzoni das gefühlt achtundvierzigste Gegentor für den effzeh in dieser Saison verschuldet, ich wäre sofort darauf eingestiegen. Aber im Ernst, der Spieler hatte etwas zurückzugeben und das hat er geschafft. Wohler gefühlt hätte ich mich allerdings, wenn das Drumherum nicht gewesen wäre. Dass Pezzoni ausgepfiffen wird, war beinahe nicht zu vermeiden, schon gar nicht nach den Aussagen, die er selbst in Richtung Köln und dem Verein gegenüber gemacht hat. Dass nach Spielende noch jemand versucht hat auf ihn loszugehen ist aber – einmal mehr – zu viel des Guten. Ich wünsche mir, dass das Thema nach dem Spiel, nach dem Heimsieg, Geschichte ist und nicht mehr aufgewärmt wird.

ÜS: Sieben Siege aus 21 Spielen, auswärts bisher erst drei Erfolge. Wie viel Hoffnung hast Du noch auf den Aufstieg und wie würde der Effzeh in ein zweites Zweitligajahr gehen? Wäre der Aufstieg dann schon Pflicht?

Dominik: Ich sehe die Zahlen eher von der anderen Seite: nach dem missglückten Saisonstart nur eine Niederlage in den letzten 15 Spielen. Darauf kann man aufbauen. Dass Spiele wie zuletzt in Cottbus nicht mehr verloren werden ist auch ein Erfolg. Keiner, der einem einen Platz in der ersten Liga sichert, aber Kontinuität und Konstanz sind wichtige Größen um jungen Spielern das nötige Selbstvertrauen zu geben um mittelfristig erfolgreich zu sein. Wenn sich nicht viel am Team ändert, ist der Aufstieg nächste Saison nicht nur möglich sondern wahrscheinlich. In dieser Saison sind die beiden führenden Teams zu weit weg um sie ernsthaft in Gefahr zu bringen (auch wenn ich das gerade bei Braunschweig noch immer nicht verstehe), Kaiserslautern hat ein gutes Team und spielt über weite Strecken auch eine starke Saison. Da noch reinzudrängen ist wahrscheinlich eine Spur zu schwer.

ÜS: Bei unserem Hinspiel bei Euch gab es eine Kranzniederlegung am Ehrenmal der Edelweißpiraten in Köln-Ehrenfeld, organisiert von Fans des FC St.Pauli. Wurde das in Köln irgendwie registriert und gab es da Reaktionen aus dem Fanumfeld?

Dominik: Ich habe die Aktion seinerzeit nur am Rande mitbekommen, halte sie aber für wichtig und gelungen. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich auch bloß positives Feedback darüber gehört. Meinem Empfinden nach ist es wichtig, solche Aktionen zu unterstützen und zu fördern; der Ruf des Fußballs und seinem Umfeld hat in den letzten Monaten immer mehr Schaden genommen, da sollten keine Gelegenheiten ausgelassen werden, etwas gerade zu rücken und – wie in diesem Falle – ein Zeichen gegen eine mögliche Rechtsentwicklung der Kurven zu setzen. Ein großes Lob für das Engagement an dieser Stelle!

ÜS: Wie ist es denn generell in der Kölner Fanszene derzeit? Die Saison endete mit dem medienwirksamen Rauch im letzten Heimspiel, die Wilde Horde wurde namentlich auch oft erwähnt. Hat sich das in Liga 2 alles wieder beruhigt und konnte auch intern etwas aufgearbeitet werden, oder köchelt das noch vor sich hin?

Dominik: Die aktuelle Saison ist sehr, sehr ruhig. Zumindest für Kölner Verhältnisse. Klar, in Freiburg käme die Grundstimmung hier einem Bürgerkrieg gleich, aber das hier ist Köln. Selbst medial aufgebauschte Ereignisse wie das Heimspiel gegen Dresden gingen (völlig unabhängig von der Polizeipräsenz) absolut ruhig über die Bühne. Die Partizipation an Protesten gegen das sogenannte Sicherheitspapier verlief ebenfalls völlig friedlich. Klar ist die Situation ob der Vorfälle der Vergangenheit noch angespannt, alles in allem ist es aber ruhig, was im Sinne des Sports auch so bleiben sollte.

ÜS: Kommen wir zu effzeh.com. Erzähl doch mal etwas von dem Projekt an sich. Wieviele Leute seid Ihr, wieviel Aufwand steckt dahinter und wo wärt Ihr mit der Seite oder dem Projekt allgemein gerne in fünf Jahren?

Dominik: Gerne. Die Gruppe hinter effzeh.com ist seinerzeit in der Community bei spox zusammengewachsen. Als eine der aktivsten Gruppen des Sportportals wurden wir recht häufig zum Vorzeigen hergenommen, doch das war uns irgendwann nicht mehr genug. Gerade in der Zeit der Unruhen innerhalb des Vereins entwickelte sich das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und einer breiteren Präsenz. Über ein Jahr lang haben wir uns dann Gedanken gemacht und das Projekt effzeh.com geplant, bis wir im Juli offiziell an den Start gegangen sind. Mittlerweile arbeiten elf Menschen, Fans, Redakteure an der Seite, die um eine möglichst neutrale Form der Berichterstattung bemüht ist, weit weg vom Boulevard. Das sind nicht immer die Geschichten, die die Sensationslust der Menschen befriedigen, aber es ist die Berichterstattung die der 1. FC Köln verdient: ehrlich und fair. Die Reaktionen auf die Berichte über den Fall Pezzoni oder die Ganzkörperkontrollen in Stuttgart (die bei uns exklusiv und als erstes erschien) sowie die Einladung auf die Pressetribüne um von dort über das Spiel zu berichten, bestätigen uns in dem, was wir machen. Wie weit man es damit bringen kann? Schwer zu sagen, eine große Community wie in Dortmund, die von Fans organisiert wird, ist nicht unser Ziel, irgendwann als zusätzliche oder gar alternative Anlaufstelle zu den Kölner Medien gesehen zu werden schon eher. Dazu gehören für die Zukunft auch weitere Beiträge mit Größen wie Bodo Illgner oder Jonas Reckermann.

ÜS: Last but not least: Dein Tipp fürs Spiel und Dinge, die Du den St.Pauli-Fans schon immer mal sagen wolltest?

Dominik: Nachdem mir mein Besuch im sympathischen Hamburg aus privaten Gründen versagt bleibt, gehe ich von einem tristen 0:0 aus, völlig ohne Spannung und Spaß. Selbst wenn ich vergesse, dass ich noch zwei Eintrittskarten für das Spiel weitergeben muss, klingt ein Remis nicht extrem unrealistisch. Beide Mannschaften sind eher um Spielkontrolle bemüht und spielen offensiv, bekommen aber vorm Tor nichts mehr auf die Reihe. Ein Kunstschuss wie der von Clemens gegen Erzgebirge Aue kann den Ausschlag geben. Solange die Serie an ungeschlagenen Spielen nicht abreißt werde ich mich aber nicht beklagen. Mein finaler Tipp lautet also 1:1.

Damit wünsche ich allen Fans von St.Pauli und dem effzeh ein großartiges Wochenende mit gemeinschaftlichem Astratrinken und Feiern sowie einem spannenden und unterhaltsamen Fußballspiel zum Abschluss. Grüße aus der schönsten Stadt Deutschlands an einen der sympathischsten Clubs der Welt.

ÜS: Den Wünschen schließen wir uns an, dass mit der “schönsten Stadt” klären wir dann nochmal bei Astra oder Kölsch. Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast! // Frodo

P.S. Wer Dominik auf Twitter folgen möchte, kann dies hier tun.

P.P.S. Ganz aktuell noch einige organisatorische Hinweise zum Spiel für die Heimfans, von Sven Brux.

Teilen:

Kommentare sind geschlossen.