Unterwegs in Bristol und Swansea – Teil 2:

Swansea City AFC – Tottenham Hotspurs 2:2 , 04. Oktober 2015

von Christoph (Teil 1: Bristol City FC – MK Dons)

Fast hätten wir es nicht rechtzeitig zum Spiel geschafft. Schuld war die englische Eisenbahn. Wer sonst. Diese fuhr an jenem Sonntag nicht ganz so, wie wir gedacht und vorher recherchiert haben. Zudem machten die fehlenden Gepäckschließfächer im fast ganzen Land einen Zwangsstopp in unserem Cardiffer Hotel notwendig. Aber, es ist noch einmal gut gegangen. Wir fuhren in Richtung Swansea noch einen kleinen Umweg an der Küste entlang, bekamen dafür aber einen herrlichen Ausblick auf das Meer geboten. „Engineering works“ waren der Grund. Ein Wort dessen Ankündigung auf der Homepage der National Rail normalerweise großes Unbehagen bei uns auslöst. Aber diesmal wussten wir einfach nichts davon und waren entsprechend entspannt.

Die Waliser sind ein freundliches Volk. Die rund eineinhalb stündige Zugfahrt von Cardiff nach Swansea (mit rund 165.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt in Wales) verkürzten nette Gespräche mit unseren Sitznachbarn. Einer war auf der Rückreise von einem Spielbesuch am Vortag seines Vereins Manchester City. Viele Waliser verfolgen mangels eigener Alternativen Vereine der englischen Premierleague. So waren auch viele einheimische Spurs Fans unterwegs. Die sahen wir allerdings wegen unserer knappen Anreise erst auf der Rückfahrt. Also ging es – wieder aus Zeitmangel – mit dem Taxi zu Stadion. Diesmal für sechs Pfund. Das Liberty Stadium, Swanseas neues zu Hause seit dem Jahr 2005, liegt etwas außerhalb der Innenstadt, ist aber gut mit dem Linienbus 4 vom Bahnhof erreichbar. Man könnte die Entfernung auch zu Fuß zurücklegen, sollte aber sowohl die hügelige Topographie als auch die ungefähre, richtige Richtung im Hinterkopf haben. Sonst wird es anstrengend, wie bei unserem Rückweg…

The white rock
The White Rock

Allerdings hat man von den umliegenden Hügeln einen hervorragenden Blick auf den tiefer gelegenen „White Rock“, wie der Ground im Volksmund oft genannt wird. Wohl, weil die Farbe Weiß bei allen außen sichtbaren Materialien dominiert. Ein Pre-Match-Bier gibt es direkt in zwei sterilen Neubauten am Stadion, auch für Gästefans. Sie bieten aber keine echte Fußball-Pub-Atmosphäre. Daher ist man vor und nach dem Spiel besser im Pub am Bahnhofsvorplatz aufgehoben. In der Innenstadt finden sich auch noch ein paar weitere wenige Pubs und Restaurants, sowie ein beliebter Fish & Chips-Imbiss direkt am Stadion. Viel mehr aber auch nicht.

Ar hyd a nos (walisisch) – All through the night

Für 45 Pfund (rund 60,- Euro – nicht gerade ein Schnäppchen) enterten wir den mit 2.000 Fans der Lillywhites gefüllten Gästeblock. Das Liberty war ausverkauft. 21.000 Zuschauer finden dort auf einer einrangigen, umlaufenden Tribüne Platz. Schön kompakt und laut. Tatsächlich: Laut! „And we were singing, Hymns and Arias, Land of my fathers, AR HYD Y NOS (ein walisisches Volkslied) erzeugte Gänsehaut. Der Homesupport auf dem East Stand, natürlich direkt neben dem Gästebereich auf dem North Stand, war für britische Verhältnisse mehr als gut! Die Waliser wurden ihrem guten Ruf gerecht. Warum sie allerdings im legendären Buch „Rivalen- der etwas andere Führer zu den 92 englischen Profivereinen“ in der dort (nicht ganz ernst gemeinten) Gestörtentabelle auf den vorderen Plätzen eingestuft sind, erschließt sich uns nicht. So schlimm war’s nicht. Der sonst gute Auswärtssupport der Spurs Fans kam nur schwer in Gang. Genauso wie das Team auf dem Platz. Der dänische Freistoßspezialist Eriksson musste mit einem seiner typischen Tore die Londoner nach einem verdienten 0:1 Rückstand in der 27. Minute im Spiel halten. Der Spott der Waliser war den Gästen sicher, als Harry Kane dann in der 32. Minute einen Eckball unglücklich in das eigene Netz bugsierte: „Harry Kane, he score when he wants“. Und wieder rannte Tottenham einem Rückstand hinter her. In der zweiten Halbzeit entwickelte sich ein ansehnliches Spiel mit leichten Vorteilen für die Spurs. Swansea (mit dem Ex- Hoffenheimer und Ex-Londoner Sirgudsson im Team) blieb aber bis zum Schluss brandgefährlich und hatte nach dem Ausgleich zum 2:2 (wieder Freistoß Eriksson) ganz kurz vor Schluss sogar das Siegtor vor Augen. Nationalkeeper Lloris verhinderte Schlimmeres. Die Londoner konnten mit dem Punkt zufrieden sein.

Nach einem Pint und Klönschnack mit Groundhopper und St.Pauli-Fan Frank (er war sowohl in Sachen Fußball als auch Rugby auf Tour) ging es mit dem Zug mit besagten Walisischen Spurs Fans wieder Richtung Cardiff. Sie sahen in uns übrigens eine Möglichkeit für Schlafgelegenheiten bei internationalen Spielen in Hamburg. Waren dabei allerdings sicherlich in Unkenntnis über die aktuellen Chancen Hamburger Vereine auf irgendwelche internationale Wettbewerbe. Glück gehabt! Die beiden durch eine üble Cider-Beer Mischung angetrunkenen und damit nervigsten Londoner Sitznachbarn gingen während der Fahrt verloren und wurden anschließend unter Polizeibegleitung am Bahnhof Cardiff gesichtet. Die Reste ihres Sixpacks fuhren wohl alleine weiter nach London.

In Cardiff (walisisch: Caerdydd)

Tags drauf hatten wir in Cardiff noch die Gelegenheit für ein wenig Sightseeing (Kathedrale, Cardiff- Castle, Millenium Stadium) und ausgiebiges Shopping in den für Fußballfans einschlägigen Stores wie sport- direkt, Fred Perry & Co. Die Stadt war aufgrund der laufenden Rugby Weltmeisterschaft u.a. mit Fahnen der Teilnehmerländer schön geschmückt und versprühte eine einladende Atmosphäre. Neben unzähligen Pubs und Bars (von einer Transen-Bar bis Karaoke war alles dabei) laden auch gepflegte Restaurants und Cafe`s zum Essen ein. Sehr empfehlenswert zum Frühstück: Bill`s Restaurant. Ein English Breakfast der feinen und frischen Art. Ein Gaumenfestival im Gegensatz zu Wetherspoon & Co.

Beeindruckend ist der Standort des Millenium Stadiums, dem walisischen Nationalstadion. Nämlich mitten im Zentrum der Stadt. Es überragt mit seinen Pylonen die klotzige Mantelbebauung, wirkt von der Flussseite her aber nicht zu mächtig. Wie ein kleines Kind kommt der direkt anliegende, kleine Cardiff Arms Park daher. Ein altes, 12.500 Zuschauer fassendes Rugby Stadion, welches von den Vereinen Cardiff Blues und Cardiff RFC genutzt wird. Alles was wir sehen, insbesondere das Millenium Stadion, schreit nach einem weiteren Besuch Cardiffs. Erstmal keine Beachtung fand der Cardiff City FC, welcher erstens in einem langweiligen Neubau seine Spiele austrägt und zweitens seit dem Besitzerwechsel 2012 eine Menge Sympathien verloren hat, siehe auch hier: http://blog.uebersteiger.de/2013/06/04/cardiff-city-fans-bitten-um-unterstutzung.
Aber bei einem „Severnside Derby“ gegen Bristol City holen wir das sicher mal nach.

Zum Schluss entdecken wir vor der Rückfahrt zufällig noch einen Art Wagenstandsanzeiger der englischen Eisenbahn: Ein unauffälliges Schild am Bahnsteighäuschen für den Wagen Nr. D (Coach D), aber nur für diesen.
Des Rätsels Lösung: Im Coach D, aber offensichtlich nur in dem, sind Platzreservierungen buchbar. Angezeigt durch Handzettelchen natürlich. Sensationell, die englische Eisenbahn. // Christoph

 

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