KSV Holstein Kiel – FC St.Pauli 0:1 (0:1)
Tor: 0:1 Johannes Flum (44.)
Zuschauer: 11.935 (ca. 2.400 St.Paulianer)
Mal ehrlich: So ein 1:0 ist doch auch viel schöner als ein 4:0, zumal nach der Vorgeschichte.
Korrigiere auf:
Lieber einmal 0:4 und viermal(!) 1:0 als andersrum… Period!#FCSP— Der Übersteiger (@DerUebersteiger) September 19, 2017
Haken wir kurz das sportliche ab:
Das erneute Fehlen von Mats Møller Dæhli (zusätzlich zum ja eh länger fehlenden Christopher Buchtmann) ist grundsätzlich natürlich schade, brachte aber (endlich!) mal die Chance für Richard Neudecker, sich von Anfang an zu beweisen. Und wie er das tat, mich erreichten von mehreren Personen Nachrichten über seinen überragenden Assist beim 1:0, auch sonst machte er ein super Spiel. Dies freut mich sehr für ihn.
Sollten da tatsächlich mal alle Drei (Neudecker, Buchtmann, MMD) fit sein, hätten wir wohl ein Luxusproblem.
Und während Bernd Nehrig noch am Samstag mit beiden Händen (und Füßen) in die Gülle gegriffen hatte, war er jetzt wieder in der gewohnt zuverlässigen Rolle am Start. Sehr schön – und ein erneuter Beweis, dass Fußball eben Tagesgeschäft ist.
Insgesamt ein guter Auftritt, insbesondere natürlich kämpferisch. Nach einem 0:4 zuhause spielt man den Tabellenführer auswärts natürlich nicht mal eben an die Wand, auch klar.
Nach einer eher zu passive Anfangsphase fing man sich dann aber und zur Pause war die Führung dann aus meiner Sicht vielleicht nicht zwingend, weil es bis dahin keine großen Torchancen für uns gegeben hatte, aber aufgrund der Spielanteile auch nicht unverdient.
(Alles bewertet mit der doch recht eingeschränkten Sicht aus dem Gästeblock.)
In Hälfte zwei wäre dann etwas mehr Entlastung wünschenswert gewesen, aber so richtig torgefährlich war Holstein auch nicht, abgesehen von der einen Hereingabe die knapp am Tor vorbeigegrätscht wurde. Der viel beachtete Schuß in der Nachspielzeit war dann eher einer für die Galerie… den hält vielleicht nicht jeder Kreisklasse-Keeper, aber für einen Torwart wie Himmelmann ist so ein Ball doch ein gefundenes Fressen, was eben auch noch schön aussieht.
(Und ja, dies schreibe ich jetzt in der Gelassenheit des Tags danach, im Gästeblock selbst war eine gewisse Nervosität ob des Spielausgangs schon noch gegeben.)
13 Punkte aus sieben Spielen – läuft!
Das Drumherum – Vor dem Spieltag
Der KSV Holstein und/oder die dortige Polizei bekleckerten sich vorab nicht gerade mit Ruhm. Details im aktuellen MillernTon (ab 2h07m54s) nachzuhören, wo Stefan (Fanladen) von der doch recht offensichtlichen Überforderung mit der Organisation so eines Spiels spricht, sei es bezüglich der Karten, der Parkplätze oder einfach der Terminierung so einer Sicherheitsbesprechung.
Da ließ sich schon erkennen, dass es in Kiel diesbezüglich noch Luft nach oben gibt.
Zugespitzt hat sich die Situation dann am Samstag:
Die Kieler Ultra-Gruppierung Supside wurde bei ihrer Rückkehr vom Freitagsspiel in Aue „erwartet“ und neben dem Austausch von Körperlichkeiten wurde dabei u.a. wohl auch deren Banner entwendet. Gemäß vorherrschender Ultra-Logik muss sich die Gruppe jetzt wohl auflösen, zumindest die Website ist schon mal offline und für gestern wurde auch ein Support-Boykott verkündet.
Von jenen zwangsläufigen Folgeerscheinungen kann jetzt gerne jeder selbst halten was er will. Ich persönlich finde ja schon die Auflösung komplett bescheuert, einen Supportboykott bei einem Heimspiel deswegen aber noch viel sinnbefreiter – aber vielleicht bin ich für so etwas auch einfach schon zu alt.
Ich bin jedenfalls zuversichtlich, dass sich USP nicht auflösen würde, sollte jemals das Banner geklaut werden. Und das ist auch gut so.
Zur Aktion an sich:
Wir regen uns (zurecht) darüber auf, dass bei unserer Rückkehr aus Aue eine 9er-Busbelegschaft von hsv-Fans angegriffen wird. Das es da vielleicht andere Mehrheitsverhältnisse gab, die körperlichen Folgen dramatischer sind und es hier vielleicht Leute traf, die es auch selbst eher drauf anlegen? Selbstverständlich.
Ich finde das trotzdem scheiße.
Aber auch dafür bin ich vielleicht einfach zu alt.
(Und ob das jetzt unsere Leute waren oder ganz Verschwörungstheoretisch irgendwelche anderen Gruppen, sei mal dahingestellt und ist für die Einordnung dies Scheiße zu finden auch irrelevant, weil vom Verursacher unabhängig.)
Spätestens jetzt war dann auch klar, dass es ein Spiel mit erhöhter Emotionalität drumrum geben würde, auch Polizei und Ordnungsdienst dürften dies gewusst haben.
Immerhin: Am Montag Nachmittag kamen Holstein und Polizei dann doch noch auf die Idee, Parkplätze bzw. einen Shuttle für Gästefans anzubieten – immerhin dieser klappte dann auch problemlos, zumindest für diejenigen die dies so kurzfristig noch mitbekamen.
Das Drumherum – Der Spieltag
Rund ums Stadion blieb (soweit ich es mitbekommen habe) alles ruhig, ich selbst bin mit PKW über jenen angebotenen Shuttle-Parkplatz angereist.
Rund um den Gästeblock hatte die Polizei alles weiträumig abgeriegelt, die sonst für Verpflegung (und beiderseitig für Wurfgeschosse) genutzte Tankstelle war außerhalb dieses Bereichs.
Hochgezogene Augenbrauen dann bei der Einlasssituation: Eine einzige Schleuse für 2.300 Leute?! Wer denkt sich sowas aus? Und viel wichtiger: Wer verantwortet das, wenn da tatsächlich mal was passieren sollte?
In Anbetracht eines direkt daneben platzierten Wasserwerfers ja auch nicht völlig undenkbar.
Zusammenfassend sei diese Tweetkette empfohlen:
Wir müssen reden. Über das Sicherheitskonzept bei @Holstein_Kiel. Mal ab von dem was auf dem Platz passierte. Der Weg zum Einlass (1/10)
— Schleusenwaerter (@tr4sh_coutur3) September 20, 2017
Mehr dazu auch im Bericht der Nice Guys.
Im Stadion dann zunächst unerwartet viel Platz, denn USP war noch nicht da. Die Getränke- und Klosituation vor Ort war aber auch bei übersichtlicher Blockfülle schon desaströs genug.
Und dann plötzlich überall „Die Banner!„-Rufe, der Blick ging gen Platz und da kamen sie. Je nach Schätzung etwa 20-30 Leute aus dem Heimblock, alle komplett in Schwarz gekleidet und vermummt, einer von Ihnen mit einem Bengalo in der Hand.
Bis an den Block ran schafften es etwa fünf Leute, die dabei auch 2-3 kleinere Banner entwendeten und flugs den Rückweg antraten. Da war ein Großteil der Gruppe erst an der Mittellinie angelangt und war wahrscheinlich froh, unbeschadet wieder zurück in den Block laufen zu dürfen, Entschlossenheit sieht anders aus.
Und während man für die Aktion an sich ja doch irgendwie anerkennend eine Augenbraue des Respekts lupfen könnte (zumindest mir ist kein Vorfall in Erinnerung, in der es eine nennenswerte Anzahl Personen mal abseits von Nach-dem-Spiel-Feierlichkeiten über den kompletten Platz zum gegnerischen Block geschafft hat), so gehört dem Löffel, der den Bengalo in den Block schmeisst zumindest mal ordentlich eins aufs Maul… zum Glück schmiss er den so schlecht, dass er in einen eher leeren Bereich flog und daher alle ausweichen konnten.
Dies alles passierte, als USP noch nicht da war.
Ich lasse mal dahingestellt, ob dies Teil des Plans war – ich bin mir aber sicher, dass es sonst anders ausgegangen wäre, denn dann wären wohl auch von unserer Seite einige Leute über den Zaun gegangen. Zurecht. Als Abwehrreaktion.
Diese Abwehrreaktion kam dann von Mannschaft und Trainerteam in ganz ausgezeichneter Art und Weise. Im Stadion habe ich in erster Linie Schnecke Kalla, Sami Allagui und Matze Hain wahrgenommen, auf den zahlreich kursierenden Videos tut sich neben anderen auch Co-Trainer Patrick Glöckner hervor.
Herzlich Willkommen am Millerntor, Patrick!
(P.S.: Der Matze Hain-Song!)
Und dieser triumphale Blick von Sami Allagui, als er das zurückeroberte Banner in die Kurve brachte – so ungefähr muss man sich fühlen, wenn man gerade das Rad erfunden oder ein Mittel für den Weltfrieden entwickelt hat.
Großartiger Blick, entsprechendes Abfeiern durch den Block erfolgte völlig zurecht. Gleiches gilt im Übrigen auch für Cenk Sahin.
Andreas Rettig ordnete das Verhalten heute auf einer Pressekonferenz dann recht sachlich ein, was er in seiner Funktion sicher auch genau so machen muss.
Theoretisch könnte ein Schiedsrichter Spieler und Funktionelle bei einer derartigen Aktion auch schon vor Anpfiff vom Spiel ausschließen, nach Täter und Opfer wird da eben nicht gefragt und Zuschauer kann der Schiedsrichter nur bedingt sanktionieren.
Von möglichen Verletzungen mal abgesehen: Man stelle sich mal vor, Himmelmann und Heerwagen strecken mit einem Wrestling Tag-Team Clothesline einen Angreifer nieder und bekommen anschließend Standing Ovations – und ne Rote Karte… okay, dann wäre Schnecke ins Tor gegangen und wir hätten auch zu Null gespielt, aber ich denke Ihr versteht meinen Punkt, warum Rettig dies sicher irgendwie auch zurecht so anspricht.
Das sich hier alle trotzdem bestens und richtig verhalten haben, kann ich hier gerne festhalten, muss aber nicht von Vereinsoffiziellen exakt genauso auf einer Pressekonferenz formuliert werden – es klang ja zwischen den Zeilen trotzdem gut genug durch.
Dann komme ich nochmal zurück zur angesprochenen Überforderung des KSV Holstein mit dem Spiel im Allgemeinen und dieser Eskalation im Speziellen:
Stadionsprecher sein ist sicher kein Traumberuf. Man muss viel Blödsinn vorlesen, weil der DFB es vorschreibt.
Aber dann geschieht hier eben jener Vorfall – und es kommt Nichts? Gar nichts?
ÜBERHAUPT NICHTS?!
Respekt… auch ne Haltung.
Eine Viertelstunde später dann das übliche BlaBla-Programm abzuspulen, nebenbei zehn Minuten späteren Anstoß verkünden und dann später auf Bitte des Schiedsrichters darauf hinzuweisen, dass bei Wiederholung ein Abbruch droht… nun ja.
Immerhin sorgte er noch für Lacher, indem er feststellte, dass doch für ihn Hamburg auch irgendwie zu Schleswig-Holstein gehöre und sowas doch bitte zu unterlassen sei.
Und generell muss man sich schon fragen, ob der Ordnungsdienst hier nicht vielleicht sogar irgendwie eingeweiht war. Ansonsten wundert es einen schon, dass diese Gruppe nahezu unbehelligt den weiten Weg hin und zurück antreten konnte.
Die Polizei hat normalerweise bei einem Spiel nichts im Stadion zu suchen und wird erst auf Anfrage hinzugezogen, hier war sie sicherlich aufgrund der speziellen Situation eh auf Abruf, aber eben (zurecht) deutlich weiter weg als der eigentlich zuständige Ordnungsdienst.
Unterm Strich bleibt festzuhalten: Nichts passiert, die Mannschaft dürfte noch einen weiteren kleinen Motivations-Kick bekommen haben – vielen Dank!
Und grundsätzlich kann ich mich nur den Worten von T. gestern nach dem Spiel auf dem Zaun anschließen:
Am Samstag wurde gemeinsam verloren und das Ganze direkt nach Abpfiff mit den „Auswärtssieg“-Rufen versucht in positive Energien umzuwandeln – gestern wurde dies von Kurve und Team mit Leben gefüllt und umgesetzt.
Hier gewinnt nur einer – St.Pauli und sonst keiner! // Frodo
Links:
– Bericht Athens South End Scum: „Matchday 7“ (English)
– Bericht Nice Guys: „Senf dazu 43“
– Bericht Magischer FC: „Zwischen Generve und Gewitzel“
– Fotos Sabine Scheller: „Ein Sieg auf zwei Ebenen“
– Bericht Couchgepöbel: „Sup, Holstein?„
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