„Lage der Liga“: Rückblick nach vorne

von Hermannus Pfeiffer

Sportlich betrachtet setzte sich in der zurückliegenden Saison der Trend der Ära Göttlich fort. Dieser Negativlauf hat wirtschaftliche Folgen, die wiederum die sportliche Zukunft belasten. Allein am letzten Spieltag hätte der FC St.Pauli bei einem günstigen Verlauf zusätzliche Einnahmen aus der Fernsehvermarktung von 1,7 Millionen Euro buchen können, hat das „Hamburger Abendblatt“ errechnet. Noch stärker belastet Corona den Etat.

Derweil tut sich was. Die Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL) und der DFB in Frankfurt setzten zwar die Wiederaufnahme des Spielbetriebes in den Ligen 1 bis 3 politisch durch, trotz sonst rigider Corona-Beschränkungen. Aber ausgerechnet die Anhänger von Eintracht Frankfurt rührten sich und brachten den Ball bundesweit ins Rollen. 

Mitte Mai veröffentlicht Nordwestkurve Frankfurt e.V. seinen Aufruf „Aus der Corona-Krise lernen: Wir brauchen ein neues Fußballsystem!“ (www.nordwestkurve.net). Zustimmung kommt prompt vom langjährigen, schillernden Eintracht-Präsidenten Peter Fischer.

Der Aufruf vom Main bildet die Initialzündung für eine ligenübergreifende Kampagne. Anlässlich des 33. Spieltages veröffentlicht „Unser Fußball“ eine Erklärung, mit der die neue Initiative grundlegende Änderungen im Fußball-Business fordert (https://unserfussball.jetzt/). Basisnah, nachhaltig und zeitgemäß solle er werden. „Kurzfristiges Denken und schlechtes Wirtschaften müssen der Vergangenheit angehören.“ Ein auf langfristige Stabilität ausgelegtes Wirtschaften sei für Vereine in allen Ligen möglich.

Die Realität sieht offenbar anders aus. 13 der 36 Profiklubs, sieben davon in der 2. Liga, drohte wegen der Corona-Pandemie die Insolvenz noch in dieser Saison, sickerte aus einer DFL-Online-Tagung durch. Zwölf Klubs hatten bereits die nächste Fernsehrate abgetreten, um Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können.

Sachkundige Klubspitze, kompetente sportliche Leitung und ein Local Hero

Unser FC und auch der HSV gehören offenbar nicht zu diesen Finanz-Hasardeuren. Dazu trugen die Anhänger entscheidend bei. Eine halbe Million Euro haben nach Medienberichten die Inhaber der St.Pauli-Wertpapiere dem Verein geschenkt, und die allermeisten Dauerkarten-Inhaber verzichteten auf eine Rückzahlung oder überwiesen den fälligen Betrag an vereinsnahe Einrichtungen wie unser Museum in der Gegengerade. Auch die sogenannten Sponsoren, werbende Unternehmen, haben mitgespielt.

Ähnliches wird aus anderen Klubs der 2. Liga berichtet. Dass Geld denn doch nicht alles und mit einem vergleichsweise kleinen Etat sportlicher Erfolg möglich ist, demonstrierte eindrucksvoll Arminia Bielefeld. Sachkundige Klubspitze, kompetente sportliche Leitung und ein für Zweitligaverhältnisse überdurchschnittlicher Local Hero, um den in einem mittelfristigen Prozess eine Mannschaft geformt wurde, zeigten auf dem Rasen Wirkung.

Seinen Liga-Etat bezifferte Arminia-Geschäftsführer Markus Rejek in einem erstaunlich offenen Gespräch mit dem Fachportal „Sponsors“ auf 12,5 Millionen Euro, einschließlich Busfahrer und Physio (https://www.sponsors.de/news/videos/arminia-geschaeftsfuehrer-rejek).

Damit verortete Rejek die Arminia auf dem achten oder neunten Platz der Geldrangliste. Weit abgeschlagen hinter Liga-Schwergewichten wie VfB Stuttgart, Hannover 96 oder dem Hamburger SV. Aber auch abgeschlagen hinter dem FC St.Pauli mit etwa 15 Millionen Euro – ohne Busfahrer und Physio. Über die Etats aller Zweitligisten, mit denen sie für die kommende Spielzeit kalkulieren, wird „Lage der Liga“ vor dem Saisonstart berichten.

Torjäger Fabin Klos und Torhüter Stefan Ortega Moreno – zwei wichtige Spieler, um die herum die Bielefelder Aufstiegs-Mannschaft geformt wurde (hier im Spiel gegen den FCSP, © Ariane Gramelspacher).

Wettbewerb auf Augenhöhe unmöglich

Die seit März entgangenen Einnahmen, infolge von Corona und den Maßnahmen gegen die Pandemie, bezifferte Arminia-Geschäftsführer Rejek auf 2 bis 3 Millionen Euro. Die muss man allerdings auf das gesamte Budget der Bielefelder von rund 45 Millionen Euro beziehen.

Je nach Zuschauerschnitt und der Bedeutung der Fernsehgelder für den Gesamtetat unterscheiden sich die Corona-Wirkungen von Klub zu Klub. Insgesamt dürfte aber die wirtschaftliche Wettbewerbsposition in der 2. Liga unverändert geblieben sein. Um jedoch die Kluft zwischen „Arm“ und „Reich“ zu verdeutlichen: In der zurückliegenden Saison erhielt der Krösus der 2. Liga allein an Fernsehgeldern mehr als 25 Millionen Euro – das Schlusslicht musste sich mit weniger als 8 Millionen begnügen. Und die Fünf-Jahres-Wertung verstetigt diese Diskrepanz sogar noch. Ein Wettbewerb auf Augenhöhe ist unter diesen Bedingungen unmöglich.

An dem mangelhaften sportlichen Wettbewerb aufgrund der ungleichen wirtschaftlichen Voraussetzungen in beiden Bundesligen änderte Corona nichts. Immerhin haben „Unser Fußball“ und gleichgerichtete Initiativen von Fans, Vereinen und Spielern einen bemerkenswerten Verbündeten bekommen, die Deutsche Bank.

Auch fußballkapitalistische Kreise stören sich an bayerischen Abonnementsmeistern und einer abgeschotteten Clique, die kleine und große Ligen in Europa dominiert und sogar die internationalen Wettbewerbe beherrscht. Langeweile pur. Aber das Geschäftsmodell „Fußball“ basiert nun einmal auf Wettbewerb und der Ungewissheit über den Ausgang eines jeden Spiels.

Die Analysten der Deutschen Bank schlagen daher in ihrem Konzept „Das Leben nach Covid-19“ Gehaltsobergrenzen und ein Draft-System vor, wie es in einigen Ländern und Ligen bereits praktiziert wird. Die Vereine rekrutieren die vielversprechendsten neuen Spieler in einer durch ein Lotteriesystem bestimmten Reihenfolge, wobei das System den Teams der untersten Tabellenplätze die größten Erfolgschancen einräumt. Im Ergebnis wären die besten Spieler gleichmäßiger verteilt. „Das wiederum könnte zu härter umkämpften und spannenderen Meisterschaften führen.“ Eben.

Teilen:

Ein Kommentar

  1. Gehaltsobergrenzen und Draft System könnten ein Ausweg sein aus der Schleuder-Spirale Namens Wild West Fußball Kapitalismus! Danke Hermannus

Kommentare sind geschlossen.