Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Cordon bleu, so ist das Leben!

Ich kann nicht schlafen, ich kann nicht essen,
ich kann das Derby einfach nicht vergessen.
Wie konnte das denn heute nur passier’n,
dass wir ausgerechnet im Volxpark verlier’n?

Zum 111. Derby darf aufgrund der Schnapszahl natürlich der Helbing nicht fehlen. Und der tut nicht nur nach dem Abpfiff gut. Bereits am Mittag überlege ich, wie ich die Stunden bis zum Anpfiff überbrücken und mich irgendwie ablenken kann, oder ob ich gleich mal zum Schnaps greife. Ich entscheide mich für Hausarbeiten: Abwaschen, Wäsche in die Maschine, Geschirr wegräumen und dann schließe ich eine interne Wette mit mir selbst ab: Wenn St. Pauli heute im Volxpark aufsteigt, dann putzte ich morgen meine Fenster im Wohnzimmer.

Die Hoffnung stirbt zuletzt…

Um 15 Uhr 15 kreisen Hubschrauber über mir. Die Luftwaffe von Team Green begleitet den Fahrrad-Corso. Um 16 Uhr beginnt der FCSP-Fanmarsch ab der Trabrennbahn Bahrenfeld. Neben dem Ticker der Mopo verfolge ich die Berichterstattung auf NDR 90,3. Live berichten die Reporter*innen in einer Sondersendung von 15 bis 22 Uhr aus dem Umfeld des Stadions. Zwischen den Reportagen läuft plötzlich Leif Garrets “I was made for dancing“. (Für die Jüngeren: Das ist die Originalversion von “Wer wird deutscher Meister” von 1979). Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

Fanmarsch zum Volxpark
Foto: Franzi


Natürlich stehen die Leitungen zu meinen Außen-Reporter*innen. Zunächst meldet Franzi: “Im Bus sind wir noch in der Überzahl“, und schickt anschließend ein Fanmarsch-Foto.

Jens hält dagegen: “Fußmarsch alleine durch den Volxpark, herrlich!“. Kurz darauf fährt unser Mannschaftsbus an Ariane vorbei, die noch mit dem Auto im Stau steht. “Unser Team wird aber per Polizeieskorte vorneweg an allen vorbei geleitet“, berichtet sie. Kurz darauf das nächste Beweisfoto: “Jetzt erst kommt der hsv-Bus vorbei. Wer war also Erster?“. Logo, eben der FC SPitzenreiter.

Entspannt durch den Volxpark
Foto: Jens


Der Einlass gestaltet sich wie immer schwierig, wird mir zugetragen. Manch Mega-Optimist sucht noch eine Karte und der Bürgermeister wünscht im Radio “allen Fans viel Freude bei der spannendsten Partie des Jahres und ein Spiel ohne Krawalle“.
Dann mal rein ins Stadion. Bereits vor dem Warmlaufen beider Teams wird ordentlich Dampf abgelassen. Zunächst auf den Rängen, dann auf dem Platz. Jackson Irvine rennt bei einem Sprint in die gegnerische Hälfte und dort in einen der Rauten. Sofort gibt es die sogenannte “Rudelbildung”, kräftig Zoff und ein Handgemenge, bei dem auch die Co- und Athletik-Trainer mittendrin sind. Klasse Auftakt für ein Derby, sofort ist Feuer drin, obwohl noch nicht mal angepfiffen ist!


Kurzer Blick auf die Medien. Die Mopo zitiert Coach Hürzeler, der gerne heute aufsteigen würde: “Ich will das den Fans zurückgeben. Das haben sie durch ihre Unterstützung in der ganzen Saison verdient“. Grundsätzlich aber würde er sich einfach freuen, “dieses Derby zu gewinnen, weil ich das noch nicht geschafft habe“.

Endlich Anpfiff! Doch nach knapp drei Minuten der Abpfiff. Allzu viel Qualm wabert durch die Arena und erst nach weiteren drei Minuten geht es weiter. Zu sehen ist aber erstmal dennoch nichts. Auch die wenigen Chancen auf beiden Seiten lösen sich in Rauch auf oder verpuffen im Nichts. Nach 20 Minuten ist unser Keeper erstmals ernsthaft gefragt: Einen strammen Schuss pariert Nikola bravourös, Karol bringt die Kugel schlussendlich aus der Gefahrenzone. Vier Minuten später fast am Helbing verschluckt, als Glatzel die Kugel versenkt. Doch Schiri Jöllenbeck hat das Foul des Volxparklers an Manolis zuvor gesehen und gibt den Treffer nicht.

Die Seitenwechsel der Braun-Weißen sind traumhaft anzusehen, aber bislang erfolglos. Aljoscha verdaddelt nach 27 Minuten auf unerklärliche Weise am Pfosten das Führungstor, doch stand er – fast schon glücklicherweise – zuvor im Abseits. Was hätte er sich sonst geärgertIn Düsseldorf geht die Fortuna gegen Nürnberg in Führung. Im Volxpark nimmt die Härte zu und in Düsseldorf erhöht es sich auf 2:0. Dann ist Pause.

Dixis sind luxeriöser
Foto: Franzi

Franzi meldet: “Auf den Toiletten gibt es keine Seife, nicht einmal Vorrichtungen dafür. Auch von Hygieneeimern und Klobürsten keine Spur“. Erster Verdacht: Rostocker*innen waren schon da…

St. Pauli spielt nun (wie zuhause) gen Südkurve, doch das Spiel verflacht zu Beginn der zweiten Hälfte. Beide Teams sind auf Ballsicherung bedacht und das sieht nicht allzu schön aus. Im Mittelfeld wird aber um jeden Millimeter gekämpft. Einen Freistoß setzt eine Raute fast auf einen Bengalo in der Nordkurve und Nürnberg macht am Rhein einen rein – 2:1.

Nach 62 Minuten ein erneuter Schock und ich verschütte fast das frisch eingeschenkte Bier. Dompé flankt auf Königsdörffer, dessen Kopfball-Verlängerung zwar zur vermeintlichen Führung der Gastgeber im Netz landet, doch Poreba hatte Nikola zuvor im 5er behindert. Nach VAR und Betrachten der Bilder an der Seitenlinie, entscheidet Schiri Jöllenbeck erneut auf “Nicht Tor”. Chapeau!

Kurz darauf pariert unsere Nummer 22 einen 22-Meter-Flachschuss perfekt und Manolis kassiert für ein Allerweltsfoul die Gelbe Karte. In Minute 80 gibt es nach einem Foulspiel fast an der Torauslinie Freistoß für die Volxparkler. Beim Hockey würde man von einer Strafecke sprechen. Pherai zirkelt die Kugel direkt aufs Tor, doch sein Versuch streichelt nur die Latte.

Schlussphase. Und die hat es leider in sich! Zunächst vergibt Aljoscha nach feinem Anspiel von Dapo, dann verschätzt sich Nikola beim Rauslaufen und verpasst die Kugel. Glatzel ist zur Stelle, Jackson kann auf der Linie nicht mehr retten. Diesmal zählt das Tor – 1:0.
In der Nachspielzeit kommt Manolis gegen Okugawa etwas zu spät und es gibt Strafstoß für die Rauten und nach VAR auch noch Gelb-Rot für unseren Griechen. Aber: Nikola pariert den Elfer von Raute Reis! Chapeau!

Das war es dann aber auch. Leider. Obwohl: Viele haben sich ja gewünscht lieber zuhause am Millerntor aufzusteigen. Dann machen wir das einfach eben so am nächsten Sonntag gegen den VfL Osnabrück. // Hossa
P.S.: Direkt nach dem Abpfiff feuert die Vollpfosten-Raute schräg gegenüber meiner Wohnung eine Rakete vom Balkon ab. Dummerweise steigt sie nicht in den Himmel auf, sondern ruiniert seinen Balkon samt aufgehängter Wäsche. Und meine Fenster werden dann nach dem Osnabrück-Spiel geputzt…

Verein vom Volxpark: Raab – Reis, Hadžikadunić, Schonlau, Muheim – Meffert (87. van der Brempt), Poręba (70. Suhonen), Pherai – Königsdörffer (87. Okugawa), Glatzel (93. Németh), Dompé (93. Öztunali)
FC St. Pauli: Vasilj – Nemeth, Wahl, Mets – Saliakas, Irvine, Kemlein (86. Saad), Metcalfe (86. Ritzka) – Afolayan (89. Albers), Eggestein (78. Amenyido), Hartel
Tor: Glatzel (85.)
SR: Dr. Matthias Jöllenbeck aus Freiburg
Fans: 56.100

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Ein Kommentar

  1. schöner Artikel Mal wieder Hossa!
    Im Stadion waren nicht 57.000 sondern 56.100 (wegen größerer Pufferzone zwischen den Fans.

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