Der Hoffenheim-Auswärtsfahrtbericht
Text & Fotos: Carsten
Es begab sich vor Monaten die Idee, das jüngste Familienmitglied den magischen FC näherzubringen. Daher wurden frühzeitig über Dauerkarteninhaber gute Plätze beim Auswärtsspiel in Dortmund organisiert. Wenn allerdings auf eins die letzten Jahre Verlass ist, dann auf die Willkür der DFL. Und so spielte der magische FC an einem Freitag spätabends in Dortmund. Wir cancelten die Mitnahme des Kindes und verlegten den Besuch auf ein vielleicht nicht so aufregendes Wochenende in Hoffenheim und deckten uns frühzeitig über den offiziellen Verkauf der TSG mit Karten im Block J relativ nah am Spielfeld ein.
Wenn für Eltern allerdings auch auf eins Verlass ist, dann auf die Sprunghaftigkeit des eigenen Nachwuchses. „Für wen bist du denn nun in zwei Wochen?„. Antwort: „Hoffenheim, Hoffenheim!„. Da muss man auch mal konsequent sein und erzieherische Maßnahmen durchsetzen. Also wurden kurzerhand Oma und Opa bemüht, um uns einen entspannteren Nachmittag zu ermöglichen. So machte man sich das zweite Mal in Folge zu Zweit anstatt zu Dritt auf den Auswärtsweg, diesmal ins beschauliche Sinsheim.
Wie man sich die Planungsphase des Stadionbaus in Hoffenheim vorzustellen hat? „Wir bieten eine Autobahn!„. „Okay, das ist genau das, was wir suchen, morgen fangen wir an zu bauen„. So, oder zumindest in dieser Form muss die Planung für ein Stadion in Sinsheim vonstattengegangen sein. Ein ekeliger Betonklotz, mitten im Nichts. Umgeben von Parkplätzen, einer Autobahn und sonst wirklich nichts.
Funfact: Nachdem wir unterwegs die Adresse des Stadions in das Navigationssystem des Vertrauens eingegeben hatten, funktionierte das Radio nicht mehr. Ein kausaler Zusammenhang zur Dietmar-Hopp-Str.?
Im Grunde werden sie diese Straße nur nach dem Gründer einer Softwarefirma benannt haben, damit ca. 6000 Dortmund Fans (mit Fadenkreuz) bereits auf dem Hinweg der Finger am Navi bei der Eingabe Schmerzen bereitet.
Da es eher unrealistisch ist, mit der Bahn anzureisen, nahmen auch wir das Auto. Die erste Überraschung ereilte uns bei der Parkplatzwahl. Es wurde einem ein schmaler 10-Euro-Schein für das Parken in Sichtweite des Betonklotzes aus der Geldbörse abgeknöpft. Behindertengerechte Parkplätze wurden uns natürlich verneint. Ein kurzer Blick auf die anderen um uns herum parkenden Menschen: Es werden sich offenkundig noch ein paar andere Leute im freien Verkauf mit Tickets eingedeckt haben.
Am Stadion selbst gab es dann nicht viel zu sehen, ein Blick ins gegenüberliegende Technikmuseum mit entsprechenden Flugzeugen und der Blick in die gläserne VIP-Tribüne zum Erhaschen von Influencern und Prominenz war das „größte“ Highlight. Wir begaben uns dann relativ zeitnah, über den Busparkplatz der Gästefans, in unseren Block.
„Schöne“ neue Welt. Die Busse der Auswärtsfans werden direkt in einem abgesperrten Bereich am Stadion geparkt. Man steigt also aus, und ist mehr oder minder direkt in der Personenkontrolle am Stadion. Hat was von einem Zoo, mit wirklichem Auswärtsfeeling aber nichts am Hut. Die Polizei stand entspannt an der Seite und beobachtet das Treiben innerhalb der Zaunfestung.
Die Personenkontrolle entpuppte sich mal wieder als Farce. Ich bin offenkundig nicht der Typ, der verbotene Sachen schmuggelt und war ohne wirklichem Abtasten unterhalb der Gegengerade angekommen. Ein buntes Publikum, Opa Hans der mit verknotetem Schal seine wilde Hilde nochmals schick ins württembergische Stadion schleifte, Familien mit Kids die bei einer Temperatur von 5 Grad den Softeisstand zum Überlaufen brachten, Erfolgsfans (wobei Erfolg und Hoffenheim aktuell ja nicht wirklich passt) und recht viele Gesichter mit offenem FCSP Bezug.
So voll der Eisladen war (der auch als einziger Kaffee verkaufte), so leer war der Hoffenheim Fanshop unterhalb der Tribüne. Die hätten an dem ganzen Tag nichts, wirklich gar nichts verkauft, wenn nicht wir ein Hoffenheim Sitzkissen erstanden hätten, da es die Dame des Hauses ein wenig fröstelte. Gut, Hoffenheim am Arsch dachte ich mir, 14 Euro investiert damit es zu keiner Beschwerde kommt, wenn man denn schon chauffiert wird. Lustig: Das Stadion macht extrem auf Nachhaltigkeit, Müllvermeidung und überall sind Hinweise, wie viel Müll in den letzten Monaten eingespart wurde. In was ist ein Plastiksitzkissen also eingepackt? Richtig: Plastik schützt das Plastik.
Interessant auch zu erwähnen, am Stadionkiosk gibt es eine Bestell-App. Man kann online per eigenem TSG Bezahlsystem Bier und Wurst ordern, und bekommt ganz smart eine Nachricht, wenn dies dann fertig ist. Das ist wirklich „next Level“ des Eventprogramms im Stadion. Übrigens: 2 mal Wurst und 2 mal Bier? Richtig: 20 Euro.
Im Stadion dann ein doch recht erwartetes Bild. Der Gästebereich ausverkauft und mindestens 1 ½ angrenzende Blöcke komplett in braun-weißer Hand. Schon vor dem Spiel wurde sich gut eingesungen und der musikalische Dauerbeschall versucht zu übertönen. Highlight der ganzen Hoffenheimer Fanzeremonie: die Durchsage der Tipps der TSG Fans, welche offenkundig alle an nicht vorhandenem Fußballsachverstand zu leiden schienen, denn keiner hatte auch nur annähernd das Ergebnis richtig. Gelächter machte sich schon vor dem Spiel breit.
Übrigens: Mal ein dickes Lob an den Supportblock. Ob nun gewollt oder nicht, als der Stadionsprecher ein kleines Mädchen interviewte, wurde dem Kind volle Aufmerksamkeit geschenkt, es wurde mit dem Support pausiert. Andere Fangruppierungen hätten das Mädchen sicherlich bitter niedergepfiffen. Wir, insbesondere der Supportblock, hatten hier ein sehr gutes Gespür. Danke.
Wer ist eigentlich irgendwann auf die Idee gekommen, dass man Fans mit großen Fahnen zum Einlaufen der Mannschaft auf dem Platz positionieren muss? Was soll das bringen? Das sah in Dortmund scheiße aus, und hier noch mehr.
Das Spiel ist schnell erzählt. St. Pauli macht das, was es kann. Verteidigen und auf Konter lauern. Und das machen sie zumindest im Abwehrbereich ziemlich gut. Einer doch recht stürmisch beginnenden TSG wurde relativ schnell der Zahn gezogen, der Rentner in Reihe 3 vor mir hatten nach zehn Minuten schon kein Bock mehr auf das Spiel, – und auf mich.
Der Unterschied heute zu den vorherigen Spielen war allerdings, dass wir die Chancen dieses Mal auch nutzten. Gut, Hoffenheim agierte defensiv wie eine Schülermannschaft, ohne die Leistung der unsrigen nun schlecht reden zu wollen. Ich fand, wir waren die eindeutig bessere Mannschaft. Und der Support? Topp, auch wenn so gut wie keine Gegenwehr aus der Heimkurve kam. Das war schon beeindruckend laut, was für unsere Boys in Brown an akustischer Unterstützung aufs Feld schwappte.
Unser Trainer meinte, das Spiel hätte in alle Richtungen kippen können. Das hört sich immer so dramatisch an, allerdings gibt es ja nur zwei Richtungen. Und die eine Richtung war eine sehr gut aufgelegte und kämpferische Bundesligamannschaft, die Bock, Energie und Power hat. Blöd, dass Kiel auch gewonnen hat.
Was bleibt? In Hoffenheim werden sie nach diesem Spiel einen Trainertausch vornehmen. Wir haben mit nur elf Gegentoren eine der besten Abwehrreihen und eine Torwartdiskussion möchte ich in der selbsternannten Fachpresse nicht mehr lesen. Was der da hinten alles wegholt…
Nach der Partie waren die Spieler noch längere Zeit in der Kurve, einzelne Spieler auch auf unserer Tribüne, da sie offenkundig Freunde und Familie in Hoffenheim dabei hatten. Ich hab mich schon die ganze Zeit gewundert, die Dame neben mir sprach die ganze Zeit englisch. Ich habe dann auch mit den zwei bis drei Worten geglänzt, die ich aus der Schule noch wusste und mich immer höflich entschuldigt, wenn ich aufs Klo musste. „Gracias“.
Übrigens: Behinderte Menschen müssen nach dem Spiel nicht mehr aufs Klo. Denn da wird die Behinderten-Toilette abgeschlossen und der Schlüssel hat bereits vorab das Stadion verlassen. Man geht, rollt oder was auch immer, mit dem Pulk auf die normalen Toiletten. Logisch.
Ein Blick auf die Tabelle: alle Mannschaften mit tendenziell viel Blau im Vereinslogo stehen unter uns: Kiel, Bochum und Hoffenheim. Grüße an der Stelle auch an die in Blau spielenden Rauten aus der Vorstadt. Blau ist voll die Trendfarbe aktuell!
// Carsten
Raus aus dem Keller, rein ins Vergnügen!
2:0 – Afolayan und Albers treffen in Sinsheim.
Trotz knapp 70 Prozent Ballbesitz und einem Eckballverhältnis von 7:2, gelang es der TSG 1899 nicht, unsere Aufsteiger zu bezwingen. Ganz im Gegenteil: Bereits nach 20 Minuten sorgte „Dapo“ Afolayan mit dem ersten Torschuss für die Führung und in der 93. Minute vollendete Andreas Albers das braun-weiße Kunststück von Sinsheim. Und es wäre durchaus noch mehr drin gewesen…
Keeper Nikola Vasilj parierte viermal sensationell, Morgan Guilavogui knallte die Kugel an den Pfosten (47.), kurz darauf scheiterte er an Neu-Nationalkeeper Oliver Baumann.
Soviel zum Sportlichen. // Hossa…
Ich bin mit dem Zug angereist und fand das total gut. Ich war so rechtzeitig da, daß ich sogar noch den örtlichen Supermarkt aufsuchen konnte. Allerdings musste ich, um die Rückreise nicht zu gefährden, mit Abpfiff aus dem Stadion sprinten um einen der Verstärkerzüge nach Mannheim zu ergattern. Einmal in Mannheim angekommen ging es nur noch um die Frage welches Versorgungsangebot ich wahrnehmen will. Dann ganz gechillt mit dem 20:07 Uhr ICE nach Hamburg zurückgerollt. Im und um das Stadion wahrscheinlich meine beste Auswärtsfahrt bisher in dieser Saison – unabhängig vom Ergebnis. Viele neue korrekte Leute kennengelernt und liebgewonnene Bekannte getroffen.
Forza Sankt Pauli!
Dem angegriffenen St. Pauli-Fan und der Lebensgefährtin wünsche ich schnelle Genesung!