Genossenschaft ‚Football Cooperative St. Pauli von 2024 eG‘ auf der Zielgeraden

Das leere Millerntorstadion
Ist jetzt Mehrteilseignerin des Millerntorstadions: Die Genossenschaft bzw. die Anteilseigner*innen, Foto: arigrafie
In unserem aktuellen Heft (Ausgabe #144) hatten wir einen Zwischenstand über die Genossenschaft des FC St. Pauli veröffentlicht, der via Lifestream vom Verein vom 8. Januar bekannt gegeben worden war, mit ein paar Gedanken von uns dazu. (Zum Nachlesen ist er am Ende dieses Artikels eingefügt)
Da der Anteilsverkauf auf die Zielgerade geht, veröffentlichen wir noch drei Leserbriefe, die uns per Mail und PN gesendet wurden, die mit dem Konzept der Genossenschaft unzufrieden sind, allerdings aus teils beinahe schon konträren Gründen. Der eine fand den Beitrag und die Gebühr für einen Anteil viel zu hoch für Menschen mit niedrigem Einkommen. Der andere findet, man hätte sich das Geld bei denen holen sollen, die es haben, da sich die Anteile nicht als rentable Investition eignen. Der Dritte zweifelt an, dass diejenigen, die ausreichend Geld haben, um auf eine einigermaßen akzeptable Ausschüttung zu verzichten, im Sinne derjenigen abstimmen werden, die auf das Geld wirklich angewiesen sind. Wir veröffentlichen die Leserbriefe anonymisiert, laden euch dazu ein darüber zu diskutieren. Stimmt ihr den Sichtweisen zu? Seht ihr das ganz anders? Habt ihr schon Anteile, denkt ihr noch darüber nach? Lehnt ihr das Konzept ab?

Leserbrief 1

Meiner Meinung nach ist der Beitrag von 750 € plus Gebühren viel zu hoch. Denn meiner Meinung nach wurden die einkommensschwachen Fans des Vereins entweder vergessen oder bewusst ignoriert. Diese Menschen sind z. B. Geringverdiener, die ein Einkommen von vielleicht 1500 € haben abzüglich der jeweiligen Fixkosten. Und dass die Lebenshaltungskosten in den letzten Jahren für uns alle gestiegen sind, sollte da auch nicht außer Acht gelassen werden.
Ich habe bei der Mitgliederbefragung zur Genossenschaft teilgenommen und ich habe einen Beitrag von 150 bis 300 € vorgeschlagen. Dass es eine Anspar-Möglichkeit gibt, ist mir bekannt, aber wie lange soll denn ein Mensch sparen, wenn er/sie im Monat nur 30 bis 50 € zur Seite legen kann? Ich habe das Gefühl, dass so eine Zweiklassen-Gesellschaft im Verein produziert wird. Und da mach ich nicht mit!

Leserbrief 2

Moin,

ich habe dann auch einmal reingelesen. Insgesamt wieder gute Arbeit.

Bei dem Artikel über die Genossenschaft ist die Brille dann doch tief-braun-weiss gefärbt.

Mehr kritische Betrachtung hätte es da bei den EUR 100 bedurft, die dann ganz einfach einmal weg sind. Bei einer zu erwartenden Dividende von 2,5, max 3%, die, wie ihr auch schreibt, auch noch mit 25% versteuert werden müssen, wird noch nicht einmal die Inflation ausgeglichen. (Zumindest bei Leuten, die den Freibetrag nicht überschreiten.)

Speziell für Leute die wenig Geld haben, hätte ich mir hier eine Warnung erhofft. Die e.G. ist nichts für Leute, die schon einmal an die Rente denken und Vermögen aufbauen möchten.

Ziel kann es nicht sein das Geld bei denen zu ziehen, die eh nichts haben.

Ziel muss es sein das Geld dort zu holen, wo es ist.

Und diese Leute oder Firmen kriegst du nicht bei Fixkosten von EUR 100 pro Anteil (Pro Anteil - wo gibt es denn so was?).

Ziel muss es auch sein das ganze Stadion zu übernehmen und den Verein schuldenfrei zu stellen.

Das geht z.B. wenn man sagt, dass bei 10, 20 oder auch 100 Anteilen die Fixkosten absolut minimiert werden. Gib doch z.B. Astra 1.000 Anteile. Stimme haben sie trotzdem nur 1.

So meine Meinung.

Leserbrief 3

Bei der ganzen Diskussion kommt mir grundsätzlich der nachhaltige Aspekt zu wenig. Wir
haben eine Regierung unter der Leitung von Friedrich Merz erhalten, die
höchstwahrscheinlich bei den Schwachen unserer Gesellschaft den Strick noch enger
ziehen wird. Es bleibt abzuwarten, ob die Inflation durch die gigantische Neuverschuldung
des Bundes weiter sinkt oder stagniert. 750 Euro sind viel Geld für viele Menschen. Gehen
wir mal nur von der Tatsache aus, dass jemand mit wenig Geld diese Summe gestemmt
Bekommt: Welchen finanziellen Mehrwert hätte er? Und es geht mir an dieser Stelle
wirklich und ausschließlich um den finanziellen Aspekt, natürlich spielen bei der
Entscheidung Anteile zu kaufen auch wichtige andere Dinge eine Rolle.
Die Entscheidung, ob Gewinne den Anteilshabern ausgeschüttet werden, ist abhängig von
dem Gewinn, der erstmal erwirtschaftet werden muss und der Tatsache das die
Genossenschaft sich auch dagegen entscheiden kann. Sprich: die wenigen Menschen die
irgendwie sich einen Anteil erspart haben, sind abhängig von den Menschen die
grundsätzlich die finanziellen Mittel hatten und denen die Ausschüttung von ein paar Euro
auch egal sind. Unabhängig davon, wann hat der FCSP das letzte mal einen wirklich
nennenswerten Gewinn erzielt? Mir fehlt hier das Konzept alle an Board zu holen um auch
den Mehrwert für alle hervorzuheben. Die Werbetrommel wurde ja genügend gerührt und
in gefühlt jeder Halbzeitpause wurde vor den Mikros nur über die superduper Aktion mit
dem Kauf von Anteilen vermarktet. Teilweise fühlte man sich an Tage von Corny Littmann
erinnert, der einem noch das letzte Rettershirt verhökern wollte.
Warum sollten also finanziell schwache Menschen in die Genossenschaft investieren?
ETFs wären hier die eindeutig bessere Alternative. Mit 750 Euro kann man zwar keine
riesen Sprünge machen, allerdings verliert das Guthaben nicht an Wert, hingegegen in
einer Genossenschaft schon. Denn die Inflation wird sicherlich nicht durch die
Ausschüttungen egalisiert. Schade.

Noch bis zum 31. März können Genossenschaftsanteile erworben werden. Das Minimalziel von 20 Millionen ist bereits erreicht worden, damit können über 50 % des Stadions erworben werden. Das Ziel von 30 Millionen wird hingegen ziemlich sicher mit Abstand verfehlt werden, denn Stand 18. März 2025 sind 21.657.150 € erreicht worden, zusammengekommen durch 17458 Genoss*innen. Grob durchgerechnet wären das knapp 29.000 Anteile, das lässt vermuten, dass eher wenige Firmen oder auch Einzelpersonen größere Mengen Anteile gekauft haben.

Nun muss man auch bedenken, dass St. Pauli dieses Genossenschaftskonzept als erster Verein in Deutschland angeschoben hat und als Pionier sicherlich nicht alles im Voraus durchexerzieren konnte. Im Nachhinein wird man sicher schlauer sein, was besser gemacht hätte werden können. Dass man ein knappes Drittel (immerhin rund 9 Millionen Euro) der anvisierten Summe nicht hat einnehmen können, ist jedenfalls ein starker Hinweis, dass man sich bei bestimmten Parametern verschätzt hat. Der Verein wird das sicher gründlich evaluieren und wir halten euch dann über das endgültige Fazit, was gezogen werden wird, auch auf dem Laufenden. // rakete

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2 Kommentare

  1. Ich konnte mir keinen Anteil leisten. War allerdings extrem schockiert, als mir ein Freund erzählte, dass er die 100€ Gebühr pro Anteil zahlen musste, obwohl er seine 10 Anteile auf einen Schlag gezeichnet/gekauft hat . Sprich 1000€ einfach „weg“. Das finde ich extrem schwierig, wenn nicht unseriös.

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