Euro 2012: Gr.B – Deutschland

Aus der Vorfreudeperspektive betrachtet, ergibt sich in Bezug auf die nun folgende EM stets ein und dasselbe Gefühl. Gar keins. Es ist nicht einmal so, dass mein Mantra immer wieder aufsagt „ diesem Land stehe ich ziemlich kritisch gegenüber, doch wenn die DFB-Auswahl spielt, entsteht bei mir dieses unerklärliche Gefühl, dass ich mich über den sportlichen Erfolg dieses Teams freue“. Nein, da ist gar nichts.

Nun gut – ich werde das Turnier schauen, keine Frage. Aber zum ersten Mal ist diese ungewohnte Distanziertheit zu derlei Turnieren da. Wat is los mit mir? Bin ich jetzt tatsächlich so gähnig erwachsen geworden? Oder ist es einfach nur deswegen so, dass jene hochklassigen Fußi-Begegnungen nicht viel mehr als die eigene Karikatur ihrer auf der Playse gespielten Matches sind? Fußball im internationalen Vergleich ist immer noch ein Faszinosum, keine Frage. Aber er hat nur noch so wenige dirtyeske Züge. Ob es nem Fan von, ich sach mal,  Herbert Grönemeyer genauso geht? Vor 30 Jahren in verrauchten Clubs gesehen, vor 20 Jahren die ersten dreckigen Stadiontourneen mit Schlamm an den Schuhen… und mit den Jahren geht man zwar immer noch gern hin, schließlich ist man schon immer dabei gewesen und will gar nicht mehr anders. Aber es wird von Konzert zu Konzert langweiliger und vorprogrammierter – und dann hat man auch noch nix besseres zu tun als diesen ganzen durchstrukturierten Stoff mit seinem Phone zu filmen und mit allen zu teilen, die es nicht wissen wollen. So, und um nun wieder den Dreh zu meinem eigentlichen Thema zu bekommen, stelle ich die These auf: die DFB-Elf und der ganze Ländervergleich auf fußballerischer Ebene ist eben auch ein bisschen wie Herbert Grönemeyers Live-Auftritte für den, der sich das schon immer reingezogen hat. Hingucken tut man immer und gewisse Emotionen sind nicht zu verbergen. Doch der Flash bleibt dann doch eher aus und man hofft auf irgendwelche Skandale außerhalb des Programms.

In diesem Zusammenhang ist es dann auch fast logisch, dass die deutsche Elf zur EM mit grünen Ausweichtrikots antritt. Da ist der crazy Verband doch glatt auf den Retro-Zug aufgesprungen und es hätte mich nicht gewundert, wenn er jedem Nationalspieler ne Kiste Bitburger für das Tragen von Minipli und Oberlippenbart spendieren würde. Grüne Trikots mit Adler auf der Brust erinnern mich an die Zeiten, als noch Stehplätze bei Länderspielen verkauft werden durften, jene Begegnungen in Stadien mit Laufbahn ohne Kurvenüberdachung stattfanden und Live-Spiele im ZDF vor Ausstrahlungsbeginn von Birgit Schrowange angekündigt wurden und die Vor- und Nachberichte aus der Mannschaftsaufstellung und fünf Sätzen Kommentatorensenf bestanden.

Herrlich… doch halt: jetzt bloß nicht davon blenden lassen. So ist es jetzt nicht mehr. Immer noch weiß jeder Fußballinteressierte zwar, wer von Beginn an spielt oder spielen könnte, welche Brisanz im Spiel ist, um was es geht – doch als die DFB-Elf in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren in grün spielte, musste man sich all diese Infos mittels ausgiebiger Zeitungsstudien selbst anlesen und auch mal zwischen die Zeilen schauen. Heute kriegt auch der letzte Depp jede auch noch so unwichtige Information lang und breit im Storyformat auf‘s Nutellabrot geschmiert. Fachwissen selbst im Gedächtnis behalten – warum soll man das noch machen, wenn jedes noch so unwichtige Medium jeden noch so unwichtigen Pup jedes noch so unwichtigen Fußballspielers bzw. jedes noch so unwichtigen Kicks breittritt? Erinnerte man sich seinerzeit noch einmal an den Elfmeter zum 1:0 von Andreas Brehme gegen Argentinien 1990, konnte man sich völlig unvoreingenommen überlegen, was der Typ vor dem Schuss gedacht hat – mit dem Ergebnis, dass klein Andy aus Barmbek wohl nicht viel mehr als ein „Ich mach ihn rein!“ durch die gelockte Birne schoss. Heutzutage werden Emotionen und Gedanken im Zeitlupenformat und mit Einspielern unterstützt bis zum Erbrechen vorgekaut oder wahlweise in pseudowitzigen Comedyformaten nach dem Spiel mit Schenkelklopfgarantie analysiert.

Bitte entschuldigt diese ständigen Abschweifer und dieses früher-war-so-einiges-besser-Geseier. Ich werde alt. Doch vielleicht krieg ich es ja noch hin, einen kurzen Ausblick darüber zu geben, wie die deutsche Elf bei der EM abschneiden wird, damit Ihr Euch nicht den ganzen Klumpatsch anschauen müsst. Die Spieler kennt ihr ja eh alle und somit beschränke ich mich auf die wirklich wichtigen Dinge.

Vorrunde:

Zum Auftakt wird es ein 1:1 gegen Portugal geben. Deutschland findet nur schwer ins Spiel, hat Cristiano Ronaldo zwar im Griff, fängt sich aber nach ner halben Stunde den Rückstand durch Nani. Nach 57 Minuten dann der Ausgleich durch Marco Reus und das Spiel plätschert darauf so vor sich hin, bis Cristiano Ronaldo kurz vor Schluss allein vor Neuer auftaucht, von ihm umgesenst wird, woraufhin Portugal Elfmeter und Neuer glatt rot bekommt. Kurz bevor die ARD die Reaktionen grobschlächtiger Perückenträger von der Hamburger Fanmeile auf den Platzverweis senden will, wird der Elfer ausgeführt und durch den eingewechselten Ron-Robert Zieler pariert. Kurz darauf Abpfiff und erste Interviews mit Zielers Familie.

Dann das Spiel gegen die Oranjes. Ron-Robert hat sich in vier Tagen gefühlt zum nächsten Volksheld nach Franz Beckenbauer gemausert und wird in der Pressekonferenz vor dem Spiel von einem Journalisten gefragt, ob Doppelnamen zu Unrecht aus der Mode gekommen sind. Bevor Zieler antworten kann, reißt Oliver Bierhoff das Mikro an sich und bittet darum, derlei wichtige Fragen bitte Karl-Heinz Rummenigge zu stellen. Das Spiel selbst endet mit einem nie gefährdeten 3:0 für die in grün spielenden Deutschen, was den vorzeitigen Einzug ins Viertelfinale bedeutet. Katrin Müller-Hohenstein kriegt vor lauter Freude ein Bussi von Olli Kahn aufgedrückt, was erste Affärengerüchte zur Folge hat.

Im letzten Spiel dann ein hart umkämpftes 2:1 gegen Dänemark, dass durch die Niederlage aus dem Turnier ausscheidet. Ron-Robert wieder einmal unschlagbar, der unberechtigte Elfer zum 1:1 zählt da nicht, zumal die Maschseekrake mal wieder die Ecke ahnte. Deutschland beendet die Vorrunde als Gruppenerster. Nach dem Abpfiff feiern die Spieler vor dem deutschen Block aka Fan-Club Nationalmannschaft. Thomas Müller tanzt mit einem auf‘s Feld geworfenen Bengalo in der Hand und wird aus dem Kader suspendiert. Die Bild-„Zeitung“ demonstriert einen Tag später im Rahmen einer Fotostory, wie heiß Bengalos werden können und verbrennt hierfür mit dem pyrotechnischen Gegenstand ein Trikot von Thomas Müller.

Viertelfinale:

Die DFB-Jungs müssen gegen Russland ran. Jene Mannschaft ist in der Gruppe A nur aufgrund des schlechteren Torverhältnisses auf Platz 2 hinter Polen gelandet. Deutschland tut sich schwer und es kommt zum Elfmeterschießen, welches natürlich von Deutschland gewonnen wird. Nach dem Sieg knutschen Kahn und Müller-Hohenstein schon wieder. Spätestens nach diesem Vorfall scheint sich keine Sau mehr für das Turnier an sich zu interessieren.

Halbfinale:

Nach 2006 kommt es nun wieder zu einem Halbfinale gegen Italien bei einem großen Turnier. In Warschau führt die DFB-Elf nach 30 Minuten mit 2:0 und bestimmt das Spiel nach Belieben. Doch Italien gleicht durch zwei Treffer von Balotelli aus und es geht wie schon in Dortmund in die Verlängerung. Und auch in diesem Spiel scheitert die deutsche Elf an der Squadra und verliert das Spiel durch einen Flachschuss von Andrea Pirlo, der Zieler durch die Hosenträger rutscht. 
Auf der Bühne der Fanmeile in München wird nach dem Spiel ein Stapel Bild-„Zeitungen“ von Thomas Müller mithilfe eines Bengalos verbrannt.
Die Ankunft der Mannschaft in Deutschland gerät zur Farce, nachdem eine Sitzblockade deutscher „Fan’s“ vor dem Mannschaftsbus durch die Polizei gewaltsam aufgelöst werden musste. Erst das Eingreifen von Joachim Löw inklusive symbolischem Shake-Hands und dem Versprechen über Megaphon, 2014 den Titel zu holen, entspannt die Lage.

Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn haben zu diesem Zeitpunkt schon längst ihre Zuneigung öffentlich gemacht. Solche Geschichten schreibt eben nur der Fußball. Oder so ähnlich. Ich freue mich auf die fußballose Zeit. Aber nur ganz heimlich. // tacs

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