Ein Punkt ist grundsätzlich zu wenig.
Puh, ich muss ehrlich gestehen, die Interviews und die eigenen Lobeshymnen sind mittlerweile unerträglich. Zumindest für mich. Da stellen sich unsere Offiziellen nach dem Spiel hin und verkaufen das Spiel gegen Wolfsburg als Punktgewinn und suggerieren Zufriedenheit.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass man erneut keinerlei Chancenverwertung vorweisen kann, um es genauer zu sagen: Die Chancenverwertung und die Spielweise vor dem Tor ist teils kläglich. Zur Wahrheit gehört ebenfalls, dass wir gegen ein Wolfsburg gespielt haben, welches völlig aus der Form ist und bei denen der Trainerposten nach einer erneuten Niederlage sicherlich schwer gewackelt hätte. Und zur Wahrheit gehört dazu, dass unser Kader keinerlei adäquate Tiefe besitzt, sondern nur eine Breite. Die Wahrheit ist: Das war nun bestimmt das dritte Spiel, in dem wir die klar bessere Mannschaft waren und uns nicht mit einem Sieg belohnt haben. Wie soll man so den Abstand auf Platz 15 jemals verringern, egalisieren etc. Jeder Hamster, der unsere Sammeltaktik im Herbst an den Tag legt, hat ein Problem am Ende des Winters.
Zwar haben wir Kiel und Bochum immer noch tabellarisch hinter uns, allerdings müssten wir bereits acht Punkte von denen weg sein. Lasst uns das Spiel gegen Bochum und Kiel nicht gewinnen – wenn es doof läuft verlieren – und dann ist sogar die Relegation weg. Wenn wir wieder mit der Einstellung in das nächste Auswärtsspiel und gegen einen aktuellen Konkurrenten im Abstiegskampf spielen, dann darf man sich wirklich nicht wundern. Mir fehlt da die Realität, der Fokus. Ja, andere Sachen sind wichtig, aber ob nun Genossenschaft oder Oke, der der Einladung des Fanmagazin der Fußballdeppen Doppelpass nachkam – mir ist das zu viel Konfetti und zu wenig Acker. Es muss auch mal medial Schluss sein mit “Der Weg in die Bundesliga” – auch ihr vom Verein: hört endlich auf euch zu feiern. “Wir haben zwar aus Dortmund keine Punkte mitgebracht, allerdings tolle Bilder im Vlog”. Im was!? Im TOR muss es heißen, der Rest interessiert mich nicht mit “im wo auch immer”. Im Tor ist das Ding nämlich zu wenig, viel zu wenig (zwei Tore gegen Leipzig in der zweiten DFB-Pokal-Runde haben uns leider auch nicht geholfen).
Oke sagte neulich: “Wir sind St. Pauli, wir sind unbequem und wollen den Finger auch mal in die Wunde legen” (so ungefähr). Okay Oke, legen wir den Finger mal in die Wunde. Nach dem im vergangenen Frühjahr alle Plätze unter Wasser standen und die Mannschaft kurzfristig auf die Insel flog, konnte man irgendwie noch damit leben. Allerdings: Wie viele Punkte haben wir eigentlich geholt, wenn wir zum Auswärtsspiel fliegen? Ist natürlich bequem. Und wenn das Geschrei nicht zu groß ist, kann man es immer erneut mit der terminlichen Abfolge im Spielkalender erklären. Aber wo genau war da nun der Nutzen in der Vergangenheit?
Kommen wir zum Auswärtsspiel am Samstag um 15:30 Uhr in Sinsheim bei der TSG. Ich werde erneut die Auswärtsreise antreten und habe mir im Vorfeld Karten auf der Gegengerade organisiert, da es das erste Spiel mit Sohnemann werden soll. Der immer noch enttäuscht ist, dass das Spieltags-Bingo der DFL in Dortmund erneut ein Freitagsspiel ergab. Kannst ja schlecht mit deinem fünfjährigen Sohn um 22:45 Uhr ein Stadion verlassen und die Nacht durchmachen bis der erste Zug fährt. Also nun Hoffenheim. Die Diskussion, für wen wir denn sind ,wurde übrigens beantwortet mit: “Ich bin für alle Mannschaften!”. Das hat Zukunft, ich sehe das schon. Wir müssen nur noch diesen Kindergartenseuchen entkommen, denn zwischen dem Mix von Durchfall, Husten, Schnupfen und Läusen scheint es, als würde das Kind diese interessanten Dinge sehnsüchtig erwarten.
Zurück zum Spiel. Ich bin ein wenig froh, dass Hoffenheim das Auswärtsspiel in Heidenheim nicht verloren hat. Denn auch dort hätte Trainer Matarazzo um seinen Job bangen müssen. Und was Trainerwechsel so bewirken können, dürft ihr euren Schalke-Fan des Vertrauens mal fragen, die am Wochenende auf Fürth trafen, die sich kurz vorher von Trainer Zorniger trennten.
Hoffenheim, tabellarisch aktuell genau ein Platz besser als wir, spielt eine sehr ausufernde Runde – in die negative Richtung. Und so ist man gerade mal drei Punkte besser als der FCSP. Und dies mit einer Mannschaft, die bei einem guten Lauf sicherlich Ambitionen auf einen einstelligen Tabellenplatz hat. Gerade im offensiven Bereich ist die TSG weiterhin gut bis sehr gut aufgestellt. Kramarić, Berisha und auch der neu verpflichtete Hložek lesen sich auf den ersten Blick ganz gut. Allerdings, Topscorer mit vier Toren und zwei Vorlagen ist der ehemalige Schalker Flügelspieler Bülter. In den letzten drei Bundesligaspielen hat die TSG auch nicht mehr verloren. Nach dem wilden 3:4 im Heimspiel gegen Bremen – nach 3:0 Führung übrigens – folgte ein 1:1 gegen den VFB aus Stuttgart, ein Heimsieg 3:1 gegen Bochum (Grüße gehen raus an Lukas Daschner) und einem torlosen Unentschieden in Heidenheim.
International verlor man allerdings chancenlos in Porto. Was auffällt bei der TSG: Für ein Gegentor sind sie immer gut. Und das sollte unsere Chance sein. Wir schaffen es in der Regel offensive Teams ganz gut im Zaum zu halten. Wenn es uns gelingt ein erneutes Spiel mit 0 bis 1 Gegentor über die Bühne zu bringen, dann sehe ich eine ernsthafte Siegeschance. Hoffenheim kassierte zu Hause bereits zehn Treffer, also mehr als wir in allen Spielen addiert. Wer sich auf ein Wiedersehen mit unserem ehemaligen Spieler Finn Ole Becker gefreut hat, der wird enttäuscht sein: Finn laboriert weiterhin an einem Meniskusschaden und fällt auf unbestimmte Zeit aus. Übrigens, wie schnell die Zeit vergeht: Finn ist mittlerweile 24 Jahre alt, es kommt mir wie gestern vor, dass ich mir im Übersteiger eine Verlängerung seines Vertrages zu Weihnachten wünschte.
Was ich noch loswerden wollte: Der Kartenverkauf über die TSG ist ein Witz. Ich bin mir nicht sicher ob alle, aber zumindest musste man meine Karten personalisieren lassen. Ein Kauf als Gast, ohne Anmeldung, war nicht möglich. Es muss ein Konto bei der TSG erstellt werden, damit auch neben dem Geld meine Daten gesammelt werden. Ein Versand der Tickets per Mail? Pustekuchen, geht nur über den erneuten Besuch des Ticketshops, um dort die Karten herunterzuladen. Daten sind ja bekanntlich das Öl der Neuzeit.
Die Umgebung Sinsheim: Kraichgau wird auch das Toskana Deutschlands genannt, ich würde das so nun nicht unterschreiben. Allerdings kann ich die Bade- und Thermenwelt in Sinsheim empfehlen – wenn ihr also länger bleibt, der Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Ansonsten gibt es ein paar Burgen und natürlich das Technikmuseum, das in letzter Zeit des Öfteren den Weg in die Medien schaffte, nach dem ein ausgemustertes U-Boot den Weg aus dem Norden in den Süden antrat.
Mein Tipp: 1:2 – und mein Sohn hält es genau zehn Minuten auf dem Platz aus, findet es dann langweilig und will nach Hause. //Carsten