Euro 2012: Gr.C – Kroatien

Das Denkmal am Stadion

Ortstermin in Zagreb: Wir schlendern rund um das Maksimir Stadtion http://de.wikipedia.org/wiki/Stadion_Maksimir in der Nähe des Zoos östlich der Innenstadt, der Heimstadt des NK Dinamo Zagreb, dem Dauermeister des noch jungen Landes Kroatien.

Beim Rundgang stoßen wir auf ein mannshohes Denkmal, das gefallenen Soldaten gewidmet ist. „Allen Fans von Dinamo, für die der Krieg am 13.V.1990 im Maksimir-Stadion begonnen hat und mit der Hingabe ihres Lebens am Altar der Heimat Kroatien endete BBB, Zagreb, 13.V.1994“ steht auf ihm (natürlich auf kroatisch, nicht auf deutsch).

Die Fans, für die nichts normaler und ehrenhafter ist als nach der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens und Sloweniens 1991 die Waffe zu ergreifen und für die nationale Sache der Kroaten zu töten, das sind die Bad Blue Boys.  Sie waren unter den ersten Freiwilligen, die sich für die „Verteidigung“ ihres Landes und Volkes meldeten und sie zogen mit Vereinssymbolen an der Uniform an die Front.

Ein bisschen Geschichte
1986 hatte sich der Fanclub gegründet, der sich extrem auf die nationale Identität Kroatiens beruft– anders als damals etwa die Fans von Hajduk Split, die eher Bezüge zum kommunistischen Widerstands gegen die NS-Herrschaft herstellten. Die Bad Boys Blue gerierten sich als Rebellen von rechts, prügelten sich mit Vorliebe mit der vor allem aus Serben rekrutierten Polizei und provozierten das kommunistische Regime mit dem Zeigen des kroatischen Nationalwappens, der Šahovnica.

„National motivierte Ausschreitungen wurden zum Ritual. Mit der Nationalisierung trieben die BBB eine Tendenz in der kroatischen Gesellschaft voran und waren keineswegs nur Instrument einiger Politiker oder Dissidenten“, schreibt Nadine Freiermuth.

Und weiter:
„In einem System, in dem jeglicher nicht-jugoslawischer Nationalstolz jahrelang unterbunden worden war, konnte man sich nun auf der Tribüne lautstark zum Kroatentum bekennen. Die BBB wurden geradezu zu der Jugendbewegung schlechthin in Zagreb. Ähnliche Entwicklungen fanden auch in Serbien statt, und bald bedienten sich beide Seiten historischer Konstrukte, um die gegenseitige Feindschaft auszudrücken, insbesondere die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und die NS-Zeit. Die BBB übernahmen Symbole der Ustaša, serbische Fan-Clubs solche der Četnici.“

Im Stadion
Wer die Bad Blue Boys im Stadion sieht, staunt angetan über die Bengalo-Wände, ist aber froh, dass man nicht versteht, was die Gebrüder da eigentlich rufen oder auf ihren runenbeschrifteten Bannern so stehen haben.

Ansonsten herrscht in den Stadien oftmals gähnende Leere, und zwar nicht nur, weil das gastronomische Angebot wie in vielen anderen osteuropäischen Ländern nur aus Sonnenblumenkernen besteht und Bier nur im Kiosk vor dem Stadion zu haben ist.

Ist es da nicht toll, dass wenigstens die Bad Blue Boys für Leben sorgen? Leider nicht. Bezeichnend dafür, wie tolerant und umgänglich die Bad Blue Boys sind, war die Beobachtung, dass die White Angels, die Fans von NK Zagreb (deren Derby gegen Dinamo wir besuchten – was der kleine Rivale herrlicherweise auch noch 1:0 gewann) ihr Trikots, Schals etc… beim Verlassen des Stadions auszogen und unter den Jacken versteckten. Wer das in Zagreb besichtigt, weiß, was eines der Probleme im kraotischen Fußball ist.

Nun aber mal endlich zur Nationalmannschaft

Das Kroatien bei dieser Europameisterschaft in Gruppe C antritt, passt also einfach perfekt – lässt sich doch auch ein Großteil des Anhangs der Nationalmannschaft auch unter der Kategorie C einordnen. Die Bad Boys Blue prägen mit ihrer schieren Zahl die Fußball-Landschaft des Adrialandes und die Fanszene rund um die Nationalmannschaft ebenso dominant wie NK Dinamo Jahr für Jahr die Liga beherrscht und werden sicher einiges zu tun haben, um sich durch die EM-Spielorte zu prügeln.

Die Stärke des Teams
Dinamo wird jedes Jahr ziemlich konkurrenzlos Meister und bringt im internationalen Parkett wenig zustande, da das Team in der Liga keine ebenbürtigen Sparringspartner hat, die einen fordern. Die Nationalmannschaft hat dieses Problem nicht. Der Platz 3 bei der WM 1998 ist der größte sportliche Erfolg des Teams. Doch regelmäßig schaffen es die Kroaten, unterschätzt zu werden und mit einer extrem disziplinierten Spielweise und einer mannschaftlichen Geschlossenheit, die bei einer vor allem aus Profis aus dem Ausland bestehenden Mannschaft überrascht, oft Ländern mit klangvolleren Namen in die Suppe zu spucken. Bei drei EM-Teilnahmen bisher sprangen immerhin zwei Viertelfinal-Teilnahmen heraus.

Aktuelle Krise
Zur WM 2010 qualifizierten sich die Kroaten dagegen nicht. Und auch die Qualifikation zur EM 2012 verlief holperig. In einer aus Griechenland Lettland, Malta und Israel bestehenden Gruppe wurde man nur Zweiter. Stark immerhin das 3:0 in der Türkei im Qualifikationsspiel, das den Kroaten das Ticket für den Wettbewerb sicherte.

Der Kader
Auf das Tore schießen scheint der Kroate an sich auch bei dieser EM-Teilnahme wenig Wert zu legen, weder Mladen Petric  vom HSV noch Ivan Klasnic (zuletzt Bolton Wanderers, davor u. A. bei Werder Bremen, FC St. Pauli und SC Union 03 Hamburg) schafften es in den Kader. Ivo Illevic von den Rothosen hat es dagegen ebenso in den Kader geschafft wie Ivica Olic vom Vizemeister, Vizepokalsieger und Vize-Champions League-Sieger Bayern. (Anm. d. Korr.: Seine Verletzung erfolgte erst nach Abgabe des Artikels, Gute Besserung!.)
Immerhin: Auch Mario Mandzukic (VfL Wolfsburg) wird für die Rotweißen stürmen.

Auch die Abwehr des vom Ex-KSC- Profi Slaven Bilic trainierten Nationalteams beeindruckt auf dem Papier nicht, muss sie doch in irgendeiner Form kompensieren, dass auch Danijel Prancic von den Bayern und der Ex-Bundesligaprofi Josip Simunic (Hertha BSC, 1899 Hoffenheim)  im Kader sind.
Lichtblick: Vedran Corluka (von Tottenham Hotspurs zuletzt an Bayer Leverkusen ausgeliehen)

Das Mittelfeld ist dagegen mit Spielmacher Luka Modric von Niko Kranjar (beide Tottenham Hotspurs) und Dario Srna (Schachtar Donezk) erstklassig besetzt. Vielleicht darf sogar Ivan Perisic (Borussia Dortmund) mal mitspielen.

Der Hoffnungsschimmer
Immerhin haben die Kroaten im Gegensatz zu den Deutschen und vielen anderen qualifizierten Teams ihr letztes Testspiel erfolgreich gestaltet. 3:1 schickte man Estland nach Hause. http://www.kicker.de/news/fussball/em/teams/569620/artikel_corluka-leitet-den-sieg-ein.html

Die Chancen
Trotzdem: Dass sich dieses Team gegen Irland, vor allem aber Italien und Spanien durchsetzt und die Gruppenphase übersteht, ist extrem unwahrscheinlich. Was immerhin den Vorteil hat, dass die Bad Boys Blue mit relativ wenigen Reiseterminen ihre hooliganesken Verpflichtungen während der EM abreißen können.
//  Gastartikel von Lars Reppesgaard (Twitter Account)

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