Wirtschaftliche Lage der 2.Liga vor der Saison 2013/2014

Oben angekommen

Die 2. Fußballliga ist eine Drei-Klassen-Gesellschaft, die an wirtschaftliche Grenzen stößt und den Anschluss an die Bundesliga zu verlieren droht –
FC St. Pauli verliert auch beim Hauptsponsor

                         Von Hermannus Pfeiffer

 Für unseren FC St. Pauli gibt es drei Gründe, um wieder aufzusteigen: Geld, Geld, Geld! Auch in dieser Spielzeit stellt sich die ökonomische Lage der Liga nämlich als heikel dar: Die 2. Fußballbundesliga ist eine Drei-Klassen-Gesellschaft, die an wirtschaftliche Grenzen stößt und die den Anschluss an die Bundesliga zu verlieren droht.

 Die letztjährigen Aufsteiger Fortuna Düsseldorf und Greuther Fürth stiegen im Mai prompt aus Bundesliga eins wieder ab; der 1. FC Kaiserslautern wirkte in den Relegationsspielen gegen den Drittletzten der höchsten Spielklasse, den Milliardärsklub Hoffenheim, überfordert; und dem finanzschwachen Traditionsverein MSV Duisburg wurde vor der laufenden Saison vom Ligaverband DFL die Lizenz verweigert. Wenigstens wirtschaftlich spielt die lange von ihren Akteuren als Erfolgsmodell gefeierte 2. Liga eine aufregende Saison ‑ Dies erwartet unsere diesjährige Expertenrunde, die vom Übersteiger in Zusammenarbeit mit der “Tageszeitung” in Berlin befragt wurde.

 Bis kurz vor dem ersten Anpfiff fehlte fast jedem dritten Klub noch der maßgebliche Hauptsponsor, darunter fanden sich selbst Dickschiffe wie 1860 München und FC St. Pauli. Auch wenn beim Erscheinen dieser Ausgabe wohl das letzten Trikot beflockt sein dürfte, der Boom der 2000er Jahre scheint auszulaufen: “Die ganz große Welle nach oben ebbt ab – wir sind oben auf dem Plateau“, sagt Professor Dirk Mazurkiewicz. “Das hat man letztes Jahr schon gesehen, und ich glaube, in diesem Jahr wird das noch offensichtlicher werden.

 Der Sportmanagementwissenschaftler an der Hochschule Koblenz denkt besonders an den Verkauf von Dauerkarten und Tickets: In der vergangenen Saison 2012/13 gingen die Zuschauerzahlen zurück. Selbst bei Publikumsvereinen, denen Eintrittskarten lange aus den Händen gerissen wurden, laufe es “schleppend” und sie müssten sich erstmals aktiv um Kundschaft bemühen. Das sehe man in der 2. Liga schon mehr als in der 1. Liga, so Mazurkiewicz, betreffe aber den ganzen Profifußball bis runter zur 3. Liga.

 Ebenfalls beim Verkauf von Fanartikeln und aktiven Werbebanden scheint man oben angekommen zu sein. Die Gewinne aus VIP-Logen – lange galten sie als finanzielle Hoffnungsträger in den neuen Stadien – gehen weiter tendenziell zurück, weil der Fiskus Steuervergünstigungen für Manager und Unternehmen gestrichen hat. Die neuen Stadien und der Fußball-Boom nach der WM 2006 hatten auch der 2. Liga eine Extraportion Wachstum beschert. “Doch das Potenzial ist weitgehend ausgereizt“, warnt Professor Henning Vöpel vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI), “das Wachstum wird sich vermutlich deutlich verlangsamen.

 Generell sei “die Vermarktung schwieriger geworden“, stimmt Henning Eberhardt zu. Eberhardt ist Zweitligafachmann bei “Sponsors”, dem nach Firmenangaben führenden Informationsanbieter im Sportbusiness aus Hamburg. Der Grund sei einfach: “Der Topf ist auch für das Sportsponsoring in der Krise  kleiner geworden, die Zahl der Vereine aber gleich geblieben.” Fazit: “Die Zeit des Millionensponsorings ist – abseits der Top-Klubs und -Events – vorbei.

 Unterdessen lebt schon jeder zweite Zweitligist über seine Verhältnisse und schreibt rote Zahlen. Doch zunächst bewegt sich die Liga noch auf hohem Niveau – Ihr erwarteter Saisonumsatz von etwa 400 Millionen Euro entspricht der Summe aller drei Profiligen im Handball, Eishockey und Basketball.

 So sind auch optimistische Stimmen zu vernehmen. Jan Kremer, in München ansässiger Experte der “Sport Business Gruppe” des internationalen Prüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte, sieht im Gegensatz zu Mazurkiewicz und Vöpel weiterhin Potential nach oben: “Das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht.” Kremer sieht nicht allein bei den TV-Geldern, sondern auch bei Ticketing und Reklame weitere Steigerungsmöglichkeiten. Selbst Klubs, die längere Zeit in der 2. Liga verharrten, “können mit einem cleveren Management Euphorie entfachen“.

             Drei-Klassen-Gesellschaft

 Derweil scheint sich auch in Liga zwei eine Drei-Klassen-Gesellschaft zu verfestigen: Für die Saison 2011/12 ermittelte die Deutsche Fußball Liga (DFL) für das obere Drittel mit über 11 Millionen Euro einen mehr als doppelt so hohen Lizenzspieleretat als für das untere Drittel mit durchschnittlich 5 Millionen Euro. Der Lizenzspieleretat ist sportlich maßgeblich und darf nicht mit dem deutlich höheren Vereinsetat verwechselt werden, in dem auch die Ausgaben für Stadionmiete, Kreditkosten, Verwaltung, Breitensport, andere Sportarten etc. enthalten sind. Dagegen steht der Lizenzspieleretat, in dem lediglich die Personalkosten für den Spielbetrieb in Liga zwei aufgeführt werden, sprich: Was Trainer und Spieler ihrem Verein kosten. St. Pauli gibt hier trotz Anfrage des “Übersteigers” keine Zahlen bekannt, dürfte aber in dieser Saison knapp unter 10 Millionen Euro liegen. Oberes Mittelfeld also. St.Pauli-Finanz-Vorstand Tjark Woydt sprach gegenüber dem “Hamburger Abendblatt” sogar nur von “sagen wir mal” 8 Millionen Euro.

 Aktuelle Zahlen von “Sponsors” bestätigen den Trend zur Drei-Klassen-Gesellschaft am Beispiel des Hauptsponsors. Die “da unten” können mit der Trikotwerbung kaum mehr als 250.000 erlösen und spielen gegen den Abstieg (Sandhausen, Aue, Aalen). Der Mittelbau erzielt immerhin etwa 500.000 – 800.000 Euro (Bochum, Dynamo, FSV, Cottbus) und die da oben erlösen 1 Million Euro plus deutlichem X und können vom Aufstieg träumen (Köln, Düsseldorf, Lautern, Ingolstadt, 1860 München, bislang St. Pauli).

 “Tatsächlich profitieren die Absteiger aus der 1. Liga auch in der 2. Liga noch von ihrer Bundesligazugehörigkeit“, merkt HWWI-Ökonom Vöpel an. Der Grund sind die Fernsehgelder, die im Durchschnitt mehrerer Saisons ausgeschüttet werden. Davon hatte bis zur vergangenen Spielzeit auch der FC St. Pauli noch erheblich profitiert. Einige andere Zweitligavereine wie Köln hätten “ein starkes regionales Umfeld“, von dem sie exklusiv profitierten. In Hamburg ist dies eher der HSV. Dann komme “ein relativ breites Mittelfeld“. Und schließlich die “Fahrstuhlmannschaften” zwischen zweiter und dritter Liga, die sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befinden – zwischen Existenzbedrohung in der 3. Liga und finanziell riskanten Ambitionen, um sich in der 2. Liga zu etablieren.

 Dennoch zeigte die zurückliegende Spielzeit, dass Geld allein doch keine Tore schießt. Dickschiff St. Pauli wäre fast untergegangen, während die Mittelklasseklubs FSV Frankfurt als Vierter und Vizemeister Eintracht Braunschweig als Aufsteiger deutlich über ihrem wirtschaftlichen Niveau abschnitten. Eine Klasse für sich, die auf weitgehende Kontinuität in Vereinsführung und sportlicher Leitung und ein solides Maß an Bescheidenheit an der Vereinsspitze beruht. Beispielhaft für diejenigen, die dem Geld sportlich ein Schnippchen schlagen wollen.  

             Anschluss an Bundesliga verloren

 Für die ökonomische Lage der einzelnen Vereine in dieser Saison können auch Sonderfaktoren eine wichtige Rolle spielen. So beklagt Dynamo Dresden trotz des großzügigen Entgegenkommens der Stadt zu hohe Mietkosten für das städtische Stadion. Die Rede ist von 2,5 Millionen Euro – angesichts eines Sportetats von etwa 5 Millionen ein dicker Batzen. Allerdings dürften Tilgung und Zinsen, die unser FC für das eigene Stadion aufbringt, noch deutlich darüber liegen.

 Was St. Pauli nie gelang, schaffte Ligakonkurrent VfL Bochum: Der Abschied eines Talents füllte die Kasse. Schalke 04 soll bereits 3 Millionen Euro für den Nachwuchsspieler Leon Goretzka überwiesen haben.

 Die großen Unbekannten sind für den Koblenzer Fußballexperten Mazurkiewicz die süddeutschen Klubs. Dort in den reichsten Bundesländern herrsche ein “mäzenatenhaftes Umfeld“, in dem  immer mal der eine oder andere Spieler plötzlich auftauche, wo man denke, der koste richtig Kohle. Stichwort Ingolstadt. Die Transferperiode dauert übrigens noch bis Anfang September. “Die Hopps dieser Welt“, davon gebe es in der Republik mehr als genug in allen Profiligen, “verzerren so das Marktergebnis“, beklagt Mazurkiewicz. Mäzene wie SAP-Gründer Dietmar Hopp gäben in die Klubs rein, was diese nicht von selber erwirtschaften könnten. Eine wirtschaftliberale Kritik, die Fußballromantiker aus ihrem Blickwinkel teilen dürften.

 In der Bundesliga müssen sich Aufsteiger dann allerdings gewaltig strecken. “Die Durchlässigkeit ist formal durch Auf- und Abstieg gewährleistet. Jedoch scheint es in den letzten Jahren schwieriger geworden zu sein, sich nach dem Aufstieg in die Bundesliga wirklich nachhaltig nach oben zu kämpfen“, hat der Hamburger Professor Vöpel beobachtet. Viele Mannschaften fielen nach anfänglichen Erfolgen wieder zurück, weil sie einen Ausverkauf ihrer Spieler erlebten. Auch Deloitte-Berater Kremer hat festgestellt, “dass sich die Kluft zur 1. Liga hin vergrößert hat“. Nicht allein beim Umsatz, auch bei der Profitabilität. Der wenig erfreuliche Ausblick: “Der Abstand wird sich wahrscheinlich noch vergrößern.

             Sankt Pauli: “Platz an der Sonne” verloren

 Ein Grund ist paradoxerweise die Steigerung des größten Einnahmepostens: Die Fernsehgelder werden in der aktuellen Spielzeit deutlich zulegen, aber dadurch wird auch der Abstand zur Bundesliga in Cent und Euro weiter wachsen. Nach Angaben des Ligaverbandes DFL verschob sich die Verteilung der Einnahmen zwischen Bundesliga und 2. Liga mit Anteilen von 84:16 seit Jahren kaum. Doch in absoluten Zahlen reißt der “kleine” Unterschied beim Gesamtumsatz eine Kluft von über 1,5 Milliarden Euro auf! Fazit des Fußballökonomen Vöpel: “Ein ´Durchmarsch´ wie einst von Kaiserslautern ist wohl undenkbar geworden.” Lautern stieg 1997 mit dem Trainer Otto Rehhagel auf und gewann in der folgenden Saison die Deutsche Meisterschaft.

 Selbst wenn an diesem Spieltag nun alle Trikots mit einer Werbebotschaft beflockt sind: Die schwierige Sponsorensuche mehrerer Klubs ging auf Kosten des Preises und, so die Fachleute, “führt zu erheblichen Einbußen“. Das gilt auch für den FC St.Pauli. Man tat sich, so ein Kenner, “sehr, sehr schwer” und musste “händeringend suchen“.

 Sankt Paulis bisheriger Werbepartner Fernsehlotterie soll üppige 1,6 Millionen Euro pro Saison gezahlt haben. Der “Platz an der Sonne” wurde aber aufgrund eines veränderten Glücksspielmarktes frei. 1,6 Millionen waren nicht mehr zu kriegen, wegen “der ganz anderen sportlichen Situation des Vereins” – Sankt Pauli wandele nun nicht mehr zwischen 1. und 2. Liga, sondern drohe schnell mal ins Abseits der 3. Liga abzurutschen.

 Die Zucker-Koffein-Brause von Coca-Cola, deren Markenschriftzug nun auf unserer Hemdbrust klebt, dürfte denn auch weniger als eine Million Euro ins Vereinssäckel spülen. (Anm. d. Korr.: Im aktuellen Heft spricht Stefan Orth allerdings davon, dass die Vorjahressumme “nicht ganz” erreicht wurde. Die Lücke ist also evtl. doch kleiner als hier angenommen.) Und statt des vom Klub gewünschten Drei-Jahres-Vertrags hat sich der US-Konzern nur für eine Saison festgelegt. In dieser Problemzone könnte also die Vereinsführung schon im kommenden Jahr für einen Aufstieg sorgen. // Hermannus Pfeiffer

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text sollte eigentlich in unserer heute erscheinenden Ausgabe 112 erscheinen. Durch “Störungen im Betriebsablauf“, wie es die Bahn formulieren würde, hat sich dort leider der Artikel von Hermannus aus dem Vorjahr eingeschlichen. Ein dickes Sorry an Hermannus und die Leser, shame on us.

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