Carsten war away in K’lautern und dies ist sein Bericht
Da war er wieder, dieser Wecker, der in ekelhafter Frühe deinen Schlaf beendet. “Kräh Kräh bumm bumm kräh kräh”. Ein murmelndes “** dich Wecker” kommt über die Lippen. “Verdammt, Kind schläft neben mir, hoffentlich hat es die Wortwahl nicht vernommen…. Auswärtssieg!!”. Gerade hatte man sich halbwegs sturmfrei aus dem Bett gequält, hämmerte direkt der ersten Ohrwurm durch das noch halb schlafende Gehirn.
Passend im Rhythmus des Ohrwurms prasselte der Regen auf das Wellblech des Vordachs. Offenbar weinte der Himmel in Sturzbächen ob der Abwehrleistung des FC Schalke des Vorabends. “Okay, Schirm oder nicht Schirm…”. Beim Verlassen der Haustür zeigte sich das Wetter gnädig und wog einen in Sicherheit. So lange bis ans Ende der Straße, natürlich ohne Schirm (was einem ab einem gewissen Alter ja nie einfallen würde, aber irgendwie muss man ja zum Fußball die Jugendlichkeit behalten), wo dem oder der Wettergöttin einfiel, dass es bei Schalke ja auch eine Nachspielzeit gab. Revue passierend schüttete es demnach nochmals aus allen Regalen. Der lila farbenfrohe Hoody eines dänischen Sportartikelherstellers nahm bereits nach 15 Minuten die Geruchsnote von 3 Tagen Camping in Wacken oder des im Bach gebadeten Nachbarhundes an. Apollo so heißt dieser, ein knapp 1,50 m in die Höhe ragendes Kalb mit gefühlt 45 kg Wollpelz ummantelt.
Nach eintreffen der charmanten Reisebegleitung und neuen FFFUF des Übersteigers (FachFrauFürUmweltFragen) klappte die Zugfahrt aber einwandfrei. Kurz wurde beim Aufenthalt am Frankfurter Flughafen überlegt, ob man das letzte Kleingeld lieber für ein Ticket nach Venedig verprasst, schließlich steht am Ende der Saison sowohl Kaiserslautern als auch der Stadt an der Adria das Wasser bis zum Hals. Wir entschieden uns für die pfälzische Kleinstadt und so ging es über Mannheim, wo sich der ordentliche Pulk der Fanladenfahrenden dazu gesellte, nach Lautern. Es war zwar eng, ehrlicherweise zu eng und diese elende Platzangst machte sich im Kopf breit, aber man muss schon sagen, dass es wirklich gesittet war und man auf stumpfe Pöbelein gegen die mitfahrende Polizei (die auch echt entspannt wirkte und ggf. mit ruhigen, aber bestimmten Ansagen eine völlige Enge im Zug verhinderte) verzichtete und “normale” Passagiere gut an Zwischenstationen aus dem Zug ließ.
Da wir ein wenig inkognito reisten, konnten wir den Bahnhof in Lautern unerkannt an der Hinterseite verlassen, wirklich ein Vorteil, denn mit einem Blindenstock im Pulk poliert man mehr Leuten die Ferse, als das man vorwärtskommt.
Übrigens, beim Schreiben dieser Zeilen zeigt sich der Himmel erneut erschüttert über die Abwehrleistung des Revierklubs aus Gelsenkirchen.
Wie auch immer: Der Einlass entpuppte sich als relativ stressfrei, da wir vor der großen Fanmasse die Drehkreuze erreichten. Kannst mir sagen was du willst, aber wenn an so einem Drehkreuz jemand Panik bekommt, dann geht es weder nach vorne noch nach hinten. Ich hasse diese Dinger einfach. Der mir anvertraute Ordner tat in einer fairen Arbeitsmoral seinen Job und man wünschte sich noch einen schicken Tag und logischerweise das richtige Ergebnis. Da wir mehr oder minder die erstem im Stadion waren, gab es weder Gedränge am Bierstand, noch an den Klos oder sonst wo. Wir chillten ein wenig in der Sonne auf dem Vorplatz, tranken ein isotonisches Kaltgetränk welches nicht unbedingt nach Wiederholung schmeckte und trafen noch eine weitere angereiste Redakteurin unseres old but gold Heftes.
Ich habe ja jahrelang einen ordentlichen Brass auf die Region geschoben, aber ich muss heute wirklich mal anerkennen, dass zumindest in der Zeit wo wir uns im Stadion aufhielten und Kontakt zu Ordnen etc. hatten, eine wirklich respektvolle und nette Stimmung herrschte. Jeder grüßte nett und hatte ggf. einen guten Tipp oder ein nettes “Hallo” auf den Lippen. Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, denn ich verstehe die manchmal einfach nicht. Ich hielt es dann wie damals auf dem Abiball: einfach nett grinsen und winken, auch wenn man nichts verstanden hat.
Die Plätze im Stadion hatten wir relativ weit oben im Sitzplatzblock, erst den Berg besteigen, dann unzählige Treppen bis unter das Dach, kein Getränkestand in den oberen Reihen, man stellte uns also auf eine sportliche Probe und zeigte die mittlerweile eigenen Defizite im Bereich der körperlichen Kondition gnadenlos auf.
Der Stehplatzblock hatte einige Fahnen dabei, Kaiserslautern eine Choreo zum 25. Jubiläum der Aufstiegsmeisterschaft vorbereitet. Ich nehme es vorweg, dieses Jahr wird die Region den ersten Schritt zur nächsten Meisterschaft nicht antreten. Da hilft auch kein “In Lautern musste erstmal gewinnen”. Kaiserslautern wird dieses Jahr maximal Mittelfeld, wenn nicht sogar in der unteren Region anzufinden sein.
Die Stimmung in unserem Block passte auf jeden Fall, zwar war unser Sitzplatzblock eher still, aber von den Stehplätzen schwappte immer der entsprechend Roar durch die Schüssel am Betzenberg. Natürlich kam der Wind von vorne und presste den Support unter das Dach und damit zu uns, aber ich hatte schon das Gefühl, dass viele Leute viel Bock hatten. Was auffällig ist, wenn Kaiserslautern Druck machte, was nicht oft vorkam, dann kann das Stadion der roten Teufel seinem alten Ruf gerecht werden. Da kann schon echt einiges gehen, wenn alle entsprechend mitziehen. War teilweise wirklich extrem laut.
Kommen wir zum spielerischen. Freunde von mir sagen manchmal, ich bin nur Sankt Pauli Fan geworden, weil ich deren Gekicke als Blinder Mensch eh kaum bis gar nicht sehe. Das mag sicherlich sein, und auch gestern habe ich alle Tore verpasst, da mein letzter Fokus irgendwo war, nur nicht beim Ball. Aber was ich sagen kann, wir hatten schon lange nicht mehr so einen unaufgeregten Spielaufbau, wir spielen reifen Fußball, abwartend und kontrolliert und vorne dann immer mit entsprechender Gefahr. Ich hatte eigentlich während der Partie nie das Gefühl, dass uns Kaiserslautern fordern kann, auch nach dem Gegentor nicht. Und so bleibt, aus meiner Sicht, ein völlig verdienter Sieg in der Pfalz und die ersten 3 Punkte. Wie gesagt, ich traue Kaiserslautern diese Saison nicht wirklich viel zu, auch ist Herr Schuster für mich mit der erste Kandidat, der während der Saison seinen Hut wird nehmen müssen. Warten wir es also ab.
Zurück ging es dann entsprechend gefühlt 1000 Treppen hinunter gen Bahnhof. Und zu meiner völligen Überraschung hielt doch ein ICE in Kaiserslautern und man musste nicht den Umweg mit der Bummelbahn über die pfälzische Dorflandschaft nehmen.
Am Schluss möchte ich an dieser Stelle auch freundliche Grüße in die Schweiz senden an einen sehr netten Herrn der uns für unsere 30 Jahre Übersteiger Party ein wirklich sensationell gut erhaltenes Jack Daniels Trikot gesponsort hat. Ja, wir werden 30 und ja wir feiern, mehr dazu in Kürze. Und wir werden wieder einen guten Zweck unterstützen und dafür eine Verlosung starten. Wenn ihr auch zwingend was Gutes tun wollt, meldet euch doch bitte bei uns (redaktion@uebersteiger.de). Danke in die Schweiz, Danke an euch!
Voran Sankt Pauli.