Zu kryptisch? Die DFL hat den Rasen des FC St. Pauli als zweitbesten der Zweiten Liga der vergangenen Saison ausgezeichnet, den Rasen vom Rasenball Leipzig als besten der Ersten Bundesliga. Was sagt uns das? Zumindest über das Geläuf dürfte sich keiner der Spieler kommenden Sonntag beschweren dürfen. Ob das von Nutzen ist? In der Vergangenheit hatte uns ein räudiger Acker gegen reiche, englischerrasenverwöhnte, oben spielende Teams schonmal zum Vorteil gereicht. Die Zeiten sind vorbei!
Die Vergangenheit meint es bilanzmäßig gut mit uns, was die Begegnungen gegen die Rasenballer angeht. In vier Begegnungen haben wir immerhin dreimal gewonnen. Das ist rund 10 Jahre her, Ewald Lienen war unser Trainer und RB noch ein Zweitligaklub. Aber auch diese Zeiten sind vorbei. Kommen wir zur Gegenwart. Bundesliga. Wir: Drei Spiele. Null Punkte und nur einen Treffer, bei sechs Gegentoren. So die nüchterne Bilanz. Und nun kommt mit Leipzig der Viertplatzierte der Vorsaison und aktueller Dritter zur absoluten Unzeit am Sonntag um 19 Uhr 30 ans Millerntor.
In der Liga gab es für die Sachsen zunächst einen knappen 1:0-Sieg über Bochum, danach gewann das Team von Trainer Marco Rose beim amtierenden Meister Leverkusen 3:2. Im Spiel am vergangenen Wochenende kamen die Kicker aus der Buchmesse-Stadt gegen Union Berlin nur zu einem 0:0. In der Champions League verloren sie am Donnerstagabend gegen Atlético Madrid. Trotz der CL-Niederlage bewies RBL wieder eins: Sie sind stark im Umschaltspiel, etwas, was den FCSP in den letzten Partien gnadenlos in Bedrängnis brachte. Man kann nur auf folgende Faktoren hoffen: Dass St. Pauli bis Sonntag besser auf dieses schnelle Umschaltspiel Antworten findet, dass Leipzig durch die englische Woche und die Belastung der Reisen körperlich und mental weniger fit ist und dass der Gegner sich schwerer auf uns einstellen kann, weil sie nicht wissen, mit was für einem Kader und System wir spielen, da sowohl Guilavogui (Pferdekuss) und Saad (Bänder) ausfallen.
Der offizielle Name unseres Gegners ist übrigens RasenBallsport Leipzig e. V. Natürlich ist es kein Zufall, dass die Abkürzung RB Leipzig, vor allem mit dem offiziellen Wappen, mit einer bestimmten Brausemarke assoziiert wird.
Wenn man bedenkt, dass die Leipziger noch in der Regionalliga kickten, als der FC St. Pauli seinen 100. Geburtstag feierte, ist das schon ein rasanter Aufstieg. Na ja, wir wissen ja, woher die Kohle kommt… Nach dem Aufstieg 2016 in die Bundesliga als Vizemeister, holten sich die Sachsen in der Folgesaison auch gleich mal den Vize-Titel in der Belle-Etage. Dann folgten EL- und CL-Teilnahmen und 2022 und 2023 der DFB-Pokalsieg. Im vergangenen Sommer dann der Gewinn des Supercups. (Wer’s braucht…). RB Leipzig ist eh eine Kontroverse in sich. Der „Dosen“Klub ist verpönt bis geradewegs verhasst. Er ist der Inbegriff des „Kommerzfußballs“. Ein Unternehmen gründet aus rein kommerziellen Interesse einen Fußballclub, umschifft so die 50+1-Regel (wie übrigens auch der Name ‚RasenBallsport‘ nur ein Kniff ist, die Regelung des DFB zu umgehen, die es untersagt einen Club nach einer Firma zu benennen) und lässt Stimmberechtigung nur bei ein paar wenigen Mitgliedern zu, die es selbst ausgewählt hat. Mindestens dreiviertel der gerade mal rund 1100 Mitglieder (zum Vergleich, der FCSP hat 46.500 Mitglieder) sind Fördermitglieder ohne Stimmrecht. Demokratische Strukturen? Kontrollmechanismen? Fehlanzeige. RB Leipzig ist ein Produkt der Brausefirma GmbH, wie seine Getränke es auch sind. Und es ist auch nicht der einzige Verein. In Salzburg und New York gibt es weitere RB-Fußballclubs, bilden ein Netzwerk, in dem voneinander profitiert wird. Auch das ist wettbewerbsverzerrend und folgt nicht dem sportlich fairen Gedanken.
Und dann ist da der Mann, der das Brauseunternehmen gegründet hat: der Österreicher Dietrich Mateschitz. Er fiel mehrfach durch Nähe zum Rechtspopulismus auf, vor allem in Fragen zur Flüchtlingspolitik. Auch sein Fernsehsender Servus TV fiel durch Talkshows auf, die Rechtspopulisten, Impfgegnern, Coronaleugnern überproportional eine Bühne boten.
Viele gute Gründe also, den Verein abzulehnen. Und doch, erstaunlicherweise gibt es auch Gründe ihn zumindest nicht zu hassen. Die Fangemeinde ist – zumindest auf Ebene des Profifußballs – eben nicht, wie die meisten anderen Ostvereine, rechtslastig, sondern durchaus engagiert gegen Fremdenhass, Antisemitismus und Homophobie. Und zwar deutlich glaubwürdiger als die Vereine, die das so pseudomäßig machen (z.B. Hansa Rostock) und ihre Fans aber null im Griff haben. Dass RBL keine „Tradition“ hat, spielt dem Verein dabei in die Karten, so hat er eben keine seit Jahrzehnten gewachsene rechte Fanszene und kommt für die Faschos halt auch nicht infrage, die ja immer viel Wert auf „Traditionen“ legen. Alle Fußballfans aus der Gegend, die höherklassigeren Fußball als Landesklasse Nord (wo der linke Verein Roter Stern Leipzig spielt) sehen wollen und keine Nazis sind, bleibt kaum etwas anderes übrig, als zu RBL zu gehen, und das macht den so verpönten Club zu so einer Art Fels in der Brandung gegen Rechtsextremismus im ostdeutschen Fußball.
Interessant ist aber die Entwicklung eines Spielers: Yussuf Poulsen. Der 84-malige dänische Nationalspieler kickt seit 2013 für den Verein, ist quasi mit dem Club durch alle Ligen gegangen und somit auch „groß“ geworden.
(P.S.: Er ist einer meiner Lieblingskicker – aber das muss ja niemand wissen… Also: Psssst!). Poulsen ist aber nicht der Einzige, den wir schon von der zweiten Liga aus Leipzig kennen. Auch Peter Gulacsi, Lukas Klostermann und Willi Orban sind keine Unbekannten. Vielleicht ist das ja ein gutes Zeichen, dass immerhin vier Spieler noch Niederlagen gegen uns in Erinnerung haben.
…und wenn ich die Tage jemanden mit so einer Dose in der Hand sehen sollte, hilft nur „Hacken-geben“!
// Rakete & Hossa
Tipp ganz optimistisch 1:5