Derbyfolgen und Wettbetrug

Es ist Dienstag! Und auch über ein stattgefundenes Derby hätte heute kaum mehr in den Zeitungen stehen können, als jetzt über das ins Wasser gefallene.

Die Mopo tat sich hier mal wieder besonders hervor und bewies, dass sie nichts anderes ist als die BILD mit geringerer Auflage und kleinerem Format. Gestern verneigte man sich noch ehrfurchtsvoll vor dem hsv und las dem vom hsv bestellten Gutachter jede Silbe von den Lippen ab, obwohl dieser auf seiner Homepage mit dem hsv bzw. der Arena mit den vielen Namen und dem dortigen Rasen explizit als Referenzkunden wirbt. Heißt natürlich noch lange nicht, dass er gelogen hat, nur „unabhängig“ im Wortsinne dürfte er damit kaum sein, oder gucken wir zu viele schlechte Gerichtssendungen und sind generell zu misstrauisch? Zumindest werden wir dafür in einem hsv-Blog auf spox.com verteufelt. Aber kein Thema, der Autor „xxlhonk“ hat sich selbst ja zumindest nicht als „unabhängiger Gutachter“ tituliert. Sein Gedankensprung von zu viel Wasser hin zum Wettbetrug verdient trotzdem unsere Hochachtung.

Heute jedenfalls konnte die Mopo dann noch eins draufsetzen. Ein Cover, auf das an manchen Tagen selbst die BILD Redaktion neidisch gucken dürfte und ein Text der einen resignierend den Kopf schütteln lässt (zumindest online, die Print-Ausgabe hab ich noch nirgends kostenlos auftreiben können… und ja, auch das Anklicken online bringt denen was, aber man muss ja doch irgendwie wissen worüber man sich jetzt aufregt).
Mein persönliches Lowlight: „Die Hooligans des FC St. Pauli – laut Polizeiangaben sind es etwa 300 Menschen – verhielten sich am Wochenende ruhig. Ob sie Racheaktionen planen, ist unbekannt.“ Ähm… ja, das hinterlässt sprachlos. Immerhin spricht man von „Menschen“. Ist das die gleiche Kategorie wie sonst „sogenannte Fans“?
Ach, und wo wir grad bei sinnlosen Aufzählungen mit schwer messbaren und schon gar nicht belegbaren Zahlen sind:
Die ausgebildeten Al Quaida-Kämpfer (nach Wikipedia-Angaben sind es ca. 70.000) verhielten sich am Wochenende ebenfalls ruhig. Ob sie evtl. Aktionen planen, ist ebenfalls unbekannt. Aber wenn es bekannt wird, kann man es sonst sicher in der Mopo nachlesen…
Auch die Aussage „Anstoß ist vermutlich um 18.00h – mitten im Berufsverkehr!“ ist blanke Spekulation. Wir wollen diese Zeit nicht ausschließen, und die ebenfalls kursierende (und wahrscheinlichere) Zeit von 18.30h ändert an der Verkehrslage nur wenig, doch neben 18.30h ist auch ein Termin von ca. 20.00h durchaus möglich. Die frühere Zeit war bei ähnlichen Fällen meist ein Entgegenkommen an sky, die dann an jenem Abend erst die Bundesliga (bzw. meist eher 2.Liga, da in der 1.Liga kaum Spiele ausfallen) und danach die Champions League zeigen konnte. Wie viel Mitspracherecht die Polizei aber bei Ansetzungen des Hamburger Derbys hat, zeigte sich schon beim Hinspiel, als die Spieltagsregel „Donnerstag in der Europa League, dann Sonntag in der Bundesliga“ für den VfB Stuttgart ausgehebelt wurde und stattdessen am Millerntor Sonntags angepfiffen wurde. Und neben der Entlastung des Berufsverkehrs ist ein Spielende nach 22.00h für Berufstätige vielleicht noch eher ein Grund schnell nach Hause zu gelangen, was der Polizei wahrscheinlich wesentlich lieber wäre. Zugegeben, alles Spekulation und die heutige(?) Ansetzung des Termins wird es ja zeigen, inwieweit die Mopo mit ihrem „vermutlich 18.00h“ ins Schwarze getroffen hat.

Alles in allem: Boulevard at it’s best. Ängste schüren, reißerisches Titelfoto, ein Artikel ohne wirkliche Neuigkeiten und ganz viel Luft um gar nichts. Da fragt man sich wirklich, warum es neben der BILD noch ein Konkurrenzprodukt geben muss, als wenn ein derartiges Erzeugnis für Hamburg nicht ausreichen würde.

Wettskandal:
Ein weiterer Aufreger am gestrigen Tag war dann die Ankündigung des ARD Magazins „Fakt“, dass zum einen ein weiteres St.Pauli-Spiel unter Betrugsverdacht stehe (das 1:4 im September 2008 in Lautern) und neben dem bereits geständigen Rene Schnitzler weitere St.Pauli Spieler „unter Verdacht“ stünden, darunter auch Spieler des aktuellen Kaders. Die Sendung war dann aber eher unspektakulär, und da die Namen ja nur einmalig von dem Verdächtigen genannt wurden, wolle man sie auch nicht öffentlich machen, prangerte aber an, dass der Verein sich dazu in den letzten Wochen nicht äußern wollte.
Tja, was soll man dazu auch sagen? Haben sie erwartet, dass der FC St.Pauli sich jetzt hinstellt und sagt: „Klar, Spieler XY steht da auch unter Verdacht, können sie gerne senden… wir glauben zwar an seine Unschuld, aber Unschuld beweisen geht gegen solche substanzlosen Vorwürfe schlecht, also ziehen sie die arme Sau gerne durch den Kakao. Irgendeine Sau muss man ja durchs Dorf treiben und Dschungel-Camp ist ja leider vorbei, verstehen wir schon!

Hat der Verein verständlicherweise nicht getan, stattdessen gab es jetzt heute eine Pressemitteilung, die wir Euch gerne hier im Wortlaut abdrucken:
Seit einigen Wochen veröffentlichen verschiedene Medien Einzelheiten, Namen, Fakten und Analysen aus dem von der Staatsanwaltschaft Bochum untersuchten Wettskandal um Spielmanipulationen auch im deutschen Fußball.
Dabei ist verschiedentlich in der Vergangenheit auch der FC St. Pauli genannt worden, ins-besondere von Personen, die die Staatsanwaltschaft als Beschuldigte vernommen hat. Hierzu hat der Verein bereits in der Vergangenheit eine Stellungnahme abgegeben und sich ganz besonders auch schützend vor den namentlich genannten Spieler Mathias Hain gestellt. Und dies völlig zu Recht, denn die ohne Prüfung und unverantwortlich geäußerten Vorwürfe gegen Matthias Hain haben sich nach unserer Auffassung als völlig haltlos erwiesen.
Weiterhin haben Medien berichtet, dass eine Reihe weiterer Spieler aus dem aktuellen Kader zusammen mit dem früher für den FC St. Pauli spielenden René Schnitzler sogenannte „Wettpaten“ getroffen haben sollen. Indes hat einer dieser Wettpaten eingeräumt, die Spieler nie gesehen und dieses nur vom „Hörensagen“ erfahren zu haben. Der FC St. Pauli legt Wert auf die Feststellung, dass sowohl der Verein als auch alle in irgendeinem Zusammenhang genannten Spieler des aktuellen Kaders voll und ganz die Arbeit der Staatsanwaltschaft unterstützen. Dazu zählt insbesondere, dass kürzlich drei Spieler der Lizenzmannschaft der Staatsanwaltschaft als Zeugen Rede und Antwort gestanden haben. Dies ist ein völlig normaler Vorgang, er belegt einzig, dass beim FC St. Pauli alle Kräfte gebündelt werden, um die Fakten aufzuklären.
Der Verein legt weiterhin Wert auf die Feststellung, dass gegen keinen dieser drei Spieler in irgendeiner Weise ein Verdacht der Spielmanipulation vorliegt. Ebenso wird gegen keinen von ihnen, oder weitere Spieler aus dem aktuellen Kader, ermittelt.
Die Vereinsführung und die sportliche Leitung sind zu 100% davon überzeugt, dass die von den eigentlich Beschuldigten wahllos geäußerten Vorwürfe unter Nennung von Namen sich als das herausgestellt haben, was sie tatsächlich sind, nämlich Unwahrheiten. Verbunden mit der Absicht sich selbst zu entlasten oder noch mehr zu bereichern.
Deshalb ist es aus Sicht des Vereins auch eine besondere Verantwortung der Medien, genau zu differenzieren und nicht etwa auf eine bloße Namensnennung hin einzelne Spieler auch nur in den Dunstkreis der Manipulation zu rücken.
Der Unfallzeuge ist kein Unfallbeteiligter!
Der Verein wird sich mit rechtlichen Schritten gegen Darstellungen wehren, die den Eindruck erwecken, Spieler des aktuellen Kaders hätten an Manipulationen teilgenommen.

Gut gebrüllt, Löwe, und viel mehr wird man da als Verein tatsächlich derzeit nicht tun können. Um 12.30h ist für heute noch eine Pressekonferenz zum Thema angesetzt, sollte dabei noch etwas Weiteres erzählt werden, ergänzen wir dies hier.

Schließen wir daher den Blog bis hierhin mit den ehrlichen Worten von Ian Joy auf Twitter: „Wettskandal – WTF! Rene was a good guy but dumb. I honestly don’t believe any other player has taken money to throw a game when I was there.“ // Frodo

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