Folgender Text ging heute über den Mailverteiler der Weinbar St.Pauli und ist auch dort im Blog nachzulesen.
Der Text spricht für sich und macht fassungslos. Der ÜS drückt Heiko und Raphael die Daumen, dass es vielleicht (und sei es durch jetzt aufzubauende Öffentlichkeit) doch noch eine Lösung in den bisherigen Räumen gibt oder sich eventuell noch eine räumliche Alternative bietet.
Schickt obigen Link weiter, macht die Sache publik, wenn es weitere Möglichkeiten zur Hilfe gibt wird es sicher auf der Seite der Weinbar erwähnt und auch wir bleiben dran.
Liebe Gäste und Freunde,
wir wurden rausgeworfen. Unser Mietvertrag für die Weinbar Sankt Pauli am Neuen Kamp 19 wurde zum Ende des Jahres gekündigt. Hintergrund sind Lärmbeschwerden eines Mieters im Haus, der sich „beim Fernsehen gestört“ fühlt und sich seit März 2011 massiv bei der Hausverwaltung über uns beschwert hat. Doch damit nicht genug: Da der Mieter eine Mietminderung angekündigt hat, wurde uns mit einer Schadenersatzforderung gedroht.
Wir sind gleichermaßen traurig und verärgert. Die Lärmbeschwerden des Mieters sind unberechtigt. In unserer Bar läuft Hintergrundmusik auf Zimmerlautstärke über eine kleine Anlage. Unsere Gäste sind ruhige Weinliebhaber, die sich unterhalten. Disco findet bei uns nicht statt. Die Unplugged-Konzerte, die nur einmal im Monat stattfinden, sind spätestens um 22 Uhr beendet. Sonntags bis dienstags haben wir gar nicht geöffnet. Mit Ausnahme dieses einen Mieters hatten wir nicht eine Beschwerde wegen etwaiger Lärmbelästigungen.
Das vom Mieter angefertigte „Lärmprotokoll“ ist größtenteils unglaubwürdig. Dort sind viele Abende aufgelistet, an denen es aufgrund der geringen Anzahl an Gästen in der Weinbar definitiv nicht laut war. Eine Liveband soll an einem Abend für Krach gesorgt haben, wo keine spielte. Auch gab es angeblich am Ostersonntag schlimmen Lärm von uns – an dem Tag hatten wir geschlossen…
Die Hausverwaltung hat die Lärmbeschwerde des Mieters als zutreffend beurteilt, ohne sich die andere Sicht der Situation vorher anzuhören. Ein klärendes persönliches Gespräch hat sie mit der Begründung „dafür habe ich keine Zeit“ abgelehnt. Auf unsere ausführlichen schriftlichen Darlegungen ist sie überhaupt nicht eingegangen. Einen Ortstermin mit Lautstärketest hat es nicht gegeben.
Natürlich finden bei uns ab und zu Geburtstags- oder Firmenfeiern statt, im Schnitt 1 x im Monat. Aber das ist normal für einen gastronomischen Betrieb, der darauf angewiesen ist. Es stellt sich aber auch die Frage der Verhältnismäßigkeit: Der Neue Kamp ist tags wie nachts eine laute und belebte Straße. DOM samt Feuerwerke, Flohmärkte, Fußballspiele, Demonstrationen, Polizeieinsätze, Nachtleben. Der Neue Kamp ist eine vierspurige und vielbefahrene Straße, auf der 24/7 Verkehr rollt. An 97 % aller Monatsstunden findet absolut keine von uns verursachte Lärmbelästigung statt. Ausnahmslos alle Menschen, mit denen wir darüber gesprochen haben, sind fassungslos darüber, dass der Mieter sich ausgerechnet auf unsere kleine Bar eingeschossen hat.
Die Weinbar Sankt Pauli hat mit ihrem unverwechselbaren Konzept und den außergewöhnlichen Events bereits für einiges an Aufsehen in der Hamburger Kulturszene gesorgt. Viele Menschen aus St. Pauli und außerhalb sind begeisterte Stammgäste geworden. Auf Veranstaltungen konnten wir Geld für gemeinnützige Organisationen sammeln und spenden, u.a. OGSY Kenia-Projekt, KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Wir sind fester Bestandteil des Stadtteils und haben ein hervorragendes Verhältnis zu unseren Nachbarn am Neuen Kamp, mit denen wir sogar schon ein Straßenfest organisiert haben. Inhabergeführte und preiswerte Läden haben es in einem Quartier wie dem Schanzenviertel ohnehin immer schwerer. Die Idee der „Weine fürs Volk“ und unser Konzept setzt der Gentrification etwas entgegen. Bislang erfolgreich.
Wir haben in den vergangenen Wochen viel Bestärkung und Solidarität von Euch bekommen, das ist ein gutes Gefühl. Dafür vielen lieben Dank!
Wie, wo und ob es mit der Weinbar weitergeht, wissen wir noch nicht. Es war uns aber ein wichtiges Anliegen, Euch über die derzeitige Situation zu informieren.
Weinbar Sankt Pauli, 01.09.11