Champions League Achtelfinale: Juventus Turin – Celtic Glasgow

Champions League, Achtelfinale: Juve – Celtic! Wer will das nicht gerne live sehen? Und so war bereits dreißig Minuten nach der Auslosung der Flug mit Ryanair von Lübeck nach Bergamo gebucht, den die Airline bekanntlich selber gerne als „Hamburg – Mailand“ verkauft. Noch ein gemütliches und zentrales Hotel dazu und die Vorfreude konnte steigen.

Die Ticketfrage gestaltete sich unerwartet schwierig, da Juve seit letzter Saison in seiner neuen Arena spielt, die mit 41.000 Plätzen ausgestattet und im Gegensatz zu früher auch meist ausverkauft ist. Doch kurz vor dem Hinspiel gab es dann auch hier eine Erfolgsmeldung für uns. (Und nein, nach dem Hinspiel wurde es wider Erwarten auch nicht sonderlich einfacher, wie wir von anderen erfuhren.)

Am Dienstagmittag ging der Flieger ab Lübeck, an Bord eine knapp zweistellige Zahl St.Pauli-Fans, die sich in Bergamo dann je nach persönlicher Bezugsgruppe auf die Anreisemöglichkeiten Mietwagen, Kleinbus und Zug nach Turin verteilte. Unsere 4er-Gruppe hatte einen Fiat Punto gebucht (kreative Auslegung des Europcar Mitarbeiters: “Lamborghini Punto, Diesel!”) und die A4 führte dankenswerterweise direkt vom Flughafen bis kurz vor unser Hotel.
Übrigens zahlt man auf der Autobahn dort ja Maut, dafür ist in Raststätten die Toilettennutzung kostenlos… leider wollten sie meine gesammelten Toll-Collect-Bons aber  nicht zur Zahlung des Kaffee akzeptieren.

Für den weiteren Tagesverlauf mal ein Rollenspiel: Stellt Euch eines der ja mehr als zahlreichen St.Pauli Europapokal-Auswärtsspiele vor, sagen wir in Novosibirsk. Die angereisten Fans aus Berlin, Ruhrgebiet, Hamburg und sonstwo treffen sich alle im lokalen Löwenbräu-Stüberl, singen lauthals “Hejajippiehyeah, Hamburg, Hamburg, St.Pauli!” und schießen sich ganz gepflegt das Hirn weg. In etwa so pflegen es nach wie vor viele Celts in den jeweiligen Irish Pubs vor Ort zu tun und sorgen dort regelmäßig an den 2-3 Tagen rund ums Spiel für einen kompletten Jahresumsatz. Ist ja auch völlig okay und so ziemlich jeder, der Celtic auswärts begleitet, wird dies schon gemacht haben. Und es ist auch wirklich ein großer Spaß, sämtliche Songs aus dem riesigen Repertoire abzurufen und sich selbst zu feiern.
Aber: man wird älter und gelassener, und wenn sich gerade die Celtic-Fans um die 40 dann diesen Kram nicht mehr antun wollen, weil sie das nun oft genug gemacht haben, setzt man sich eben lieber in ein schönes Restaurant oder eine Kneipe, die nicht auf den Beinahmen Irish Pub hört. Die hat dann meist auch nicht extra für 2-3 Tage eine neue Preisliste eingeführt die jenseits von Gut und Böse ist.

Jeder wie er mag, wir entschieden uns dieses Mal für die ruhigere Variante und folgten einem Tipp ins Dama Dama. Thema der dabei dann eben auch entspannten (und leiseren) Gespräche waren dabei natürlich auch die jüngsten Vorfälle rund um die neuen Gesetze in Schottland, deren derzeitige Umsetzung einfach alles in den Schatten stellen, was man in Deutschland an Repression gegenüber Fußballfans eh schon unerträglich genug findet. Und leider macht auch der Verein selbst dabei nicht die beste Figur.
(Und eventuell gibt es dazu demnächst auch eine Infoveranstaltung/Diskussion in Hamburg mit der Green Brigade, die ja schon länger mal angedacht war. So es dazu kommt, wird dies sicher ausreichend angekündigt.)

Der Mittwoch stand zunächst im Zeichen des Sightseeings, auch wenn 40 Liter Regen pro Quadratmeter dafür auch in Turin nicht unbedingt förderlich sind, insbesondere in irgendwelchen Sneakern ohne Gummistiefel-Funktion. Trotzdem ist Turin nicht so hässlich, wie es mir vorher immer erzählt wurde und mit den ganzen Torbögen und Arkaden sogar durchaus sehenswert. Vielleicht liegt die Vorliebe dafür auch nur am Kleinen Latinum…
(Ha, Challenge gewonnen, einmal das Kleine Latinum in einem Fußballbericht unterzubringen! Mit wem hatte ich da nur vor zwanzig Jahren drüber gewettet?)

Gegen 19.00h waren wir am Stadion und “bewunderten” zunächst mal das Einkaufszentrum, welches den Vorplatz des Stadions beherrscht. Es wirkt schon so, als ob dies dazu gedacht ist, die holde Gattin beim Shopping zu parken, damit Mann in Ruhe ins Stadion gehen kann. Vielleicht tue ich dem Verein da ja furchtbar unrecht, und das Shopping Center ist nur da, weil man es zur Finanzierung des Neubaus brauchte, aber merkwürdig ist es schon, weil es eben optisch das Stadion schon sehr verdeckt.
Direkt dahinter ist das Juve-Museum untergebracht, welches wir aus Zeitgründen allerdings nicht mehr besuchten. Der Besuch im Juve-Store hingegen überraschte, denn die Hälfte der Mitarbeiter in Juve-Klamotten, die andere aber in Celtic-Trikots oder Shirts gepackt war, welche auch eifrig verkauft wurden. Sogar fünf Schaufensterpuppen in Celtic-Trikot inkl. Namensflock waren ausgestellt.

Um 19.20h betraten wir den abgezäunten Bereich zum Einlass in den Gästeblock, befestigt wie ein Hochsicherheitstrakt. Und damit wurde es nervig.
Bautechnisch ist der Zugang zum Gästeblock separiert von der Straße und dem restlichen Stadion, soweit alles noch normal. Allerdings gibt es nur zwei ca. 50cm breite Einlässe, der Weg dorthin wird immer weiter mit Geländern verengt, die am Ende sogar wie an der Flughafenkontrolle zu einem Zick-Zack-Gang zwingen. Und wenn diese zwei Winzig-Eingänge dann auch noch mit peniblen Körperkontrollen einhergehen, dann dauert es.
Hatte ich die 40 Liter pro Quadratmeter erwähnt? Davon sammelte sich in der Zwischenzeit ein weiterer Liter auf ca. 5-6 Personen, denn es ging einfach nicht vorwärts. Unfassbar, dass bei solchen Szenarien nicht viel öfter Leute ohnmächtig werden oder mit Kreislaufkollaps einfach tot umfallen. Unglaublich auch, wie entspannt die meisten dann doch noch blieben, obwohl die Uhr runtertickte. Sage und schreibe 55 Minuten(!), – remember Dauerregen – dauerte es, bis wir die Kontrolle passiert hatten, und dann war da ja noch die Sache mit den Namen auf den Tickets.

Der Vorbesitzer meiner Karte hatte den (per Stift vom Celtic-Ticketoffice manuell draufgeschriebenen) Namen auf der Karte mit nem handelsüblichen Baby-Feuchttuch entfernt und so konnte ich meinen Namen selber draufschreiben. Bei meinem Mitreisenden war mitsamt der Karte auch gleich der Reisepass des ursprünglichen Besitzers übergeben worden, und da dieser ebenfalls zwei Augen, eine Nase und nen Mund hatte, war die optische Übereinstimmung ausreichend.
Klar, sowas hatte man schon häufig, nicht zuletzt ja auch bei der WM 2006, aber so wirklich kontrolliert hatte den Namen auf der Karte zumindest bei mir noch nie jemand. Doch irgendwann ist immer das erste Mal, Juves Ordner kontrollierten, und wie!
Zum einen wurden Leute abgewiesen, deren Namen nicht mit dem auf der Karte übereinstimmte… überraschend zwar, dass überhaupt kontrolliert wurde, aber aufgrund der vorher deutlichen Ansage kaum zu ändern.
Nun hatten einige aber keinen Perso dabei, sondern bspw. “nur” einen Führerschein und kamen damit ebenfalls nicht rein, teilweise wurde sogar bei offensichtlich richtigen Namen, aber unterschiedlicher Schreibweise(!) der Zutritt verweigert. Letzteres ist gerade im Fall von gälischen Vornamen gar nicht so selten, hab ich mir sagen lassen. Dies klang dann doch schon sehr nach Schikane. Nun mag man diskutieren, warum man bei solch einer Tour keinen Perso dabei hat, sondern eben nur den Führerschein, aber vielleicht wurden da ja auch solch konspirativen Übergaben gemacht, in dem festen Glauben, der Führerschein würde reichen. Dies also auch explizit als Warnung an alle BVB und/oder Bayern-Fans, die eventuell in naher Zukunft ja auch nach Turin fahren können.
Die unfassbar zeitintensive Kontrolle wurde auch konsequent beibehalten, erst zwanzig Minuten nach Anpfiff(!) flutete dann ein größerer Pulk an Leuten den Block, da war der UEFA Sicherheitsbeauftragte dann offensichtlich in den VIP-Bereich verschwunden und man hatte die Leute schneller durchgelassen.

Das Stadion selber ist eine der typischen neuen Fußballarenen und könnte so auch in jeder Bundesligastadt stehen, die Akkustik ist gut und zumindest beim Intro und den Toren war Juve auch durchaus laut.


 

Celtic selbst hatte durch die 0:3 Heimspielniederlage sportlich selbstredend nicht mehr viel auszurichten, aber man merkte dem Team an, dass sie sich mit erhobenem Kopf aus der Champions League verabschieden wollten. Und ähnlich trotzig war auch die Stimmung im Gästeblock. Zumindest den Ehrentreffer wollte man unbedingt erzielen.

Trotzdem verlief das Spiel ähnlich wie zwei Wochen zuvor: Celtic mutig nach vorn und auch mit Chancen, aber nicht clever/glücklich genug. Und Juve im Gegenzug abgezockt genug, um immer dann ein Tor zu machen, wenn es grad passt und nötig ist, um den Gegner wieder zurechtzustutzen.
So lief das Spiel vor sich hin, Juve ging mit einem 1:0 Vorsprung in die Kabine und auch die zweite Halbzeit wäre vermutlich unspektakulär vorübergegangen, wenn nicht ungefähr in der 50.Minute jemand den “Here we go – ten in a row“-Gesang angestimmt hätte… und dieser sich dann für sage und schreibe 40 Minuten bis zum Spielende hielt!

(Dieses Video ist aus dem Oberrang gefilmt, darunter war ein ähnlich großer Block dann auch noch im Unterrang mit Gästefans gefüllt, siehe oberes Video.)
(Kurze Erklärung zu “Ten in a row”: Sowohl Celtic als auch die Rangers haben es in ihrer Vereinshistorie geschafft, je einmal neun Meisterschaften in Folge zu gewinnen. Das “Tell al the huns you know – You’ll never get ten in a row!” war beispielsweise beim Europapokalfinale in Sevilla einer der beliebteren Songs und beide Fanlager würden natürlich zu gerne eben diese zehn Meisterschaften in Folge holen. Und derzeit sieht es für Celtic strategisch ja ganz gut aus, auch wenn die Gründe dafür mit dem Zwangsabstieg der Rangers wenig ehrenhaft sind.) 

Doch zurück zum Gesang: Großartig, ich liebe sowas. Und da erzähle mir nochmal einer was von wegen “Situationsbezogenem englischen Support vs. Dauerbeschallung per Lalala”. Wenn einfach nur genug Leute mitmachen und Spaß daran haben, ist so etwas einfach nur klasse. Logisch aber auch, dass es sich bei einer sportlich so aussichtslosen Situation leichter so singen lässt, als wenn es noch um was gegangen wäre. Aber die Diskussion können wir gerne irgendwann mal führen.
Die Juve-Fans waren sogar so beeindruckt von dem Spaß, der aus dem Gästeblock herüberschwappte, dass es je zweimal Standing Ovations der Gerade und der Kurve neben uns gab. Ehrlich gemeinter Applaus für den Gästeblock, während des Spiels? Hatte ich so auch noch nicht erlebt.

Nach dem Spiel dann das Übliche: Kurzes Winke Winke des Teams von der Mittellinie und ab in die Kabine. Ich kenn das ja nun schon länger so, bin aber doch jedes Mal wieder überrascht, welch ein Unterschied dies zu Teams aus der Bundesliga ist.

Ebenso üblich in Italien ist die Blocksperre nach dem Spiel, die Gäste bleiben 30-45 Minuten im Block eingesperrt. Auch hier wieder ein Wunder, dass nichts schlimmeres passiert ist.
Kleiner Exkurs: Auf Celtics Europatouren ist auch immer ein recht großer Anteil an älteren Herren dabei, die einem zumeist dann auch noch wunderbare Geschichten von ihrer Reise damals nach Lissabon erzählen, wo sie die “Lisbon Lions” live gesehen haben.
Einer dieser älteren Herren hatte in dem Gewühl beim Warten dann schnell sichtliche Probleme mit dem Kreislauf. In so einem abgezäunten Käfig, mitten im Gedränge, bekommt man aber nur sehr schwer einen Ordner, geschweige denn einen Sanitäter zu greifen. Glücklicherweise befand sich unter den Fans ein Arzt und nach zehn Minuten kam dann tatsächlich auch ein Ordner und geleitete den sichtlich angeschlagenen Herren (und nein, dies hatte nichts mit Alkohol zu tun) durch die Massen zum Ausgang. Hier sei dann auch nochmal das abolut disziplinierte und vorbildliche Verhalten des gesamten Blocks erwähnt, sowohl bei der Suche nach Hilfe, als auch beim späteren Bilden einer Gasse, um ihn herauszulassen, ohne Streß.

Danach verabschiedeten wir uns von Allen, fuhren ins Hotel und beendeten die Reise am Folgetag mit dem Rückflug nach Lübeck. Es war mir ein Fest, gerne wieder!
Danke an Stefan, Michael, & Alan sowie Grüße an Alex, ToPö und Scotty. // Frodo

P.S. Die Sitz[BLOG]ade war ebenfalls vor Ort, neben einem lesenswerten Bericht gibt es auch noch ne Menge Fotos zu sehen.

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