„Papa… Pokalfinale ist sicher cool, oder?“
Tja, Challenge accepted, natürlich völlig uneigennützig, nur für Junior, selbstredend.
Für die handvoll Tickets, die der DFB jedes Jahr verlost, bewerbe ich mich ja eh immer, aus alten Bremer Tagen strahlt das Pokalfinale in Berlin halt auch auf mich immer noch einen riesigen Reiz aus. Obwohl oder auch gerade weil ich genau weiß, dass der ruhmreiche FCSP hier wohl leider nie anzutreffen sein wird. Eher schafft es irgendwann mal die A-Jugend…
Es begann also die eher hoffnungslose Suche nach Tickets. Ohne Ticket nach Berlin fahren, wenn ein Verein wie der BVB dort spielt, aus dem Alter bin ich raus. Erst Recht mit Kind.
Und nachdem ich auf Twitter – eher augenzwinkernd – nach dem Ausscheiden der Bayern fragte, ob denn nicht jemand jetzt evtl. zwei Tickets über hätte, meldete sich mit Sascha tatsächlich jemand. Wolfsburg-Fan, St.Pauli-Sympathisant – und vor einiger Zeit hatte ich ihn beim Hamburger Fußball-Twitter-Stammtisch #tkhh kennengelernt. Da sage nochmal einer, Twitter sei sinnlos. An dieser Stelle also, auch im Namen von Junior, nochmals vielen Dank! (Und bei der Gelegenheit dann auch gleich Danke an Guido für die Übernachtungsmöglichkeit.)
In Berlin waren wir schon Freitag angekommen, Siegessäule und Brandenburger Tor als Touri-Pflichtprogramm abgehakt und abends die Relegation zwischen Holstein Kiel und 1860 im TV gesehen.
„Papa – da hätten wir jetzt spielen können.“
Tja, ein gequältes Lächeln war die Antwort.
Samstag dann in den Arkaden am Potsdamer Platz noch eine Ausstellung zu „25 Jahre nach dem Mauerfall“ gesehen und etwas für den kulturellen Anspruch getan. Die Geschichte(!) einem Siebenjährigen zu erklären ist ansich schon nicht so leicht, vor Ort und mithilfe solche einer Ausstellung fällt es dann schon etwas leichter, auch wenn da sicher noch einiges zu klären sein wird in den nächsten Jahren.
Was ihm aber hier schon auffiel: „Papa, wo sind denn die Wolfsburger?“
Ja, die nominelle Überzahl der Dortmunder ließ sich nicht wegdiskutieren, dürfte aber auch niemanden überraschen und wäre wahrscheinlich bei einem (völlig fiktiven) Pokalfinale gegen den FC St.Pauli kaum anders ausgefallen.
Und eben in jenen Arkaden klopfte dann auch das Schicksal erstmals kurz bei uns an:
Ich hab eben Karl-Heinz Riedle gesehen. Solange mir Roy Präger nicht über den Weg läuft, werte ich das als Indiz für den #BVB. #DFBPokal
— Der Übersteiger (@DerUebersteiger) 30. Mai 2015
Liebe Leser, merkt Euch dies. Ich komme später drauf zurück.
Titel 1: FC Internationale – Tennis Borussia Berlin
Zunächst aber ging es dann zum ersten Live-Spiel des Wochenendes um 13.00h, zur Monumentenstraße, wo der FC Internationale von 1980 den Aufstiegsaspiranten TeBe zum Heimspiel in der Berlin-Liga empfing. Bestes Wetter, günstiger Eintritt und die wohl schönste Eintrittskarte die ich seit langem bekommen habe, inkl. kostenlosem Programmheft:
Die Ausgangslage war klar: FC International wollte an diesem vorletzten Spieltag als Aufsteiger die letzten Punkte für den Klassenerhalt einfahren, TeBe hingegen mit einem Sieg die Meisterschaft und den Aufstieg in die Oberliga klar machen. Da es gleichzeitig an diesem Tag das einzige Spiel in Berlin von der 6.Liga an aufwärts war, sammelte sich hier natürlich auch einiges an Fußballfans, die aufgrund des Pokalfinals in der Stadt waren – so wie wir ja auch.
Trotzdem: Eintrittskarten mit „Refugees Welcome“ und „No Racism“-Aufdruck, „No Racism“ auch statt eines Trikotsponsors – den FC Internationale dürft Ihr gerne mal besuchen, wenn Ihr in Berlin seid, grundsympathischer Klub. An diesem Tag waren die Sympathien auf den Rängen aber ebenso eindeutig verteilt, Lila-Weiß war optisch und akustisch das einzig wahrnehmbare. Auch auf dem Platz war es ähnlich, am Ende stand ein ungefährdeter 3:0 Auswärtssieg und damit verbunden eben die Rückkehr von TeBe in die 5.Liga.
Dicken Glückwunsch, auch an die Fanzine-Kollegen der Lila Laune, auch wenn die inzwischen noch seltener erscheinen als der ÜS…
Der Rest war Titel Nr.1, Platzsturm und feiern mit der Mannschaft.
Der FC Internationale braucht nun (wenn ich denn die Abstiegsregelung richtig interpretiere und drei Vereine absteigen) noch einen Punkt kommenden Sonntag gegen Tasmania, um ganz sicher drin zu bleiben. Viel Glück!
Titel 2: VfL Wolfsburg – Borussia Dortmund
Dann vorsichtig ab zum Olympiastadion. Auch hier, die S-Bahn komplett in Schwarz-Gelb. Rund ums Stadion tatsächlich sogar ein-zwei bekannte Nasen von der Millerntor-Schwarzmarkt-Gang, unfassbar.
Der Stadionvorplatz ist inzwischen auch komplett eventisiert. Alles gratis, mit Kind eine wahre Entertainment-Schlacht – als normaler Fan einer beteiligten Mannschaft wäre ich hier wohl eher mit gesenktem Blick schnell dran vorbeigegangen. So aber haben wir zwei jetzt ein Foto mit dem Pokal, auch schön.
Im Stadion dann das zu erwartende Bild: Drei Viertel in Schwarz-Gelb, immerhin ohne Farbtupfer in der Wolfsburg-Kurve.
Zeit, die Sympathien zu klären. Natürlich waren wir es dem Ticket-Organisator schuldig, nach außen für den VfL Wolfsburg zu sein. Junior war das ohnehin eher egal, mit sieben Jahren ist der FCSP auf der einen Seite des Olymps und der hsv auf der anderen, bei allem dazwischen kann er die Fahne noch bequem in den Wind hängen. Bei mir ist der BVB durch jahrelanges Versagen gegen den hsv in Ungnade gefallen, Wolfsburg ist aber nun auch nicht grade das, was man als sozialromantischer Fußballfan einen Sympathieträger nennt.
Da passte es aber ganz gut, dass mir eine Kollegin (ihres Zeichens Wolfsburg-Fan) vor ein paar Wochen nur Gutes über Kevin de Bruyne berichtet hatte, u.a. seine Aktion für die Special Olympics und Menschen mit Down-Syndrom. Den Rest schafft dann zunächst Twitter, mit zahllosen schlechten Witzen über das (nicht zu leugnende) Zahlenverhältnis beider Vereine in Berlin und schlußendlich: Norbert Dickel.
Das ist auch so ein Typ, den findet man nur dann großartig, wenn er beim eigenen Verein ist. Fußball-Asi durch und durch, das meine ich nicht mal negativ… aber wenn er eben bei einem anderen Verein ist, empfindet man ihn als nervig und störend, an diesem Abend eben auch noch mit einer unglaublichen Arroganz gesegnet.
Motto seines Monologs am Mikro: „Wenn wir hier nur laut genug singen, gibt’s morgen die Busfahrt für Kloppo! Und wir singen ja eh lauter, weil wir sind die geilsten!“
Ich nehme ihm sogar ab, dass er das selbst so sieht… auf Außenstehende aber eben wirkt es zumindest befremdlich. Dazu dann der Hype um Klopp, der darin gipfelte das die Vornamen der Spieler bei der Mannschaftsaufstellung einmal aufgerufen wurden, der Trainer aber dreimal in die Kurve gebrüllt wurde.
Wie gesagt, wäre ich BVB – Fan, hätte ich das wahrscheinlich alles ganz klasse gefunden. Bin ich aber nicht, so erleichterte es mir die Entscheidung, mit Junior für einen Abend die Fahne in den Wind zu hängen und Wolfsburg anzufeuern. Bei Wolfsburg hingegen ruft der Stadionsprecher bei der Aufstellung wie selbstverständlich die Nummer 10 der Herzen auf, Krzystof Nowak, auch eine schöne Geste.
Zum Spiel verweise ich wie immer auf einschlägige Fachmagazine, ich beschränke mich aufs Drumherum.
Der BVB begann mit ordentlich Nebel und Rauch, sah imposant aus.
Wolfsburg hatte eine Fahnenchoreo vorbereitet, Fotos von beiden Aktionen gibt es auf den einschlägigen Portalen.
Dann kam die 19.Minute, die in Wolfsburg seit der Rückrunde immer mit dem „Junior Malanda!“-Song zelebriert wird. Da die 10 ja nun schon auf ewig an Nowak vergeben ist, wollte man wohl nicht noch eine symbolische Rückennummer erzeugen. Stattdessen gibt es nun eben die Riesenschwenkfahne mit Malandas Konterfei, die größtenteils ruht, aber eben zu jener 19.Minute geschwenkt wird, bei jedem Spiel, woraufhin der Gesang einsetzt. Gefiel mir sehr, wirkte auch sehr natürlich und nicht irgendwie aufgesetzt.
Die Stimmung sonst im Stadion war „okay“. Sobald der Bereich des BVB sich einig war, war es natürlich beeindruckend laut, in Hälfte zwei habe ich aber ihre Kurve beispielsweise nur noch einmal hören können, sicherlich dem Ergebnis geschuldet.
Wolfsburg hatte im Unterrang mehrere Leute mit Megaphon postiert, die das alles auch sehr gut koordinierten aber auch immer mal Gesänge übernahmen, wenn sie aus dem Oberrang kamen. Keine Ahnung wie es am TV rüber kam, aber zumindest im Block selbst war permanent was los, sicherlich ab dem 3:1 dann auch schon im Gefühl des nahenden Sieges, aber eben auch vorher schon.
Irgendwann war das Spiel dann rum, die Feierlichkeiten konnten beginnen. Die BVB-Kurve war noch überraschend lange gut gefüllt, sicherlich dem Klopp-Abschied geschuldet. Und bei Wolfsburg? Nun ja, schwer als Außenstehender zu beurteilen. Die ganz große Ekstase sieht sicher anders aus, vorsichtig formuliert.
Aber vielleicht habe ich da auch zuviel erwartet, Junior hat es zumindest sehr gefallen.
In der Bahn dann viele Dortmunder, der absolut überwiegende Großteil absolut entspannt und die Niederlage tapfer ertragend. Ein etwas angetrunkener junger Herr meinte dann aber, sich ausgerechnet an einem Siebenjährigen abarbeiten zu müssen und ihn ständig mit „Na, Volkswagen? Feier doch mal, hä?“ vollsabbeln zu müssen.
Größe zeigt sich halt auch in der Niederlage, war aber wie erwähnt absolut die Ausnahme.
Immerhin stellte sich im Gespräch mit seinem Kumpel dann noch heraus, dass er >400€ für die Eintrittskarte bezahlt hatte.
Kleine Sünden bestraft der liebe Gott offensichtlich manchmal sogar schon vorab.
Am nächsten Morgen ging es dann per Zug zurück, und am Bahnhof trafen wir… tatsächlich, Roy Präger! (siehe Tweet ganz oben)
#Sprachlos #WOB #RoyPräger
https://t.co/lPDzfRcMhU pic.twitter.com/BjXSaIJvep
— Der Übersteiger (@DerUebersteiger) 31. Mai 2015
Bescheuerte Geschichten, die so wohl nur der Fußball schreibt, oder so.
Tatsächlich fuhr auf dem Gleis neben unserem dann noch der Sonderzug der Wolfsburger ab (ICE, inkl. Mannschaft, dafür ohne versüfften Partywagen…), was Junior die Chance gab, zum Einen ein Foto mit Kevin de Bruyne zu ergattern, zum Anderen aber auch eins mit Vierinha und dem Original-Pokal!
Der alte Fanboy… aber das Familienalbum freut sich. Jetzt muss nur Ralle mit der 2.Liga-Felge nochmal vorbeischauen.
Titel 3: FCSP U19 – hsv U19, Pokalfinale
Zurück in Hamburg sollte das Wochenende dann auch standesgemäß beendet werden und so ging es noch schnell nach Jenfeld, wo auf dem Gelände des HFV die Pokalfinals der Jugendmannschaften ausgetragen werden.
Im U19-Bereich hat dies (neben feuchten Händedrücken und Urkunden) den angenehmen Nebeneffekt, dass der Sieger sich für den U19-DFB-Pokal der Folgesaison qualifiziert, wo der FCSP diese Saison ja nur knapp im Viertelfinale am späteren Pokalsieger Hertha gescheitert war.
Nach dem Abschneiden in der U19-Bundesliga galt Braun-Weiß wohl als leichter Favorit und ging dann am Ende auch als verdienter 3:1-Sieger vom Platz. Zwei Treffer durch Gillian Jurcher in seinem letzten Spiel für uns, bevor er jetzt (warum auch immer) zum Nachbarn wechselt, ein Tor durch Nico Empen, der als Torschützenkönig der Nord-Bundesliga nun vor seinem ersten Jahr im Herrenbereich steht und dem (nicht nur) ich dabei natürlich alles Gute wünsche.
Damit ist der DFB-Pokal für unsere Jungs also erreicht, in der 1.Runde soll es wohl zuhause gegen den Sieger aus dem Saarland gehen.
Dann waren wir irgendwann zuhause, freuten uns über ein tolles Wochenende mit drei Titeln und waren in gespannter Erwartung, was der Fußballgott wohl in der Relegation noch mit uns vorhaben würde.
Offensichtlich hat er den ganz großen Plan wohl erstmal auf 2016 verschoben, Junior und ich bleiben dran. // Frodo
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