Europapokaaaal: AC Sparta Prag – FC Schalke 04 1:1, 05. November 2015

Von Christoph

Die (fast) alljährliche Fußballfahrt im Herbst durch Europa mit Freunden des  FC Schalke 04 führte uns diesmal in die nicht allzu weit entfernte Hauptstadt Tschechiens. Eigentlich den sonst üblichen Sonnenschein und kühle Drinks in Südeuropa vor Augen landeten wir diesmal im November aber in Prag. Dass uns eine für einen November seltene Großwetterlage Temperaturen bis zu 14 ° C und Sonnenschein bescherte macht die Sache mit Südeuropa schon mal ziemlich wett. Und außerdem ist die Stadt an der Moldau ohnehin eine der Sehenswerteren dieser Erde.

Die Flüge mit Eurowings waren schnell und günstig gebucht, die Bahn war so keine Alternative. Allerdings machte die Crew des Fliegers  aus ihrer Abneigung gegenüber Fußballfans keinen Hehl und drohte schon vor Verlassen der Parkposition in Hamburg „den lustigen Fußballfans unter den Reisenden“ vorab (präventiv sozusagen) mit einer Zwischenlandung in Leipzig oder Dresden und dem dortigem Rausschmiss aus dem Flieger, sollte man sich nicht benehmen.  Die unfreundlichen Gesichter der Eurowings FlugbegleiterInnen sprachen Bände. Passiert war aber bis dato rein gar nichts, nicht mal Gegröle oder so. Freundlich geht anders! Selbst die besserbetuchten Fans auf den Businessplätzen waren ob der wirklich unverschämten Ansage erbost. Gut, dass es im europäischen Luftraum gute Alternativen gibt… Natürlich wurden dann während des ganzen Fluges auf Kosten dieser unüberlegten Sätze pausenlos irgendwelche blöden Kommentare und Witze abgelassen. Ein klassisches Eigentor, sag ich mal.

In Prag gelandet ging es per Bus und U- Bahn direkt in die Stadt zum Hotel U Tri Pstrosu  direkt an der Karlsbrücke (4 Sterne, ruhiges Zimmer, gutes Frühstück, alles ganz entspannt). Direkt nebenan wurden in der kleinen, originellen Bäckerei gleich die ersten Teigrollen vertilgt. Gegessen sollte in den nächsten Tagen noch genug werden. Der Tag vor dem Spiel stand ganz im Zeichen von Sight Seeing. Karlsbrücke, Altstadt, Altstädter Rathausturm inclusive der astronomischen Uhr,  die Oper mir ihrem goldenen Balkon usw. bis wir in der Touristenfalle U Fleku, der ältesten Brauerei Prags, landeten. Aber wir wollten das so. Das Essen war sogar ganz o.k., der Rest nur nervig. Man wurde von den Kellnern geradezu genötigt sich (mit bewusst nicht ganz gefüllten Gläsern) ins Koma zu saufen, was uns nach dem Essen veranlasste den Laden wieder zu verlassen, bevor wir genauso lustig wurden, wie die schon länger anwesenden anderen Schalker. Bier gibt es Gottlob in dieser Stadt auch woanders satt und genug. In der Altstadt verkauften Geschäftstüchtige in einem Ladenlokal mit Fußballtrikots handbemalten Matrjoschka`s  von allen möglichen, halbwegs bekannten Vereinen der Welt an spendierfreudige Touristen. Auch St. Pauli war dabei. Eine Resterampe zu Schleuderpreisen gab es auch. Dort wurden beispielsweise Matrjoschka`s  von so überaus bekannten Vereinen wie Yeovil Town verramscht, die mal vor drei Jahren überraschender Weise einmal in der englischen zweiten Liga spielen durften und wohl gleich als potentieller Kassenschlager produziert wurden.

Am Spieltag konnten wir zunächst einen besonderen Stadionpunkt machen: Das Strahov Stadion oben auf dem Hügel im gleichnamigen Stadtteil. Nach ordentlichem Fußmarsch den Berg hinauf- die Zahnradbahn fährt im Winter leider nicht- und durch den  benachbarten Park am Aussichtsturm erreichten wir das ab 1926 erbaute Stadiongelände. Das Strahov Stadion ist eine imposante (mittlerweile) Bruchbude in typischer Ostblock Architektur mit einer der größten registrierten Zuschauerzahl weltweit: Bis zu unglaubliche 250.000 Zuschauer fast das im Sozialismus erweiterte Rund. Es wurde hauptsächlich für die Leichtathletik und andere Massenveranstaltungen wie z.B.  Aufmärsche und nicht für Fußballspiele gebaut. So fanden dort auch die Spartakiaden der Tschechoslowakei  statt. Der Innenraum wäre für ein Fußballspiel auch viel zu  Groß. Er beherbergt heute sechs (!)  Fußballplätze des Trainingszentrums von Sparta Prag. Auf einem dieser Plätze stieg um 12:00 ein U 16 Spiel der beiden Mannschaften von Prag und Schalke, die am Abend im Letna Stadion aufeinandertreffen sollten.  Ein harter Kern Blau- Weißer von vielleicht einhundert oder zweihundert Mitgereisten amüsierten sich bei herrlichem Sonnenschein bei kühlen Drinks in dem kommunistischen Monument und beobachteten die Stars von Morgen genauso wie Büskens, Asamoah und Alt- Publikumsliebling Jiri Nemec.

Strahov Stadion
Strahov Stadion
Gegentribüne im Strahov Stadion
Gegentribüne im Strahov Stadion

Nach einer kurzen Stärkung in der Kantine von Sparta besichtigten wird noch das benachbarte ebenfalls in die Jahre gekommene Stadion Evžena Rošického mit einem Fassungsvermögen von rund 18.000 Zuschauern nach dem Umbau in eine reine Sitzplatzarena. Von 2000 bis 2008 trug der Verein Slavia Prag hier seine Heimspiele aus, davor wurde es auch als Spielstätte der Nationalmannschaft genutzt. Heute fristet es, genauso wie das Strahov Stadion, sein Dasein ohne echte Vereinsnutzung. Die Besichtigungstour fand dann nach einigen Straßenbahnfahrten und weiteren Fußmärschen  über den Wenzel Platz, am tanzenden Haus vorbei (die tanzenden Türme an der Reeperbahn sind anscheinend nur eine Nachahmung) und durch das jüdische Viertel ein Ende am Treffpunkt der Schalker in der Innenstadt. Die Anzahl der Blau Weißen schwoll mächtig an. Es dürften so ungefähr 2.500 bis 3.000 Schalker den Weg nach Prag gefunden haben. Auch deswegen, weil sich die Gäste im Vorwege über das Ticketportal außerhalb des Gästebereiches problemlos mit Karten eindecken konnten. Nach dem üblichen und Zwischenfall losem Marsch zum Stadion platzierten sich die Ultras im Oberrang des Gästeblockes, der dadurch etwas voller wurde, als normalerweise angedacht. Zwischen dem Gästeblock und den angrenzenden Heimblöcken gab es zwar einen Pufferblock, welcher aber für ein paar Schalker kein Hindernis darstellte, um unter den teilnahmslosen Blick des Ordners vom Heimbereich in den Gästebereich zu klettern. Auch die ständigen, vorzüglichen Rauch-, Pyro- und Blinkereinlagen im Gästeblock verursachten bei den Sicherheitsdiensten keine Aufregung. Eine Zeitung schrieb tags drauf von einem „fulminanten Auftritt der Schalker Anhänger“. Aufregung gab es nur aufgrund ein paar außerhalb des Gästebereiches aufgehängten Blau-Weißer Zaunfahnen. Dabei schoss der Fanclub aus Brilon den Vogel ab: Hängten ihr Banner auf der Haupttribüne direkt neben der Heimkurve auf und ließen sich das Ding natürlich prompt entwenden…

Evzena Rosickeho Stadion
Evzena Rosickeho Stadion

Das Spiel war mit 17.352 Zuschauern fast ausverkauft und lief auch ganz gefällig vor sich hin. Aus Sicht der Schalker allerdings nicht wirklich zufriedenstellend, hatte man doch wohl mehr erwartet.  Aber dieses junge Team benötigt halt noch etwas Zeit.  Nach der schnellen Führung von Sparta in der 6. Minute benötigten die Schalker einen umstrittenen Elfmeter zum Ausgleich. Beim Unentschieden blieb es bis zum Schluss.  Das Letna Stadion an sich hat uns übrigens ganz gut gefallen: kein Schnickschnack, gute Sicht, nette Graffitis und relative Innenstadtlage. Also das wenige, was man für rudimentären Fußball eigentlich benötigt. Der Unterrang der Heimkurve blieb allerdings leer. Wir vermuteten aus irgendeinem Protest. „Our Passion is not your business“ ließen die Ultras wissen. So gab es Support nur auf dem Oberrang,  der wohl ganz ordentlich war, aber bis zur gegenüberliegenden Seite nicht richtig durchdrang. Den Rückweg traten wir mit der Straßenbahn an. Die Füße wollten nicht mehr. Ein Abschlussbier tranken wir in der Nähe des Hotels in einer kleinen Imbisstube u.a. mit einem ca. 65-jährigen Schalker, der seinen Erzählungen nach weit über dreihundertfünfzig Auswärtsspiele, natürlich europaweit,  vorweisen kann. Respekt! Und schon ging die Kurzreise am folgenden Tag  viel zu früh zu Ende. Denn ursprünglich sollte es am Sonntag  ja zum Derby gehen, welches wir aus bekannten Gründen aber, wie viele andere, boykottierten.
Egal, Prag sieht uns irgendwann wieder! // Christoph

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