Oder: Wie ich beim Interview mit Uli Hoeneß Weißbier trank…
Ich will einen Schatzmeister, der mit der Mitgliederliste verschwindet, damit das Finanzamt keine Kohle einfordern kann.
Ich will einen Kassenwart, der zur Halbzeit mit den Zuschauereinnahmen abhaut, damit das Finanzamt…
Ich will wieder in meinem Baum in der Nordkurve sitzen, damit ich über die Rocker mit ihren speckigen Kutten drüber sehen kann.
Ich will wieder auf der Gegengeraden im Schlamm stehen und dabei peitscht mir Regen, Wind oder Schnee von Nordwest in die Fresse.
Ich will Stephan Hanke sehen, der sich bei der Ballannahme einen Knoten in die Beine spielt.
Ich will einen Trainer sehen, der von der Gegengerade mit Bananen beworfen wird.
Ich will nach dem Spiel wieder mit unseren Helden im Clubheim ein Bier trinken.
Ich will nach dem Training mal wieder ’nen Klönschnack mit einem Kicker halten…
All das geht und ist nicht mehr. Gerade Letzteres ist unsagbar Schei…
Heute ist jeder Kicker „mediengeschult“ und beginnt Antworten auf mehr oder weniger intelligente Fragen – von mehr oder weniger intelligenten Sport“journalisten“ – meist mit den Worten „Definitiv“, „Absolut“ oder wahlweise auch mit „Unbedingt“. Musste mal drauf achten…
Ich werde nie vergessen, wie ich beim „Retterspiel“ 2003 gegen die Bayern vor dem Anpfiff Uli Hoeneß in der „Mixed-Zone“ zwischen Clubheim und Meckerecke abpasste, und ihn – nach dem ich mich als Medienvertreter des FC St. Pauli vorgestellt hatte, – direkt um ein Interview bat. „Jetzt nicht“, sagte er mit bajuwarisch-bestimmenden Ton, fügte aber überraschend freundlich an: „aber gerne nach dem Spiel“. Nun gut. Ich war gespannt…
Als ich ca. 60 Sekunden nach Abpfiff wieder hinter dem Spielertunnel in der „Mixed-Zone“ stand, kam Uli auf mich zu. Zeitgleich stürzten sich die Kollegen von MoPo, Blöd und Abendblatt auf den Bayern-Präsi, doch er wimmelte sie alle ab. „Erst der junge Mann von den St. Pauli-Nachrichten“. Großes Gelächter seitens der Kollegen… (Zur Info für Unwissende: Die „St. Paul Nachrichten“ war ein , hmmm, nennen wir es mal „frivoles Magazin“ von der Reeperbahn).
„Wo können wir in Ruhe reden und gibt’s hier irgendwo ein Weißbier?“, fragte mich Uli.
Ich nickte und zog ihn Richtung Vereinsheim. Wie immer stand Zeugwart Bubu an der Tür und fragte natürlich: „Wo willst du denn hin, du Gurken-Gustav?“. Bubu eben. Klassiker.
„Können wir kurz in dein Kabuff?“, fragte ich ihn. „Interview“, schickte ich hinterher.
Als wir den vielleicht acht Quadratmeter großen Raum betraten, rief Uli: „Und Weißbier, – zwei mal bitte, nicht vergessen“. Bubu ging los…
In den nächsten zwanzig Minuten erlebte ich einen Menschen, für den ich Uli Hoeneß bis dato nie gehalten hatte. Er war für mich immer der „Klassenfeind“ gewesen, der vor Jahren dafür sorgte, dass unsere Stadion-Zeitung nicht verteilt werden durfte. Der Millionär vom Bonzen-Verein FC Bayern eben.
Als Bubu mit drei (!) Weizen zurückkam, hatten Uli und ich bereits Freundschaft geschlossen und stießen an. Es sei ihm eine „Herzensangelegenheit“ gewesen, diesem „kultigen Club“ zu helfen, begründete er das Antreten seiner Millionen-Kicker am Millerntor. Bubu saß auf dem kleinen Holzstuhl in der Ecke, lauschte und hielt ausnahmsweise mal die Klappe.
Ich hatte mich so gut es ging „professionell“ vorbereitet, doch zunächst wurde es eine Art von „Anti-Interview“. Uli befragte mich!!!
Über den FC St. Pauli, meine braunweiße Geschichte und wie es denn soweit kommen konnte, dass dieser „liebenswerte Club so dermaßen abkackt“? (Hat er wirklich so gesagt…). Ich plauderte natürlich nicht aus dem ganz großen „Nähkästchen“ und irgendwann „drehte ich den Spieß um“.
Im Stenogramm-Stil erzählte Uli dann, wie er den FC Bayern als jüngster Manager der Bundesliga ab 1979 nach Oben gebracht hatte, aber auch über „viel zu viel Kohle, um die es mittlerweile geht“. Wir quatschten über die Pfennig-Stücke, mit denen er 1991 aus der Gegengerade beworfen wurde, – und wie er sie einsammelte… („Alles für das Festgeldkonto meines Vereins“!) und eben auch „über Gott und die Welt“.
Die Jahre gingen ins Land und Uli musste irgendwann in den Knast. Gut zwei Jahre darauf kreuzten sich unsere Wege erneut. Beim „Hamburger Sport- und Presse-Meeting“ stand er im Foyer des Atlantic-Hotels plötzlich neben mir und tippte mir auf die Schulter. „Bist du nicht der Bursche von den St. Pauli-Nachrichten?“…
(ohne Worte…).
P.S.: Das damalige Interview wurde übrigens von der Stadionzeitung „Viva St. Pauli“ niemals angenommen…
// Hossa
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