VfL Bochum – FC St. Pauli 3:0 (2:0)
Tore: 1-0 Zlatko Dedic (25., FE), 2-0 Zlatko Dedic (37.), 3-0 Yusuke Tasaka (70.)
Zuschauer: 26.072 (geschätzte 2.500 St. Paulianer)
Gastbeitrag von Daniel Gosch
Bochum. Laut Herbert Grönemeyer die „Blume im Revier“. Für mich als 1989er Jahrgang bildete das noch unbesuchte Bochum bisher eine undurchsichtige Mixtur aus eben genanntem Grönemeyer, bunt karierten Faber-Trikots, Starlight-Express und Dariusz Wosz. Klingt vielleicht wenig, aber wesentlich mehr Berührungspunkte gab es bisher nicht mit dieser Stadt.
Und dann kam Peter.
Die Geschichte beginnt freitagmorgens zur wirklich humanen Zeit von 10 Uhr, so dass vier Busse das Heiligengeistfeld verlassen. Das größte Problem war im ersten Moment das Wetter, welches ja derzeit in etwa so konstant auftritt wie unsere Helden in braun und weiß. Diverse Portale kündigten für den Bochumer Abend 8-10 Grad an, vorher sollten es bis zu 14 Grad werden. Kurze Hose? Zur Absicherung mit Stutzen? Ne, bloß Bochum nicht unterschätzen (sic!), also ein längeres Beinkleid gewählt.
Mit diesem fand sich schnell ein Platz, und sorgfältige „wann trink ich das erste Bier“-Planungen erledigten sich mit der direkt gereichten Mische. Die Fahrt war ziemlich entspannt, von Anfang an herrschte im Bus 2 eine gute Stimmung und trotz Pausen und einem kleineren Stau wurde um 16.15 Uhr der Gästeparkplatz in direkter Nachbarschaft zu „Starlight-Express“ erreicht.
Im dezent gräulich-wirkendem Bochum setzte sich die gute und entspannte Stimmung auch vor dem Stadion fort, auch wenn uns davon abgeraten wurde, ein Nachschubsbierchen am Kiosk um die Ecke zu holen.
So ging es recht früh ins sich langsam füllende „Rewirpower-Stadion“, welches mit „grau“ und „kompakt“ ziemlich ausreichend beschrieben ist. Im Endeffekt präsentierte sich St. Pauli mit einem vollen Stehblock und einem halb genutzten Sitzbereich, woran vor allem der Sitzpreis von 30 Euro Schuld sein sollte. Sympathiepunkte bekommt die Biersituation, da nicht nur Vollbier ausgeschenkt wurde, sondern dieses auch noch von einer Privatbrauerei stammte (Geschmack und Preis waren okay).
Doch nun: 18 Uhr, Anpfiff. Tabellenplatz 13 fordert den 15ten der Liga heraus, dabei trennen sieben Punkte Unterschied. Von Anfang an ein ziemlich schnelles Spiel, am „wollen“ – das wurde schnell klar – wird es heute nicht liegen. Chancen gibt es auf beiden Seiten (laut „Sky“ am Ende das Spiel mit den meisten Torschüssen dieser Zweitligasaison). In der 25. Minute klärt Torre wie öfter geschickt zum Elfmeter, Tschauni hüpft in die falsche Ecke und Dedic darf zum ersten Mal jubeln.
Trotzdem präsentieren sich beide Teams weiterhin ziemlich torgefährlich, bei St. Pauli fehlt – mal wieder – die letzte Entschlossenheit und ein wenig Glück in 2-3 Situationen. Bochum belohnt das eigene Engagement in der 37. Minute, wieder Tschauni gegen Dedic und wieder trifft Dedic.
Auch in der zweiten Hälfte bleibt es ein wirklich gutes Fußballspiel, richtig dicke Chancen gibt es weiterhin auf beiden Seiten. Leider ist der Rest der Geschichte schnell erzählt: in der 70. Minute trifft Tasaka zum spielentscheidenden 3-0 für Bochum. Die Heimfans erfinden nebenbei die Bochumer Variante des „Rooooar“, so klein habe ich mich persönlich erst im Dresdner Gästeblock gefühlt. Unser Block versucht dagegen zu halten und spielt ebenso wie die beiden Mannschaften die letzten 20 Minuten runter, unterm Strich war die Unterstützung der Mannschaft sehr vernünftig. Auch nach dem Abpfiff „feierte“ der Block weiter, die Mannschaft bedankte sich anständig ihre 10 Sekunden und verschwand in den Katakomben.
Nach dem Spiel stellte sich – wieder einmal – die Frage: was war das denn?
Gefühlt war es nicht so ein Ohnmachtsgefühl wie bei den (Auswärts-)Niederlagen am Anfang der Saison, die Mannschaft kann verdammt gut spielen und hat es schon einige Male gezeigt, jedoch sind solche 0-3 Abenteuer einfach nur unglücklich. Für mich haben wir nicht gegen Bochum direkt verloren, vielmehr gegen diese unglaubliche Euphoriewelle um und mit Peter Neururer. Zunächst einmal ist es verdammt schön ihn wieder am Spielfeldrand zu sehen, hätte ja auch ganz anders kommen können, und spätestens seit Freitagabend scheint es, als wäre es für Bochum die beste Entscheidung gewesen Neururer zu verpflichten. Diese Begeisterung im Stadion war spürbar, hat sich laut diverser Medienberichte auch auf die Stadt übertragen und zeigte sich hoffentlich nicht nur gegen St. Pauli sondern auch beim nächsten Heimspiel gegen Köln, denn für mich gehört der VfL definitiv in die 2.Bundesliga.
Trotzdem sind wir Konkurrenten, wir haben gerade mal fünf Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz und schon jetzt ist klar, wie undankbar dieser 16. Platz sein kann wenn man sich die Entwicklungen in der 3.Liga anschaut. Geht Aachen insolvent schmiert wahrscheinlich nicht nur Babelsberg ab, sondern wirbeln die ersten fünf Plätze der Liga munter durcheinander und ich denke niemand wünscht sich eine Relegation gegen wirklich gut funktionierende Karlsruher oder Münsteraner. Von daher gilt jetzt definitiv eine erhöhte Alarmbereitschaft, denn unser Restprogramm ist ja auch kein Selbstgänger.
Die Rückfahrt verlief ohne Vorkommnisse, beim Tippspiel im Bus gab es tatsächlich einen „Glücklichen“ mit dem richtigen Tipp (mein 2-9 Tipp war etwas zu exotisch, kaum eine Profimannschaft lässt sich ja heutzutage so abschlachten). Irgendwo auf der dunklen Autobahn fiel mir eine Situation vom Vormittag ein, als in der U-Bahn gerade ein Saxofonspiel ein paar Münzen einsammelte und ein ca. 10-jähriges Mädchen erstaunt fragte: „Wie kann jemand der ein Instrument beherrscht, arm sein?“
Genau diese fragenden, nahezu naiv-ungläubigen Gesichtsausdrücke gab es nach dem 3-0 überall im St. Pauli-Block. // Gastbeitrag von Daniel Gosch
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