Felgenralle: Biber in Wembley!

Gastartikel von Ralph Gunesch

Karten/Anreisevorbereitung:
Eigentlich waren die ersten Tage meiner Sommerpause ganz anders geplant, es sollten ein paar Tage Strand und Sonne werden, aber just nachdem sowohl der FC Bayern wie auch Borussia Dortmund das Finale erreichten, hatte ich irgendwie das ganz dringende Bedürfnis live vor Ort zu sein. Letztes Jahr war es mir verwehrt geblieben, das Spiel live zu sehen – Kartenpreise weit jenseits der 1000€ hatten mich davon abgehalten.  Da die Flugpreise nach London (ein Anreiseproblem hatte die Münchener Seite ja nicht letztes Jahr) dieses Jahr aber auch drastisch anzogen war die Nachfrage nicht so extrem hoch, so dass ich tatsächlich drei Karten zum Normalpreis bekam (An dieser Stelle ein ganz großes DANKE an die beiden Herren, die mir das ermöglichten)

Nun war die Frage: Wie kommen wir nach London? Auch ab HH lagen die Flugpreise bei ca. 750€ p.P. und aufwärts. Also erinnerte ich mich an meine Geographie-Skills und schaute was man denn noch so anfliegen könnte (Geographie-Skills bedeutet in dem Zusammenhang, mit google Maps umgehen zu können was so rund um London ist).

Als sinnvollste Alternative bot sich Birmingham an,  180km nördlich Londons mit guten Flugzeiten/-preisen. Noch schnell einen günstigen Mietwagen gebucht und die Reise war vorbereitet.

Anreise:
Sehr früh morgens (6:00Uhr) ging es zu zweit von Hamburg nach Düsseldorf, wo wir meinen Vater einsammelten und dann zu dritt weiterflogen nach Birmingham. Ab Hamburg saßen bereits einige im Flieger, die man wenig später auch in der Maschine nach Birmingham sah bzw. auch an den diversen Schaltern der Autovermietungen in Birmingham traf. Ab Frankfurt (8:00Uhr) waren es dann, an Trikots und Schals zu erkennen,  wesentlich mehr die die gleiche Maschine nutzten um zum Spiel zu kommen. Landung in Birmingham war um 8:15 bei herrlichem Sonnenschein und angenehmen 16 Grad. Schnell den kleinen Koffer eingesammelt und dann Mietwagen abholen. 

Über “die haben das Lenkrad falsch eingebaut” wurden ja schon genug Witze gemacht, trotzdem kann ich euch sagen, dass es komisch ist wenn man erste Mal auf der rechten Seite sitzt und auf der linken Seite fährt. Denn für mich war es das erste Mal als Fahrer in England. Ganz zu schweigen von “links rum im Kreisverkehr”. Für einige wären englische Autobahnen aber allerdings genau das Richtige: Hier darf/muss/soll man links fahren.

Nachdem wir noch eben im Hotel direkt am Flughafen in Birmingham eincheckten ging es los Richtung London. Die ersten Kilometer fühlten sich für mich wie Fahrschule an. Ich sprach mit mir selber, sagte mir “Jetzt auf die linke Seite einbiegen/links in den Kreisverkehr“ usw. Jeder Schritt wurde von mir kommentiert und laut angekündigt und meine Freundin und mein Vater fingen an, das ganze sehr witzig zu finden. Aber ich schaffte die Kreisverkehre und Kreuzungen ohne andere anzufahren oder den Verkehr zu gefährden so dass wir dann auf unserer “Road to Wembley” (die M1) Richtung London fuhren.

Dank “Yorkshire St.Pauli” wusste ich, dass die bestmögliche Variante aus dem Norden kommend die Anfahrt nach Stanmore im Norden Londons ist, wo direkt neben der U-Bahn-Station ein großer, öffentlicher Parkplatz ist und das Stadion nur drei Stationen entfernt liegt. Da wird aber schon um 12:30 in Stanmore ankamen, blieb noch genug Zeit um nach London reinzufahren und ein bisschen das Treiben zu beobachten. Die Tube führte uns direkt zum Piccadilly Circus. Direkt beim Aussteigen wurde es sehr laut, Massen an gelb-schwarz bekleideten sammelten sich am Piccadilly und stimmten sich mit Gesängen auf das Spiel ein, dass noch gut sechs Stunden entfernt war.  

Also ging es erst mal zu meinem Lieblingsdiner, wo es den besten Burger der Stadt gibt – immer ein Pflichtbesuch wenn ich in London bin.  Da man schon die Tage vorher bei Twitter raus lesen konnte, wer denn so alles in London sein wird ließen Rafanelli und ich es uns nicht nehmen, uns endlich mal live kennen zu lernen was sich aber als etwas schwierig gestaltete. Auf den Tweet “bin in 15 min da” folgten 15 + 15 + 15 Minuten Wartezeit am vereinbarten Treffpunkt. Nach gut 45 Minuten, einem Telefonat, der Feststellung dass es mindestens 3 “Café Italia” am Leicester Square gibt und whatsapp inkl. Standort schicken gelang es uns, das Treffen zu realisieren. Vielen Dank an dieser Stelle, war cool dich live kennen zu lernen und ein bisschen über Fussi und das Spiel zu quatschen (p.s.: Neymar wechselt sofort nach Barcelona, nicht erst 2014 :D). Natürlich durfte ein kleines gemeinsames Foto nicht fehlen (pics or it didn’t happen) und dann musste der  gute Mann zum Essen.

Zwei Fanboys: @felgenralle und @rafanelli
Zwei Fanboys: @felgenralle und @rafanelli

Für meinen Vater war es das erste Mal London und es blieb glücklicherweise noch ein bisschen Zeit, also wollten wir die Queen besuchen. Sie war zu Hause, reagierte aber nicht auf SMS und es machte auch keiner das Tor auf so dass wir, wie alle anderen auch, draußen bleiben mussten und uns den Buckingham Palace und die beiden Wächter aus der Ferne anschauten. An dieser Stelle kommt dieser Job auf die Liste “nichts für mich” – mag ja eine große Ehre sein, da stehen zu dürfen, aber so wirklich begeistern kann ich mich dafür nicht.

Mit ein wenig spazieren noch die Zeit totgeschlagen und dann ab zum Stadion. Die Bahn war erwartungsgemäß drei Stunden vor dem Spiel schon voll Richtung Stadion. Gelb-schwarz und rot hielt sich die Waage und generell (zumindest das, was ich in der Stadt beobachten konnte) blieb es relativ ruhig. Neben den SKBs war auch Polizei aus NRW in Uniform präsent in der Stadt. Aber sowas wie Fantrennung etc. gab es weder in der Stadt, noch vor dem Stadion. Selbst am Piccadilly Circus konnte man sich im roten Trikot ohne Probleme durch die gelb-schwarzen Massen bewegen. Erst bei den Einlasstoren ging es für gelb-schwarz nach links und rot nach rechts. Ich hörte im Nachgang dass es wohl einmal zwischen ein paar Hools und der Polizei geknallt habe, aber in der Stadt selber und auch vor dem Stadion war in keinster Weise eine aggressive Stimmung zu spüren.

Das Stadion:
Von der U-Bahn-Station wurde man bis zum Stadion von den üblichen UEFA-bla-blubb Verkaufsständen begleitet und für uns ging es dann rechts rum Richtung unseres Eingangs. Von draußen ein beeindruckendes Stadion mit interessanter Architektur und einer langen Geschichte, auf die ich hier nicht näher eingehen muss. Aus irgendeinem Grunde fing es bei mir an zu kribbeln.

Auf dem Weg zum Spiel: Das Wembley-Stadion unter blauem Himmel
Auf dem Weg zum Spiel: Das Wembley-Stadion unter blauem Himmel

Ich schreibe das hier absolut als Fußballfan, nicht als Spieler – und muss eins gestehen: als ich durch das Tor ging und durch den Zugang in meinen Block (128) kam und mich umschaute bekam ich Gänsehaut wie noch nie beim Betreten eines Stadion als Zuschauer (als Spieler sind andere/mehrere Dinge verantwortlich für eine Gänsehaut).  Ich fühlte mich wie ein 6jähriger in der Schokoladenfabrik, es fühlte sich einfach gut und richtig an. Und ja, es gibt Stadien in denen ich mich als Zuschauer nie wohl gefühlt habe…

Wir können drüber diskutieren ob vielleicht ein paar Stehplätze dem Stadion gut tun würden (ja würden sie!) aber wir sind nun mal in England, da gibt es sowas nicht. Wobei bis auf die Haupttribühne die meisten sowieso standen. Meine vorherigen Besuche bei Premier League-Spielen zeigten dass die Ordner immer drauf bedacht waren alle schnellstmöglich zum Sitzen zu bewegen, an diesem Abend durfte man aber auch die ganze Zeit stehen.
Alles in allem ist das Stadion wie der beste Sonntagsanzug, den man zu Hause hat und nur zu ganz besonderen Anlässen anzieht – da reicht nicht mal Omas 80. Geburtstag, da muss der Geburtstag auf das Hochzeitsdatum der Schwester fallen – und das ganze am 16.2. sein – DANN zieht man diesen Anzug an. Und es ist einfach ein Stadion für besondere (Final-) Spiele – es mag Mythos sein, es mag Einbildung sein – aber dieses Gefühl vermittelt das Stadion.

Das Spiel:
Ich möchte mich nicht allzu lange mit dem Spiel aufhalten, ich denke die allermeisten haben es im TV gesehen. Dortmund die ersten 20 Minuten richtig aktiv, mit den besseren Chancen und erst so ab der 20./25. Minute haben es die Bayern geschafft, besser ins Spiel zu finden und das Spiel weiter aus ihrer Hälfte rauszutragen. Die ersten Minuten der 2. Halbzeit gehörten wieder den Dortmundern, bevor die Bayern dann besser ins Spiel fanden und in Führung gingen. Der Ausgleich für den BVB dann aus einem berechtigten Elfmeter, so sah es zumindest aus der Ferne aus und die TV Bilder bestätigten den Eindruck dann auch, daher gab es auch kaum Unmut über den Schiedsrichter um mich rum, da es alle so gesehen haben.

Bekanntermaßen sorgte dann Arjen Robben kurz vor Schluss, nachdem er im Laufe des Spiels einige Chancen vergab, für den 2:1-Siegtreffer und für grenzenlose Freude auf Seite der Bayern-Fans – wo wir auch schon bei einem wichtigen Punkt dieses Abends sind.

Die Fans:
Auf das Verhalten in der Stadt vor dem Spiel bin ich ja am Anfang des Textes schon eingegangen, möchte mich jetzt auf die Stimmung innerhalb des Stadions beziehen:
Da ich auf der Bayern-Seite saß, ist es schwer zu beurteilen was da im Dortmunder Block los war. Selbstverständlich waren auch die Dortmunder optisch  beeindruckend vertreten, allerdings wurde es während des Spiels selten laut bzw. man hörte die Dortmunder kaum. Genau das erzählte mir aber ein Freund, der im Dortmunder Block saß über die Bayern-Fans. Insofern kann das Nicht-Hören der gegnerischen Fans auf die Lautstärke im eigenen Block und auf die Entfernung im Stadion geschoben werden.

Bayern-Kurve in Wembley
Bayern-Kurve in Wembley

Auf Seiten der Münchener füllte die Schickeria 2-3 Blöcke im Oberrang und war auch akustisch  sehr präsent. Sie forderten bzw. animierten alle Bayern-Fans immer wieder auf, mitzumachen welche dann dieses „Anstiften“ auch dankend annahmen. Ich war auch gegen  den BVB im DFB-Pokal Viertelfinale und auch gegen Wolfsburg im Pokal-Halbfinale in der Allianz Arena und da war ein ähnliches Phänomen zu beobachten: sehr aktive Schickeria und Zuschauer die sich dann doch mitreißen lassen. In den von mir besuchten BL-Spielen sah das etwas anders aus – wenn die Schickeria überhaupt anwesend war. Aber über deren Probleme und Konflikte wird genug geschrieben, das möchte ich nicht kommentieren. An diesem Abend empfand ich das akustische Auftreten der Bayern-Fans durchaus als positiv.
Bei den Dortmunder wird es sicherlich ähnlich gewesen sein bis zum 1:2, aber wie bereits erwähnt: dafür war ich 1. zu weit weg und 2. war es um mich rum zu laut. Nach dem Spiel feierten die Dortmunder Fans verdientermaßen ihre Mannschaft noch bzw. verabschiedeten sie mit einem berechtigten und verdienten Applaus – was den Spieler aber sichtlich nicht weiterhalf. In solch einem Moment gibt es keinen wirklichen Trost von irgendeiner Seite, aber man bedankte sich auch als Spieler für die Unterstützung – nicht nur in diesem Spiel.

Auf Bayern-Seite natürlich grenzenlose Freude, Gesänge und Menschen die sich immer wieder umarmten und einfach nur glücklich waren. Auf Grund eines solchen Erfolges natürlich völlig verständlich.

Kleine Anekdote zum Thema Fans: In der Halbzeit sprach mich jemand an, ob ich nicht „der bin, der auch ein paar Jahre bei St.Pauli gespielt hat“ , also kamen wir ein bisschen ins Reden (er kannte sich ganz gut aus bei St.Pauli) und am Ende sagte er mit einem Lächeln: „Irgendwie gut, dass St.Pauli wahrscheinlich nie so weit kommen wird – da würden für die gegnerischen Fans nämlich gar keine Karten übrig bleiben“.
Sehen wir es ihm nach, er kennt „Operation 2030“ nicht.

Wembley bei Nacht
Wembley bei Nacht

Abreise:
Wir blieben relativ lange nach dem Spiel im Stadion, schauten uns die Feierei der Spieler mit den Fans an und machten uns dann auf den Weg zur Tube. Nachts sieht das Stadion ebenfalls sehr beeindruckend aus. Eine kurze Wartezeit vor der U-Bahn-Station und schon saßen wir im Auto auf dem Weg zurück nach Birmingham. Mein mit mir selbst reden und mir sagen was ich zu tun hatte war dann auch nicht mehr nötig – auch wenn mir vor der Rückfahrt der Klassiker passierte: Einsteigen wollen auf der falschen Seite. Man öffnet die Tür und fragt sich wo das Lenkrad ist und in dem Moment fällt einem ein, dass es an dem Abend anders läuft. Gegen 1 Uhr erreichten wir unser Hotel in Birmingham am Flughafen. Da unser Rückflug nach HH erst um kurz vor 12 ging, hätte man ausschlafen können – wenn ich da nicht den nächsten klassischen Fehler begangen hätte: Handy nicht umgestellt, Wecker nach deutscher Zeit gestellt und sich selbst eine Stunde Zeit geklaut – aber ok, lief dann doch alles reibungslos und wir kamen gesund in HH wieder an und natürlich fanden sich auf der Maschine auch einige wieder, die beim Hinflug mit dabei waren.

Der Text ist vielleicht etwas länger geworden, aber ich hab einfach drauf  losgeschrieben was mir zu diesem (für mich persönlich unvergesslichen) Abend einfällt. Ich hoffe, ich habe Euch nicht gelangweilt mit meinem Geschreibe und ihr hattet ein bisschen Spaß beim lesen.

Ich möchte mich bei den beiden Herren bedanken, die mir mit den drei Tickets diesen Abend überhaupt erst ermöglicht haben, aber an dieser Stelle anonym bleiben. Danke auch an die beiden wichtigsten Personen in meinem Leben, dass ihr dabei wart!! Der Abend bzw. das Spiel war aus diversen Gründen für mich ein ganz besonderes Erlebnis und es schlossen sich einige Kreise für mich – so dass da für mich eine persönliche Geschichte hinter steht – die aber auch vorerst persönlich bleibt 🙂
Vielleicht werdet ihr bei Gelegenheit nochmal was von mir lesen, wenn man mich lässt. (Lässt sich gerne einrichten, Anm.d.Frodo)

Bis dahin // Euer Ralle

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