hsv – FC St.Pauli 0:1 (0:0)
Tor: 0:1 Gerald Asamoah (59.)
Zuschauer: 57.000, (ca. 7.000 Derbysieger)
Der 03.September 1977 hat ausgedient, der 16.Februar 2011 hat ihn er- und eine komplette Stadt in Aufruhr versetzt.
Was soll ich schreiben, Ihr wart sicher alle wahlweise in der Arena-der-vielen-Namen oder am Millerntor beim Public Viewing oder habt es sonst irgendwo auf Sky oder am AFM-Radio verfolgt.
Ihr habt sehr wahrscheinlich auch noch immer (es ist heute Dienstag, also Tag Sechs nach dem Derbysieg) ein leicht debil anmutendes Restgrinsen im Gesicht. Ihr habt eventuell vorhandene Avatare im St.Pauli Forum, auf Twitter oder Facebook oder in sonstigen Medien durch Bilder von Bene und der Eckfahne oder der Anzeigentafel oder wasweißichdenn ersetzt und die Arbeitskollegen durch permanentes Glücklichsein zur Weißglut getrieben. Und noch immer fühlt es sich gut an.
Ich kann es nicht verhehlen, dieser Sieg war der schönste meiner bisherigen Fankarriere. Kein Aufstieg, kein umjubelter Klassenerhalt, kein Sieg gegen Hansa Rostock war so emotional wie dieser 16.Februar 2011. Und es ist mir auch scheißegal, wenn die hsver jetzt Leserbriefe an die Mopo oder das Abendblatt schreiben, in dem sie versuchen uns zu bedauern, weil wir uns über einen Sieg so freuen und wie erbärmlich das denn für unsere Vereinsgeschichte sei.
Wir sind der Verein, der noch nie einen Titel geholt hat (Oddset-Cup und Hallenturniere mal außen vor) und der trotzdem in ganz Europa bekannt ist. Vielleicht nicht bei jedem Sportjournalisten oder Tribünenhocker, aber doch bei den meisten Leuten die mir wichtig sind, nämlich denen in den Kurven. Wir definieren uns (sportlich) über krude Fixpunkte wie einen Sieg 1977, der trotzdem mit einem Abstieg endete, oder einem Sieg am 6.Februar 2002, der unzählige T-Shirts produzierte aber auch in einem Abstieg endete. Und diese Reihe getoppt hat jetzt eben dieser Sieg in Bahrenfeld an diesem kalten Februarabend, der uns allen auf ewig unvergesslich sein wird.
(Nachtrag, Monate später: auch diese Saison endete mit einem Abstieg – so what?)
Und mal ehrlich: Wenn Ihr, liebe hsver, uns denn wirklich so mitleidig belächelt und wir Euch ja angeblich so furchtbar egal sind: Warum macht Ihr Euch dann vorab so eine Mühe um dieses Spiel, empfangt den Mannschaftsbus und bereitet so eine (durchaus beeindruckende) Choreo vor? Und warum kündigt CFHH dann nach dem Spiel jede Unterstützung vorerst auf? (By the way: Haben die auch nen Fanclub „Alte Schule“ oder wurde da unterwandert?)
Nein, den „Irrelevanter Verein vom Hafenrand„-Part könnt Ihr Euch sparen, das glaubt Euch ab sofort keiner mehr. Und das wir Euch sogar so weit gebracht haben, am folgenden Wochenende einen durchaus imposanten 4:0-Sieg gegen Euren zweiten Lieblingsfeind aus Bremen nicht genießen zu können, freut uns natürlich auch sehr.
Und wo ich grad dabei bin: So ein schmutziger und auch ziemlich unverdienter 1:0 Deppensieg bei gefühlten zwanzig vergebenen Großchancen des Gegners ist doch auch viel schöner als ein ungefährdetes 3:0, das muss man ganz klar so sagen. Lediglich ein in der Nachspielzeit im Nachschuß verwandelter unberechtigter Handelfmeter zum Sieg wäre irgendwie noch runder gewesen.
Die vergangenen Tage hätte man sich eigentlich frei nehmen müssen, um den ganzen Tag auf YouTube, Facebook und im Forum stöbern zu können. Auch das Lesen im hsv-Forum war ein steter Genuß. (Nein, selber schreiben musste man da nicht, das Lesen reichte völlig.)
Auf dem Weg die Betonstufen der ehemaligen AOLA herunter sagte eine Person (Name dem Autoren bekannt): „Ich glaub morgen verschenke ich im Forum meine Dauerkarte! Was soll denn jetzt bitteschön noch kommen?“ Der als Antwort sofort einsetzende „Oirobbaboggaaaaaaaaaal„-Gesang war zwar nicht ganz ernst gemeint und dürfte sich dieses Jahr auch nicht mehr erfüllen, aber unterm Strich ist es schon so.
Klar, es gibt noch ein paar Szenarien an denen man sich abarbeiten könnte (Heimsieg gegen den hsv am Millerntor, Abstieg des hsv, den hsv aus dem Pokalhalbfinale werfen, Pokalsieg in Berlin gegen den hsv oder Hansa Rostock, Europapokalsieg gegen wen auch immer), aber bis auf weiteres dürfte dieser Tag den größten Erfolg der Vereinsgeschichte darstellen.
Und ja, das mag aus Sicht des Stadtrivalen bemitleidenswert sein, aber solange dieser immer noch einen Pokalsieg gegen die Stuttgarter Kickers vor zig Jahren oder ein 4:4 gegen Juve abfeiert, können wir sicher ganz gut damit leben.
Wie schon beim Gladbach-Heimspiel gab es hinterher viel Theater um einen Spieler des FC und um Pyro, dann wollen wir mal:
Benedikt Pliquett
Groß – Ar – Tig!!!
Ich geb ja zu, ich war beim Warmmachen der Mannschaft gedanklich noch woanders und habe daher laut losgelacht, als die Videowand bei der Aufstellung Bene ins Tor setzte. „Nicht mal die Mannschaftsaufstellung vorlesen können die Spinner!“ waren meine Worte. Kopfschüttelnd lächelte ich auf den Rasen hinunter und sah dort Kessler zwischen den Pfosten, beim Abschlussbolzen mit den Spielern, welches in der Regel der Ersatzkeeper über sich ergehen lassen muss/kann/darf. Großes Erstaunen, ungläubige Blicke um mich rum… aber dann:
„Natürlich… wenn hier einer heiß wie Frittenfett auf das Spiel ist, dann Bene! Großartig, Stani, geile Aktion! Wenn das gut geht, ist er der Held!“
Wie wir wissen, ging es gut und Bene hatte zwar nicht überragend viel zu halten, da die dicksten Chancen auf Mann (Oi oi oi) oder am Tor vorbei gingen (Ben-Hatira und Ze Roberto), aber auch dafür braucht es ja gutes Stellungsspiel. Und zwei-drei Dinger hat er eben doch auch sehr gut rausgefischt.
Das einzige, was man an dem Tag an Bene kritisieren konnte, war sein Oberlippenbärtchen… welche beschissene Wette hatte er da denn verloren? Aber das dürfte ihm sicher herzlich egal sein, ebenso wie die künstliche Empörung des MOPO hsv-Kolumnisten Sven Töllner, der doch mit der „Bogenschützen-Geste“ und dem Umtreten der Eckfahne beim Jubeln den Rahmen des Erlaubten als gesprengt ansah.
Ist klar… da fordert man immer echte Typen, die sich mit ihrem Verein identifizieren und nicht so aalglatte abgelegte 08/15-Interviews von austauschbaren Söldnern, und wenn dann mal einer wirklich zeigt wie geil so ein Sieg sich für ihn anfühlt, ist es gleich wieder zuviel Emotion.
Nichts da, geile Sache Bene, we love you! Wäre doch gelacht, wenn Du es damit nicht auch zum zweiten Mal in der ÜS-Geschichte aufs Cover schaffst *hust*. Auch der ansonsten von mir doch recht geschätzte hsv-Blog von nedfuller bezeichnet diese Geste gegenüber Petric zunächst gar als asozial, einigt(?) sich dann später in den Kommentaren aber immerhin auf grob unsportlich. Hmmm… nee, trifft dann eben doch exakt mein Humorzentrum. Umgekehrt hätte ich es auch verstanden, wenn im Falle eines Heimsieges der Jarolim oder Frank Rost sich irgendwie „lustig“ gefreut hätten, denn genau dies zeigt doch auch, dass man mit dem Herzen am Verein hängt und nicht nur Dienst nach Vorschrift leistet. Oder ärgert es die hsver deswegen so sehr, weil sie sich so schwer vorstellen können, dass sich in den eigenen Reihen jemand so sehr mit dem eigenen Klub identifiziert? Angenommen, ein CFHH oder Poptown-Mitglied schafft es irgendwann in den hsv-Profikader… soll der dann nach einem Sieg gegen uns nur kurz zur La Ola in die Kurve und dann brav vor den Mikros erzählen, dass das für ihn auch nur drei Punkte waren und die Konzentration ab sofort dem nächsten Spiel gilt? Nee, Leute… das war Benes Tag und sowohl das T-Shirt, Pfeil & Bogen als auch die umgetretene Eckfahne (in deren Loch Ebbers übrigens später noch die St.Pauli Fahne steckte), kamen 1:1 authentisch rüber und absolut vom Herzen, weil Bene eben auch wirklich Fan dieses Vereins ist und sich mit den Fans identifiziert.
Als „schönstes“ Gegenbeispiel fällt mir übrigens grad noch Marinus Bester ein! Der schoß einst gegen unser Amateurteam ein Tor, trug aber unter dem Trikot seines damaligen Vereins ein hsv-Shirt und präsentierte das uns frustrierten Zuschauern. Klar, sorgte nicht für Beifall (sondern nur später für ne Bierdusche) aber ich fand das zumindest bemerkenswert, dass jemand da so zum Verein seines Herzens steht und eben nicht „asozial“.
Gleiches gilt für den „Praktikanten“ Bastian Reinhardt. Sein sky-Interview, mit dem Wunderschönen Zitat „Wenn ich sehe, wie die St.Paulianer hier in unserem Stadion feiern, könnte ich kotzen!“ dürfte den meisten echten hsv-Fans aus der Seele gesprochen haben. Meine Mutter hingegen war regelrecht empört, sowas dürfte man doch wohl bitte nicht sagen, wie unprofessionell sei denn das…
Ja, mag sein. Aber es kam von Herzen und war nicht durch einen Medienberater weichgespült, also ein ähnliches Ding wie bei Lehmann letzte Woche. Und solche Interviews sind mir eben wesentlich lieber, als ein „Ja, gut, äh… wir sind nach dem Treffer nicht mehr so ins Spiel gekommen. Glückwunsch an St.Pauli, freut mich, ist ja auch ein Hamburger Verein!“-Gelaber. Drecksgewäsch, ein bißchen Kotzen gehört zu so nem Derby eben auch dazu, ansonsten wären wir wieder bei den rosa Tütüs (schreibt man das so?) von Rost aus dem Hinspiel.
Aber gut, man muss das auch nicht totdiskutieren, ich habe meinen Standpunkt wohl vermitteln können.
Pyro und Polizei
Ich habe ja im Gladbach-Text schon einige grundsätzliche Gedanken meinerseits geäußert, die ich hier gerne nochmal zusammenfasse:
Meine Einstellung zu Pyros ist eher neutral. Ich mag die nicht besonders und würde sicher auch selber nie welche abbrennen, ich find die Geruchsentwicklung bei einigen eher scheiße und ich hasse es, wenn Leute damit hantieren, die davon keine Ahnung haben und dann womöglich auch noch andere damit in Gefahr bringen.
Auf der anderen Seite finde ich schon, dass es meistens geil aussieht (YouTube Beispiele aus Österreich, Schweiz, Ex-Jugoslawien und diversen anderen Ländern gibt es genug) und ich kann auch wunderbar damit leben, wenn es bei besonderen Anlässen (und ein Derby ist so einer, insbesondere wenn um 19.10h auch noch gespielt wird) zum Einsatz kommt. Voraussetzung ist natürlich, es machen Leute die damit einigermaßen umgehen können, auch dies sehe ich bei uns aber als gegeben an.
Klar ist auch: Egal ob man Pyros gut oder scheiße findet, derzeit sind sie nicht erlaubt, mit den Konsequenzen muss daher jede Einzelperson ggfs. leben. Und wie im Gladbach-Text erwähnt, muss man das dann auch nicht übertreiben, irgendwann sind Verein/Ordnungsdienst/Polizei eben leider auch gezwungen zu handeln. Andererseits erwarte ich hier, wie in allen Lebenslagen, von der Polizei auch ein den Umständen entsprechendes und angemessenes Verhalten.
Soweit meine leicht indifferente Haltung zum Gesamtkontext.
Konkret zum Mittwoch: Die Erfahrung zeigt, dass ein sinnloses durch den Block stürmen, wie von diversen Augenzeugen am Mittwoch Abend berichtet, selten hilfreich ist und zur sofortigen Gegenreaktion führt. Im oberen Bereich des Blocks ging es wohl noch, umso weiter man nach unten kam desto größer wurde die Gegenwehr, wenig überraschend. Solange also nicht übermäßig gezündelt wird (ich weiß, viel Ermessensspielraum), würde ich als „Polizei“ immer draußen bleiben und die per „Videobeweis“ identifizierten Leute bequem nach dem Spiel oder meinetwegen auch in der Halbzeit oder am Bierstand rausfischen, um eine Eskalation im Block selbst zu vermeiden.
Da dürften sich diejenigen aus meiner Sicht dann auch nicht mehr großartig drüber beschweren. Tun sie natürlich trotzdem und es kann immer noch zu einer leichten Eskalation kommen, aber zumindest sind weit weniger „Unbeteiligte“ als bei dem Eindringen in den Block während des Spiels. Das die Hamburger Polizei dazu grundsätzlich bereit ist, hat deren Auftreten am Millerntor ja beim Gladbach Spiel gezeigt, wo man die Gäste zunächst gewähren ließ und erst nach dem dritten oder vierten Bengalo einschritt, als sich zudem auch noch Leute aus dem Block beschwert hatten. Und selbst da wurde, wie User „Stefan“ (den ich persönlich kenne und der weit davon entfernt ist ein Ultra oder Pyromane zu sein) in den Kommentaren des letzten Blogs schrieb, verhältnismäßig ruhig rein gegangen, was am Mittwoch eben auch anders war. Klar ist dann „Deeskalation“ auch kein Wort, was man für das Verhalten der Fans im Block verwenden kann, aber das darf wohl auch nicht erwartet werden.
Anders war übrigens die Situation im Sitplatzbereich von 14B. Die Polizei kam an den Gängen herunter, postierte sich und griff dann die entsprechende Person gezielt, kurz und knapp heraus, danach war Ruhe. Ich kann nicht beurteilen, ob die Person die Richtige (im Sinne von Verursacher) war, aber vom gesamten Ablauf her und in der Annahme, dass sie das Auswerten der Videobilder beherrschen, war dies eine Aktion, gegen die ich nicht viel einwenden kann. Klar ist aber auch, dass dies eben viel einfacher in einem von zwei Gängen umrahmten Sitzplatzbereich ist, als in diesem kleinen Schlauch von Stehplatzblock. Und da würde ich mir eben von der Polizei mehr Blick auf die Verhältnismäßigkeit wünschen… und bevor jemand fragt: Nein, ich glaube nicht mehr an den Weihnachtsmann.
Da ich aber auch keine Lust habe, diesen Beitrag über diesen wunderbaren Tag mit einem derart bescheidenen Thema abzuschließen, hier ein Video, welches ich in den letzten Tagen gefühlte Tausend Mal angesehen habe:
[youtube http://www.youtube.com/watch?v=829MsyOIUas]
Danke Thees, für diesen Song!
Danke Jungs, für diesen Abend!
Danke Trainerteam, für diese Jungs!
Danke, FC St.Pauli… und ich weiß, warum ich hier stehe! // Frodo
Links für die Ewigkeit:
– Bildergalerie im Abendblatt
– Bilder Stefan Groenveld von Bene
– Bilder Stefan Groenveld allgemein
– Bilder auf fcstpauli.com
– Bilder von USP
– Bilder und Bericht beim „kleiner Tod“
– Bericht aus der Sicht eine Weintrinkers
– Bericht bei pathos93
– Bericht auf der BreitSeite, Best of hsv-Forum, was für eine Fleißarbeit, Danke!
– Bericht beim Lichterkarussel
– Bericht bei Neunzehnhundertzehn
Und weil es so schön ist:
– Kicker Bericht
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