Support

Seit 1977 bin ich bei den Spielen unseres magischen FC dabei.
Also, genau genommen seit dem 3. September 1977. (Für die Jüngeren unter der Leserschaft: Es war der erste Bundesligasieg der Braun-Weißen über die Rauten). Eine wirkliche “Fanszene” gab es damals noch nicht.
Der Support beschränkte sich auf das Schwenken von kleinen, selbst genähten braun-weißen Fahnen und den gelegentlichen “Schlachtgesängen”:
“Tor, Tor, Tor – St. Pauli vor!”

Klare Ansage…!
(Foto: ÜS-Archiv / Ronny)

1987/88 nahm das Ganze mit dem Aufstieg in die Bundesliga natürlich an Fahrt auf. Zumal einige aus der linksautonomen Szene den Fußball – und natürlich stadtteilbezogen – das Millerntor für sich entdeckten. Plötzlich sahen sich “Punks, Autonome und sonstiges Gesocks” (“Blöd”-Zeitung) die Spiele auf den Traversen der meist matschigen Stufen der Gegengeraden an. In der Nordkurve standen ein paar Rocker und auf der Haupttribüne streichelten Zuhälter ihre Schoßhündchen.

Nicht, dass es in der Szene “hip” war, zum Fußball zu gehen. Wie oft gab es unverständliche Blicke im besetzten Haus, wenn mittags zum Plenum aufgerufen wurde und ich erklärte, “da kann ich nicht, um 15:30 Uhr ist Anpfiff.” Aber nach und nach wuchs die Gruppe der größtenteils schwarz Gekleideten in Höhe der Mittellinie. Der “Schwarze Block” im Stadion war geboren.

Das Millerntor kurz vor dem Anpfiff
(Foto: Hossa)

Durch diverse Demos war man geschult, was Parolen grölen betraf, doch wie ging das im Stadion?
Vor allem sollte es ja anders sein, als die dumpfen Gesänge, die man aus der Sportschau kannte.
Es entwickelte sich der von mir heißgeliebte Begriff des “spiel-situationsbezogenen Supports”! Juhu!!!

Weiß irgendwer, warum heute bei Ecken für den FCSP alle mit ihren Schlüsselbunden klimpern? Nein! Eben. Aber ich kläre auf:
Es war in den 1990ern: Der Stadionsprecher verkündete, dass ein Schlüsselbund gefunden wurde und nun alle Zuschauer aufforderte zu kontrollieren, ob sie ihren eigenen noch hatten. Zeitgleich gab es eine Ecke für Braun-Weiß. Also hielten alle ihre mehr oder weniger dicken Schlüsselbunde hoch und klimperten, um anzuzeigen, “Huhu, ich habe meine Schlüssel noch.” Aus der Chance nach dem Eckball wurde übrigens nichts.

Ein weiteres Highlight: Kurz nach der Wende. Heimspiel gegen einen Club aus den neuen fünf Bundesländern. Freistoß aus knapp 20 m für unsere Helden und der Gegner stellt – logischerweise – eine Mauer. Gegengerade: “DIE MAUER MUSS WECH!”
Zwei Minuten später: Freistoß für den Gegner. Gegengerade: “DIE MAUER MUSS HER!” Herrliche Ironie. Fantastischer Wahnsinn. Bester Support!
Nicht, dass wir das Geschehen auf dem Rasen nicht ernst genommen hätten, – aber wir hatten eben auch noch viel Spaß dabei.

Heute ist alles ritualisiert. Beginnend mit dem berühmten “Ablaufplan”, den u. a. Stadionsprecherin Daggi liebt und gleichermaßen hasst, weiter zum “Herz von St. Pauli” und dann eben “Hell’s Bells”. Ich mag alles – versteht mich nicht falsch!

Unbekannte Flugobjekte über der Süd…
(Foto: Svenja Rheinländer)

Und bevor ich jetzt über die Südkurve “schimpfe” noch eines: Ich bin seit 2004 dank Ben und Witte Ehren-USP-Mitglied.” Dennoch: Das ewig gleiche “La-La-La-La” und vor allem die Trommeln machen mich im Stadion echt kirre. Ich stehe zum Glück in der GG/Ecke Nord und dort ist teilweise wieder eher der kreative und Spiel-situationsbezogene Support zu hören. Weiter so!

Natürlich ist es auch total geil, wenn “Ooooooohhhhh, wir sind Sankt Pauli”, “Wir woll’n dich siegen seh’n”. Und dann “das ganze Stadion singt und tanzt für dich, unser Ein und Alles, ja wir lieben dich” angestimmt wird und durchs Stadion schwappt. Auch “We love Sankt Pauli (…) and hate the Volxpark-Bastards” geht gut.
Aber bitte nicht, wenn wir 0:2 gegen XY zurückliegen!

Paaaadie!
(TV-Screenshot/Hossa)

Da, – liebe Koordinatoren*innen auf dem Zaun der Südkurve – rate ich euch, doch ab und an auch mal einen Blick aufs Spielfeld zu werfen, um dadurch eventuell zu erahnen, welchen Support die Mannschaft gerade (durch das ganze Stadion!) braucht.
// Hossa

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