14.Spieltag (A) – SV Werder Bremen

„Auswärtstour nach Bremen: Busfahrt mit der Alten Schule!“
Was die meisten hier wahrscheinlich wie einen ganz normalen, internen Fan-Forums-Thread lesen würden, verwursten die spärlich zappelnden ZNS-Reste, unter der ansonsten bekanntlich hohlen Schädeldecke von Gehirn-amputierten Szeneasten, umgehend in Horrorszenarien Armageddonischen Ausmaßes. Tobt doch seit geraumer Zeit, fast unbemerkt von der heilen St.Pauli-Fanwelt, ein mitunter erbitterter Streit zwischen zwei der einflussreichsten Fanclubs unseres Stadtteil-Vereins. Auf der einen Seite eine ätzende Zusammenrottung von unwürdig alt-gewordenen, linksliberalen Spießern, Freizeit-Revoluzzern und ach-so-super-kreativen, arbeitslosen Ex-Studenten. Und auf der anderen Seite eben diese Alte Schule.
Öh… auf jeden Fall geht der Ursprung dieses Zoffs auf einen Chant zurück, in dessen Strophen die AS über Monate hinweg jeden namhaften Fanclub mit überspitzt vertonten Klischees disste und uns, die G.A.S., dabei u.a. als „Punkimitate“ verunglimpfte. Das schien lange Zeit wohl niemanden weiteren zu stören, bis zum Spiel in Hannover! Die dreistündige Autobahnfahrt zum damaligen 1:0-Auswärtssieg benötigten nutzten die G.A.S.ler an Bord zum Einstudieren eines 2x 4-Zeilen langen Anti-Alte-Schule-Song, der seine Wirkung auch wahrlich nicht verfehlte. Denn seit dem kommt es nun praktisch bei jedem Aufeinandertreffen beider Fanlager am Rande von Fußballspielen des FC St.Pauli zu massiven, gegenseitigen Anfeindungen. Über kurz oder lang wäre es wahrscheinlich wirklich zu dem Ackermatch in der Lüneburger Heide gekommen, womit beide Seite zuletzt kokettierten. Soviel erstmal zu den Hintergrundinfos. Und mit diesen Leuten sollten wir uns jetzt in einen, während des Betriebes wohl gemerkt meistens verriegelten, 57-Sitzer quasi einsperren lassen? Bis nach Bremen?? Haben die Organisatoren dieser Tour denn nie den Film „Das Experiment“ gesehen? Nun denn. In unfassbar weiser Voraussicht konterte die Gehirn-amputierte Szene am letzten Sonntag sämtliche, mit unterschwelligen Beleidigungen versehenden Falschangaben der korrekten Abfahrtszeit, die seit einer Woche allerorten von den anderen verbreitet wurden, NICHT. Im Gegenteil: zum Entsetzen Erstaunen der Randale-Abfahrtsbereiten Altschüler_innen bekam jede_r von ihnen vor dem Einsteigen ein liebevoll verpacktes, kleines Präsent in die Hand gedrückt. Damit war die verpestete Luft schon vor dem Schließen der Bustüren raus und den Rest der entspannten Hinfahrt schmollten die meisten der Stress-hungrigen ASler vorne nur noch auf ihren knapp 2,5 Jahre alten frischen Vollmilch- oder Trauben-Nuss-Schokolade-Rum. Der Friedensplan ging auf. Kilometer für Kilometer lockerte sich danach auch die Anfangs noch arg gereizte Stimmung und als sich dann bereits bei der ersten Pinkelpause lautstark über den hässlichen Mietbus der Skinheads lustig gemacht werden konnte, folgte kurze Zeit später sogar schon ein Gruppenfoto. Wenn auch strikt getrennt von einander. Was vor kurzem noch undenkbar gewesen ist, wurde nun sogar weitestgehend begrüßt und man stimmte sich irgendwann auch zusammen auf das wichtige Match im eiskalten Bremen ein, wo wir bereits gegen 13 Uhr eintrafen. Kurz vor den oben rum Freezierten übrigens. Bis zum Anpfiff um 15:30 Uhr irrten wir dann aber erst einmal alleine, auf der Suche nach einer bestimmten Kneipe, durchs Bremer Viertel. Auf dem Rückweg von dem netten Schuppen trafen wir dabei doch tatsächlich auf einen Haufen alt bekannter Hackfressen, die mit den selben Suche-Karte-Pappschildern wie am Millerntor, scheinbar auch hier vor Ort versuchen die Leute mit Schwarzmarkttickets abzuzocken. Nach kurzer, lautstark intonierten Begrüßung – inzwischen kennt man sich ja persönlich – ließen wir die grimmigen Gestalten einfach links liegen bzw. setzten sie von da an den interessierten Blicken der aufgeschreckten, umstehenden Menschenmassen aus. Kam deren dreckigem Geschäft garantiert nicht so entgegen. Am rappelvollen Gästeeingang schwenkte unsere gute Laune dann aber um. Vor einen der drei, aus Absperrgittern zusammen gestellten Trichter, quetschten auch wir uns zwischen die braun-weiß-roten Zuschauermassen und durften dort dann sage und schreibe fast 40 Minuten in der klirrenden Kälte warten. In willkürlichen Intervallen ließen die Ordner dienstbeflissen immer nur um die 30 Leute zur sorgfältigen Ganzkörperkontrolle durch. Und für unsereins ging es danach sogar noch zur privaten Extrabefragung durch 5 Sicherheitsleute in einen abgetrennten Nebenbereich. Ich sag mal so, mitunter kann es auch mal nerven für so eine bekannte Postille zu schrieben und allerorts erkannt zu werden. Aber ich möchte jetzt auch nicht arrogant klingen und solche Schattenseiten des Ruhms anprangern. Die dämliche Frage von dem neugierigen Oberförster, für was denn bitte schön die Initialen „G.A.S.“ auf meinem Doppelhalter stehen tun, hätte ich besser mal mit „Größenwahnsinnige Arschloch Security“ beantworten sollen. Nach meiner Gegenfrage „Sagen sie bloß sie kennen die Gehirn-amputierte Szene nicht? Einer der größten St.Pauli-Fanclubs auf St.Pauli überhaupt.“ bestand die beleidigte Leberwurst nämlich prompt noch darauf, den Innenraum meiner abgelatschten Vans zu durchforsten. Netterweise durfte ich es mir während dessen auch auf der bereitgestellten, nass-kalten Fußmatte gemütlich machen. In Socken versteht sich. Dabei bin ich mir immer noch sicher dass ich „Szene“ gesagt habe und nicht „Schuhe“.
Mittlerweile stand der Anpfiff kurz bevor, den einige wegen dieser Art und Weise der Einlasskontrollen garantiert nicht live im Stadion erlebt haben. Vor der Treppe zur Tribüne bekamen wir dann von allerlei bekannten Gesichtern deren Bier zum Mitverzehr angeboten, was wir auch echt zu schätzen wussten, nur hatte der Grund dafür leider nur bedingt mit Sympathiebekundungen zu tun. Die Mitnahme von Getränken auf die Tribüne wurde strikt untersagt. Ich kann mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern, jemals irgendwo so ein Schild vor einem Stehplatzrang gelesen zu haben, wenn überhaupt. Über die daran gleich anschließende Scheiße konnte ich dann auch nicht mehr lachen. Als wir im unteren Bereich des prall gefüllten Blocks, auf der Suche nach einem Platz mit einigermaßen gutem Blick auf’s Spielfeld, von den Ordner gezwungenermaßen über diverse Klappsitze und gefrorene Füße gescheucht wurden, setzte es eine Vielzahl von bösen Seitenhieben zweier junger Frauen, die ihren ebenfalls gefrusteten Vater „beschützen“ wollten. Oh, bitte vielmals um Entschuldigung, Majestät, aber wir haben deren völlig verkorksten Stadionumbau ganz bestimmt nicht zu verantworten! Während sich die erhitzten Gemüter wieder beruhigten, setzte Almeida seinen ersten von schlußendlich drei Tiefschlägen und das nicht mal eine Minute nach Anpfiff. Ich reg mich ja nur selten über das Sportliche bei unserem Club auf, aber von einer Bundesliga-Mannschaft, welche die Platzwahl verliert, sprich, Anstoß hat, darf man eigentlich erwarten, dass sie den Ball und damit das Spiel, zumindest erst einmal unter Kontrolle hat. Oder sind auch meine Ansprüche schon gestiegen? Nach dem kurz drauf entweder das Bremer Gehäuse, oder die Blitzbirne, die bei denen drin steht, etwas Zählbarem im Weg stand und nach einem Konter auch noch das 2:0 fiel, war das Spiel für mich eigentlich schon gelaufen. Zum Pausenpfiff hatte man nur wenig Hoffnung, dass unsere Mannschaft das eigene, teilweise gute Angriffsspiel heute irgendwann auch mal effektiv abschließen würde. Während der Halbzeit verließen wir aber erst einmal schleunigst unsere Scheißplätze direkt hinter diesem undurchsichtigen Monsterzaun und kletterten im USP-Block bis unter’s Dach, wo wenigstens nur ein überdimensionales Fangnetz, oder der ein oder andere Stützpfeiler die Sicht beeinträchtigte. Der SV Werder sollte diese 13€ teuren Tickets ganz unverblümt als die „billigsten Stehplätze der Bundesliga“ bewerben – sie würden ihre Gäste damit nicht mal verkackeiern. Ein Highlight gab es dann aber doch noch. Nach dem 3:0 und diversen, kläglichst vergebenen Großchancen inklusive einem Abseitstor, flog der dreifache Torschütze zurecht auch noch mit Gelb-Rot vom Platz, worauf im Westen des Weserstadions lautstarke „Jetzt geht’s loohooos!“-Rufe erklangen. Das Gelächter tat der angenagten Seele gut. Und weil ja eh alles egal war, folgten auch noch Klassiker wie „Auswärtssieg! Auswärtsieg!“, „Wir gewinnen sowieso!“ oder abermals das von den Skins irgendwann angestimmte „Always look on the bright side of life, dödöp dödöp dödöp“. Das war’s aus Bremen. Auf der Rückfahrt versuchten einige von uns noch zu der Chartbreakermucke aus alten Schulzeiten (Scooter, Culture Beat, Marusha) zu raven, oder wie man das Gezappel damals nannte. Bei einigen ASler_innen sah das teilweise sogar ziemlich Gehirn-amputiert aus, aber nicht weitersagen. An irgendeiner Raste klaute man dann traditionell wieder alle ausgelegten Landser-Exemplare, um diese gleich vor der Tankstelle zu entsorgen. Und kurz nach Dienstantritt des neuen Tatort-Kommissars aus Hessen verabschiedeten sich beide Fanlager freundschaftlich-friedlich von einander und verschwanden ganz entspannt wieder in ihrem Viertel…
Hach, und wenn sie nicht gestorben sind, dann verstehen sie sich noch heute.
Also bis demnächst… 😉
//Stemmen

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