Übersteiger: Moin Daniel, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst, uns ein paar Fragen zu beantworten.
Erzähl‘ unseren Lesern doch zunächst mal, wer die Lost Boyz Flingern ’99 (LBF) eigentlich genau sind und warum man vor unserem Gastspiel am Rhein ausgerechnet ein Interview mit Euch lesen sollte.
Daniel (LBF): Warum man ausgerechnet mit uns ein Interview lesen sollte kann ich Dir nicht sagen, Du hast schließlich uns gefragt!
Ich denke mal auf Grund unseres guten Verhältnisses und einer gewissen gemeinsamen Vergangenheit.
Abgesehen davon denke ich, dass es ganz schön ist, wenn man weiß, dass es uns noch gibt.
Als sich LBF 1999 gegründet haben musste man eigentlich im Rheinstadion nur auf zwei Dinge achten:
Dass man sich nicht nach der unsagbar furchtbaren Bratwurst erbricht und das man nicht im Block einschläft.
Die Fanszene war mehr oder minder tot, die Zuschauerzahlen waren schlecht und sportlich lief es eben auch entsprechend (nicht). Da es keine Perspektive gab, dass sich hier etwas ändern könnte, gründeten sich LBF um wieder etwas Leben in die Bude zu bringen.
Aber damals wurde man für Bengalos, Rauch und Pyro nicht sofort aus dem Stadion geworfen und als Krawallmacher abgestempelt, das war einfach anders.
Auch Doppelhalter und Schwenkfahnen gab es so bei Fortuna nicht.
Wir haben diese Stilmittel genutzt um die Fanszene wiederzubeleben, was auch mehr als gut funktioniert hat.
Ein Jahr später gründeten sich mehrere „ultra-orientierte“ Fanclubs und schließlich die Ultras Düsseldorf, bei denen LBF zwischendurch auch Mitglied waren.
Irgendwie haben wir in Düsseldorf den Stein ins Rollen gebracht und auch den jüngeren Leuten bei Fortuna die Subkultur mit Punkrock und gewissem politischen Engagement näher gebracht.
Dinge, für die wir zu Beginn in den eigenen Reihen angefeindet wurden, sind mittlerweile selbstverständlich geworden. Man trifft zahlreiche Fortunen bei Konzerten und Veranstaltungen, bei denen es vor 10 Jahren noch hieß „Was wollt Ihr mit dem Scheiß?“
Da auch wir mittlerweile älter geworden sind, teilweise eigene Familien gegründet haben, sind wir etwas in die zweite Reihe gerückt und ruhiger geworden, aber unseren Idealen sind wir immer treu geblieben. Durch LBF habe ich Menschen kennen gelernt die ich nicht mehr missen und eigentlich auch zu meinen engsten Freunden zählen möchte.
Uns gibt es auch nach 13 Jahren noch und man kann uns nach wie vor im Stadion antreffen.
ÜS: Beginnen wir mal mit dem Sportlichen: Die Saison sah ja lange für Euch wie ein Selbstläufer aus. Nach dem 18.Spieltag hattet Ihr sechs Punkte Vorsprung auf Platz vier und aus acht Heimspielen acht Siege geholt. Es folgte das 2:3 gegen den SC Paderborn, mit dem es dann in die Winterpause ging. Gingen da bei Euch die ersten Alarmleuchten an, oder fiel das noch unter die Kategorie Ausrutscher?
Daniel (LBF): Bei mir persönlich gingen die „Alarmleuchten“ schon beim 1:1 in Bochum vor der Winterpause an. Wir haben mit viel Glück noch einen Punkt geholt obwohl wir schon klar auf der Verliererstrasse waren. Hier hatte ich das erste Mal das Gefühl das „die Luft raus ist“.
Allen Fortuna Fans war klar das man irgendwann auch mal wieder verlieren muss und so war es einmal mehr der Angstgegner aus Paderborn gegen den wir traditionell gerne mal Punkte lassen. Wenn wir jemals in einer Saison alle Spiele bis auf eines gewinnen sollten, dann verlieren wir das eine mit Sicherheit gegen Paderborn.
Schön das es mit dem FC St. Pauli wenigstens einen zuverlässigen Punktelieferanten für uns in der Liga gibt!
ÜS: Ich ruf Dich Dienstag an und lese Dir den Satz nochmal vor…
In der Rückrundentabelle hat es bisher erst zu zwei Siegen und sechs Unentschieden gereicht, der Niederlage gegen Paderborn folgte aber nur noch eine weitere bei 1860. Trotzdem seid Ihr damit tatsächlich noch drei Punkte schlechter als wir und nur auf Platz 10. Spricht irgendwas dagegen, dass wir am Montag Euer siebtes Rückrunden-Unentschieden sehen?
Daniel (LBF): Ja. Nämlich das wir zu Hause trotz allem besser sein werden als Ihr auswärts!
Abgesehen davon gebt Ihr in Düsseldorf ja gerne mal Punkte ab. Zumal wir Euch ja schon am Millerntor ziemlich klar abgefiedelt haben.
Wenn man sich mal überlegt, dass wir eine Rekordsaison spielen und es oben dennoch so eng ist, dann spricht das doch für die Qualität in der Zweiten Liga und wie stark die Spitze dieses Jahr besetzt ist.
ÜS: Es kann einem ja aber auch wirklich Angst und Bange werden, schließlich fangt Ihr jetzt ja sogar an, Eure in schöner Regelmäßigkeit herbeigeschwalbten Elfmeter zu verschießen, ohne die Ihr Euch ja eher in Tabellenregionen des FC Hansa befinden würdet. Warum war der Rösler eigentlich nicht für einen Oscar nominiert? Schlechtes Marketing?
Daniel (LBF): Ich muss sagen, dass mir das HickHack um Rösler langsam wirklich auf die Nerven geht. Nach unserem Aufstieg hat man Glückwünsche aus ganz Fußballdeutschland bekommen in denen es hieß „Schön das Ihr wieder da seid“, mittlerweile scheinen wir einer der unbeliebtesten Vereine zu werden, und ich denke hier hat Armin Veh eines seiner Ziele erreicht.
Ich weiß nicht wie viele Fortuna Spiele die Leute gesehen haben, die sich immer über Rösler echauffieren, aber der Kicker hat sich mal die Mühe gemacht die Elfer für Fortuna zu analysieren und kam auf zwei unberechtigte Elfmeter. Das sagt doch schon alles.
Fortuna hat jahrelang schlichtweg Scheiße gespielt und es macht mich wirklich wütend, dass durch solches dämliche Gerede eine wirklich starke Saison durch den Dreck gezogen wird und richtig gute Leistungen geschmälert werden. Wir waren in sehr vielen Spielen überlegen und einfach die bessere Mannschaft, und genau deswegen haben wir entsprechend gepunktet. Mir fällt auch der ein oder andere Elfmeter ein, der uns klar verweigert wurde.
Wenn Anderson (Eintracht Frankfurt, d.Red.) in der 90. Minute versucht, im Strafraum Furuholm das Trikot auszuziehen, dann ist das schlichtweg dämlich. Schade das Veh nicht auf seiner Bank kollabiert ist, aber er stand zumindest kurz davor.
Außerdem darf man nicht vergessen, dass Rösler auch viele und entscheidende Tore für uns geschossen hat. Seine Art mag nicht jedem liegen, aber er ist einfach einer unser wichtigsten Spieler.
Gegen St. Pauli hat es in der Hinrunde übrigens auch ohne Elfmeter gereicht.
ÜS: Machen wir den vorsichtigen Übergang zum Thema Fans: Gibt es bei Euch auch die Fraktion, die einen Aufstieg gar nicht unbedingt so positiv sieht? Bei uns gibt es einige, die einen Verbleib in Liga zwei als gar nicht so schlimm ansehen, da die Kommerzialisierungsspirale in der ersten Liga natürlich deutlich schärfer angezogen wird und die Tickets noch schwieriger zu bekommen sind. Von dem (zumindest gefühlt) besseren Status durch mehr Siege als Niederlagen ganz zu schweigen. Und bei Eurer Stadiongröße wäre da natürlich auch noch das böse Thema Modefans.
Daniel (LBF): Natürlich hatte der Aufstieg auch für uns Licht und Schatten.
Fortuna stand vor Kurzem noch vor der Insolvenz und mit einem Bein im Nichts, insofern haben der Aufstieg und die damit eingehende Finanzspritze uns schlichtweg den Arsch gerettet. Auch durch den Erfolg im DFB-Pokal in diesem Jahr ist Fortuna das erste Mal seit über 10 Jahren schuldenfrei.
Natürlich haben mit dem Aufstieg auch wir viele Modefans bekommen, die sich gerade jetzt über alles aufregen und nach einem Unentschieden gegen Aachen oder Braunschweig auch mal pfeifen, aber die Fans, die sämtliche Höhen und Tiefen der letzten Jahre miterlebt haben, erfreuen sich nach wie vor an der besten Saison der Fortuna-Geschichte und genießen es auch, mal wieder gegen sogenannte „große Namen“ zu spielen.
Als Vereinsmitglied und Dauerkarteninhaber hat man eigentlich kaum Probleme an Karten zu kommen, gerade beim Pokalspiel gegen den BVB hat der Verein sich für die Unterstützung seiner Fans bedankt und diesen ein großzügiges Vorkaufsrecht eingeräumt. Grade hier haben zumeist die Modefans in die Röhre geschaut oder teuer bei ebay gekauft.
Ich denke aber auch, dass wir viele „echte“ neue Fans dazu gewonnen haben und die Fans, die vielleicht erst in der Oberliga mit Gegnern wie Velbert, Düren oder Bergisch-Gladbach dazu gekommen sind, werden endlich für ihre Geduld belohnt.
Gerade für diese Leute freue ich mich.
ÜS: In der Winterpause gab es das Fanclub-Hallenturnier, bei dem sich ein Fanclub durch Thor-Steinar-Klamotten „hervortat“ und die „Hypers“ daraufhin ihre Mannschaft zurückzogen. Eine Reaktion des Fanclub Dachverbands bzw. der Turnierveranstalter blieb aus und die Hypers sowie der Fanclub Metalheads traten daraufhin aus dem Supporters Club aus. Wie habt Ihr den Vorfall als solchen bzw. die Folgen seitdem mitbekommen?
Daniel (LBF): Ich kann ehrlich gesagt nicht viel dazu sagen, da ich von der Geschichte nur am Rande gehört habe und selber nicht dabei war.
Das bei Fortuna in der letzten Zeit wieder vermehrt Rechte versuchen Fuß zu fassen, ist allerdings kein Geheimnis.
Aber durch eine klare Positionierung der Kurve gegen Rassismus und Faschismus und entsprechende Unterstützung durch den Verein mache ich mir nicht wirklich Sorgen, dass die Fanszene nach rechts rutscht.
Gerade unsere Ultras machen sich in Fußballdeutschland nicht viele Freunde, da sie sich ganz klar gegen Nazis aussprechen. Ich kenne nicht viele Szenen die das in dieser Deutlichkeit in unserem Land tun.
Wir werden ja mittlerweile gerne mal mit „Ihr seid ja schlimmer als (St.) Pauli“ „beschimpft“.
ÜS: Oha, da müssen wir dann ja auch aufpassen, so geht das natürlich nicht.
Und wo wir grade beim Thema Rassismus sind: Der natürlich nicht hinnehmbare Wechsel Eures Abwehrstars Lukimya zum 1.FC Köln hat nicht nur verständliche Empörung ausgelöst, sondern auch verbale Ausfälle einiger. Insbesondere in der scheinbaren Anonymität auf Facebook, wo sich auch beim FC St.Pauli in der Kommentarspalte der offiziellen Vereinsseite oft Abgründe auftun. Wie habt Ihr die Diskussion verfolgt und wie empfandet Ihr die Reaktionen beim Heimspiel gegen Braunschweig am vergangenen Samstag?
Daniel (LBF): Der Wechsel in die verbotene Stadt hat natürlich allen Fans sehr weh getan.
Luki war einer der besseren Verteidiger die wir in den letzten Jahren hatten und hat sich immer 100% den Hintern für Fortuna aufgerissen. Gerade der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Wechsels und die Begründung sind mehr als unglücklich gelaufen und man kann vermuten das Luki hier einfach ganz schlechte Berater hatte.
Die Frage nach der „besseren sportlichen Perspektive“ hat der FC K**n durch sein 1:6 gegen Dortmund kurz danach ja eindrucksvoll beantwortet.
Interessant wird es, wenn wir tatsächlich noch in die Relegation gegen den FC kommen sollten.
Ich war gegen Braunschweig leider selber nicht im Stadion, da ich arbeiten musste, wie ich gehört habe gab es hier jedoch keinerlei rassistische Ausfälle und auch ein entsprechendes Spruchband hat für Klarheit gesorgt.
„Luki Du wurdest schlecht beraten – mit dem Wechsel hast Du uns verraten – kein Fußball den Rassisten“ war hier zu lesen. (Anm. d. Red: Klick)
Bei der Mannschaftsaufstellung wurde er ausgepfiffen, es gab die bekannten „Cologne, Cologne, die Scheiße vom Dom“ Gesänge, was ich auch legitim finde, das war es dann aber auch.
Man wird leider nie verhindern können dass sich Spieler geschmacklich verirren, so ist das halt im Profifußball. Mit den Allofs-Brüdern hatte Luki ja auch leider prominente Vorbilder.
Umso schöner, das sich im Gegenzug Axel Bellinghausen für sein Herz und zu einer Rückkehr nach Düsseldorf entschieden hat. Hier haben sich wirklich alle über diese Nachricht sehr gefreut.
ÜS: Ja, der und der Rösler in einem Team, ein Traum…
Zum unvermeidlichen: Das inzwischen schon acht Jahre währende Transpi-Battle der LBF mit den Feuchten Bibern schaffte es beim Hinspiel am Millerntor ja sogar in die Stadionzeitung und hatte dann seinen letzten Höhepunkt mit dem unverbindlichen Slogan: „Alles kann – Nichts muss!“. Darf sich das geneigte Publikum am Montag auf eine niveauvolle Antwort Eurerseits freuen?
Daniel (LBF): Natürlich. Für Niveau + Stil waren LBF doch eigentlich immer bekannt!
Ich hatte eigentlich von den Bibern etwas mehr „Frechheit“ erwartet, aber auch Ihr werdet anscheinend langsam ruhiger und altersmilde…
ÜS: Wenn man schon Stangentanz im Stadion hat, ist es halt schwer noch zu provozieren.
Was möchtest Du abschließend den St.Pauli-Fans für Montag mit auf den Weg an den Rhein geben?
Daniel (LBF): Ich freue mich auf weitere unterhaltsame Spiele gegen St. Pauli, in welcher Liga auch immer und vielen Dank für die sechs Punkte in dieser Saison! 😉
Falls nicht können wir Euch ja auch noch einen Gefallen tun und ggf. den HSV in Liga Zwei schicken, wenn es denn nicht unser Wunschgegner K**n in einer möglichen Relegation wird.
Ihr freut Euch doch immer mit denen in einer Liga zu spielen.
ÜS: So sei es (bis auf die sechs Punkte). In einer Relegation dürften Euch die gedrückten Daumen der meisten am Millerntor sowohl gegen unseren Stadtrivalen als auch gegen Euren Lieblingsfeind sicher sein, denke ich.
Danke für das Interview und bis Montag! // Frodo