KIEZHELDEN – Social Marketing beim FC St.Pauli

Es ist seit ein paar Jahren der Running Gag: Kurz vor Erscheinen des neuen Trikots klingele ich telefonisch beim Herrn T-Shirt Verkäufer durch und sage ihm wahlweise, dass ich das neue Design schon als Foto oder als Video irgendwo im Netz gefunden habe.
Dementsprechend ging er auch dieses Mal mit zitternder Stimme ans Telefon, als ich zielsicher am Freitag, den 28.Juni, durch klingelte. War aber diesmal nichts “geleakt” worden, ich wollte nur zwei Tage vor der Präsentation mal nachfragen, ob die Trikots denn tatsächlich schon ohne neuen Trikotsponsor in Produktion gegangen seien.
Und siehe da: Nein, kein Sponsor drauf, aber was anderes. Und wenn ich mich anstrengen würde, käme ich auch drauf, was es sein wird.

Okay, KIEZHELDEN hatte es also aufs Trikot geschafft, das neue “Social Marketing”-Projekt des Vereins. Ohne bisher in der Breite veröffentlich worden zu sein, außer mit einer Powerpoint-Präsentation, die man mit ein bisschen Mühe im Internet finden konnte.
Und was zur Hölle ist “Social Marketing”? In Hamburg fällt einem da natürlich zunächst der “Hamburger Weg” ein, jenes durchaus clever aufgezogene Projekt beim Nachbarn. Fragt doch mal Euch bekannte hsv-Fans (und damit meine ich nicht diejenigen, die das Ergebnis aus der Zeitung erfahren, wenn überhaupt), wie dieser “Hamburger Weg” überhaupt läuft. Ich glaube, dass Einige von einer reinen Charity-Aktion des Vereins ausgehen, die Meisten eher (auch aufgrund des geteilten Trikots und Logos) von einer 50/50-Teilung zwischen Verein und Charity ausgehen. Tatsächlich sind es 89% für den Verein und 11% für Charity, je nach Quelle variieren die Werte etwas, aber die “Elf” zieht sich auch sonst durchs Projekt und erscheint wahrscheinlich.
Ist auch absolut nicht schlimm. Solange diese Zahl allen Interessierten frei zugänglich ist, sind dies 11% für soziale Projekte, die diese sicher gerne nehmen und gut gebrauchen können.

Trotzdem bin ich froh, dass der FC St.Pauli einen anderen Weg wählt, auch wenn dabei vielleicht unterm Strich aufgrund der kleineren Werbewirkung für die einzelnen Partner weniger Geld bei den Projekten hängen bleiben wird.
Nun hat der Verein also das veröffentlicht, was hinter dem Begriff KIEZHELDEN steckt: In der Außendarstellung eine Website, die als Sammelstelle für all jene dienen soll, die sich (in welcher Art und Weise auch immer) einbringen wollen, sei es mit Geld oder Zeit oder sonst irgendwie.
Vorreiter für alle folgenden Projekte (ob kurz-, mittel- oder langfristig) sind die fünf Langzeitprojekte, die es rund um den Verein und seine Fanszene schon einige Zeit gibt und welche gleichzeitig einem Oberbegriff zugeordnet wurden, unter dem sich möglichst auch die Zukünftigen wiederfinden sollen:

  • Kiezkick (Jugend)
  • Fanräume e.V. (Kultur)
  • 1910 e.V., FC St.Pauli-Museum (Stadtteil St.Pauli)
  • Viva con Agua (Weltoffen)
  • laut gegen nazis (Gesellschaft)

Hinter der Website steht erst mal der Verein mit zwei Mitarbeiterinnen, beide bereits lange Jahre im Verein. Dorit Moysich hat die Projektleitung und wird von Inga Waßmuß unterstützt, die selbst im Frauen-Fußballteam des Vereins aktiv ist.
Man möchte jetzt etwas „zurückgeben“, sagen sie, sei es den Fans und deren Projekten, oder eben auch direkt dem Stadtteil. Bisher hielt der Verein gegenüber seinen Fans ja immer eher gerne die Taschen auf. Inzwischen ist die Situation auch finanziell eine stabilere, so dass ein „Zurückgeben“ endlich möglich ist. Und natürlich hat der Verein eine deutlich größere Strahlkraft als es das einzelne Projekt hätte und kann daher wesentlich besser die breite Öffentlichkeit erreichen.
Mit betterplace.org ist eine Firma mit KnowHow in Sachen Spendenplattform und mit thjnk eine Hamburger Werbeagentur an Bord. Gemeinsam mit diesen Partnern soll so den Projekten die Möglichkeit gegeben werden, gezielt auf sich aufmerksam zu machen.

Wie finanziert sich das Ganze? Wo geht das Geld hin?
Die Infrastruktur (Website, Rechtliches, Spendenplattform) wird von Partnern finanziert, die dieses ganze Konstrukt auch inhaltlich mit tragen wollen. Die werden dann auch auf der Website erscheinen, der Werbewert ist aber sicher (bewusst) deutlich kleiner als beim „Hamburger Weg“.
Darüber hinaus wird jeder Cent, der von Firmen oder Privatleuten an die Projekte gegeben wird, auch zu 100% genau dort ankommen, ohne jeden Abzug, beim Projekt der persönlichen Wahl.
Je nach Projekt wird aber eben nicht nur Geld benötigt, sondern auch Zeit / Einsatz und vielleicht auch mal Sachspenden, all dies kann über die Website angestoßen und schlussendlich auch koordiniert werden, in enger Absprache mit den Projekten.

Leben aber kann das Ganze (und damit sind wir wohl bei einem weiteren Unterschied zum Hamburger Weg) nur mit breiter Unterstützung der Fanszene, nicht allein durch Sponsoren. Die bereits vielfältig exististierenden Aktivitäten können sich jetzt im besten Fall unter dem Dach von KIEZHELDEN sammeln, erfahren mehr Aufmerksamkeit und werden prominenter beworben, was neue Personen auf die Projekte aufmerksam macht und neue Hilfe zuführt.
Selbstverständlich sollen auch neue/bereits existierende Projekte an KIEZHELDEN herangetragen werden, wobei diese eben nicht auf den Stadtteil beschränkt bleiben sollen, sondern überall durchgeführt werden können. Das Melden solcher Projekte erfolgt ebenfalls über die Website.

Insgesamt eine schöne und vielversprechende Idee. Abzuwarten bleibt jetzt, wie die Seite angenommen wird, und ob die einzelnen Projekte (insbesondere die kleineren, abseits der großen Fünf) für sich den Nutzen und Mehrwert von KIEZHELDEN erkennen. “Zurückgeben” kann der Verein da eben nur, wenn er auch die Gelegenheit dazu bekommt. Umgekehrt muss es dem Verein (oder eben genauer: dem Projekt KIEZHELDEN) auch gelingen, so viel Vertrauen im Vereinsumfeld und der Fanszene aufzubauen, dass man sowohl die eigenen Projekte gerne dort unterbringt, als auch sich selbst bei den dort beworbenen Projekten gerne einbringt und diese unterstützt.

Viel Erfolg, ein guter Anfang ist gemacht. Und vielleicht kann man in einem Jahr ja vorübergehend wieder auf das Trikot, dann kannn ich mir den Anruf beim T-Shirt-Verkäufer sparen. // Frodo

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