4.Spieltag (A) – RB Leipzig

RB Leipzig – FC St.Pauli 0:1 (0:1)
Tor: 0:1 Lennart Thy (44.)
Zuschauer: 41.795 (angeblich “Auserkauft”, ca. 3.500 St.Paulianer)

Die vielleicht polarisierendste Auswärtsfahrt der Saison stand an, das Spiel beim bösen Konstrukt RB Leipzig. Ich schrieb bereits bei unserem Heimsieg letzte Saison darüber warum ich dies etwas differenzierter sehe und auch beim “Vor dem Spiel”-Gespräch mit Tom wird davon einiges besprochen, daher gehe ich das jetzt nicht nochmal im Detail durch sondern nur auf die Dinge ein, die gestern für mich neu waren.
Denn es war ja auch mein erster Besuch in der dortigen Arena.

Die Anfahrt verlief im ICE via Berlin sehr entspannt, nach dem Ausflug zu Union letzte Saison war es dank der Ferien auch Juniors zweites Auswärtsspiel.
(An die Zugbesatzung, insb. Frank, Carsten und Paul: Wir haben das fehlende Suchbild im Bahn-Magazin dann doch noch gefunden, unfassbar…)

In Leipzig begannen wir dann den Fehler, die angebotenen Shuttlebusse zu nutzen. Fehler deshalb, weil man damit direkt am Weg zum Gästeblock hinausgelassen wurde. Klingt jetzt erst mal nicht so dramatisch, allerdings wollten wir von da dann noch zum Treffpunkt mit oben erwähntem Tom, der sich mit seinem Fanclub “Rabauken im Block 31″ an einer Tankstelle traf.
(Ja, haha, Tankstelle in Stadionnähe beim Auswärtsspiel. Kiel, Meppen… egal, ich hatte ja Junior dabei.)
Luftlinie war das ein knapper Kilometer – tatsächlich dauerte der Marsch dort hin dann eine knappe dreiviertel Stunde, weil wir nämlich einmal quer ums Stadion herumlaufen mussten, da uns die Polizeikette trotz mehrfacher Erklärung der Situation und Hinweis auf einen 7-jährigen Begleiter nicht durchlassen wollte. Wegen “Fantrennung”. Aber man dürfe natürlich außen rum gehen. Kilometerweit, ungetrennt, unbegleitet. Jo, sinnvoll.
Junior und ich, Dangerseeker. Im Gegensatz zu all den Radfahrern, die passieren durften. Boah, was hatte ich nen Hals.

Nachdem wir dann also das Stadion sehr weitläufig umrundet und die “Rabauken” getroffen hatten, kehrten wir dann auf kürzestem Weg zum Gästeblock zurück. Mitten hindurch durch Massen von RB-Fans. Unbehelligt. So wie es sein soll.
Eher schwer vorstellbar bei einem Spiel (z.B.) bei Lok Leipzig, zu dem ich Junior sicher auch nicht mitgenommen hätte.
Am Block angekommen tippten wir der Polizeikette dann freundlich auf die Schulter und baten um Durchlass. Auf meine Frage, wie sinnvoll es denn jetzt war, dass wir diesen kilometerlangen Umweg nehmen mussten, kam dann ein genervtes “Beschweren sie sich beim Einsatzleiter… Aber das machen Sie ja eh nicht!
Mit Freuden hätte ich das gemacht, aber der war grad leider nicht erreichbar.
Auf mein “Die Polizei hat hierzulande ja grade schon ein kleines Imageproblem, mit solchen albernen Aktionen machen Sie es sich selbst ja auch nicht leichter.” kam dann noch ein allumfassend erklärendes “Wir haben unsere Anweisungen.
Quervergleiche zu Heidenau sind dann fast zwangsläufig:

Egal, dies führt jetzt zu weit, ab ins Stadion. Die WM-Arena also eingebaut in das ehemalige Zentralstadion. Dies hatte ich auf Fotos schon gesehen, live wirkt es dann doch auch sehr charmant gelöst.
Die sperrigen Einlassschranken dürften jährlich für eine zweistellige Zahl an Verletzungen sorgen, die stiernackigen Ordner vielleicht sogar für noch höhere Zahlen, wenn auch dann vielleicht eher in ihrer Freizeit…

Das Stadion ist bis auf die Bandenwerbung komplett werbefrei. Müßig, darüber zu philosophieren, ob dies nun passiert weil man es nicht will oder es nicht nötig hat, vielleicht auch einfach sowohl als auch.
Positiv formuliert: Konzentration aufs Wesentliche, so wie Fußballpuristen es immer haben wollen.
Dies gilt im Übrigen auch für die akustische Untermalung: Musik – sonst nichts. Keine Werbung.

Bis… ja, bis dann der Stadionsprecher zur RB-Aufstellung kommt und “Entertainment” ganz neu buchstabiert werden muss.
Wahnsinn, was für ein Vogel. Im weißen (oder zumindest hellen) Anzug turnt er auf dem Feld vor der RB-Kurve herum als müsste er selbst jetzt schon mal zwei Tore schießen. Schreit, tanzt, führt Schußbewegungen aus oder schleudert den Arm wie ein Baseballwerfer wenn die Zuschauer den Nachnamen rufen sollen.
Würde Norbert Dickel dies in Dortmund machen, wäre es ganz bestimmt Kult und großartig.
So aber wird es sicher Leute geben, die dies negativ auf RB ummünzen.
Ich will es mal so sagen: Schön, dass es am Millerntor von Rainer Wulff und Daggi gemacht wird. Und so, wie sie es machen.

Es folgte der erste Aufreger:
Eine Schweigeminute zu Gerhard Mayer-Vorfelder.
Textlich kann man dazu gerne nochmal die Einleitung der #Link11 inkl. den dort verlinkten Texten lesen, bildlich sollte das Cover des ÜBERSTEIGER ausreichen:

ÜS Cover Ausgabe 57, Februar 2002

Dementsprechend gab es aus dem Gästeblock bei der Ankündigung der Schweigeminute Pfiffe, während der Minute selbst wurde “Siamo tutti antifascisti” skandiert.
Passte für mich, kann natürlich jeder gerne anders sehen. Und nun möge er in Frieden ruhen.

Zum Spiel (wie üblich) nur kurz:
Sehr starke Anfangsminuten von RB. Wenn wir da (verdient) in Rückstand geraten, kann das Ding auch 3:0, 4:0, sonstwas ausgehen. Wir gerieten aber nicht in Rückstand, dank einer Mischung aus Himmelmann, Glück und RBschem Unvermögen. Gut für uns.
Danach fanden die Bhoys in Brown besser ins Spiel, hatten ihrerseits Chancen und gingen dann auch verdient vor der Pause in Führung. #ThyAmo
In Hälfte zwei ließ man RB dann anrennen, ohne dass denen wirklich viel einfiel. Eine 100%ige für Selke, mehr kam nicht durch, umgekehrt spielten wir unsere Konter leider auch nicht gut zuende.
Bei der Nachspielzeit hatte ich mich aufgrund der Verletzungspausen von Nehrig und Buchtmann auf vier Minuten eingestellt, fünf wurden es dann – aber auch die gingen entspannt zuende.

Das Drumherum:
Die Stimmung auf Seiten von RB war okay. Man merkte, dass viele Zuschauer sonst nicht da sind und es dann eher ein tennispublikumsartiges Einsteigen auf Gesänge aus der Kurve gab, wenn das denn mal passierte. Ist aber bei allen anderen Vereinen, die nicht jedes Spiel ausverkauft vor fast den gleichen Leuten haben, nicht anders.
Die Yoda-Choreo am Anfang sah gut aus, der Spruch “Den Rasenballsport Du fühlen musst“… nun ja, da sind wir durch “Hamburg Braun-Weiß ist” natürlich Yodamäßig qualitativ verwöhnt, einfacher geht’s nicht.
Aber später auch eine klare: “Scheiß Heidenau, Scheiß Sachsen, Scheiß Nazis!“-Tapete prominent und mittig in der Kurve, klare Ansage.
Und: Kein “Scheiß St.Pauli!”, auch mal schön.

Der Gästeblock:
Im Oberrang ein sehr guter Support. Durchgängig, lautstark, sangesfreudig mit vielen Melodien.
Im Unterrang dann eher “Familienpublikum”, teils klar als aus der Nähe kommend erkennbar, nicht mal beim “Aux armes” einsteigend. Das war schon eher enttäuschend, aber wahrscheinlich auch nicht anders zu erwarten gewesen.

Außerdem im Oberrang das “Scheiße seid Ihr und scheiße bleibt Ihr!“- Banner. Da dürfte sich RB sonst deutlicheres anhören / anlesen müssen. Es ist immer noch Fußball und das Konstrukt RB ist kein Willkommenes. Wer sich an solchen Bannern stört wird mit Fankultur an sich öfter aneinanderstoßen. Ein bißchen “Hass” gehört in meinen Augen halt dazu.
Ja, es könnte kreativere Banner geben, aber irgendwas ist ja immer.

Passend dazu: Zwei mal gab es “Bullen! Schweine!”- Gesänge aus dem Gästeblock. Auch hier dürfte sich RB von anderen Fanszenen deutlich mehr anhören, quantitativ und qualitativ, allerdings antwortete die Heimkurve dann sehr gut mit der “Wir sind Zecken…”-Melodie:

Wir sind Schweine – Rote Bullen Schweine
Wir zahlen keinen Eintritt
Und trinken Champagner statt Bier!

Sehr fein, ähnlich souverän wie es bei uns üblich ist “Scheiß St.Pauli”-Rufe mit “Scheiß St.Pauli”-Rufen zu beantworten. (Gruß auch an den “Champagner statt Bier”-Podcast.)
Auch schön, dass wir dann mit “Wir sind Zecken…” wieder antworten konnten. So soll es sein, traf mein Humorzentrum.

Für Amüsement sorgte dann noch die “Auserkauft”-Meldung, erstmals bei einem Ligaspiel. Okay, den Tippfehler mit dem fehlenden v bekamen im Stadion wahrscheinlich gar nicht so viele mit, denn mehr wunderte man sich über die Meldung an sich, denn dafür waren doch deutlich zu viele Sitze frei. Sowohl im Gästeblock als auch auf der Geraden. Aber: Macht sich aus Marketingsicht natürlich gut, so eine Meldung. Damit sind wir dann wieder bei den Punkten, die man am Konstrukt RB zurecht kritisieren darf.

Mit dem Abpfiff leerte sich das Stadion dann sehr schnell, die an den Gästeblock angrenzende Kurve winkte auf die “Auf Wiedersehen“-Rufe aber auch fast kollektiv zurück. Freundliche Menschen.
Unsere Feier mit der Mannschaft wirkte dann schon fast ein bißchen Abgeklärt, aber mit Lautern, KSC und RB haben wir eben drei der letzten vier Auswärtsspiele gewonnen, man gewöhnt sich ja so schnell dran.

Wo die Saison jetzt noch hingehen wird, kann gerne in den Kommentaren diskutiert werden, ich erfreue mich jetzt erst mal am Moment und bin höchstens etwas beleidigt, weil der Relegationsplatz verlassen wurde.
Und Junior hat nach zwei Auswärtsspielen drei Punkte und eine ausgeglichene Tordifferenz, andere St.Pauli-Fans mussten auf den ersten Auswärtssieg Jahre warten…

Der Verein am Wochenende

Die U23 trat (fast) zeitgleich beim Lüneburger SK an. Nach einer schnellen 2:0-Führung lag man zwischenzeitlich 2:3 hinten, ehe Nico Empen kurz vor Schluß (mit Traumtor) den 3:3-Endstand erzielte. (Spielbericht Vereinshomepage – Tore bei DFB-TV, ab 7:29m)
Das nächste Spiel ist am kommenden Samstag um 14.00h an der Hoheluft gegen Goslar, Zeit für den ersten Saisonsieg.

Die U19 spielte ebenfalls gestern und konnte bei Aufsteiger Viktoria Berlin den dritten Sieg im dritten Spiel einfahren. Esad Morina (Neuzugang aus Hoffenheim) erzielte im dritten Spiel bereits seinen sechsten Saisontreffer (zum 3:2-Endstand in der Nachspielzeit).
(Spielbericht Vereinshomepage – Tore bei DFB.TV ab 3:30m)
Daqmit bleibt man Tabellenführer, kommenden Samstag um 12.00h (passend als Vorspiel zur U23) kommt es am Königskinderweg zum Spitzenspiel gegen die ebenfalls mit drei Siegen gestarteten Ligafavoriten aus Wolfsburg. Alle hin da, die Jungs haben es verdient.

Last but not least: Die U17!
Schon am Samstag kam es zum Derby gegen den hsv, der in der Vorwoche sein erstes Spiel gegen TeBe gewonnen hatte, während unsere Jungs bei Aufsteiger Union Berlin kurz vor Schluß den Ausgleich zum 1:1 hinnehmen mussten.
Das Spiel war (wieder einmal) eine Werbung für die Jugend-Bundesligen. Toller Fußball, technisch stark, tolle Spielzüge. Wer noch nie bei U17 oder U19-Spielen war, sollte dies dringend ändern.
Die erste Hälfte bot Chancen auf beiden Seiten, es hätte gut auch 2:2 stehen können, stand aber 0:0.
In Hälfte zwei dann zunächst Glück für Braun-Weiß, dass ein Elfmeter für die Gäste nicht gegeben wurde, nachdem unser Torwart Stefan Rakocevic den gegnerischen Stürmer zu Fall brachte. Doch nach einer Stunde dann der Führungstreffer für St.Pauli, nachdem Robin Meißner nach starker Balleroberung von Gouhoua plötzlich frei durch war und den Ball am Torwart vorbeischießen konnte.
Bei dieser Führung sollte es bleiben.
Glückwunsch an Coach Timo Schultz und das Team, keine Grüße an Gästetrainer Christian Titz der durch ständiges Lamentieren gegenüber dem Schiedsrichterteam auffiel. Vorbildfunktion und so…
(Spielbericht auf der Vereinshomepage, Tor auf DFB-TV.) // Frodo

Und sonst so:

Dies bleibt ein Vereins/Fan-Blog rund um den FC St.Pauli, keine News-Seite über die Nachrichten im Weltgeschehen. Trotzdem (oder auch grade deswegen) kann man natürlich Themen wie Heidenau nicht ignorieren und es macht einfach nur fassungslos, was dort passiert.
Bleibt kritisch, informiert Eure Freunde und Bekannte über lesenswerte Artikel, schafft Öffentlichkeit. Es gibt dafür, auch abseits der “normalen” Zeitungen viele gute Seiten, stellvertretend für diese sei hier wieder einmal publikative.org empfohlen.
Kein Vergeben – Kein Vergessen – Niemals.

Der Rausschmeisser: Der FC St.Pauli spielt (zumindest als Marke) im Oirobbabogaaaaal!

Links:
– Bericht Magischer FC-Blog: “Schweinerei
– Bericht Grenzenlos 1910: “Von allen guten Gegnern verlassen
– Bericht Rotebrauseblogger

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