Der große Rivale von Birmingham City und Platzhirsch in der Stadt ist der Aston Villa FC. Ein echter Traditionsverein, der sowohl zu den erfolgreichsten Vereinen Englands zählt , als auch Gründungsmitglied der Football League im Jahre 1888 war. Die Erfolge allerdings liegen schon eine Weile zurück. Viele werden sich an den Sieg 1982 über den FC Bayern München im Europapokal der Landesmeister in Rotterdam erinnern. Damals spielten „The Villans“ auf einer Ebene mit Teams wie dem FC Liverpool, Nottingham Forrest & Co. Einen letzten Titel gewann Aston Villa 1996, den englischen Ligapokal. Seitdem rennt der gesamte Verein seinen Ansprüchen weit hinterher.
So ähnlich wie die Tottenham Hotspurs in den Neunzigern versuchte Aston Villa nach einem Besitzerwechsel in 2006 mit einem gewissen finanziellen Aufwand mit Verzweiflung in die Upper Class der Premier League aufzusteigen. Ein Ziel, welches momentan alles andere als möglich erscheint. Mit dem unerfahrenen Trainer Paul Lampert (schottischer Ex- Spieler von Borussia Dortmund), der mit drei Jahren Amtszeit noch eine gewisse Konstanz in den Verein gebracht hat, ging es zunächst noch ein bisschen bergauf. Vorher wäre Villa mit Unsympath Alex Mc Leish, der ausgerechnet vom Stadtrivalen verpflichtet wurde, vielleicht abgestiegen. Nach Paul Lampert wurde wieder ein Nobody verpflichtet: Tim Sherwood, der sich zwar vorher an den Spurs aus London versuchen durfte, aber ansonsten keinerlei Referenzen aufweisen konnte. Mit ihm schaffte es Villa im vergangenen Jahr zwar bis ins FA Cupfinale. Mehr aber auch nicht. Aktuell liegt die Mannschaft, die Abgänge guter Spieler, wie Benteke oder Cleverly, verkraften musste, auch mit ihrem neuen Trainer Remi Garde abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz der ersten englischen Liga. Ein Abstieg scheint unvermeidbar. Der Clubeigner würde Aston Villa nun gerne veräußern. Im Gegensatz zu den Fußballhochburgen London und Manchester ist es allerdings nicht gerade einfach für einen sportlich mittelmäßigen, in Birmingham beheimaten Verein einen reichen Investor zu finden.
Als erwähnenswerte Derbys gegen die Stadtrivalen in der jüngsten Zeit können u.a. zwei genannt werden: Im Ligapokalspiel 2010 bei Birmingham City kam es nach längerer Zeit und ziemlich unerwartet zu nennenswerten Krawallen, als die Bluesnoses nach ihrem Sieg den Platz stürmten und sich Richtung Gästeblock bewegten und dabei auch (in England bis dahin selten) Pyrotechnik zum Einsatz kam.
Mehr aus Freude als auf Krawall aus stürmten 2015 die Villians ihrerseits den Platz nach dem gewonnen Viertelfinalspiel im FA Cup gegen West Bromwich Albion. Aber auf der Insel gilt noch vielmehr als in unseren Landen auch ein „friendly“ Platzsturm als ein unglaubliches Vergehen, also Krawall.
The Holte End- die schönste Tribüne in den West Midlands
Was bleibt ist das Stadion, der Villa Park. Der, mangels sportlichen Erfolges, eigentliche Star des Vereins. Schon 1897 wurde der Villa Park im heutigen Stadtteil Aston auf dem Gelände eines viktorianischen Vergnügungspark eröffnet, damals noch unter dem Namen Aston Lower Ground und bis heute mehrmals umgebaut und modernisiert. Immerhin hat man bei der Modernisierung des Holte End 1996 die alte Fassade der Ursprungstribüne in ihrem unverwechselbaren viktorianischen Stil einigermaßen nachgebildet. So ist die Südseite des Stadions sehr hübsch anzusehen, was man von der gegenüberliegenden Seite nicht gerade behaupten kann. Auf der Südseite befindet sich auch das berühmte „The Holte Hotel“ mit Gastronomie, welches mit dem Holte End im Hintergrund den Fotoklassiker schlecht hin am Villa Park abgibt. Im Inneren ergibt sich ein homogenes Bild mit vier gleich hohen Tribünen und offenen Ecken. Ein Klassiker in den Vereinsfarben weinrot und hellblau. Das Fassungsvermögen beträgt heute 42.600 Plätze. Vor der Eröffnung des neuen Wembley Stadion wurden auch deswegen im Villa Park diverse FA Cup –Halbfinale und Spiele der englischen Nationalmannschaft ausgetragen. Weil es dort tatsächlich schön ist, war ich in den vergangenen Jahren gleich zweimal dort.
Aston Villa FC – Tottenham Hotspur 1:2, 02. November 2014
Beide Male konnte ich für das Spiel gegen Tottenham Hotspur Karten im Gästeblock ergattern, der sich auf dem Doug Ellis Stand längs des Spielfeldes befindet. Von dort aus hat man nicht nur eine äußerst gute Sicht auf das Geschehen, sondern bietet die voll überdachte Tribüne auch eine erstklassische Akustik für guten Gästesupport. Bis zu knapp 3.000 Plätze werden dort den Gästen angeboten und für die meisten Clubs ist ein Besuch im Villa Park auch ganz entspannt. Auch aus diesem Grunde, neben der zentralen Erreichbarkeit Birminghams und dem netten Auswärtspub, wird der Villa Park gerne von vielen Vereinen oft zahlreich angesteuert. Der Pub mit Namen „The Witton Arms“ befindet sich direkt am Stadion und lässt in getrennten Bereichen sowohl Gäste- als auch Heimfans hinein. Für die Gäste gibt es mittlerweile im rückwärtigen Bereich einen Zeltanbau, der das Fassungsvermögen des Pubs auf mindestens 200 Personen ansteigen lässt. Gute Stimmung ist dort also garantiert. Als der Pub noch „The Cap and Gown“ hieß (2009), erfolgte der Eintritt vorne und in den Räumlichkeiten getrennt, aber im hinten Garten stand man wieder zusammen. Englische Sicherheitslogik halt…
Wer vor dem Spiel gerne etwas schicker Speisen und Trinken möchte, ist im „Barton Arms“ gut aufgehoben. Dieses historische, im viktorianischen Stil erbaute Haus an der High Street Aston (ca. fünfzehn Minuten Fußweg vom Stadion entfernt) ist auch im Innern entsprechend dekoriert und nicht nur sehenswert. Dieser Pub bietet nämlich neben verschiedenen Ales auch feine Speisen. Rustikaler, dafür günstiger bekommt man sein Essen im Cafe des nahegelegenen Einkaufsmarktes Tesco. Dort empfehle ich zum Nachmittag als Kontrast zu all den fettigen Burgern und Chips einen Scone mit Clotted Cream und Marmelade. Kulinarisch ist man am Villa Park also ziemlich gut unterwegs.
Wie schon 2009 endete das Spiel zwischen den Villans und Spurs 1:2, auch wenn es zunächst so gar nicht danach aussah. Aston Villa war das klar dominierende Team bis der heutige Liverpooler Benteke in der 65. Minute vom Platz gestellt wurde. Eine interessante Rudelbildung folgte. Tottenham gewann zwar so langsam die Oberhand, aber es dauerte bis zur 84. Minute bis der Ausgleich fiel. Erst in der letzten Minute erlöste kein geringerer als Harry Kane himself mit einem beherzten, aber abgefälschten Freistoß das 2:1-Siegtor. Die Party im Gästeblock war fantastisch.
Den Villa Park erreicht man übrigens aus der City heraus nur mit dem Bus. Dafür muss man in der Innenstadt den richtigen Abfahrtsbereich der betreffenden Buslinie (hier Line 7 und 11 im violetten Abfahrtsbereich) finden. Diese Abfahrtsbereiche bestehen aus mehreren Haltestellen verschiedener Linien, von denen dann die aufgeführten Busse von dort aus in die jeweilige Richtung starten. Zur Orientierung wurden sie mit verschiedenen Farben ausgestattet. Was für Einheimische vielleicht vollkommen logisch erscheint, ist für Auswärtige zunächst eine knifflige Aufgabe. Aber was wäre England ohne derartige Kuriositäten.
Eine kleine Anekdote zum Schluss: Beim ersten Besuch fragte ich zwei erkennbare Aston Villa-Fans an jenem violetten Abfahrtsbereich sicherheitshalber nach der richtigen Buslinie. Sie gaben die richtige Antwort mit der Bemerkung am Stadion aussteigen zu müssen. Während der Busfahrt hatte ich allerdings das Gefühl, dass sie nicht wirklich wussten, wann und wo sie aussteigen mussten. Überstürzt verließen sie den Bus, als sie nur von weitem den Villa Park sahen. Ich blieb (richtigerweise) sitzen. Am anderen Morgen traf ich beide (übrigens Iren) am Frühstücksbuffet im Hotel, als sich herausstellte, dass sie beide auch das erste Mal bei Villa waren…
Immer höflich die Leute! Im letzten Teil geht es dann um West Bromwich Albion und ein paar Reisetipps. // Christoph