Timbos kleine Taktikschule – Heute: Goalimpact

Dieser Text erschien zunächst im Print-Übersteiger 130 (10.Dezember 2017) und ist Teil 1 einer kleinen Serie über Fußballstatistiken. Teil 2 befasst sich mit “Big Data” und erschien bereits im Print-Übersteiger 131, hier dann voraussichtlich am Donnerstag.

Die Anzahl statistischer Analysen von Fußballspielen und –spielern hat in den letzten Jahren rasant zugenommen. Und diese Analysen gehen weit über das obligatorische Zweikampfverhältnis und die Laufleistung hinaus, da sich nahezu alle Experten einig sind, dass diese Werte rein gar nichts über die Qualität von Spielern aussagen. Eine Firma aus Hamburg hat einen Wert entwickelt, der die Stärke von Spielern angeben soll. In ihrer Datenbank befinden sich über 500.000 Fußballer und natürlich auch die Spieler des FCSP. Ein Interview mit Thorsten Wittmütz von Goalimpact.

Goalimpact basiert auf einem Algorithmus, der die Stärken von Spielern ermittelt. Grundlage für die Ermittlung sind übliche Spielberichte mit den Inhalten Aufstellung, Tore, Ein- und Auswechslungen, sowie Karten. Goalimpact setzt alle Spieler zueinander in Vergleich, daraus ergibt sich eine Erwartungshaltung an ein Spiel bzw. an einen Spieler. Der Goalimpact wird in verschiedenen Werten dargestellt: dem aktuellen Goalimpact, dem maximalen Goalimpact und dem Goalimpact berechnet über die letzten zwei Jahre.

Übersteiger (ÜS): Wie wurde der Goalimpact entwickelt?

Thorsten Wittmütz (TW): Im Jahr 2004 hat Jörg, der Gründer und Erfinder von Goalimpact, bei einem EM-Tippspiel teilgenommen und hierfür einen kleinen Algorithmus entwickelt, der ihm Griechenland als Geheimfavoriten ausspuckte. Eigentlich kommt er aus dem Bereich Risiko-Controlling und er hat einfach die Sichtweisen aus dem Bereich angewendet.

ÜS: Und was sind die Sichtweisen aus dem Bereich Risiko-Controlling auf den Fußball?

TW: Es ging darum herauszufinden, was beim Fußball relevant ist. Das sind natürlich Tore. Also schaut man, wer auf dem Platz steht, wenn die Tore fallen. Goalimpact setzt daher alle Spieler zueinander in Vergleich, also die Spieler die miteinander auf dem Platz stehen, aber auch welche Spieler auf der anderen Seite stehen. Da wurde dann irgendwann festgestellt, dass das Alter eines Spielers entscheidend ist. Der Karriere-Höhepunkt liegt rein statistisch gesehen bei 26 Jahren. Da gibt es natürlich Ausnahmen wie Ibrahimovic oder Ronaldo, aber über alle Spieler in unserer Datenbank ist das der Höhepunkt. Im Regelfall ist danach der Einfluss eines einzelnen Spielers auf einen Spielausgang nicht mehr so hoch. Allerdings nimmt dieser Karriere-Höhepunkt langsamer ab als er steigt.

ÜS: Im Eishockey gibt es ja eine ähnliche Statistik, die Spieler mit einer +/- Bilanz bewertet, je nachdem ob sie bei Toren oder Gegentoren auf dem Eis waren. Ist diese Art der Bilanzierung bei Goalimpact ähnlich?

TW: Das kann man schon machen, aber man bekommt aus unserer Sicht verfälschte Ergebnisse. Wir machen es etwas anders: Wir stellen an jede Partie und an jeden Spieler für jedes Spiel eine Erwartungshaltung. Dann schauen wir inwiefern diese Prognose eintrifft. Das passiert in den seltensten Fällen und wir arbeiten da auch im Nachkomma-Bereich. Wenn unsere Prognose einen deutlichen Sieg von Mannschaft A ergibt und das Spiel letztendlich nur 1-0 endet, dann wirkt sich das positiv auf den GI der unterlegenen Mannschaft bzw. deren Spieler aus.

ÜS: Welche weiteren Parameter machen den GI der Spieler aus?

TW: Als Daten-Input nutzen wir den klassischen Spielberichtsbogen. Datenpunkte sind für uns dabei die gefallenen Tore, Ein- und Auswechslungen und rote Karten. Anhand dieser Datenpunkte bewerten wir die Spieler. Dadurch, dass wir nur den Spielberichtsbogen benötigen können wir enorme Mengen an Daten produzieren und bereits zu Jugendspielern Prognosen abgeben. Und dadurch können wir auch von Spielern außerhalb Europas, wie zum Beispiel in China, dem arabischen Raum und den USA, den GI ermitteln.

ÜS: Wer nutzt diese Daten?

TW: Wir haben 2016 begonnen, Goalimpact zu kommerzialisieren. Wir bieten unsere Leistungen in zweifacher Form Vereinen an: Erstens auf Management- und auf Scouting-Ebene. Uns nutzen Vereine aus der Premier League, Vereine aus der Chinese Super League, in Ost-Europa, aber auch Teams aus den 2. Ligen in Europa. Zweitens bieten wir unsere Leistungen Spieler-Beratern an. Die können dann z. B. eine Portfolio-Betrachtung ihrer Spieler machen und anhand dessen entscheiden, was die logischen nächsten Karriere-Schritte sind.

ÜS: Was liefert ihr den Vereinen?

TW: Die Vereine fragen uns an, wenn sie Spieler für gewisse Positionen brauchen. In der Winter-Transferperiode sind das dann eher Transfers, die den Verein direkt verstärken, also Spieler, die meist einen höheren Goalimpact haben als der Rest der Mannschaft. Wir schmeißen anhand der gewünschten Daten, da gehört auch der Marktwert dazu, unsere Datenbank an und liefern den Vereinen dann eine Liste mit potenziellen Spielern.

ÜS: Kommen wir mal zum Wert selbst. Ab wann ist ein Spieler denn in der Weltklasse einzuordnen?

TW: Wir zählen Spieler mit einem Goalimpact von mehr als 160 zur Weltklasse. Da gibt es weltweit etwa noch 200 Spieler, die solch einen hohen Wert haben. Der Durchschnitt in der 1.Bundesliga liegt bei 135.

ÜS: Und welcher Spieler hat momentan den höchsten Goalimpact?

TW: Paul Pogba mit 200. In der 1. Liga ist es Thomas Müller mit einem Goalimpact von 196.

ÜS: Das sind ja bekannte Weltklasse-Spieler. Gibt es auch Spieler, die einen hohen Goalimpact haben, aber vielleicht nicht die Wertschätzung erhalten, die ihnen nach ihrem Goalimpact zustehen müsste?

TW: Ja, hierfür sind Stefan Ilsanker von RB Leipzig und Tony Jantschke von Borussia Mönchengladbach gute Beispiele. Das sind beides Spieler, die in der Weltklasse zu verordnen sind, aber dies spiegelt sich weder im Marktwert noch medial wider. Aus unserer Sicht machen beide Spieler einen entscheidenden Unterschied, wenn sie auf dem Platz stehen.

ÜS: Anhand der Werte für die einzelnen Spieler gebt ihr auch Tabellen-Prognosen ab. Für die 2. Liga hattet ihr hier, im Gegensatz zu allen anderen Vorhersagen, Holstein Kiel ganz vorne und Ingolstadt weit hinten gesehen. Wie kam es dazu?

TW: Zunächst einmal muss man festhalten, dass der Unterschied zwischen 2. und 3. Liga nicht sonderlich groß sind. Kiel hat eine herausragende erste Elf mit absoluten Top-Spielern, wenn man ihren Goalimpact berücksichtigt. Im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen hat Kiel es geschafft, die Mannschaft nach dem Aufstieg zusammen zu halten. Gerade der Aufsteiger aus der 3.Liga verliert häufig seine besten Spieler, trotz Aufstieg. Bei Ingolstadt ist das Gegenteil der Fall. Hier gab es einige namenhafte Abgänge, sodass der Goalimpact eben stark runterging. Wir haben da eine reine Kader-Betrachtung gemacht. In der letzten Saison haben wir z.B. Hannover und Stuttgart nicht so schlecht bewertet, weil die eben ihren Kader gut zusammengehalten haben.

ÜS: Ich möchte gerne einen Tipp abgeben, wer der beste Spieler der 2.Liga ist.

TW: Gerne.

ÜS: Ich tippe auf Dominic Drexler von Holstein Kiel.

TW: Tut mir leid, er ist es nicht. Es ist (projiziert ein Spielerbild auf die Leinwand)…

ÜS: …Fabian Klos hat einen Goalimpact von 175?!

TW: Ja, der ist zwar statistisch gesehen über dem Zenit, aber zählt momentan zu den besten 100 Spielern der Welt und hat den höchsten Goalimpact der 2.Liga.

ÜS: Wie steht es um den FCSP? Wer ist da historisch der Spieler mit dem höchsten Goalimpact?

TW: (projiziert eine Tabelle auf die Leinwand) Lasse Sobiech. Mit einem Goalimpact von 163. Damit ist er der beste FCSP-Spieler aller Zeiten, wenn man die Torhüter von der Wertung mal ausnimmt, da diese etwas anders bewertet werden. Zweitbester Feldspieler aller Zeiten ist übrigens Jens Duve, dicht gefolgt von Johannes Flum und Florian Kringe. Von den aktuellen Spielern befinden sich auch Bernd Nehrig und Marc Hornschuh unter den Besten.

ÜS: Timo Schultz hat ja nen Goalimpact von 147!

TW: Ja, bemerkenswert. Damit gehört er zu den Top 10 der FCSP-Feldspieler.

ÜS: Und wie steht es um den aktuellen Kader?

TW: (projiziert weitere Tabelle auf die Leinwand)

ÜS: Sami Allagui hat einen Goalimpact von nur 96?!

TW: Ja, der fällt tatsächlich weit ab. Und wenn man das im Vergleich zu den 141 von Aziz Bouhaddouz betrachtet, dann hat der FCSP ein Stürmer-Problem, sobald Aziz ausfällt. Zumal Marvin Ducksch mit einem Goalimpact von aktuell 154 verliehen ist. Nico Empen hat übrigens einen Goalimpact von 121.

ÜS: Was würdest Du dem FCSP jetzt anhand dieser Daten empfehlen?

TW: In der 2.Liga haben wir momentan einen durchschnittlichen Goalimpact von 116 bis 118. Wenn man ganz strikt vorgehen würde, dann müsste man bei diesem Wert eine Linie ziehen und alle Spieler, die sich unterhalb der Linie befinden und älter als 26 Jahre sind, noch einmal genau betrachten. Da müsste man dann überlegen, inwiefern einen diese Spieler noch weiterbringen. Auf einer reinen datengetriebenen Goalimpact-Analyse müsste man sich dann sicherlich über die Weiterbeschäftigung von Sobota, Kalla und Allagui Gedanken machen, da diese drei Spieler ihren Zenit überschritten haben und das Level der 2.Liga nicht erreichen. Auch Maurice Litka, Mats Møller Dæhli und Philipp Ziereis werden nach jetzigem Stand dieses Level nicht erreichen.

ÜS: Gerade bei Litka war ich mir sicher, dass der sich entwickeln würde.

TW: Das kann ja durchaus noch der Fall sein. Die Prognose von Paul Pogba musste zum Beispiel immer wieder nach oben korrigiert werden. Allerdings haben wir bereits über 100 Spiele von ihm in die Datenbank aufgenommen. Die Daten sind also relativ verlässlich.

ÜS: Welche Spieler im aktuellen Kader haben denn das höchste Entwicklungspotenzial?

TW: Das sind auf jeden Fall Richard Neudecker, Luca Zander und Jeremy Dudziak. Diese Drei haben das Potenzial einen Goalimpact von mehr als 130 zu erreichen, welches dann fast der Durchschnitt in der 1.Liga ist.

ÜS: Wie bewertet man diesen Kader denn nun im Vergleich zu anderen Teams aus der 2.Liga?

TW: Der Goalimpact fällt sehr schnell nach unten ab beim FCSP. Im Team befinden sich einige Leistungsträger. Ob diese gehalten werden können, wenn man nicht aufsteigt ist mindestens unsicher. Es geht eben darum sich um den Nachbau zu sorgen. Aus unserer Sicht macht der Verein das momentan mit Spielern wie Neudecker und Zander.

ÜS: Beim Nachbau fällt mir unsere U23 ein. Wie steht es um die?

TW: Die U23 hat momentan einen Goalimpact von 91. Das ist zwar der niedrigste Wert in der Regionalliga Nord, aber liegt vor allem daran, dass der Altersdurchschnitt der Mannschaft sehr niedrig ist und wir den aktuellen Goalimpact und nicht den Peak nehmen. Der Peak der aktuellen Mannschaft liegt bei 118 – das ist guter Durchschnitt. Es ist einigen Spielern aus der U23 zuzutrauen, dass sie gehobenes Zweitliga-Niveau erreichen. Allen voran sind hier Keisef, Sobotta, Carstens, Conteh, Keller und Tanovic zu nennen. Besonders gut ist der FCSP auf der Torhüter-Position aufgestellt. Die Arbeit beim FCSP ist also insgesamt als gut zu bewerten.

ÜS: Vielen Dank für das Interview! // timbo

Der aktuelle und Peak-Goalimpact der ersten Mannschaft des FCSP.
Der aktuelle und Peak-Goalimpact der U23 des FCSP.
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