Lieblingsspieler

oder: Wo sind sie geblieben?

Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich hatte immer irgendwelche Lieblingsspieler. Meine ersten Favoriten in Braun-Weiß waren natürlich Franz Gerber und Wolfgang Kulka, die bei meinem allerersten St. Pauli-Spiel mit ihren Treffern zum 2:0-Sieg des Aufsteigers mal ordentlich den Volxpark rockten.

Didi Demuth 2001
(Foto: Tina Mechtold)

Mitte, Ende der 1980er war es gar nicht mal so einfach für mich, denn spätestens seit dem zweiten Aufstieg in die erste Liga 1988, waren natürlich alle Kicker meine Lieblinge. Volker Ippig, André Golke, Dirk Zander, Hansi Bargfrede, Didi Demuth und wie sie alle hießen. Letzterer wurde 1990 Amateurcoach und auch mein erster Lieblingstrainer.

Durch die Nähe zu den Spielern, sei es nach Abpfiff im Clubheim oder abends in irgendeiner Kaschemme aufm Kiez, lernte man sich kennen und tja, auch “schätzen”.
Nicht selten begleitete ich einen von ihnen, natürlich bei Bedarf stützend eingreifend, vom Kiez bis zu seiner Wohnung in der Wohlwillstraße.
Ein anderes Mal rettete mich unser Keeper nach einem “Freundschaftsspiel” in Lohbrügge vor einer Horde Nazis. Volker trat das Gaspedal seines ollen Strich-Achters dermaßen durch, dass wir zwar einerseits unversehrt den Spielort verließen, andererseits der Wagen ein neues Bodenblech benötigte. Dieses wurde selbstverständlich am nächsten Tag in der Werkstatt eines Fans fachmännisch und vor allem kostengünstig eingebaut.

Volker Ippig & Jürgen Gronau
(Fotto: Museum/Archiv 1910 e.V.)

Apropos Volker Ippig: Unvergessen ist sein legendäres Interview im ZDF-Sportstudio, als er nahezu jede Frage des Moderators Bernd Heller mit einem einfachen “Ja” beantwortete. Was sollte er auch auf Fragen wie “Herr Ippig, Sie waren als Entwicklungshelfer in Nicaragua?” oder “Sie wohnten auch in den Häusern der Hafenstraße?” sagen… – Eben, “Ja” – nichts als die Wahrheit halt ;-))

Robert (li.) und Hendrik Meyer
(Foto: Hossa)

Als ein gewisser Uli Maslo Coach der Profis wurde und als allererste Amtshandlung die Amateure (für die Jüngeren: die jetzige U23) vom Millerntor verbannte, bekamen unsere Nachwuchskicker reichlich Zuschauer Zuwachs. Nach einigen “Heimspielen”, u. a. am Rothenbaum und bei Vicky, wurde mit dem Schanzenpark endlich eine neue Heimspielstätte gefunden. Jungs wie Matthias “Panther” Jahnke, Andrew Pfennig, Morten Jensen und Jörg Österreich waren die Helden des Teams. Die Meyer-Brüder Hendrik und Robert nicht zu vergessen, die auch für so manch kontroverse Diskussion sorgten. So gab es einst das Gerücht, dass Robert für eine sehr rechte Partei Sympathien hegte und Hendrik war von Beruf Polizist… Doch all dies und noch viel mehr wurde nach den Spielen auf der sogenannten “Heißen Kiste” in der Kneipe “Zum Letzten Pfennig” beim Fantalk aufgearbeitet. (Dabei standen die Spieler auf einer umgedrehten Bierkiste). “Hendrik, würdest du mich verhaften, wenn ich jetzt einen Joint rauchen würde?”…

Christian Rahn
(Foto: Tina Mechtold)

Es folgten Kicker wie Christian Rahn, Zlatan Bajramovic und natürlich – “mein” Ivan Klasnić! Alle marschierten durch die Jugendteams und die Amateure zu den Profis und wurden später alle Nationalspieler ihres Landes. Na ja, Christian Rahn war nicht ganz so erfolgreich wie sein Namensvetter von 1954…

Ivan Klasnić & Deniz Baris
(Foto: Hossa)

Auch Frank Dröge, Carsten Wehlmann, Marc Nielsen, Ingo “Inge” Prüfer, Hauke Brückner und Philipp Albrecht spielten sich in mein Fußballherz. Philipp bekam nach jedem Spiel eine besondere Aufmerksamkeit von mir: Für jedes Tor, was er erzielt hatte, bekam er “50-Albi-Dollar”… Die Kopie eines 50-Mark-Geldscheins mit seinem Konterfei darauf. In einer Saison kassierte er satte 1700,– Albi-Dollar nach 34 Spielen. (Ausrechnen musst du selber!)

50 “Albi-Dollar”
(Foto: Hossa)

Die Nähe zu den Kickern vervielfältigte sich für mich mit der Herausgabe des Fanzine “Hossa”. Fortan saß ich nach den Spielen beim Mannschaftsessen mit am Tisch und wurde wie selbstverständlich zu Weihnachtspartys (inklusive Begleitperson!) eingeladen. Als Obmann bzw. “Amateur-Manager” Hermann Klauck mich dann fragte, ob ich den Posten des Stadionsprechers übernehmen würde, musste ich nicht lange überlegen…!

Hermann Klauck
(Foto: Tina Mechtold)

Gleichzeitig war ich redaktionell für die verschiedenen Stadionzeitungen mit allzu häufig wechselnden Namen tätig. Zahlreiche Interviews mit Jugendspielern und Profis (“Jung trifft Alt”) oder sonstige Storys folgten. Zusätzlich war ich zunächst für die Spielberichte der Amateure, später auch für die der Profis, für die FCSP-Homepage zuständig. Doch je mehr ich in den Mikrokosmos FC St. Pauli eintauchte, desto mehr fühlte ich neben einer Entfremdung auch Distanz als Fan.

Letzteres kam auch dadurch zustande, dass es nun nicht mehr einfach so möglich war, nach dem Training einen Spieler zu interviewen. Fortan mussten alle Journalisten die Termine mit Pressesprecher Christian Bönig abstimmen. Mag ja richtig sein, aber für die eigene Hauspresse…?

Nun ja, einige Jahre sind ins Land gezogen und offiziell bin ich nicht mehr für den FCSP tätig. Und die Nähe zu Spielern ist auch abhandengekommen.

Aber Lieblinge habe ich natürlich immer noch und immer wieder! Leider verlassen diese immer gerade dann den Verein, wenn meine Liebe am größten ist. Mats Møller-Dæhli, Daniel Kofi-Kyereh und Leard Paqarada sind meine schmerzhaften Verluste der letzten Jahre.
Vielleicht sollte ich mich in eine Eckfahne verlieben…
P.S.: Fotografin Tina hat heute übrigens Geburtstag. Häpi börsdäi tu ju!

// Hossa

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