Mein Weihnachten & ich

Oder: Mama, der Baum brennt!

Jedes Jahr, zur selben Zeit,
Macht sich ‘ne besondere Stimmung breit.
Man sieht Kinder lachen oder flennen,
und manchmal auch ‘nen Tannenbaum brennen

1966 – Der kleine Hossa ist gerade einen Monat alt und bekommt von dem ganzen Weihnachtsfest der Eltern nichts mit.

Noch ist er “hübsch”… (Foto: Hossa)

1967 – Noch etwas wackelig auf den Beinen, rennt der kleine Hossa mit strahlenden Augen auf den leuchtenden Weihnachtsbaum zu und diesen um. Die Gardinen brennen sofort lichterloh. Die Mutter wirft den Baum vom Balkon in den Vorgarten des vierstöckigen Miethauses.

1968 – Die Mutter hat vor ein paar Monaten einen Feuerlöscher gekauft und neben dem Baum platziert. Der zweijährige Hossa flüchtet auf die Arme seiner Mutter, als der Vater als Weihnachtsmann verkleidet durch die Tür kommt. Er springt aber sofort wieder runter, will in sein Zimmer flüchten und schon brennt der Baum. Muttern greift zum Feuerlöscher und sprüht ihn komplett leer. “Schnee, Schnee, Schnee!”, ruft der kleine Hossa begeistert und klatscht in die Hände.

1970 – Der immer noch kleine Hossa packt große Pakete aus. Lego! Er beschließt Architekt zu werden.

1973 – Hossa bemerkt, dass der Weihnachtsmann die Stiefel seines Vaters trägt. Er schreit: “Ihr Lügner! Ihr habt mich betrogen! Es gibt gar keinen Weihnachtsmann!” und schleudert wütend den heiß ersehnten Lego-Baukasten in Richtung Tannenbaum. Dieser kippt um und die Gardinen brennen lichterloh. Hossa bekommt rechts und links eine Ohrfeige, dann erst greift der Vater zum bereit gestellten Wassereimer, um den Baum zu löschen.

1975 – Die Großeltern mütterlicherseits kommen über die Festtage zu Besuch. Zum ersten Mal gibt es am Heilgenabend keinen Kartoffelsalat & Würstchen. Oma besteht auf Gänsebraten. Der verbrennt natürlich im Ofen. Immerhin besser, als der Baum im Wohnzimmer. Hossa spielt Weihnachtslieder auf dem Geschenk des letzten Jahres von Oma Berta & Opa Fritz: Einer Heimorgel.

1977 – Hossa will keinen echten Tannenbaum mehr. “Ist doch doof, wenn der 20 Jahre lebt und hier dann in zwei Wochen stirbt”. Muttern kauft einen zusammensteckbaren Weihnachtsbaum. Sie besteht aber auf echte Bienenwachskerzen, der Vater auf seinen Whisky – und fällt dank diesem noch vor der Bescherung um. Als der Baum in Flammen aufgeht und dann zu einem gigantischen Plastikklumpen verschmilzt, wird er über den Balkon entsorgt. Hossa schnappt sich den Wassereimer und löscht den Vater.

1980 – Der inzwischen aus der Kirche ausgetretene Hossa weigert sich, “an diesem kapitalistischen Konsumrausch-Fest” teilzunehmen. Er schließt sich in sein Zimmer ein und singt sehr laut und sehr falsch “Die Internationale”.

1983 – Das erste Weihnachten in der Kommune auf dem Land. Zu Hossas Erstaunen bestehen zwei der Frauen auf einen Weihnachtsbaum. “Wegen der Gemütlichkeit”, sagen sie. “Bürgerliche Gefühlsduselei”, sagt Hossa.

1984 – Hossa besteht darauf, den Weihnachtsbaum im Gemeinschaftszimmer schmücken zu dürfen. Als die Wohngemeinschaft am “Scheinheiligen Abend” eintritt, steht sie einem mit Osterhasen-Figuren, leeren Bierdosen, Klopapier (unbenutzt!), Präservativen und Karotten “geschmückten” Baum gegenüber.

Der Pulli … ohne Worte … (Foto: Hossa)

1985 – Hossa flüchtet vor dem Weihnachtsfest mit seiner Freundin Karin in ein dänisches Ferienhaus in “die absolute Einsamkeit”. Ausgemacht ist: Keine Geschenke!
Karin schenkt Hossa eine elektrische Schreibmaschine. Hossa nimmt sie freudestrahlend an und beschenkt Karin mit einem “Original dänischen Weihnachtspulli”. Karin freut sich sehr.

1986 – Karin schenkt Hossa kurz vor dem Fest einen Sohn: Finn.

1987 – Die junge Familie zieht wieder in die Stadt. Aufgrund von akutem Wohnungsmangel, werden sie Mitglieder eines Wohnprojekts. Dort gibt es kein Weihnachtsfest, stattdessen ein Plenum.

Adventsgesteck von Muttern: Einfach und schön!
Foto: Meine Mum(m) … ;-))

1990 – Das erste wiedervereinigte Weihnachtsfest. Das Wohnprojekt ist nahezu menschenleer, denn die meisten sind dann doch über die Feiertage zu ihren Eltern gefahren. Karin, Hossa und Finn verzichten auf einen Baum. Finn hat im nahegelegen Park abgebrochene Tannenzweige gesammelt und bastelt einen Adventskranz. “Aber ohne Kerzen”, mahnt Hossa.

Ho – ho – hossa !!! (Foto: Hossa)

1992 – Finn und die anderen Kinder aus dem “Alternativen Kinderladen Wurzelzwerge” und dem besetzten Haus, bestehen auf einen “richtigen Weihnachtsmann”. Sie beschließen zusammen im “AKW” zu feiern und schmücken den Tannenbaum mit Papierschlangen, selbstgebastelten Strohsternen, frisch gebackenen Keksen und kandierten Obstscheiben.
Hossa mimt den Weihnachtsmann.

Auf dem Rückweg sagt sein Sohn Finn: “Du warst ein prima Weihnachtsmann, Hossa. Du hättest nur andere Stiefel tragen sollen”.
// Hossa (sehr frei nach einer Idee von Birgit Rabisch)

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