FSV Frankfurt – FC St.Pauli 2:1 (1:0)
Tore: 1:0 Odhise Roshi (6.), 1:1 Daniel Ginczek (58.), 2:1 Edmond Kapllani (62.)
Zuschauer: 8.049 (geschätzt 3.000 St.Paulianer)
Gastartikel von Daniel Gosch
Es gibt ja immer so gewisse Rituale, die Menschen vor Auswärtsfahrten bewusst und unbewusst am Abend vorher durchlaufen. Neben praktischen Sachen wie Klamotten rauslegen, Verpflegung sicherstellen und je nach Abfahrtszeit zwei oder mehr Wecker zu stellen, gibt’s halt noch eine emotionale Herangehensweise. So schaute ich mir am Donnerstagabend nochmals die Doku „warum halb vier“ an. Unter Beachtung der bisher unerfreulich verlaufenden Saison und der desaströsen Auswärtsbilanz (zwei von neun möglichen Punkten, hierbei ein Torverhältnis von 0-2) stach besonders ein Kommentar des Schauspielers Joachim Król heraus. Er überlegte bei einer Durststrecke seiner Mannschaft einmal, ob es an der eigenen Kleidung lag. Obgleich er dies direkt wieder relativierte, blieb es trotzdem in meinem Kopf hängen. Lag es etwa an dem Schal oder den geliebten Stutzen, dass meine persönliche Auswärtsbilanz so traurig daherkommt? Ich verwarf den Gedanken und blätterte nach der Doku erstmalig durch die neueste Ausgabe des „ballesterer“ (Kaufen! Im Fanladen!). Unter den Buchvorstellungen befand sich ein Auszug aus dem Buch „Kinder der Westkurve“, welches die Geschichte der hsv-Fans beschreibt (laut Eigenbeschreibung „kommen u.a. Leute zu Wort, die normalerweise niemals mit einem Journalisten reden würden“). Der Auszug ist ganz nett zu lesen (scheint erfrischend unkritisch zu sein), aber eine Sache, vermischt mit der Aussage von Joachim Król gab mir besonders zu denken. Am Vorabend des Meisterschaftsfinale in Frankfurt, sagt ein hsv-Vater zu seinem hsv-Sohn: „Wir fahren zum Endspiel des hsv. Zieh‘ bitte einen Anzug an und binde eine Krawatte um. Wir sind schließlich hsv’er.“
Eine Krawatte? Lag es etwa daran?
Morgens sagte ich mir selbstbewusst: „Ich bin schließlich kein hsv’er“ und wollte mir keine Tipps vom sterbenden Dino geben lassen. Schal und Stutzen durften wieder mit und fuhren zusammen mit mir und insgesamt zwei Bussen (je einmal Fanladen und USP) morgens um 9 Uhr aus Hamburg ab.
Eine entspannte Atmosphäre im Fanladenbus, nette Gespräche und die gefühlt achtmalige Darbietung von Blümchens „Boomerang“ untermauerten ein gutes Grundgefühl (gut, Blümchen schreit schon dezent „Krawatte!“). Heute würde es klappen!
Zwischen Kassel und Frankfurt noch einen „Schlappeseppel“ gekauft (einer der wenigen Gründe um Richtung Frankfurt zu fahren) und um 16.30 waren wir ohne größere Staus etc. am Bornheimer Hang. (Anm. d. Frodo: Ich musste das als Antialkoholiker erst mal googlen, es handelt sich um ein Bier.)
Das Stadion liegt direkt neben der Autobahn, umgeben von kleinen Schrebergärten und hinter einer Eissporthalle. Dies sagt schon viel zur Gesamtwirkung aus, ist halt eher ein Verein für die gesamte Familie. Super entspannte Stimmung, viele freundliche Heimfans und zahlreiche St. Pauli-Fans auf dem Weg zum Gästeblock.
Eine Stunde vorher ging es hinein, interessierte Ordner („Habens was eingesteckt?“) und eine kurze Erläuterung, was denn die „Museum statt Goliath-Wache“-Sticker bedeuten und schon konnte der kleine Hang bezwungen werden, auf dem das Stadion liegt. Dieses fasst 10.000 Besucher, wirkt trotzdem recht klein aufgrund der kompakten Bauart. Von den offiziell verkündeten 8.049 Zuschauern waren ca. 3.000 St. Pauli-Fans, wobei trotz der wirklich guten Stimmung auch wieder einige Menschen im Gästeblock dabei waren, auf die gerne verzichtet werden kann. Ich persönlich hatte meine 3-4 Momente, in denen ich mich fragte, ob diese Personen zukünftig nicht lieber wieder zuhause vor dem wackligen Internetstream Spiele des magischen FC verfolgen sollten.
Das gute Grundgefühl hatte jedoch weiterhin Bestand, wurde sogar nochmals bestärkt durch die personellen Veränderungen im Kader. Buchtmann stand von Anfang an im Aufgebot, der zuletzt absolut unmotiviert wirkende Bruns nahm auf der Bank Platz.
Das Spiel wurde, absolut unnötig, zu einer punkte technischen Nullnummer. Zwar konnte der erste Rückstand egalisiert werden, ein simpler Standard brachte die Heimmannschaft jedoch schnell wieder auf den 3-Punkte-Kurs und sicherte dem FSV zumindest für eine Nacht einen sicheren Aufstiegsplatz.
Hätte ich diesen Artikel direkt im Anschluss an das Spiel geschrieben, irgendwo auf der gefühlten Komplettbaustelle A7, wäre dies ein gnadenloses Auskotzen geworden. Dies fand zum Glück nicht auf Papier oder Laptop statt, sondern auf dem Parkplatz zehn Minuten nach Spielende.
Mit einem Tag Abstand, flankiert durch das absolut professionelle Studium der Spielhighlights, ergab sich für mich ein etwas anderes Bild als das, welches ich von dem Live-Spiel hatte. Die individuellen Fehler, die zu den Auswärtsgegentoren 3 und 4 führten, deckten sich zwar mit dem „Gesehenen“, aber es gab einige positive Szenen mehr als empfunden. Streckenweise gab es wirklich gute Situationen im Spielaufbau und gut heraus gespielte Torchancen.
Wenn ich persönlich eine „Wer-ist-Schuld“-Plakette verteilen müsste, würde sie weder ein Schindler noch ein Kalla bekommen (welche ich live als Totalausfälle gesehen hatte) – die Schuld trägt für mich die Stimmung im Team. Diese wird zwar von offizieller Seite immer wieder als herausragend, fast sogar zu gut, dargestellt und auch SchuSchu lobt sie ja jederzeit, sobald irgendwo das rote Lämpchen einer Kamera aufflackert. Vielleicht stimmt dies auch im kollegialen Verhältnis, im Training und im Abschluss-Kreis nach Spielende, aber wer während der Partie in die Augen der Spieler schaut, sieht eher eine Leere. Es fehlt dieses hoffnungsvolle Flackern, welches letzte Saison so oft ansprang kaum hatte die Mannschaft ein Gegentor kassiert. Bezeichnend hierfür die Situation nach dem zweiten Gegentor: Der FSV bekam eine erneute Ecke, statt zuversichtlicher Abwehrpositionierung und der Sicherheit, gleich den torausgleichenden Konter laufen zu können, sah man eine krasse Unsicherheit und gegenseitige, nicht freundlich verpackte Positionszuweisungen.
Wo ist die Spielfreude? Das lockere Auftreten zuhause und in der Ferne? Es hakt im Getriebe. Die Fragen „Wo?“ und „Wieso?“ scheint bisher niemand beantworten zu können. Ursachenforschung ist nach sechs Spieltagen schwierig, vielmehr wäre sie eigentlich auch übertrieben. Das spielerische Niveau ist hoch, verstärkt trauen sich die Spieler etwas. Beispiele bot der Freitagabend einige: Kallas Pass auf Ginczek, Schindlers Torvorlage, Bartels‘ verstärkte Orientierung Richtung Tor. Vermisst wird trotzdem das Feuer (10 Minuten reichen nicht), hierfür müsste ein großer Knoten platzen denke ich. Wir bräuchten ein 1860 München-Revival (von 0-2 zum 4-2), eine Bokalüberraschung in Stuttgart oder ähnliches. Ein absolut spießiges 2-0 gegen Aalen am Dienstagabend wäre auch okay für den Anfang. Kein Gegentor, kein Herbeisehnen des Schlusspfiffes, einfach nur jede Minute genießen.
Als wir um halb vier am Samstag wieder in Hamburg waren, hatten wir eine ruhige und ereignisarme Rückfahrt hinter uns gebracht. Lediglich die gemeinsame Nahrungsaufnahme mit den Freunden der hessischen BFE bei McDonalds war noch schön mit anzusehen. Friedlich und einträchtig stand man nebeneinander und wartete auf den nahrhaften, US-amerikanischen Küchenzauber. Diese Abschlussanekdote sollte nur noch einmal verdeutlichen, dass wir zwar auch gerne mal mit unsympathischen Menschen zu Abend essen, aber noch viel lieber NICHT mit ihnen unter einem Dach wohnen wollen!
Mein persönlicher Abschluss fand in der Feststellung statt, dass mein Auswärtsfluch zwar nicht besiegt wurde, ich aber trotzdem zukünftig nicht mit Krawatte ins Stadion gehen werde. Vielmehr komme ich auch so immer wieder bei dir an. Wie ein Boomerang eben. // Daniel Gosch
Links:
– Bericht Gegengeraden-Gerd: „Stöpselpanik“
– Bericht Magischer FC
– Bericht siamo tutti
– Bericht Kleiner Tod (inkl. Millerntor Gallery)
– Bericht BreitSeite
– Bericht Fabulous St.Pauli
– Fotos Aux Armes auf flickr
Der Verein am Wochenende
Tja, das dürfte als eines der schwärzesten Wochenende in die sportliche Vereinshistorie eingehen. Neben dem hier bereits beschriebenen schlechten Auftakt und den sicher auch die nächsten Tage noch die Medien bestimmenden Ereignissen an der Müllverbrennungsanlage gab es auch sonst nur lange Gesichter.
Die U23 verlor vor nur 162 Zuschauern mit 1:4 gegen den keineswegs übermächtigen Goslarer SC, wobei zwei Gegentore in der 90. und 92. Minute fielen, als man alles nach vorne warf. Nach den vielversprechenden sieben Punkten aus den ersten drei Spielen ist die Bilanz aus den letzten vier Spielen mit 1:13 Toren und einem Punkt (0:0 gegen den VfB Lübeck) eher furchtbar, und das gestrige Spiel ließ auch nur wenig Anlass zur Hoffnung, denn nach vorne ging überhaupt nichts. Freitag Abend geht es um 19.00h zu Holstein Kiel, anschließend sollte man gegen den SV Wilhelmhaven (03.Oktober, 14.00h) dann langsam mal wieder Punkte sammeln.
Die U19 machte es zumindest spielerisch besser, verlor aber ebenfalls mit 1:2 beim Deutschen Meister, dem VfL Wolfsburg. Trotz einiger Chancen lag man zur Halbzeit mit 0:2 hinten und konnte nach dem 1:2 Anschluß (erneut durch Kulikas) kurz nach der Pause leider nicht mehr nachlegen. Trotzdem bisher eine sehr gute Saisonleistung der A-Jugend.
Nächsten Sonntag um 13.00h empfängt man den punktgleichen FC Hansa Rostock.
Die U17 spielte bei Holstein Kiel und kehrte ebenfalls mit einer 1:2 Niederlage im Gepäck zurück, nächsten Samstag um 15.00h sollten aber gegen den VfL Oldenburg dringen drei Punkte eingetütet werden, um nicht gleich wieder in tiefe Abstiegsnöte zu geraten.
Die 4.Herren macht grad eine kleine Durststrecke durch, nach gutem Saisonstart gab es in der Kreisklasse 7 heute nachmittag eine 3:4 Niederlage gegen BU III.
Dank der User unseres Facebook-Accounts können wir zumindest noch ein paar kleine Erfolgserlebnisse vermelden: Die 3.Herren hat mit einem 9:1 gegen Hamm 02 den 2.Tabellenplatz erobert, die C-Mädchen holten nach einem 0:2 Rückstand noch ein 2:2 gegen den hsv und die B-Mädchen konnten gegen Einigkeit ebenfalls einen Rückstand noch in ein 2:2 verwandeln.
Handball
Die 1.Herren tat es den Fußballern gleich und verlor unglücklich, mit 26:27 bei der HSG Schülp/Westerrönfeld. Am kommenden Samstag um 19.30h geht es an der Budapester Starße gegen DHK Flensborg um die nächsten Punkte im Abstiegskampf.
Immerhin machte es die 1.Frauen besser und gewann bei der SG-Hamburg-Nord 3 souverän mit 22:11.
Rugby
Das Männer-Team war ja bekanntlich erst zu dieser Saison in die 1.Bundesliga aufgestiegen, konnte da aber gleich überzeugen. Mit dem 43:10 am Samstag gegen den SC Germania List konnte man sich in der Nord-Staffel den 2.Platz sichern, ein toller Erfolg.
So ganz hab ich das Ligen-System der viergeteilten Bundesliga noch nicht durchschaut, vielleicht mag ein Fachmann da in den Kommentaren aushelfen, aber man nimmt jetzt wohl fünf Punkte mit in die nächste Saisonphase, die NO-Staffel.
Pressemitteilung Goliathwache
*Fanproteste auf St. Pauli: Museum statt Goliathwache*
Fans und Mitglieder des FC St. Pauli demonstrieren für die Errichtung
eines Vereinsmuseums anstelle einer Polizeiwache in der neuen
Gegengeradedes Millerntor-Stadions. Im Zuge des Stadionumbaus soll nach
den laufenden Plänen eine rund 600 m² große Fläche von derPolizei
blockiertwerden. Damit wäre die Wache in der Gegengerade die mit Abstand
größte Stadionwache im deutschen Profifußball. Die Kritiker befürchten,
dass das auf der Jahreshauptversammlung 2010 beschlossene Museum sonst
nicht realisierbar sei.
Innerhalb der Fanszene des FC St. Pauli hat sich für die geplante
Polizeistation, analog zur Davidwache am Spielbudenplatz, der Begriff
„Goliathwache“ etabliert.Die Wache soll jedoch nicht nur an Spieltagen
benutzt werden,sondern überwiegend als Bedarfsaußenstelle des PK 16
(„Domwache“) bei Großveranstaltungen wie dem Hamburger Dom oder Public
Viewingvon Fußball-Europa- oder Weltmeisterschaften.
Bisher haben 150 Gruppen und Fanclubs ein
Positionspapier unterschrieben, dasauf einem Vernetzungstreffen mit über
250 Teilnehmern verabschiedetet worden war. In diesem wird die übergroße
Wache entschieden abgelehnt und für ein Museum an dieser Stelle
plädiert. Die Unterzeichnendenfordern den Verein dazu auf, die Stadion-
und Domwache außerhalb des Stadions zu realisieren, um so Platz für das
Vereinsmuseum innerhalb der Gegengerade zu schaffen.
Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, versammelten sich bereits
am vergangenen Mittwoch rund 150 Fans, um symbolisch den Grundstein für
eine Polizeiwache außerhalb des Stadions zu legen.
Der aktuelle Protest bedient sich eines wohlbekannten Symbols: Mit dem
schwarzen Totenkopf auf rotem Grund („Jolly Rouge“) wurde bereits
Anfang 2011 gegen eine Kommerzialisierung und gebrochene Absprachen
seitens der Vereinsführung demonstriert. Unter dem Jolly Rougesteht auch
die aktuelle Kampagne „Museum statt Goliathwache“. Es wird von
verschiedenen Fanorganisationen dazu aufgerufen, dass zum nächsten
Heimspiel am Dienstag gegen den VFR Aalen die Ränge in Rot getaucht werden.
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