St.Pauli – Union Berlin 2-1 (0-0)
Tore: 0-1 Terodde (58.), 1-1 Schachten (61.), 2-1 Bartels (88.)
Zuschauer: 29.063 (ausverkauft – Gäste ca. 3.000)
Auch wenn ich absolut kein Freund von Topspielpreisen beim Fußball (und überall) bin, hier hätten die Fürsprecher solcher Zuschläge eine ziemlich leichte Argumentationsbasis: Flutlicht, beide unter den Top 5 der Liga, beide mitten im Rennen um die Aufstiegsplätze und wenn die Statistik bemüht wird, gab es in den letzten acht Spielen einen ansehnlichen Tordurchschnitt von 3,5.
Zum Glück jedoch sind wir am Millerntor weit von einer rein ökonomischen Betrachtungsweise von Spieltagsansetzungen entfernt.
Der Montag präsentierte sich so ungefähr um 14 Uhr mit einer netten Portion Sonnenschein, unweigerlich stieg das Spieltagskribbeln zunehmend, auch wenn die Sonne sich dann auch irgendwann verabschiedete (passiert ja abends ab und an). Bezugsgruppentechnisch waren wir schon drei Stunden vor Anpfiff am Stadion, überwiegend eine gewohnt entspannte Stimmung überall. Die Polizei wirklich übermäßig präsent, mit Reiterstaffel und allen Finessen der Deeskalation.
Interessanterweise haben wir dann vor dem Stadion mit einem Pärchen geschnackt, welches mit Union in Stockholm war und noch einmal ein paar eigene Einschätzungen mit reinbrachte (ich empfehle sonst die sehr hörenswerte Millerntonfolge mit dem Textilvergehen). Wir sind dann irgendwann rein, für ein Montagsspiel waren zumindest die Stehplätze schon sehr früh gut gefüllt.
Und überall war die Anspannung zu spüren, überall auch die Unsicherheit das Ergebnis vorherzusagen. Das Ding war eine komplett offene Kiste, jedenfalls vor Bekanntgabe des Kaders.
In gewisser Weise scheint die Nationalmannschaftsnominierung von Shkodran Mustafi auch Roland Vrabec inspiriert zu haben, denn dieser ging dann gleich mal den Jogi-Löw-Weg und zauberte einen „Unbekannten“ aus seinem Hut: Philipp Ziereis. Klar, im Kader stand er ab und an schon mal, durfte schon einige Male bei der Zwoten ran, trotzdem noch nicht eine Minute im Profifußball bei St.Pauli verbracht. Vrabec setzte ihn gleich von Beginn an auf die einzige Sechser-Position, da Buchtmann sich ja leider verletzt hatte. Außerdem durften Mohr, Verhoek und Kringe von Beginn ran, Bartels überraschend auf der Bank.
Die aufstiegsinteressierten Berliner änderten nichts an der Aufstellung gegenüber dem letzten Spiel, die haben halt schon einen ziemlich guten Kader mit einigen wirklich guten Kickern. Der erste Eindruck, dass Union aufjedenfall ein paar Prozentpunkte mehr auf den Platz bringen wollte, bestätigte sich in der Anfangszeit. Zu einer richtigen Dominanz reichte es zwar nicht, aber ich habe Union – das ganze Spiel über – als bessere Mannschaft auf dem Platz gesehen. So gab es in Hälfte eins halt ein Chancenplus bei den Eisernen, trotzdem stand unsere Defensive mit den „Neuen“ Mohr und Ziereis sehr gut. Mit einem verdienten, aber spannenden 0-0 ging es in die Pause, die Stimmung auf den Rängen ziemlich gut. Gerade in der Pause wurde einem bewusst, dass so einige Unioner stressfrei auf der Gegengerade rumhüpften, wird ja leider auch immer mehr zur Seltenheit.
Die zweite Hälfte ging dann relativ schnell in die Richtung „typisches“ Aufeinandertreffen von St.Pauli und Union. Die Berliner kommen deutlich motivierter aus der Kabine, können den verdienten Führungstreffer durch Terodde eintüten. Ausgangslage (wer hätte es gedacht) eine Ecke, Tschauner verhindert zunächst den direkten Kopfball, Terodde muss nur noch sein Bein reinhalten und zack, ist das Dutzend Gegentore nach Ecken voll. Diesmal war die Ecke allerdings wirklich perfekt gespielt und dementsprechend schon schwer zu verteidigen. Unabhängig davon unnötig, erst defensiv wirklich gute 60 Minuten zu spielen, um sich dann eine einfache Ecke einschenken zu lassen.
Schachter fand dies genauso unnötig und hat ja meist eine sehr charmante Art seine Wut über so etwas zum Ausdruck zu bringen. Er ließ den Gästeblock netterweise 90 Sekunden feiern, schnappt sich am 16er den Ball und dreht das Ding schön ins Tor. Union scheint ihm tortechnisch gut zu liegen, und irgendwie mag ich einfach seine grundsympathische Art sich über Tore zu freuen.
Danach war das Spiel wieder komplett offen, Bartels brachte zunehmend Schwung rein. Und irgendwie – vielleicht lag es am Flutlicht oder dem Bier – war es ein Spiel, wo ein weiteres Tor einfach in der Luft lag. Immer mal wieder gute Chancen auf beiden Seiten, und gerade als sich beide Mannschaften auf ein 1-1 einigen wollten, spielt Halstenberg einen pefekten Pass in den gegnerischen Strafraum, Bartels schippt das Ding irgendwie rein. Endlich mal wieder so ein Ding auf unserer Seite, endlich mal wieder als glücklicher Gewinner vom Platz gehen.
Insgesamt eine gute Leistung auf unserer Seite, Bartels kann so einen Erfolg nach zuletzt durchwachsender Leistung auch mal wieder gebrauchen. Besonders gut gefallen hat mir – neben Tschauner – Marcel Halstenberg. In meinen Augen spielt der sich immer besser ins Team hinein, und für einen Außenverteidiger macht der nach vorne echt richtig viel Wirbel. Auch das Debüt von Ziereis war echt gelungen, Trybull wird auch immer sicherer. Das könnte echt noch eine sehr feine Defensiv-Abteilung in der Zukunft werden.
St.Pauli also auf dem vierten Platz, trotzdem ist es oben in der Tabelle echt eine Wundertüte. Aus meiner Sicht gilt ein großer Dank Greuther Fürth, hätten die am Sonntag nicht gewonnen, wären wir auf dem dritten Platz gewesen. Genau, Relegations-Derby. Yeah!
So gerne ich mir die Situation vorstelle, wie Fabian Boll mit seinem letzten Schuss im Profifußball den entscheidenen Elfmeter nach einem Relegationsdrama/-krimi/-thriller/ -horror gegen die Vorstadt einnetzt und damit beim Dino die Lichterkette ausknipst, bin ich einfach kein Freund vom möglichen Relegationsspiel gegen den hsv. (Anm. Frodo: Och… Watt mutt dat mutt!)
Hier profitieren wahrscheinlich alle davon, außer die beiden Fanszenen von St.Pauli und dem hsv. Vorher schüren die Medien die Aufregung (Abendblatt) und den Hass (mopo), Sky bekommt Traumquoten, Viagogo verdient ein kleines Vermögen mit Stehplatzkarten zu 200 Euro und im Nachgang tingelt Rainer Wendt durch alle Talkshows und feiert die neue gesamt Gefahrenzone Hamburg. Dem Dino in der zweiten Liga zweimal die eigene Unzulänglichkeit aufzeigen, okay. Aber so ein Relegationsquark? Danke, nein.
Nun zurücklehnen und auf das nächste Spiel gegen Frankfurt freuen.
P.S: Seit langer Zeit mal wieder ein vernünftiger Auftritt des Gästeblocks.
P.P.S: Seit langer Zeit mal wieder ein vernünftiger Auftritt der Unparteiischen. Robert Kempter hat dieses ja nicht unwichtige Spiel ziemlich souverän über die Bühne gebracht, darf gerne wieder kommen. // Daniel
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