Was macht eigentlich… André Trulsen

Gastartikel von Scheißegal St.Pauli.

Moin Truller, fangen wir mit der klassischen ersten Frage an: Wer hat dich 1986 zum FCSP geholt? Wie bist du hier gelandet?

Da muss ich etwas ausholen: Damals war ich Amateurspieler beim SV Lurup und habe dort drei Jahre in der 3. Liga gespielt. Wir sind im dritten Jahr abgestiegen, aber ich wollte weiterhin mindestens 3. Liga spielen. Mit Altona 93 war dann eigentlich schon alles klar, doch der damalige LigaObmann vom SV Lurup hat mich beim FC St. Pauli ins Gespräch gebracht. Über Hermann Klauck bin ich dann als 20. Mann in den Kader reingerutscht und von da an war ich ein St.Paulianer.

André Trulsen  (c) Ariane Gramelspacher
André Trulsen (c) Ariane Gramelspacher

Also du bist gar nicht explizit gescoutet worden? Willi Reimann, dein damaliger Trainer hat  nicht gesagt „Den Trulsen von Lurup, den will ich haben“?

Damals gab es noch kein professionelles Scouting. Die Hamburger Spieler kannte man und ich hatte das Glück auf meiner Seite und konnte mich durchsetzen. Sogar im ersten Spiel in der zweiten Liga war ich in der Startelf.

André Trulsen - Damals (Foto: privat)
André Trulsen – Damals (Foto: privat)

Nana, nicht so bescheiden, in deiner ersten Saison hast du 28 Spiele gemacht.

Ja, das war auch für mich etwas überraschend. Ich konnte die Vorbereitung gut nutzen, um Willi Reimann von meinen Qualitäten zu überzeugen.

Es war sowieso eine ganz besondere Zeit, mit einem tollen Team. Viele Spieler kamen aus Hamburg, zum Beispiel Zander, Koy, Golke, Thomforde, Ippig und Koch.

Die dann zwei Jahre später den Aufstieg in die 1. Bundesliga schafften…

Richtig. Direkt im ersten Jahr haben wir schon Relegationsspiele gegen Homburg gespielt und in der ersten Liga angeklopft . Im Jahr darauf haben wir den direkten Aufstieg geschafft. Es war der Wahnsinn damals für uns, dass wir als Hamburger mit unserem FC St. Pauli aufgestiegen sind. Was dann los war – in Ulm, um Ulm, in Hamburg und um Hamburg herum!

Ich soll dich übrigens von Dirk Zander grüßen. Der gab mir die die kryptischen Stichworte „Willi Reimann“ „Gummibären“ und „Halbzeitpause“ mit auf den Weg. Was hat es damit auf sich?

Hahaha, Willi Reimann hat wie immer in der Halbzeitpause gefragt, ob irgendwer Probleme hat. Da sagte ich: „Ja Trainer, ich hab so ein bißchen Magenprobleme“.

Da polterte Reimann „Truller, du frisst nur Gummibärchen und trinkst nur Cola. Kein Wunder, dass du Magenprobleme hast. Du spielst durch!“ Danach gab es die Gummibärchen nur noch heimlich.

1990/91 kam dann dieser bittere Abstieg in der Relegation gegen die Kickers. Ich hab schon mal gelesen, dass das dein Tiefpunkt in der Karriere ist.

Gelsenkirchen war in St.Pauli Hand und wir haben da echt versagt. Wir haben das nicht geschafft. Das ist sportlich wirklich mein tiefster Punkt gewesen.

Dann warst du 2 Jahre beim 1.FC Köln und über den Umweg Lurup zurück zu St.Pauli. Wie war das genau? Ich erinnere mich dunkel, dass es da um Ablösesummen ging und du deswegen die Zwischenstation Lurup gewählt hast.

Von 1991-1993 war ich in Köln, dort hat man mir nach zwei Jahren kein neues Angebot gemacht und der Verein wollte ganz gerne etwas von den 1,3 Millionen D-Mark zurück, die damals für mich als Ablöse bezahlt wurden, aber das wollte kein neuer Verein zahlen.

Laut damaligen Statuten war ich damit für jeden Amateurverein nach einer bestimmten Zeit spielberechtigt. So bin ich dann wieder zu Lurup in die 3. Liga. Ich wollte ja auch weiter Fußball spielen.

Aber St. Pauli hätte dich ganz gerne genommen?

St. Pauli und ich waren in Kontakt, aber die Forderung von Köln war St. Pauli zu hoch.

Zur Saison 94/95 konnte ich wieder zu St. Pauli zurückkehren, dank Seppo Eichkorn, der mich von Lurup zurückholte. Aber leider musste Seppo in der Vorbereitung zur neuen Saison gehen und wurde durch Uli Maslo ersetzt. Der hatte mich gar nicht auf dem Zettel und es hat etwas gedauert, bis ich unter Maslo Stammspieler wurde. Ich musste ihn RICHTIG sportlich überzeugen, das hat gedauert. Aber dann hatten wir eine gute Zeit zusammen.

Dann der Aufstieg 1995, zwei Jahre 1. Bundesliga und Abstieg, du bist dann aber mit St. Pauli in die 2. Liga gegangen und 2001 zum 3. Mal mit St. Pauli in die Bundesliga aufgestiegen.

Das waren Jahre mit Höhen und Tiefen: Klassenerhalt, Abstieg, Fast-Abstieg, Aufstieg!

Ab der Saison 2000/2001 war ich bei den sportlichen Verantwortlichen leider nicht mehr so gefragt. Doch ich habe ich mich zurück in die Stammelf gekämpft. Überraschend lief ich beim ersten Spiel auf, als Mittelfeldspieler und erzielte zwei Tore beim 6:3 Sieg in Ahlen. Beim nächsten Heimspiel gelang mir noch ein Kopfballtor gegen Mannheim beim 5:0 Sieg. 11 Tore für St. Pauli in zwei Spielen. Ein grandioser Start, der uns getragen hat in der zweiten Liga.

Mit dem Aufstieg habe ich sogar noch einen Erstliga-Vertrag bekommen und es noch einige Male in die Startelf geschafft.

Ich war 13 Jahre Spieler beim FC St. Pauli, davon 6 Jahre Erste Liga.

Ich bin sehr dankbar und glücklich über diese ganz besondere Zeit, in der ich ein Stückchen Vereinsgeschichte mitschreiben konnte.

Nach dem Abstieg 2002, ich war da gerademal 37 Jahre jung, wollte ich nach meiner Spielerzeit bei St.Pauli auch als Trainer dort einsteigen. Der Verein hat mir zu diesem Zeitpunkt leider nichts anbieten können und daher bin ich nach Kiel gegangen, sogar noch mal als Spieler. Im zweiten Jahr dort habe ich meine Trainerlaufbahn als  Spieler-Co-Trainer der zweiten Mannschaft in der vierten Liga begonnen. Erfolgreich – wir wurden Meister.

Und wer kam 2004 auf die Idee, dich hier zum Co Trainer zu machen?

Da war es Stanis Idee. Und Andi Bergmann war natürlich auch involviert. Das war damals eine ganz schwierige Phase für den Verein. Nach dem Abstieg aus der Ersten in die Zweite Liga, folgte der direkte Abstieg in die Dritte Liga, die man am letzten Spieltag mit Not gerade noch halten konnte. St. Pauli war fast kaputt und es standen kaum Mittel zur Verfügung. Ich bin aber trotzdem sehr gerne zurückgekommen und war glücklich und stolz wieder ein St.Paulianer zu sein.

Und 2005 hast du dann ja sogar nochmal auf dem Platz gestanden…

 Ja, an meinem 40. Geburtstag! Das war eine lustige Sache. Ich war noch auf der Spielberechtigungsliste und für beide Mannschaften ging es um nichts mehr, es war ein Geburtstagsgeschenk und ich durfte noch ca 20 Minuten spielen. Da kann ich dem Verein und natürlich auch Andi Bergmann nur danken, dass er das mitgemacht hat. Mein letzter Einsatz und gleichzeitig mein einziger Drittliga Einsatz für St.Pauli. Das war ein toller Moment, als ich zum Warmmachen rausgeschickt wurde und mich die Fans nochmal feierten. Im Spiel hatte ich sogar noch eine Torchance, einen Flugkopfball, den der Keeper toll rausgefischt hat. Und ich hatte statt der üblichen Nr. 2 die 40 auf dem Rücken, das war schon grandios.

Unser erstes Spiel in der neuen Saison führt uns in deinen derzeitigen Wohnort und deine bisher letzte Station im Trainergeschäft. Auch wenn sich da natürlich einiges verändert hat, gerade durch den Abstieg, kannst du ne kleine Einschätzung zum Spiel abgeben?

St. Pauli ist bestimmt nicht chancenlos, zumal die junge Mannschaft schon in der letzten Saison gezeigt hat, dass es auch gegen die Favoriten funktionieren kann. Es ist immer besser, gleich am Anfang gegen die Absteiger zu spielen, weil diese sich erst einmal finden müssen. Grundsätzlich ist es für einen Absteiger immer schwierig, durch den Umbruch in der Mannschaft, erstmal in die Liga reinzukommen.

Würdest du mir dann empfehlen, bei einem großen Wettanbieter  5€ auf St.Pauli zu setzen?

Erstes Spiel in der Saison, da würde ich eher auf ein Unentschieden tippen.

Wie muss man sich das eigentlich so vorstellen, wenn man als Trainer arbeitslos wird? Geht man da ganz normal zum Arbeitsamt und sagt „Hallo, ich bin Fußballtrainer, gerade entlassen worden und möchte einen Arbeitslosengeldantrag stellen“?

Ja, genau so läuft das. Vor meiner Zeit in Stuttgart war es so, dass ich zum Arbeitsamt gegangen bin und dort als arbeitssuchend gemeldet war. Es ist klar, dass man Fußballtrainer aber nicht vermitteln kann.

Man nutzt die Zeit in der Warteschleife um sich weiterzubilden, Training und Spiele diverser Mannschaften und Ligen anzuschauen.  Es ist gut präsent zu sein in den Stadien, um Kontakte zu bekommen und auch zu pflegen, um dann auch im Gespräch zu sein, wenn irgendwo ein Trainer gesucht wird. Grundsätzlich ist es keine schöne Situation, denn man will ja arbeiten und auf dem Platz stehen. Aber ich weiß natürlich auch, dass der Markt sehr schwierig ist, sehr voll ist und immer wieder neue Leute kommen. Ich bin dennoch positiv.

Was bedeutet dir der FC St. Pauli heute noch? Wie oft besuchst du noch Spiele?

Der FC St. Pauli ist in meinem Herzen ganz stark verankert. Der Verein hat mich geprägt, die Menschen, mit denen ich in meinen 18/19 Jahren bei St.Pauli zusammengearbeitet habe, mit denen ich Freundschaften geschlossen habe, das bleibt verwurzelt. Ich schau immer gerne zurück. Wenn ich in Hamburg bin, bin ich im Millerntor. Auch die Auswärtsspiele nehme ich dann und wann mit, wenn es passt. Am Montag bin ich auf jeden Fall im Stadion dabei. Liebe Grüße an alle St. Paulianer! Ich drücke St.Pauli die Daumen für eine geile Saison!

// Scheißegal St.Pauli

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