2.Runde DFB-Pokal (A) – VfB Stuttgart

VfB Stuttgart – FC St.Pauli 3:4 (3:0)
Tore: 1:0 Ibrahima Traoré (21.), 2:0 Vedad Ibisevic (22.), 3:0 Tamas Hajnal (41.), 3:1 Leonardo Manzi (70.), 3:2 Carsten Pröpper (75.), 3:3 Martino Gatti (80.) 3:4 Juri Sawitschew (85.)
Zuschauer: 26.100 (davon ca. 3.000 Gästefans)

Das sind so die Spiele, wo man dabeigewesen sein muss! Für Kollegen Hollywood und mich war nach der Auslosung sofort klar, dass zwei Urlaubstage für das Erreichen der 3.Pokalrunde ein lohnenswerter Aufwand sind und die Tour gen Schwabenland gebucht werden muss. Wie peinlich wäre das denn, wenn die da gewinnen und man selbst wäre nicht dabei? Ähnlicher Zwang wie beim Derby(sieg), keine Frage.
Da wir inzwischen aber beide in einem Alter sind, welches den Einsatz von Rollatoren in absehbarer Zukunft nicht mehr gänzlich ausschließen kann, entschieden wir uns mal für ‘ne Portion Dekadenz und fuhren in der 1.Klasse mit dem ICE.

Am Dammtor angekommen war noch alles pünktlich, aber der gelbe Buchstabenstreifen auf dem Monitor ließ trotzdem Böses erahnen. “Umgekehrte Wagenreihung” ist natürlich noch kein Beinbruch “Ersatzzug” klang schon weniger gut. Und schlußendlich waren es dann auch noch zwanzig Minuten Verspätung, schon beim Start.
Also IC statt ICE, trotzdem weiß die Beinfreiheit in der 1.Klasse zu überzeugen. Und das einem kostenlos die Süddeutsche gereicht wird (zusätzlich zu einem anderen Presseerzeugnis, ohne Relevanz) ist ebenfalls angenehm. Doch wer die Bahn kennt, der weiß, dass es dann selten bei der ursprünglichen Verspätung bleibt, und so befanden wir uns erst 55 Minuten nach der geplanten Ankunft in jener Großstadt, welche als erste einen Grünen Oberbürgermeister hat.
Warum die 55 Minuten so wichtig sein? Weil es ab 60 Minuten Geld zurück gibt… ich glaub ja langsam, die timen das extra so, aus purem Spaß.
Großartig dann aber trotzdem die Durchsagen. Von “Schänk ju vor trewelling…” ist man ja inzwischen zu “Thank you for choosing Deutsche Bahn!” umgeschwenkt, englische Aussprachen ist aber weiterhin nur im Akzent-Package erhältlich.
Wobei die beste Aussage auch auf Deutsch erfolgte: Wir standen unmittelbar vorm Stuttgarter Hbf im Tunnel und warteten darauf, vielleicht doch noch auf 60 Minuten zu kommen, als uns folgende Durchsage bzgl. der Anschlußzüge erheiterte: “Zug A wartet trotz der Verspätung, Zug B kann leider nicht warten, […], Zug N wird heute trotzdem erreicht, der… ähm…  steht nämlich noch hinter uns!
Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Klamotten ins Hotel, ab zum Stadion, dort der nächste Aha-Moment: Dank freundlicher Empfehlung im Vorfeld hatten wir uns zur Spielvorbereitung für das Polizei SV-Clubheim entschieden, welches unmittelbar an der Gästekurve liegt (auch wenn man zum Gästeeingang noch mal kurz ums Parkhaus herum muss).
Aus der U-Bahn steigend (gegen 16.30h, also sehr früh) erblickten wir vier Polizisten in Vollkampfmontur (ohne Helm), die so entspannt dort herumstanden, wie man das als Polizist eben kann, wenn man nicht locker im Kreis steht und sich unterhält, sondern brav und gesittet (zu viert!) in Zweier-Reihe hintereinander. Immer wieder ein erstaunlicher Anblick. Egal, hin da.
“Entschuldigen Sie bitte, wir suchen das Polizei SV-Clubheim und wir dachten uns, wenn hier jemand weiß wo das ist, doch wohl in jedem Fall Sie!”
Den (zugegeben) eher flachen Gag überhörte der Angesprochene, um uns kritisch zu mustern und im breitesten Schwäbisch mit Blick auf einen dezenten St.Pauli-Schriftzug an meiner Jacke zu antworten:
“Ja, scho… aba do net für Sie! Desch wär ja a Novum!” – “Ach ja? Aber das wurde uns explizit als Heim- UND Gästefantreffpunkt vor dem Spiel empfohlen?” – “Na, desch kann i mir ned vorschtelle!”
Nach langem Zögern rückter er die Wegbeschreibung dann doch raus. Unseren Abmarsch verfolgte er mit einem Blick, der zwischen “Die werden da aufgefressen, aber sie wollten ja nicht hören!” und “Mist… wenn das Teil heute in die Luft gesprengt wird, muss ich mir die Gesichter gut merken, um morgen das Phantombild erstellen zu können!” schwankte.
Am Clubheim angekommen war ein völlig durchmischtes (Heim & Gast) und total entspanntes Publikum zu sehen. Keine Ahnung, was den Polizisten geritten hat oder in welcher Welt er lebt.

Vielleicht wollte er uns aber nur beschützen, zum Beispiel vor diesem schlecht gemachten Schal:

Schlechter Markenpiraterie Spielschal mit falschem Datum.
VfB Stutgart – FC St.Pauli

Schlechte Merchandise-Scheiße ohne Lizenz erkennt man ja meist “nur” daran, dass geschützte Begriffe fehlen, also Stuttgart ohne “VfB” und St.Pauli ohne “FC” (und in diesem Fall auch noch ohne Punkt). Hier machte man es den dummen Fans aber noch leichter, auf den Kauf dieses Ramsch-Produkts zu verzichten, hatte man doch freundlicherweise das Datum des Vortags aufgedruckt. Unsere Nachfrage, wie das Spiel denn gestern ausgegangen sei, blieb leider (abgesehen von einem dummen Gesicht) unbeantwortet.

Okay, ab ins Stadion. “Schön” ist sicher was anderes, aber wer noch das zugige Neckarstadion ohne überdachte Kurven und mit Laufbahn kennenlernen durfte, kann gewisse Verbesserungen nicht leugnen, gleiches gilt für die zwischenzeitliche Bauphase mit Laufbahn und Dach. Man ist näher dran, die Akkustik ist besser und im Stehplatzblock hatte man auch eine einigermaßen akzeptable Sicht.
Diese erfreute einen auch ca. 20 Minuten lang, bis Traoré einfach mal abzog und Tschauner vom Geflatter des Balles so irritiert war, dass er den Arm nicht ausstreckte und der Ball so zur Überraschung (nicht nur) unseres Keepers zum 1:0 einschlug. Ärgerlich.
Eine Minute später netzte Ibisevic und das Spiel schien gelaufen, erst recht nach Hajnals Treffer.

In der zweiten Hälfte wurde “Parole Spaß & Klamauk” im Gästeblock ausgerufen, und so kam es dann auch. Den guten alten Benjamin Adrion / Marcel Eger – Song vom Pokalfinale sang der untere Bereich des Blocks noch fast alleine, weil im restlichen Bereich die Textsicherheit fehlte (anders kann ich mir die irritierten Blicke jedenfalls nicht erklären). Doch mit zunehmender Dauer wurden dann auch die Spaßgesänge vom Rest übernommen, sei es “Wir gewinnen, wir gewinnen, wir gewinnen SOWIESO!“, “Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“, “Auswärtssieg!“, “Hier gewinnt nur einer, St.Pauli und sonst keiner!” oder was auch immer.
Als dann pünktlich nach einem zehnsekündigen Countdown tatsächlich das 1:3 fiel, war der Jubel noch verhalten, fünf Minuten später beim 2:3 ging da schon etwas mehr und spätestens bei den Toren drei und vier gab es für den gesamten Block kein Halten mehr. Was für eine Show! Torpogo! Auswärtssieg! Nach dem 3:0-Rückstand! Knaller!

(Wie uns später berichtet wurde, war im Stuttgarter Bereich der Jubel zwar zu sehen, er erschloss sich aber nicht so ganz, unverständlicherweise. Zunächst ging man davon aus, der hsv hätte ein Gegentor gefangen, allerdings wurde dann festgestellt, dass dieser den Wettbewerb ja noch deutlich vor uns verlassen hatten. Zumindest die Stuttgarter, mit denen wir später noch den Abend verbrachten, konnten wir dann noch aufklären.)

Pyro gab es auch kurz, in Anbetracht des sicheren Weiterkommens und der damit verbundenen Prämie in mittlerer sechstelliger Höhe sicher nichts, worüber man sich aufregen muss. Ach, doch? Dann lest hier gerne die passende Antwort, auch wenn meine Wortwahl vielleicht(!) etwas moderater ausfallen würde. Aber der Jens darf das und Recht hat er auch.

Nach der kurzen aber heftigen Siegesfeier im Block ging es für Hollywood und mich dann noch in die Stadt, wo ich mich mit dem Menschen hinter dem Angedacht-Blog verabredet hatte, den ich auch auf Twitter gerne lese.
(Übrigens, siehe eben jenen Blog-Artikel: Leute, denen der Bierkonsum wichtiger ist als das Spiel, scheint es nicht nur bei uns zu geben. Und glücklicherweise auch Leute, die eben das auch stört und das auch noch so wortgewandt veröffentlichen können.)

Wir verbrachten also mit einer handvoll VfB-Fans einen sehr angenehmen Abend im “Palast der Republik” und bei “Todi’s”, wobei sich bei Letzterem leider niemand traute, die dort angebotene “Überbackene Currywurst” zu probieren. Dies wäre sicher ein kulinarisches und optisches Highlight gewesen, fraglos.
So ging die Reise mit netten Gesprächen und angeregten Diskussionen zuende, die mal wieder aufzeigten, dass die meisten Menschen, denen Fußball und Fans am Herzen liegen, sich doch irgendwie recht ähnlich sind, und sie lediglich die Farben auf dem Platz während der 90 Minuten trennen.

Womit ich eine wunderbare Überleitung geschafft habe, zum letzten Punkt für heute:


Hintergründe erübrigen sich wohl für Leser dieses Blogs, ansonsten findet Ihr aber auch alles auf der Website. Tragt Euch gerne dort ein. // Frodo

Nachtrag: Sekunden nach “Redaktionsschluß” erreichte uns noch diese Chronologie des heutigen Fangipfels in Berlin von den Jungs und Mädels beim Textilvergehen.

P.P.S. Zurück gab es dann einen “echten” ICE und nur 15 Minuten Verspätung, immerhin.

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