Ja, Geschehnisse sacken lassen hilft, nicht jeder Bericht muss gleich in die Tastatur. So auch hier.
Viel ist geschrieben worden, „nicht alles“ davon war sinnvoll oder korrekt, auch dieser Text hier ist namentlich gekennzeichnet und daher subjektiv. Er enthält Meinungen und Wertungen, nicht alles wird von allen geteilt werden, geht auch gar nicht.
Haken wir kurz das Sportliche ab: Der HFC Falke hat verdient 5:1 gewonnen, der (direkte) Aufstieg wird sich wohl am letzten Spieltag im Aufeinandertreffen mit Altona II. entscheiden.
Unsere IV. dürfte trotzdem mit dem Abstieg nichts mehr zu tun bekommen, aktuell sind es sieben Punkte Luft nach unten.
Zum Drumherum:
Natürlich ist es kein normales Spiel, wenn St.Pauli und Falke aufeinandertreffen. Dies merkte man schon daran, dass es wohl zum ersten Mal für die IV.Herren Eintrittskarten gab. Wenn ich nichts verpasst habe, war dies an der Feldstraße auch erst das zweite Mal überhaupt der Fall, erstmalig passierte dies letzte Saison beim Pokalhalbfinale der St.Pauli-Frauen gegen den hsv.
Dieses Mal wurden 250 Tickets im Umfeld der IV. verteilt, die gleiche Stückzahl ging an den Gast, allesamt kostenlos.
Der ÜBERSTEIGER hatte sich früh um ein normales / positives Verhältnis zu Falke bemüht (sowohl im Print als auch jüngst im Podcast), ich für mich kann an dieser Stelle auch nur festhalten mit den handelnden Personen ein gutes Verhältnis zu haben.
Geht aber eben nicht zwingend allen so, dazu später mehr.
Die Fakten:
Der HFC Falke hatte als Treffpunkt das Shamrock ausgegeben, dies war allerdings von St.Paulianern besetzt, weswegen kurzfristig auf die U-Bahn Feldstraße ausgewichen wurde.
Der Eingang befand sich in der Gasse des Doms direkt am Bunker, vor dem Eingang wartete eine größere Anzahl St.Pauli-Fans. Viele Falke-Fans gingen hier bunt gemischt durch und waren schon frühzeitig am Platz.
Als eine größere Gruppe Falke-Fans in den Gang einbog, wurde diese angegriffen. Es fand eine kurze Hauerei statt, das Schätzen von Personenanzahlen auf beiden Seiten überlasse ich anderen, ebenso das Aufführen von Gegenständen auf beiden Seiten.
Nach etwa einer Minute war das Ganze durch und man ging seiner Wege, als die Polizei später eintraf, hatte sich schon lange wieder alles beruhigt.
Die Rede ist von drei verletzten Falke-Fans, denen natürlich gute Besserung.
In Gesprächen während und nach dem Spiel mit mir bekannten Falke Fans zeigte sich ein großer Teil der Gruppe vom Angriff geschockt, damit hatte man einfach nicht gerechnet, gerade nach dem ruhig verlaufenen Hinspiel.
Andere hingegen nahmen den Vorfall recht “sportlich”, als vorweggenommene Dritte Halbzeit. Letztere waren aber eher in der Minderheit.
Ab jetzt verlasse ich den nüchternen Bericht und versuche, die Hintergründe zu beleuchten.
Es gibt eine lange Liste von Vorfällen seit dem letzten Sommer, die im Einzelnen nicht zwingend für die Öffentlichkeit gedacht ist, den Betroffenen aber bekannt sein dürfte.
Öffentlicher Höhepunkt war kürzlich der Angriff auf einen 9-Sitzer mit St.Pauli-Fans, der aus Aue zurückkam.
Moment… das waren aber immer hsv-Fans, keine Falke-Fans?
Ja, schon richtig. Auch richtig, dass der Verein versucht, dies strikt zu trennen.
Personelle Überschneidungen lassen sich dabei aber eben nicht verhindern, anschließende persönliche Sympathie-Bekundungen oder lustige Kommentare zu jenem Angriff im Internet sind zusätzlich auch nicht gerade hilfreich, wenn es um eine Deeskalation zwischen St.Pauli und Falke geht.
Klar aber auch: Jene Kommentare im Internet dürfen nicht wirklich als Begründung für so eine Aktion dienen.
Wie im MillernTon mit Tamara Dwenger (Präsidentin des HFC Falke) zu hören war, so hatte sich auch vor dem Hinspiel entsprechendes Klientel bei Falke interessiert am Spiel gezeigt, wurde aber recht deutlich mit „Ihr seid hier sonst nicht, dann braucht Ihr auch zu diesem Spiel nicht zu kommen!“ vorab ausgeladen.
Und abgesehen von ein paar „Scheiß St.Pauli!“-Rufen kann man auch ganz klar festhalten, dass das Hinspiel zwar in einem emotionalen Rahmen verlief, es aber keinerlei Übergriffe gab. Und die Rufe kann man dann auch ganz gut aushalten.
Der Gästeanhang beim Hinspiel war aber auch eher im niedrigen zweistelligen Bereich zu verorten.
Bleibt die Frage: Was hält man nun davon?
Körperliche Auseinandersetzungen passieren beim Fußball. Dies ist nichts Neues und wird voraussichtlich auch nie verschwinden. Auch die Fanszene des FC St.Pauli war nie gewaltfrei, auch wenn dies oft verklärt so dargestellt wird.
Allerdings ist es schon eine andere Nummer, wenn man dies in die Kreisliga verlegt. Zumal zu einer Mannschaft, die den Fußball als Hobby betreibt und sonst vor einer Kiste Bier und ein paar Kumpels spielt, sich dann aber plötzlich nach dem Spiel noch auf dem Feld von Reportern(!) fragen lassen muss, warum man sich denn nicht um ein Sicherheitskonzept für das Spiel gekümmert habe.
Tja, weil es Kreisliga ist vielleicht?
Und dann wird es auch nicht besser, wenn der überwiegende Teil der Protagonisten vom Sonntag noch nie ein Spiel der 4. Herren gesehen hat und voraussichtlich auch keins mehr sehen wird, diese aber eben als Bühne missbraucht.
Ich will jetzt nicht in das Gejammer einsteigen, dass auch Frauen und Kinder betroffen hätten sein können. Ich gehe seit ca. 35 Jahren zum Fußball und ich kann einigermaßen einschätzen, ob es sinnvoll ist zu so einem Spiel sein Kind mitzunehmen. Und wenn ich das tue, verhalte ich mich entsprechend und halte mich auch von entsprechenden Gruppen fern. Davon ab ist besagten „Frauen und Kindern“ (zum Glück) auch nichts passiert, der Schrecken saß aber sicher einigen in den Gliedern und auch das muss natürlich nicht sein. Muss es aber auch bei Männern nicht, nur mal nebenbei.
Da der Dom noch nicht geöffnet hatte, hielt sich auch hier das Risiko für Unbeteiligte in Grenzen – ganz ausschließen kann man das aber natürlich an einem Sonntag trotzdem nicht und ob es ein grundsätzlich anderes Verhalten gegeben hätte, wenn der Dom bereits geöffnet gewesen wäre, bezweifle ich dann leider auch mal.
Will sagen: Mit Ruhm bekleckert haben wir uns da ganz sicher nicht, im Gegenteil.
Es bewahrheitet sich also das, was man (spätestens) mit dem Angriff auf den 9-Sitzer schon befürchten musste. Die Spirale dreht sich, Aktion erfordert Reaktion.
Der HFC Falke als Verein mag sich hier noch so sehr wünschen, in diesen Streit nicht hereingezogen zu werden, solange (und sei es auch nur vereinzelte) personelle Überschneidungen bestehen bleiben lässt sich dies leider nur schwer vermitteln.
Da greift dann in der Fußballfan-Logik schnell die Sippenhaft, zumal die Grenzen im konkreten Fall ja schon historisch verschwommener sind als in anderen Fällen. Kann man doof finden, wird aber eben so wahrgenommen.
Für alle Beteiligten ist es daher wohl wünschenswert, wenn sich die sportlichen Wege zur neuen Saison wieder trennen, ein Aufstieg des HFC wäre dafür sicher ein guter Schritt.
Für den FC St.Pauli und seine Fanszene gilt es, intern diesen Sonntag aufzuarbeiten. Dafür sind reißerische Schlagzeilen und dümmliches Ultra-Bashing nicht hilfreich. Ein Vereinspräsident, der persönlich zum Hörer greift und sich beim gegnerischen Verein entschuldigt, zeigt aber schon mal Größe, zumindest wenn die „Wer hat angefangen?“ – Frage für diesen Tag so eindeutig beantwortet werden kann wie in diesem Fall.
Ein großes Plus der Fanszene bei uns war schon immer, dass man Dinge, die scheiße gelaufen sind, auch mal als solche ansprechen kann. Bleibt zu hoffen, dass dies auch im konkreten Fall offen so funktioniert, ohne dass die eine Seite überzogene Forderungen stellt, oder die andere sich dem Gespräch verweigert.
Da habe ich aber das grundsätzliche Vertrauen in die handelnden Personen.
Dem HFC Falke wünsche ich (ganz persönlich) weiterhin alles Gute.// Frodo
Links:
– Fotos Stefan Groenveld
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